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Celrgramm,: Lag,bla« flu.krzgebiro, Enthalten- -le amtlichen Bekanntmachungen -es Nates -er Sta-t «u- -es Amtsgerichts Nur. Postscheck-»«!», r Fmt Leipzig a«. Iper Mittwoch» äen 22. August 192S 23. Jahrgang Poincars vühvt sich WM Frankreich keine Verständigung? Woche wird Met wichtige Kabinettssitzungen uringen, di« betde der Vorbereitung der Pariser Unter- z^chnungSfeterlichkeiten und der Vorbereitung der Gen fer Verhandlungen gewidmet sein werden. In Frankreich wird das Kabinett, entgegen allen Versicherungen, wühl auch über diese Probleme am Donnerstag beraten. Denn in Paris wird man sich ja nicht im Unklaren darüber sein, daß man bei einer Zusammenkunft der Außenminister schließlich, nicht aus schließlich von den Schönheiten, der französischen Haupt stadt und von den Reiseerlebnissen der verschiedenen Mi..ister sprechen kann, sondern daß bei einer derarti ger Zusammenkunft naturgemäß auch die Probleme der großen Politik erörtert werden müssen. Tas wird aller- dings nicht in offiziellen Verhandlungen geschehen, son dern in Besprechungen unverbindlicher Natur. Man > i l übrigens auch wissen, daß Poincarees Bemühungen da. auf gerichtet seien, seine Ausschaltung bei den Be- strechungen Briands unter allen Umständen zu ver ändern; der französische Ministerpräsident wolle durch das Kabinett Richtlinien für den französischen Außenminister ausstellcn lassen, sodaß Briand mit gebundener Marschroute nach Genf gehen würde. Am Mittwoch wird sich, voraussichtlich das deutsche v.abinett mit den außenpolitischen Problemen beschäs- ügen. Eine sehr wesentliche Rolle wird bei den Er örterungen naturgemäß die Frage-der Rheinlandräu mung spielen. Man nimmt zwar in gut unterrichteten Berliner Kreisen nicht an, daß diese Frage bereits in Paris angeschnitten werden wird, zumal die in Paris ur Verfügung stehende Zeit allzu kurz erscheint. Bei den Genfer Besprechungen aber dürfte man deutscherseits gar keinen Zweifel daran lassen, daß es sich nicht um die frühere Räumung der zweiten Zone e>der irgendeines Gebietsteiles allein handeln kann, son dern um das Gesamtproblem, da die Besatzung als schwerstes Hindernis für die Verstän digungspolitik betrachtet wird. Es erscheint unter diesen Umständen auch ausgeschlossen, daß deutscherseits für eine frühere Räumung der zweiten Zone irgend welche Gegen leistungen geboten werden könnten. Es ist nicht anzunehmen, daß das Kabinett irgend welche besonderen Richtlinien für den ReichSaußenmi- üister aufstellen wird, zumal in den außenpolitischen Fragen wettgchends Uebereinstimmung im Kabinett besteht. ES bleibt bet so viel Vorbereitungen für die Pa riser und Senser Tagungen schließlich! noch die Frage zu erörtern, ob mit irgend welchen größeren Ergeb nissen zu rechnen ist. Hier scheint ein sehr starkes Mißtrauen am Platze zu sein. In der Schulden- und Reparationsfrage ist mit irgendeinem Fortschritt sicherlich nicht zu rechnen. ES ist ja wiederholt betont worden, daß diese Probleme ruhen müssen, bis der neue amerikanische Präsident sein Amt übernommen haben wird, was erst im Früh jahr des nächsten Jahres der Fall sein wird. Aber auch in der Räumungsfrage wird man leider mit für Deutschland günstigen Ergebnissen nicht rechnen können. Die französische Presse hüt so ost und so nachdrücklich! betont, daß an eine vorzeitige Räu mung der Rheinlands ohne schr erhebliche deutsche Ge genleistungen nicht zu denken ist, daß kein französischer Staatsmann es wagen wird, sich, auf einen anderen Standpunkt zu stellen. Und ein Machtwort können w i r ja nicht sprechen. Außerdem stehen England und Frank reich nach, dem Abschluß ihres neuen Bündnisses in der Räumungsfrage fest zusammen. So wird man, wie die Tinge nun einmal liegen, nicht damit rechnen kön nen, daß Tr. Stresemann große Erfolge au» Parts und Genf hetmbrtngt. Oie neue Entente Oorcliale beliebt. Mißstimmung in Rom und Washington. Im Zusammenhang mit den Ausführungen über die beiden Kabinettssitzungen sind auch die folgenden Zeilen interessant: In der gesamten Weltpresse beschäftigt man sich seit einiger Zeit eifrig mit der Politk de» englischen Auswärtigen Amtes. Man glaubt Grund genug zu der Annahme zu haben, daß London eine Schwenkung vollzogen hat und daß sich England wieder in weitgehendem Matze Frankreich genähert hat. Wan verweist auf da» ja noch.immer von einem geheimnisvollen Dunkel umgebene englisch-französische Flottenkompromiß, man führt als wetteren Beweis d.a» Zusammenwirken englischer und französischer.Truppen in gemeinsamen Manöver» im besetzten Gebiet an. Kein Wunder, daß man unter solchen Umständen in Rom etwas nervös geworden ist, da man immer mehr den Eindruck gewinnt, daß die englische Politik sich von Rom fort auf Paris orientiert. Aber auch in Washington ist man von den letzten Schritten der englischen Politik unangenehm berührt? man glaubt, daß nicht nur in der Abrüstungsfrags eine weitgehende englisch-französische Einigung erzielt worden ist, son dern daß auch in der Schuldenfrage London und Parts gemeinsam gegen Washington stehen werden. Es ist nun recht bemerkenswert, daß die Ver mutungen Über eine Wiederbelebung der alten „Entente cordiale" auch in der französischen Prasse bestätigt wer den und zwar von Herrn Sehdoux, der während« des MuhrkrtegeS Poincarees rechte Hand war» und der zum französischen Auswärtigen Amt auch heute noch sehr gute Beziehungen^ unterhält. Auch Sehdoux stellt in einem Artikel, den der „Petit Parisien" veröffentlichte, fest, daß die letzte Reise des Generalsekretärs des französischen Auswärts-! gen Amtes Berihelot nach England die Entente noch verstärkt habe und daß das englisch-französische Flotten abkommen gewissermaßen die Krönung dieses Werkes darstelle. Wenn er des weiteren an die Vorliebe Chamberlains für Frankreich erinnert, so sagt er damit allerdings nichts Neues, hat man doch früher schon einmal von Chamberlain gesagt, daß es für die englische Politik gut wäre, wenn der Außen minister ebenso gut amerikanisch spräche, wie er fran zösisch spricht. 'Auch. Chamberlain selbst hat ja aus seinen freundschaftlichen Gefühlen Frankreich gegenüber j nie ein Hehl gemacht. Sehdoux kommt zu dem Schluß, E daß man in England die Gefahren, die aus einer wirtschaftlichen 'Annäherung zwischen Frankreich, und ! Deutschland für England erwachsen könnten, rechtzeitig erkannt habe und sich deshalb lieber Frankreich! zuge wandt habe, das bei einer allgemeinen Verständigung! den Gedanken der wirtschaftlichen Annäherung anj Deutschland zugunsten Englands opfern werde. So bestätigt auch dieser Artikel, daß die Mel dungen über sine Wiederbelebung der Entente nicht aus der Luft gegriffen sind. ME« Vorbereitungen kür Paris uncl Gent. Die Berliner Vorbereitungen für die Reise nach Paris und Genf find getroffen. Dr. Stresemann wird auf seiner Reise nach Paris nur von seinem Sekretär, Konsul Bern hard, und deni Vortragenden Lcgationsrat Riedlhammer be gleitet sein. Die Mitnahme weiterer Beamter des Auswär tigen Amtes Ist nicht beabsichtigt. Am 28. August abends wird Dr. Stresemann die franzö-. fische Hauptstadt verlassen, um nach Genf zu reisen, wo am 29. die Tagung des Bölkerbundsrates beginnt. Zu einem etwas früheren Termin wird die deutsche Dele gation für die Völkerbundstagung unter der Führung des Staatssekretärs von Schubert sich nach Genf begeben. Wie im vergangenen Jahre werden außer den Referenten des Aus wärtigen Amtes auch Mitglieder des Reichstags zur deutschen Delegation gehören und in die einzelnen Kommissionen ent sandt werden. Es sind laut „Bossischer Zeitung" von der Re- gi-.-.uua zum Eintritt in die Abordnung eiuaeladen worden: Graf Bernsdorff, der frühere demokratische Abgeordnete, fer ner Abgeordneter Dr. Breitschetd von der Sozialdemokratie,! Abgeordneter Dr. Kaas vom Zentrum, Abgeordneter von Rhetnbaben (Deutsche Bolkspartei) und Abgeordneter Liud- etner-Wildau, der Vorsitzende der deutschnationalen Reichs- tiaasfraktion, von dem aber eine zusagende Antwort bisher nicht cingcgaugen ist» Neue Verdatungen in der Kriegsanleiheaffäre. Die Untersuchungen in der Kriegsanleihebetrugsaffäre haben einer Korrespondenz zufolge zu neuen Feststellungen ge führt, auf Grund deren drei weitere Personen in Unter- luchungshaft genommen worden sind. Uebcr ihre Personalien werde seitens der Behörden strengstes Stillschweigen bewahrt. Es handele sich bei den Verhafteten um einen Personenkreis, der an den Beschuldigungen gegen den früheren Sekretär von Hugo Stinnes junior, von Waldow interessiert sei, und von dem den UntersuchunasbehSrden anfangs in dem Falle Wal- dow Fingerzeige gegeben worden seien. Mas will äie Interparlamentarische Union? Zur Berliner Konferenz der Union vo« 23. bis 28. August. Als zum ersten Male vor dem Kriege im Jahre 1908 die Interparlamentarische Union ihren Kongreß in Berlin abhtelt, weigerte sich Kaiser Wilhelm, im Gegensatz zu den monarchischen Oberhäuptern anderer Stauten, die Teilnehmer der Konferenz zu empfangen. Der Grund dafür lag weniger in der Abneigung des Kaisers gegen die Ziele und Bestrebungen der Union, als vielmehr darin, daß er grundsätzlich, nicht Mitglie der sozialistischer Parteien empfing, von denen eine große Zahl der Interparlamentarischen Union ange hörte. Aber auch in anderen Ländern waren vor dem Kriege die Union und ihre Veranstaltungen Angelegen- hetten, über die man mit kurzen Bemerkungen zur Tagesordnung hinwegging, wenngleich sie auch! in den 26 Jahren, die sie bei Ausbruch! de» Weltkriege» schon bestand. Zahlreiche, sehr wett greifende Anregungen ge geben und Gedanken zur Durchführung gebracht hatte. Sind doch ihrer Anregung in erster Linie die Haager Friedenskongresse der Jahre 1899 und 1907 zu ver danken. Immerhin stellt sich, die Union jetzt doch al» ein ungleich viel bedeutenderer Faktor de» weltpolitischen Lebens dar und die Aufmerksamkeit, die man ihr und ihren Tagungen zollt, ist.ein Beweis dafür, wie stark das moralische Gewicht dieser Vereinigung, di« nun ge rade 40 Jahre alt ist, gewachsen ist. Ihre allgemeinen Ziele wurden schon in der ersten Besprechung zwischen den gedanklichen Urhebern der Union, die 1888 einander in Paris trafen, .um im nächsten Jähre, dem großen Pariser WeltauSstellungS- jähr, die Union offiziell zu begründen, in großen Zü gen festgelegt. ES handelte sich um die möglichst nach drückliche Förderung der Idee der Schiedsge richtsbarkeit iy den zwischenstaatlichen Beziehen- gen. Es bedarf keiner ausführlicheren Darlegung, in wieweit trotz der Kriegskatastrophe diese Idee sich in zwischen durchgesetzt hat. Aufgabe und Absicht der In terparlamentarischen Union und ihrer Konferenzen ist jedoch, die Praxis der schiedsrichterlichen Verständigung in allen möglichen Streitfragen immer mehr zu er weitern und zugleich auf alle nur möglichen Sonder gebiete auszudehnen, deren Einbeziehung in interna tionale Besprechungen bisher noch! allzu leicht und allzu häufig als Eingriff in die Staatssouveränität aufge faßt wurde. Gerade in dieser Hinsicht steht aus dem Programm der kommenden Berliner Tagung ein ganz besonders interessanter Verhändlungsvunkt, .nämlich die Be ratung des Ein- und Auswanderung-Pro blems. Der kurze Kommentar des Mitgliedes der ständigen Kommission für soziale Fragen, des Skupsch- tina-Abgeordneten Dr. Secerov, sagt darüber, daß „in Anbetracht der großen Bedeutung der Wan derungsfrage als Welthroblem und in der Erwägung, daß jedem Staat kraft seiner Souveränität da» Recht zusteht, die Einwanderung für sein Gebiet zu regeln, sowie in der Erwägung, daß die in Ausübung dieses Rechts getroffenen Maßnahmen durch! ihre Rückwirkun gen auf die allgemeinen Lebensbedingungen und den Wählstand anderer Staaten die guten Beziehungen zwischen Nationen und deshalb den Völkerfrieden stv- ren können, daß deshalb die 25. Interparlamentarisch« Konferenz den Wunsch aussprtcht, daß dis Staaten zwei seitige Verträge abschlietzen, di« geeignet sind, ent gegengesetzte Ansichten zu versöhnen und die wirtschaft lichen und sozialen Bedürfnisse de» Auswanderers sicher zu stellen." Dieser EntschließungSsntwurf, an den sich auf der Berliner Konferenz noch höchst.interessante Erörterungen knüpfen dürsten, ist ein Musterbeispiel für die Arbeits methoden und die ArbeitSzicls der Union, Pie auf sol che Weise den großen Völkergemetnschaftsgedanken för dert und damit der Praxis der Parlamente sowohl, wie des Völkerbundes Len Weg.sbrrei. In dieser Stellung Zwischen den etnzelstaatliche« Parlamenten und dem Völkerbund liegt praktisch, wohl die Hauptbedeutung der Union. Das weite Feld zwi schen denk Grenzen, die den Parlamenten gezogen sind, und denen, die der Völkerbund vorläufig noch au» Rücksicht auf seine offizielle Stellung anerkennen muß. ist so erfüllt von Hindernissen, von Möglichkeiten zu Mißverständnissen, von falschen Empfindlichkeiten und unfruchtbaren Eifersüchteleien, daß — um ein histo risches Wort äbzuwandeln —r die Jnterparlamenta- rische Union erfunden werden müßte, wenn st« noch nicht existierte, um diese Hindernisse -wischen den Staa ten und dem Genfer Organ der universalen Staaten gemeinschaft wegzuräumen und ihnen den Weg zu einander zu ebnen.