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Tluer Tageblatt Dienstag» äen 17. Zuli 1928 23. Jahrgang ^uzvlger Mr -as Erzgebirge -MAZZ r,i.gramm«: Lag°bla« flu.^s-birg. Enthalten- -le amtliche« öekanutmachnngen -es Kates -er Sta-t UV- -es ch>»aL'M ^ beria)rs Me. Postscheckkonto r flmt Leipzig Ne. lee, Nr. ISS Schweres Eisenbahnunglück im Münchener Hauptbahnhof München, 15. Juli. Im Hauptbuhnhof tu München ereignete sich am Sonntag kurz nach 9.30 Uhr abends ein schweres Eisenbahnunglück. Der Nürn berger Sportzug, Stammzug Nr. 52841, fuhr auf den Vorläufer des SpvrtzugeS kurz oberhalb der Hackerbrücke aus. Gegen Mitternacht wurde an der Unfallstelle be kannt, dass bischer acht Tote und sieben Verletzte zu beklagen sind. Im Vorläufer war aus bisher un bekannter Ursache die Notbremse gezogen und der Zug zum Halten gebracht worden. Etwa eine halbe Stunde nach dem Unfall fingen die beiden letzten in dle Unfallftelle. Die Unfallstelle, die wenige hundert Meter vor der Einfahrt zum Haitptöahnhof zwischen der Hacker brücke und Donnersberger Brücke liegt, wurde bald nach! dem Unfall durch! Landespolizei abgesperrt. Auf den beiden Brücken und seitlich der Bahnanlage sam melten sich trotz der späten Abendstunde zahlreiche Neu gierige an. Tas Rettungswerk wurde besonders da durch erschwert, dass die Feuerwehr den Brand mit Schlauchleitungen von über hundert Metern Länge über die zahlreichen Gleisanlagen hinweg bekämpfen muhte. Nhr nachts konnte die BerufSfeuerweHr, die mit allen verfügbaren Kräften an der Unglücks stelle erschienen war, wieder abrücken. Das RettungL- werk und die AufräumungSarbeiten an -en um diese . immer weiter glimmenden Wagen wurde von D Feuerwehr fortgesetzt. Die freiwillige Sanitatskolonne war bereits um 10.10 Uhr alarmiert darauf mit zahlreichen Aerzten an der Un mustelle erschienen. Nach! Mitternacht traf auch! di« Staatsanwaltschaft ein. Um die zweite Morgenstunde AufräumungSarbeiten noch nicht abgeschlossen; die Gleise sind.noch gesperrt. Als Glück im Ungliick muß es bezeichnet werden, daß der Hauptzug, der eben .nd^, Ausfahrt begriffen war, mit mäßiger Ge schwindigkeit fuhr und daß der letzte Wagen des Vor zuges nur sehr schwach besetzt war. Ein Teil der Rei senden des vorletzten Wagens des Vorzuges konnte sich durch Abspringen aus dem haltenden Zuge retten. einandergeschobenen Wagen zu brennen an. Die Be- -äiupfung de§ Feuers, daS sich sehr rasch auSdehnte. war äußerst schwierig. Durch das Legen längerer Schlauchleitungen war eine Reihe von AuS- und Ein- sahrtgleisen für die anderen Züge gesperrt. Die Hilfs aktion zur Rettung de- Verunglückten, die nach Mit ternacht nach im Gauge war, setzte sofort tatkräftig ein. Urs„ch<> -es Unglücks. München, 16. Juli. Zu dem Eisenbahnunglück in, Münchener Hauvtbahnhof wird berichtet, daß der Lokomotivführer des Vorzuges mit dem Zugführer die Ursache des Ziehens der Notbremse seststellen wollte, als der Stammzug 52 481 sich näherte und aus den Vorzug aufstieß, wodurch die beiden letzten Wagen des Vorzuges ineinandergeschoben wurden Wie es mög lich war, daß der Stammzug abgelassen wurde, wäh rend der Vorzug noch nicht das nächste Blockstgnal er reicht hatte, ist bisher noch nicht aufgeklärt worden- Durch die eindringenden Heizgase aus der Lokomotive des Stammzuges entstand im! letzten Abteil 1. Klass« des Vorzuges ein Brand, der sich! rasch! auf die beiden letzten Wagen des Vorzuges ausbreitete und auch auf benachbarte Zuggarnituren Übergriff. Die Bemühun gen des bald eingetroffenen Hilfszuges richteten sich darauf, die seitlichen Blechwände der ineinander^ escho- benen Wagen zu öffnen, um die Verletzten herauszu bringen. Besonders aus dem mittleren Teil der bei den beschädigten Wagen wurden Hilferufe hörbar. Es gelang nach 11 Uhr, des Feuers soweit Herr zu wer den,- daß der erste Fährgast noch lebend, aber mit schweren Quetschungen geborgen werden konnte. Bald danach wurden zwei tödlich! verunglückte Reisende aus den Wagentrümmern herausgeholt. An der Bekämp fung des Feuers wurde nach, Mitternacht noch immer gearbeitet. Zehn Tote. Wie weiter gemeldet wird, hat das Eisenbahn unglück weitere zwei Todesopfer gefordert. Ein schwer verletzt geborgener Passagier starb noch! vor dem Abtransport, so daß an der Unfallstelle insgesamt neun Tote aufgebahrt sind. Ein weiterer Schwer verletzter erlag seinen Verletzungen in der chirurgischen Klinik. Die Zahl der Toten hat sich damit aus zehn erhöht. Als verletzt wurden um die erste Nachtstunde rund 25 Personen angegeben, von denen der weitaus größere Teil allerdings nur ganz leichte Verletzungen erlitten hat und die zum Hauptbahnhof zurückgebracht wurden und von dort aus größtenteils ihre Wohnungen aufsuchen konnten. Zwei weitere Personen von der RertungSabteilung .erlitten Verletzungen dadurch, daß sie bei den Schweißarbeiten an dem Unglückszug sich, eine Rauchvergiftung zuzogen. An der Unfallstelle waren etngetrosfen ReichSbahndirektionSPrästdent von Bölcker und Vizepräsident Trumm sowie Polizei präsident Mantel. Die Unsallstelle selbst bietet ein grauenvolles Bild der Verwüstung. Auf der Lokomo tive des aufgefahrenen Zuges hängen Wagentetls von dem letzten Wagen des Unglückszuges; die beiden letz ten Wagen des Vorzuges sind fast zur Hälfte tneinan« vorgeschoben. Die Wagen waren derart ineinanderver- keilt, daß eS erst nach Mitternacht gelang, die ersten Toten zu bergen. Die Leichen sind teils bis zur Un kenntlichkeit verstümmelt, teils verbrannt, so daß di« Identifizierung um die zweite Morgenstunde noch nicht abgeschlossen werden konnte. Bisher steht lediglich! fest, daß, sieben Männer und drei Frauen Todesopfer hei der Katastrophe wurden. Noch! um die erste Morgen stunde toar die BerufSfeuerweHr damit beschäftigt, -t« mittleren Abteile der ineinandergeketlten Wagen zu öffnen. Glücklicherweise erwies sich!, daß dies« Abteil« leer waren. Pulverfabrik Hasloch erneut explodiert Drei Tote — stoben Schwerverletzte — sechzehn Leichtverletzte Hasloch a. M., 14. Juli. In der elften Vormittags stunde des heutigen Sonnabends stieg über den Haslocher Bergen eine Rauchsäule auf, die wieder einmal ein Unglück in der Haslocher Pulverfabrik ankündigte. Es sind gerade zwei Jahre her, seit die Pulverfabrik Hasloch durch eine Explosion vollkommen vernichtet wurde. Aus bisher unbekannten Ursachen brach Vormittags im Ab füll raum eine Explosion aus, die einen Braud im alten Teil der Fabrik zur Folge Hatto. Bisher sind drei Tote, sieben Schwer- und sechzehn Leichtverletzte geborgen worden. Zur Zeit des Unglücks war die Belegschaft der Fabrik 130 Köpfe stark. Schwer verletzt ist auch der Pfarrer Schollbrunn, der nach Bekanntwerden des Unglücks gleich zur Unglücksstelle eilte. Zur Stunde, 1,15 Uhr, steht die Fabrik noch in Hellen Flammen. Würzburg, 14. Juli. Schon viermal ist im ganzen die Pulverfabrik von Hasloch von Explosionen heimgesucht worden. 