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Postschrck-Kont»; stmt Lrhrzig n». 1»-, Dienstag. >1en 28. Mai IS2S 24. Jahrgang /Anzeiger für öas Erzgebirge MZM »I, °m.„ch°n n°,°s ... «... UN. .„ Nr. 121 /luer Tageblatt «: o„»,a »I, »»» Nir Hu,»Ir«Ig. »I« p.stangatt.o — «.ich.int w.rktügllch. tzernfprech. Anschluß Nr. SS. Unnachgiebigkeil der Alliierten sortleyung äer Verbsnctlungen in Paris Me deutschen Delegierten haben am Svnnabendvormittag zunächst mit Owen Young, alsdann mit den englischen Dele gierten verhandelt. I» der wesentlichen Differenz der Ziffern- srage ist eine Annäherung der beiden Standpunkte noch nicht erzielt, jedoch gehen die Verhandlungen weiter. Solange die Mernsrage nicht erledigt ist, kann eine Entscheidung über die dröj ausstehenden Vorbehalte nicht getroffen werden. « Die deutschen Delegierten Dr. Schacht und Geheimrat Kastl haben am Sonnabendnachmtttag mit dem ersten franzö sischen Delegierten ANoreau verhandelt. Auf Grund dieser Unterredung ist die Zahlcnfrage endgültig dahin geklärt wor den, daß von den Gläubigerländern o«ne Erhöhung der Voung- s^r-l Wahlen um jährlich 52,8 Millionen Reichsmark gefordert wird, lieber diese Forderung gehen die Verhandlungen weiter. In einem Artikel behandelt die Deutsche diploma tisch-politische Korrespondenz das Neparativnsmemo- randum der Gläubigermächte. Die Korrespondenz schreibt: Es hat sich klar gezeigt, was ja auch die Gläubigersachverständigen nicht leugnen, daß es sich um eine ganz wesentliche Erhöhung gegenüber dem Owen Youngschen Zahlungsplan handelt. Der Young-Plan ist also von der Gegenseite nicht angenommen, viel mehr durch, eine komplizierte mathematische Konstruk tion ersetzt worden, die zunächst auf eine Erhöhung der Deutschland zugedachten Jahresleistungen um nicht weniger als je 113 Millionen RM hinauslief. Im weiteren Verlauf der „Aufklärungsarbeit" hat man dann bis zu einem gewissen Grade einen Rückzug aw getreten, bei dem aber immer noch eine jährliche Mehr leistung, gegenüber dem Youngschen Plan von 52,8 Millionen RM und obendrein eine besondere Abfin dung für Belgiens Markansprüche mit zehn Jahres raten zu je 25 Millionen übrig blieb. Ferner werden gerade die ersten zehn Jahresraten gegenüber dem Young-Plan besonders stark erhöht werden, dann wei ter die Jahrcszahlungcn bis zum 20., Jähre, um erst spater abzufallen. Das ist gerade das Gegenteil des Notwendigen und mit der ganzen Konferenz Bezweck ten, nämlich einer Entlastung Deutschlands in der An- fangsperiode, nm ihm die nötige Kräftigung zur Tra gung der großen Gesamtlast auf die Dauer von Jahr zehnten überhaupt zu ermöglichen. Im Augenblick steht also die Zahlenfrage im Vordergrund, daneben spielen aber die deutschen Vorbehalte in einigen wichtigen Punkten weiter eine maßgebende Rolle. Me Schwierigkeiten, die im Augenblick bestehen, rühren zum großen Teil aber offensichtlich daher, daß, sich die Gläubigersachverständigcn überhaupt auf Fragen ein gelassen haben, die gar nicht zu dem Aufgabengebiet der Konferenz gehörten. Denn diese hatte ein Gut achten .über die deutsche Leistungs- und Zahlungs fähigkeit abzugeben und nicht Lösungsvorschläge, etwa für den Separatpunkt der belgischen Markforderungen oder für einen Verteilungsschlüssel der Gläubigermächte, der.auf Pen Ertrag einer etwa gefundenen deutschen Gesamtleistung und ihrer Periodischen Gliederung an-i zuwenden wäre. Es ist unverkennbar, daß durch dieses Hinein tragen nicht dazu gehörender Gegenstände in die eigent- S liche Aufgabe und durch die Verschiebung des Schwer- S gewichtes von der Frage der deutschen Leistungsfähig-ß keit nach der Frage der Gläubigerbedürfnisse hin sich n die Arbeiten so kompliziert haben, daß man nach 13» Wochen schließlich einen Vorschlag zu besprechen hat, s der in der entscheidenden Zählenfrage fast wieder» zum Ausgangspunkt zurückgekehrt ist. Oer sozialdemokratische Parteitag Der sozialdemokratische Reichsparteitag hat am Sonnabend in der Stadthalle in Magdeburg mit Sit zungen des Parteivorstandes und des Parteiausschus ses begonnen. Etwa tausend Delegierte und Gäste aus allen Teilen des Reiches werden in Magdeburg er wartet. Vor der Stadthalle sind Masten mit riesigen roten Bannern aufgestellt, Von der Halle selbst wehen die Farben des Reiches, Preußens und der Stadt Magdeburg. Me Mitglieder der Reichstags- und üand- tagsfraktionen sind größtenteils bereits in Magdeburg eingetroffen, .so auch der Parteivorsitzende Wels, der die Sitzung des Parteiausschufses leitete. Zu den einzelnen Beratungsgegenständen des Parteitages liegen aus allen Teilen des Reiches ins gesamt .rund 175 Anträge vor, davon Mehr als 50 zum Wehrprogramm. Der Bericht des Parteivorstan des, der bereits vorliegt, enthält im übrigen Material statistischer Art. Die Parteiorganisation umfaßt danach gegenwärtig 8916 Ortsgruppen, was eine Zunahme gegenüber dem Vorjahr um 454 bedeutet. Der Mit gliederbestand betrug am Jähresschluß 937 381, rund 70 000 mehr als im Vorjahre. Für die Wählen im Jähre 1928 wurden mehr als 2Vs Millionen RM aus gewendet, für die Wählen seit 1924 fast 8Vs .Millionen. Kundgebung der sozialdemokratischen Arbeiterjugend Mus Anlaß des sozialdemokratischen Parteitages fand am Sonnabend abend in der Magdeburger Stadt halle ein mitteldeutscher Arbetterjugendtag statt, dem die Leitung den Gedanken einer Kundgebung! Per Ar beiterjugend für die sozialdemokratische Internationale zugrundegelagt hatte. Als Gast ergriff der norwegische Sozialist Bratö das Wort. Gr wies in seiner Rede darauf hin, daß! das Problem, das den Hauptgegen stand des Parteitages bildet, da» Wehrproblem, ein internationales Problem sei, da es nur international gelöst werden könne. Internationale Zusammenarbeit sei aber heute noch! schwierig, da auch! der Arbeiter sich,, besonders wenn er sich! freier und ungebundener fühle, an sein Land halte. Die Arveiterinternationale sei auch heute nur Line europäische, sie vielfach sogar eine deutsche genannt. ReichstaMräsident L vb e ergriff das Wort zu einer Auseinandersetzung mit dem Thema „Nation und Völkergemeinschaft. Wir verneinen, so führte er u. a. aus, unser Volkstum nicht, wir erkennen aber weitere, um fassendere Bindungen an, eine allgemeine menschliche Solidarität. Auch! wir sind z. sw^us "e VA stunga» d«s Aeptzelin tzMävs, daß, st« trs unser«. Land vollbracht worden sind. Aber ebenso freuen wir uns über die prächtige Bekundung menschlicher und internationaler Hilfsbereitschaft, als dieses Werk in Gefahr war. Unsere internationale Einstellung .steht nicht im Gegensatz zum Bekenntnis und zur Bejahung unseres eigenen Volkstums. Reichstagspräsident Löbe schloß seine Ausführungen mit einer Warnung vor dem nationalistischen Geist, der an die primitiven In stinkte der Menschen appelliere, und mit einer Kritik des Völkerbundes, der noch kein Bund der Völker, sondern bestenfalls ein Bund der Regierungen sei- Den wahren Völkerbund zu schaffen, wer de die Jugend in der Zukunft berufen sein. Der Sonntagvormittag war ausgefüllt mit Sit zungen von Einzelorganisationen. Der sozialdemokra tische Umzug durch die Stadt gestaltete sich! zu einer eindrucksvollen Kundgebung. In dem Ehrenhof des Ausstellungsgeländes, wo eine zahlreiche Menschen menge den Zug erwartete, fand eine Massenversamm lung statt. Reichskanzler Müller, der ebenso wie der. preußische Ministerpräsident Braun stürmisch begrüßt! wurde, wandte sich! in einer Ansprache gegen den Vor- Wurf, daß die Arbeiterklasse nicht national sei., Ge rade der Sozialdemokratie verdanke man, daß das Reich nicht zusammengebrochen sei. Tier Kanzler forderte aus, auszuharren in dem Kampfe für den Sieg des Sozia lismus. Gestern fand auch! die feierliche Eröffnung des Sozialdemokratischen Parteitages statt. Der Partei vorsitzende Wels ergriff das Wort zu einer Rede, in der er den Eintritt der Partei in eins Koalitionsregie rung und die Haltung gegenüber den Kommunisten j rechtfertigte. Früher sei die Partei Oppositionspartei! gewesen, heute habe sie der Wille von mehr als> einem Drittel des deutschen Volkes zur stärksten Re gierungspartei gemacht. Durch diesen Erfolg sei die jetzige Lage geschaffen. Für alle Parteien sei Verant wortung in der Regierung eine Belastung, besonders in agitatorischer Hinsicht. Wels streifte auch die Ver handlungen in Paris und wie» darauf hin, daß das Deutsche Reich! in seinen Entschlüssen noch, nicht frei sei Wir müssen mit der Tatsache rechnen, so erklärte er, die durch keinen Parteibeschluß aus der Welt ge schafft werden kann, daß ein erheblicher Teil der Ar beit aind der Produktion des deutschen Volkes nicht dem allgemeinen Wohl des eigenen Landes, sondern Jahrzehnte hindurch! den Reparationsgläubigern zu fließt. Lie Beseitigung dieses Zustandes könne nur erreicht werden durch da» Wirken der sozialistischen gurmmationals. Vie Reform cler Arbeitslosen- versieberung Der „Demokratische Zeitungsdienst" weiß au» Reich stagskreisen nähere Angaben über die Reform der Arbeitslosenversicherung zu machen. GS handele sich bei den gegenwärtigen Verhandlungen sowohl um eine Aenderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung als auch um eine Aende rung des Gesetzes über die Sonderfürsorge bei berufs üblicher Arbeitslosigkeit. Im Hinblick auf da» letz« tere Gesetz seien materielle Milderungen noch nicht vorgeschlagen, sondern hier müsse vorerst einmal eine Regelung über die Täuer des Gesetzes getroffen wer den, und zwar soll die gegenwärtige Regelung bis zum Ablauf des nächsten Winters gelten. Für 1929 sollen bis zu 80 Millionen RM zur Verfügung ge stellt werden, damit man für alle Möglichkeiten ge sichert sei. Im Reich sarbettSministerium ist man zu einer Reihe von Aenderungsvorschlägen gekommen, bet de nen auch der Begriff der Arbeitslosigkeit genau um rissen wird. Wettere Milderungen betreffen die Sperr