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Beilage -u Mr. >68 d«» vrur Tageblatt»« und «nze<g»r fllr du« Lr-gebir-«. yrettotz, den U. ßl-vsmö« 1»»?. Vie alten veetkovenbSuler in Wien. Bon Kranz Friedrich Vdortzauser-Wten. Au» der BeraanaenheU ist un» eine Meid« von Däusern und kleinen Häuschen erhalten ««blieben, in denen Beethoven «schaffen, «litten und «hofft hatte. Seine wenia lebhafte Lebensart trieb ihn restlos umher! er Rieb nur Wochen oder Monate hier. