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24. Jahrgang Sonntag, äen 12. Mai 1S2S Nr. 10S Muer Tageblatt -WZM Anzeiger für öas Erzgebirge VWW Lel^ramme: Tagrbiatt floerrzgrdtrs. Enthalten- -le amtlichen öekanntmachunflev -es Rates -er Staöt UN- -es Amtsgerichts fine. poflpheck-tioator stmt Leipzig a«. ISS» vss 6näe äes NMerkauseL Feierliche Auflösung am Freitag. — Um die 615 Unterhaus mandate. — Die Angst vor dem Remis. Das englische Unterhaus wird am Freitag, dem 10. Mai, aufgelöst. Diöse Auslösung geschieht nicht so sang- und Wanglos wie etwa bei uns die Auflösung des Reichstages. Hat das Unterhaus am Fvei'tag seine parlamentarische Tätig- Nsit beendet, dann läßt es sich bitten, dem Oberhaus einen Besuch abzustatten, woselbst der L-or-dkanzler eine königliche Botschaft gur Weblesung bringt. Daraufhin -vertagt sich das Parlament. Einige Stunden später -beruft Georg V. seinen königlichen Rat in das Craigweil-»House. In dieser Rats sitzung wird die bereits beschlossene Auflösung des Unterhauses vom König feierlich unterzeichnet. Am Freitagabend teil: dann die Presse dem Volke mit, daß das Unterhaus aufgelöst ist. Unbekümmert um diese Formalitäten hat der Wahl- kam Pf bekanntlich längst begonnen. Der Kampf um die 615 Unter^aussitze tobt schon aus der ganzen Linie. Bis setzt stnd bereits 16 8 5 Kand i d a l e n ausgestellt. Bon ihnen gehören zur «ko-nserviativen Partei 582, zur Arbeiterpartei 550, Mr liberalen Partei 403. Außerdem kandidieren noch 2! Kommunisten und 27 -Persönlichkeiten verschiedener Kategorien. Damit ist indessen die Kandidatenliste noch keinee-weg- erschöpft. Erst dieser Tage hat Sir John Simon, der Vorsitzende der Simon-Koiinnisfion, ,0er bekanntlich einer de Führer der -liberalen Partei ist, einen konservativen Gegen kandidaten erhalten, weil er nach Auffassung der konservativen Parteileitung, alias Baldwin, die konservative Politik der letzten Jahre -allzu unsanft anfaßte. Gegenwärtig streiten sich die -Konservativen heftig über den Kandidaten, den die Lon doner Universität zu wählen hat. Bisher wurde sie im Unterhaus vertreten durch Dr. Graham Little, der auch jetzt seine Kandidatur wieder aufrecht hält. Das -bis herige M. P. ist bei seinen konservativen Parteifreunden Uber wenig beliebt, so daß eine Gruppe konservativer Wähler be- Aabsichtigt, -am Donnerstag Sir John Gilbert als kou- chserntiven Gegenkandidaten aufzustellen. Die Folge zweier konservativer Kandidaten kann schon sein, wie die .Londoner „T mes" befürchten, daß die konservative Partei diesen Unter haussitz verliert und er eine anders parteiliche Besetzung findet. Der konservative Parteiführer Baldwin wandte sich zu Beginn der Woche an die Wählerschaft mit einem M ani - ? e st, in dem -er die englische Nation darum bat, -der konser vativen Partei die Gelegenheit zu geben, ihr parlamentari sches Werk zu vollenden. Dieses Werk -besteht nach Baldwin in der „Schaffung fester -und dauernder Fundamente für den Wohlstand -der Ration". Dieses Ziel, sagt der konservative Parteiführer, -kann nicht erreicht werden mit den „gefährlichen Experimenten" der Sozialisten und nicht mit den ehrgeizigen und unpraktischen Programm Lloyd Georges. IKeine von den großen Parteien besitzt gegenwärtig noch den Mut, offen -cinzugcstchen, daß k g«n e d i e ge r i 'n g st e sachliche Ans sicht hat, eine arbeitsreiche Mehrheit im Unterhaus zu erobern. Am ehr lichsten ist vielleicht noch MacDonald , der in seiner letzten Sonnta-gsrede die Wählerschaft «ersuchte, zwischen -der konser vativen Regierungspartei und der Arbeiterpartei zu wählen. Eine andere Lösung und -eine