1903 flog sie fast gänzlich in die Luft, damals kam auch der Vater des jetzigen Besitzers, Kommerzienrat Schmidt, ums Leben. 1914 und 1916, im Kriege, ereigneten sich kleinere Explosionen, die aber in ihrem Ausmaß und in der Zeit, zu der sie stattfanden, nicht so beachtet wurden. Die vierte Vor- gängerin der heutigen Explosion, am 20. Mai 1926, war bis- her die schwerste, sie forderte 13 Todesopfer und 9 Schwer- verletzte; unter den Toten waren damals vier Frauen. Die Explosion voin Jahre 1926 führte zu einer Anklage gegen die Besitzer des Werkes, Vater und Sohn Schmidt, wegen fahr lässiger Tötung und Körperverletzung: beide wurden aber auf Grund von Sachverständigengutachten freigesprochen, da keine Vernachlässigung der SicherheitSvorschpiften nachgewiesen werden konnte. Das Werk ist eine Familien-G. m. b. H., die Hauptantetle gehören dem Kommerzienrat Schmidt und der Pfälzischen Pulverfabrik A.-G. in St. Ingbert. Der französische Nationalfeiertag. Die Millionenstadt in Festesfreude. Parts, 14. Juli. Der französische Nationalfeiertag, der in diesem Jahre von einem ganz besonders glänzenden Sommer wetter begünstigt ist, wurde heute in Paris mit dem üblichen Zeremoniell gefeiert. Gestern abend schon be gann die Festesfreude mit den ersten öffentlichen Bällen auf den Straßen und Plätzen der Stadt. Heute mor gen wurde die Bürgerschaft durch die Artillerie, die vor dem Jnvalidendom Salut schoß, geweckt. In den frühen Morgenstunden schon durchzogen Trupp cnäbtei- lungen unter klingendem Spiel die Straßen, um sich zur großen Parade am Triumphbogen zu versammeln. Eine große Menschenmenge hatte sich! um den Triumph bogen und aus den EhamPS Elhsees eingesunden, als kurz vor 9 Uhr die offiziellen Persönlichkeiten erschie nen; die Minister, die Präsidenten von Kammer und Senat, das diplomatische Korps, die Spitzen der Be hörden und die fremden Gäste. Besonders bemerkt wurde der polnische General Haller mit seinem hohen, viereckigen Tschako und drei eingeborene Führer aus Marokko in bunten Gewändern und weißen Burnussen. Punkt 10 Uhr traf per Präsident der Republik, begleitet von Kriegsminister Painleve, am Platz ein. Rasch durchschritt er die Reihen der offiziellen Gäste und Generale und nahm dann persönlich die Deko rierung der Hohen militärischen Führer vor. U. a. erhielten die Generale Nollet und Targe das Kriegs kreuz. Dann begann die große Parade. Während di« Geschwader des 34. Fliegerregiments in geschlossenen Formationen Mer der Stadt Parts schwebten, defi lierten unter den Klängen der Sambre et Meuse zu nächst die Offiziersschüler von St. Ehr mit ihren drei farbigen Federbüschen auf dem' Tschako. Ihnen folg ten die Martneoffiziersschüler, die zum erstenmal die neue Mütze