frist, die elastisch! gestaltet werden soll, den Erwerb der Anwartschaft auf Arbeitslosenunterstützung, und endlich wird auch die Frage der Rentner neu geregelt. Gin« Entlastung des Reiches 'soll aber — und da» ist der Kernpunkt der Vorschläge, die im ReichSarbeitSmini- sterium ausgearbeitet wurden — dadurch! eintreten, daß der Reichsanstalt die Möglichkeit geboten werden soll, ihre Einnahmen zu erhöhen, und zwar soll der Ber» waltungsrat der Reichsanstalt ermächtigt werden, in Notzeiten den Versicherungsbeitrag, der jetzt auf drei Prozent festgesetzt ist, aus vier Prozent zu steigerns Es ist ausgerechnet worden, daß auf diese Weise der Reichsanstalt eine Mehreinnahme von etwa 275 Mil lionen RM ^im Jähre zufließen würde. Auch innerhalb der Gewerkschaften sind Vorschläge in Vorbereitung, die sich u. a. auf die Frage de» Minderheitenschutzes der übrigen Gewerkschaften gegen über den freien Gewerkschaften beziehen. Weiter ver langt auch! die Frage der Ersatzkassen eine Regelung? Die Reichsanstalt für Arbeitslosenver sicherung soll nicht mehr das Versiche rn« gs Monopol haben, sondern auch die Ersatz! assen, z. B. der großen Angestelltengewerk schaften. Bei einer derartigen Neuregelung würde schon durch den Konkurrenzgedanken die Retchsanstalt zu größter Sparsamkeit und Rationalisierung gezwungen werden. Entschließungen -er Neichskoloakaltagung Bei der eindrucksvollen öffentlichen Kundgebung der Reichskolonialtagung im Kuppelsaal der Stadthalle in Hannover am gestrigen Abend, bei der nach der Ansprache des Vorsitzenden, Gouverneur a. D- Deitz, und anderen Reden der frühere Gouverneur Dr. Schnee einen Vortrag hielt, wurde eine Entschließung einstim mig angenommen, in der die Retchsregierung u. a. aufgefordert .wird, mit großer Aufmerksamkeit sowohl die von der englischen Regierung hinsichtlich! des Man datsgebietes Deutschostafrika, wie die von der südafri kanischen Regierung hinsichtlich des Mandatsgebiete» Südmestasrika betriebenen Pläne, die aus eine völlige Verschmelzung dieser Gebiete mit denen des Mandatars unter Verletzung der Mandatsbestimmungen abzielen, zu verfolgen und, soweit die englische Regierung glaubt für die von ihr verfolgten Pläne hinsichtlich Deutsch? ostafrikas eine Rechtsgrundlage in den Mandatsbestim mungen zu finden, Seim Völkerbundsrat eine Revision der mit der Völkerbundssatzung in Widerspruch stehen den Absätze dieser Bestimmungen zu beantrage». In einer wetteren Entschließung heißt e»r ,M« Tagung begrüßt lebhaft die von Dr. Schacht in Pari« erhobene Forderung, daß Deutschland zur Erfüllung seiner Verpflichtungen Gelegenheit gegeben werden müsse, sich wieder eine eigene überseeische Rohstoff basis zu schaffen,- die e» mit eigenen Produktionsmit teln, mit eigener Währung und unter eigener Ver antwortung entwickeln und ausbauen kann. Me Ver sammlung erwartet von der Reichsregterung und dem Reichstag, daß sie auf Erfüllung dieser Forderung be stehend Aussperrung in der schlesischen Textilindustrie. Die Aussperrung in der schlchschen Textilindustrie ist am Sonnabend nach Arbeitsschluß zur Durchführung gelangt. Von den Kündigungen sind rund SO 000 Arbeiter betroffen, dazu kommen über lO OOl) Arbeiter, di« bereits vor der Aussperrung im Laus« der letzten Monate infolge ArbeMmangsl avbeMo»