andere Wahl sollte nach -seiner »Auffassung ausgeschlossen sein. Schenkt uns die Mehrheit! rief er begeistert -aus, -es -ist notwendig, daß eine Partei, welche es -auch sein mag, die Majorität hat, damit das nächste Parla ment das Land ununterbrochen fünf Jahre lang regieren kann. Jeder Parteiführer, auch Lloyd George, gebärdet sich im Wahlkampf so, als ob er die Mehrheit erringen würde und taktiert demgemäß. In parteiamtlichen konservati ven Kreisen glaubte man noch vor wenigen Wochen, aus den Mahlen mit einer Mehrheit von wenigstens 100 Stimmen hervorgehen zu können. Diese Mehrheit ist heute schon -auf 3.5 Unterhaussitze zufammengeschmolZen und schwindet in der Siedehitze des Wahlkampfes immer mehr dahin. Schon wird auch von konservativen Führern« damit «gerechnet, daß die 'Wahlen mit einem Remis enden, «also keine Partei mehr als die Hälfte der SIS Unterhaussitze «erobern wird. Der linke FlügÄ der Konservativen befürwortet für bissen Fall Wünd- n-isverhandlungen mit -den Liberalen aus -der Grundlage, daß die Friedens- und Abrüstungspolitik energi scher fortgesetzt wird, daß die produktive Arbeitslosenfürsorge in England kömmt und «eine Wahlreform mit dein Ziel der Einführung Ivan Stichwahlen gemacht wird. Die Diehards, der rechte Flügel der konservativen Partei, Will van solchen Plänen aber «durchaus nichts wissen. Die Liberalen «unter der energischen Führung INohd Georges rechnen bestimmt mit 90 bis 100 Mandaten. In diesem Falle Höffen sie im neuen «Unterhaus den Ausschlag stöben M «können. Da Lloyd George im Wahlkampf die Sozia lisierung ebenso scharf bekämpft, wie es die Kommunisten tun, ist jetzt '-schon die an tisozi «al «i st i s ch -e E i n h eitsfvont hergcstellt. Die liberalen Führer verspüren auch nicht die ge ringste Lust, Mit -den «Sozialisten zusammen-zugehen. Wenn die Konservativen aber ihnen nicht weit entgegenkommen, werden sie nach ihren «Erklärungen im Wahlkampf Gewehr bei Fuß stchen bleiben und eine abwartende Haltung einnehmen. Jetzt hat der englische Wähler das Wort! Am 10. Mai wird das Unterhaus aufgelöst. Bis zum 20. Mai müssen sämtliche Kandidaten aufgestellt werden. Am 30. Mai ist Wahltag. Die Wahlergebnisse werden am 30. un-d 31.Mai verkündet. Sollte die englische «Wählerschaft -sich dahin aussprechen, daß keine Partei allein berechtigt sein soll, die Geschicke Englands in den l nächsten Jahren M lenken, «dann Müssen sich die englischen I Parteien zur Arbeitsgemeinschaft mit zeitlich üe- I «grenzten Programmen zusammLnschließen, Annahme des amerikanischen Vorschlags durch die deutschen Vertreter Havas über die Entwickelung der Reparationsbesprechungen. Havas berichtet: Die Sachverständigen der Gläubi-ger- ? m-ächte sind gestern nachmiiiag 3 «Uhr unter dem Vorsitz von 8 Owen Aoung zusammeug-etveten, der seine Kollogen über den « Verlauf der Verhandlungen, die -er seit Sonnabend mit der deutschen Delegation führt, unterrichtete. Owen Doung hat besonders darauf hingewiesen, daß er sich mit dem Führer der deutschen Delegation über ein Verfahren geeinigt habe, das geeignet sei, es sämtlichen inteve-fsievten Delegationen zu ge statten, ohne «grötzerersiHÄtverluIsl di<1 Borbchaltq und Bödiin-gun- - gen, die die deutschen Sachverständigen «an die Annahme der letzten von ihm vor geschlagenen Zahlen knüpften, in ihren i Einzelheiten kennen zu lernen. Zu diesem Zweck wird Dr. «Schacht dem Vorsitzenden des Redaktionsausschusses, «Sir Jo- l sich Stanip, die Vorbehalte angeben, die er im Namen der - deutschen Delegation in den allgemeinen Bericht über die j Arbeiten der Konferenz ausgenommen zu wisse» wünscht. Der «Führer der deutschen Delegation wird andererseits dem Komi tee bckanubgeben, daß er auf der Grundlage beS in dieisel Weise «abgeänderten allgemeinen Berichtes bereit sei, die Zah len Owen Uoungs «anzunehmen. Unter diesen Umständen wird der Sachverständigenwusschuß, sobald er einmal im Besitz die ser Dokumente ist, sich in erster Linie über die deutschen Vor behalte auszusprechen haben. Man nimmt an, daß er in der Lage sein wird, mit deren Prüfung am kommenden Dienstag öder Mittwoch zu beginnen, «wie aus englischer Quelle ver lautet, kömmt entgegen den .Erwartungen, die die französische Presse geäußert hat, kein Sondermemorandwm Dr. Schachts in Frage. Sir Josiah Stamp habe vielmehr den allgemeinen Bericht über die Konsereuzarbeiten zusammen wit Dr. «Schacht neu bearbeitet und die GebaNkengänge Dr. Schachts über die «Sicherheiten, die Deutschland im Falle der Annahme der Doungschen Ziffer haben «müsse, mit hineiugenommen. Dieser Bericht werde voraussichtlich am kommenden Sonntag fertig gestellt sein und «dann Dr. Schacht unterbreitet werden. Die Gründe der Auflösung des Roten Frontkämpferbundes Der preußische Minister des Jnnern hat soeben der Bun- I desführung -des «Röten Frontkämpferbundos dis Tatsache «der i Auflösung «sowie die Griünde mitgcteilt, die zu der Auflösung » geführt haben. Der Amtliche Preußische Pressedienst «gibt «aus ! der Begründung den nachstehenden Auszug, der sich insbesou- I «dere mit «einer Darstellung der gesetzlichen Voraussetzungen, s die zu dem «Verbot «geführt haben, befaßt: „Um führend, nach außen jedoch möglichst unmerklich, in z den «Verlauf der Ereignisse «eingreifen und diese der politischen sj «Einstellung des Bundes entsprechend Vorwärtstreiben zu «kön- d nen, hatte der RFB. bereits vor dem 1. Mai 1929 an seine «Mitglieder -den Befehl ausgeg-eben, sich «bei den «trotz des be- «istehenden Verbotes labzuhalteüden Umzügen ohne BuNd-cSklei- s düng zu beteiligen. «Dieser Befehl ist befolgt «worden. Denn l «tatsächlich ist bei den Unruhen am 1. Mai und den folgenden S Tagen in Berlin zwar kein uniformierter Roter Frontkämp- g fer beobachtet worden., dagegen «sind l unter den Demonstranten nno Ausrührern eine große Anzahl von Mitgliedern des RFB. und der RI. g in bürgerlicher Kleidung fgstgestellt -und verhaftet worden. « «Hieraus ergibt sich, daß der «RFB. bewußt «und planmäßig das I von der zuständigen Behörde, dem Polizeipräsidenten in B-er- I lin, erlassene Demoustrntionsvepbo't mit allen Mitteln zu durch- I brechen versucht hat. Damit ist der Beweis erbracht, daß cs I zu «den Zwecken oder Beschäftigungen des Bundes -gehört, Maßregeln der Verwaltung durch ungesetzliche Mittel zu v-cr- hittd-cru oder zu entkräften «(8 «16-9 RS'MB.). Seit Jahren wird der RFB. von kommunistischen Abge ordneten und Bundesslühreru als Elitetruvpe slir die kommende Revolution bezeichnet und angesehen. Nach der Broschüre „Roter Front kämpfer, einen Schritt weiter zur KPD!", hernusgegöben «von Hugo Eberlein, M. d. L., leistet der RFB. «eine wichtige un entbehrliche Vorarbeit „für den Machtkampf der Arbeiter klasse", indem «er in «d-aS Bewußtsein der Massen den Gedanken emhämmert, daß der «Sieg der Arbeiterklasse kein«« Frage des sri-ödlichen HineiNwachsens in den Sozialismus sei, vielmehr letzten Endes „nur die bewaffnete Macht" der Arbeiterklasse die „Entscheid'irng" bri-ngen könne. Daher ist -der RFB. -in straffer Disziplin Mr den Kampf zum Sturz der Regierung und zur Ausrichtung der Diktatur des Proletariats geschult worden. Danach ist der RFB. eine staatsfeindliche Verbin dung, die die Bestrebung verfolgt, die