trugen, dann kamen die Nationalgarde, die Pioniere, Marineinsanteristen, die.Radfahrerabtei- lungen und endlich einige Bataillone Infanterie vom 5., 36. und 46. Regiment sowie vom 21. und 23. Kolontalschützenregtment. ES folgte die leicht« Feld artillerie, die Kavallerie und endlich! di« Spezialtrup pen, die Panzerautos, die Tanks, die schweren Auto- mobilgeschütze und die Flugzeugabwehrkanonen. Di« Truppen wurden vom Gouverneur der Stadt Parts. General Gouraud, der als eirytger die neue khaki farbige Felduniform ^eS französischen Heere- trug, dem Präsidenten der Republik dorgeführt. Der Präsident dankte in bewegten Worten und rühmte die Vorzügliche Haltung der Truppen. Der Revue folgte ein Frühstück im Elhsee, zu dem die hohe Generalität geladen war. Heute nachmittag wickelte sich das Nationalsest in den üblichen Bahnen ab. Bor den Theatern, die heute Freivorstcllungen gaben, war teten endlose Menschenschlangen. Auf den Plätzen wur den Sportspiele veranstaltet. Hier und da wurde auch schon wieder getanzt. Seinen Abschluß! fand der Tag in großen Feuerwerken» die an verschiedenen Stellen der Stadt abgebrannt wurden. Und dann wurde ge tanzt bis zum frühen Morgen. Der Sonntag wird dazu verwendet, die Festes freude langsam abkltngen zu lassen. Auch für morgen sind öffentliche Volksbelustigungen in reicher Zähl vor gesehen. Vor allem wird abermals der Volkstanz auf allen Straßen.und Plätzen wiederholt werden. Zahl- reiche Einwohner von Paris haben aber den National feiertag dazu benutzt, eine Nein« Erholungsfahrt nach dem nähen Meere zu unternehmen. Der Andrang an den Bahnhöfen war ungeheuer. Sämtliche Züge muß ten drei- oder vierfach gefahren werden. Besonders die Badeorte der Normandie hatten starken Zustrom zu verzeichnen. Die Befriedung Lydiens. In der italienischen Kammer machte unlängst der Kolo- ntalmtnister Fedcrzoni eingehende Angaben über den Erfolg der militärischen Operationen in der Cyrenaika und in Lybien. Die Tätigkeit der Truppen erstreckte sich über ein Gebiet von mehr als fünfundzwanztgtausend Quadratkilometern, die zum Einsatz gebrachten Streitkräfte umfaßten elf Bataillone ery- thäi chcr und drei Bataillone lydischer Infanterie, acht Schwa- dronen Wischer Kavallerie, eine Gruppe Panzerkraftwagen und sechs Batterien Feldartillerie. Die Truppen operierten in fünf getrennten Abteilungen, von denen zwei von Tripolis, die anderen zwei von der Cyrenaika aus vorgingen. Auch Flugzeuge wurden mit Erfolg verwandt. Zu Kampfhandlun gen kam es kaum, da die Araber sich angesichts des Ueberge- Wichts der Italiener sich selten stellten. Den Hauptwert des Feldzuges sieht man in der engeren Verbindung der beiden Teile der italienischen Besitzungen in Nordafrika, die jetzt er- reicht worden ist. Die Gcsamtkosten der Unternehmung sollen sich auf nur rund zehn Milli»-en Mark belaufen haben. Die italienische RegierM.^ beabsichtigt jetzt, für die Aus führung öffentlicher Bauten in Nordafrika zwanzig Millionen Mark aufzuwenden, von denen ein beträchtlicher Teil auf die Anlage eines leistungsfähigen Hafens in Benghaü bestimmt ist. Man erwartet davon für die industrielle und landwirtschaftliche Entwicklung dÄ Schutzgebietes die besten Folgen.