verfassungsmäßig s-eftge- stellte Staatsform des Reiches zu untergrüben, ja, darüber hin aus, mit Gewalt zu stürzen. Wie sich gelegentlich der Berliner Mai-Unruhen weiter hin ergeben hat, haben sich die «an den Ereignissen beteiligten Roten Frontkämpfer auch im unbefugten Besitz von Waffen befunden. Der RFB. ist somit auch als eine staatsfeindliche Verbindung auzusehen, deren Mitglieder unbesugt Waffen be sitzen. Der RFB. ist nach militärischem Muster theoretisch un-d Praktisch ausgMldet worden. Nach Auffassung der Füh rung des Bundes ist das Ziel des Umsturzes der bestehenden Verfassung und «die «Aufrichtung der proletarischen Diktatur nur «von «einer militärisch ausgebildeten und disziplinierten Kampf truppe zu erreichen. Deshalb hat jede Abteilung des RFB. neben dem politischen Führer einen sog. technischen Führer, Hessen Aufgabe es ist, die WstglieLer «des Bundes nach dem von der -Bundesführung herausgsgebenen Kommanboreglement auszubilden. Es ist danach festzustellen. Laß der RFB. sich mit militärischen Dingen befaßt, daß also sein Verhalten im Widerspruch zu den Bestimmungen des ArtikÄs -177/78 des Friedensvertrages sicht, (z 1 des Ge setzes zur Durchführung der Artikel -177/178 des Friedensver- -trages vom 22. März 192-1). Di-e Häufigkeit und Planmäßigkeit der Angriffe und U-ebersälle aus politisch An- d-e r s g es inu t e Und P o liz «ei beamte rechtfertigen den Schluß, daß «es sich hierbei um ein gewolltes, vvn der Füh rung zum mindesten gebilligtes Verhalten handelt. .Es ist daher festzustellen, «daß der RFB. sich auch damit be - schästigt, sa deu Zweck vepsülgt, Körperver letzungen, Landfriedensbruch un-d ähnliche S - v a ft -a t -e n zu v «erüb -e n. Es liegen also «auch die Vor aussetzungen des 8 2. Abs. 1 des Reichsverei-nsgesetzss vom 19. April 1908 vor. die Länüer un- -er Rolfrontbun- U ebcr den Verlauf der gestern tm Reich-Minister rium des Innern abgeyaltenen Konferenz der Bertre- ter der deutschen Länder, namentlich der Innenmini sterien, mit Vertretern der Reichsregierung über die Frage eines Verbotes des RotfrontkämPserbundeS er fährt VDZ. ergänzend, daß«, nachdem die Vertreter der Ncichsregierung und der preußischen Regierung eine ausführliche Begründung zu dem Verbot des RotfrontkämPserbundeS gegeben hatten, die Vertreter der Länder das Auftreten dieses Bundes in ihrem Be zirk schilderten. Dabei betonten die Redner der Län der, in denen der Notfrontkämpferbund noch nicht ver boten ist, daß dieser Schritt wegen der bei ihnen cmt- ders liegenden Verhältnisse unterlassen worden 'fst. Sie hätten keinen zwingenden Anlaß und nicht di« notwendigen Rechtsgrundlagen für ein Verbot erken nen können. Die Vertreter per Reichsregierung und der größeren Länder waren jedoch der Meinung, e» handele sich nicht darum, wie die Verhältnisse in de« einzelnen Gemeinden lägen, sondern hl ter stehe eine allgemeine deutsche Frage zur Erörte rung. Wie das Nachrichtenbüro des Verein». Deut scher ZeitungSverleger von unterrichteter Seite hört, rechnet man daher damit, daß sich auch die üb rigen Länder dem Verbot des Rotfront kämpferbundes anschliehen werden. Tin formeller.Beschluß wurde Von der Länderkonferenz allerdings nicht gefaßt. Die ReichSregterung dürfte an die Länder, die bisher noch kein Verbot ausge sprochen haben, ein besonderes Ersuchen richten. Auch die „Rote Sturmsahn«" beschlagnahmt Gestern Abend wurde von Beamten der politischen Abtei lung des Polizeipräsidiums die „Roke Sturmfahne", ein Er satzblatt «für -die verbotene „Rote Fahne", während des Druckes beschlagnahmt. Der Inhaber der Druckerei wurde vorläufig festgewommen.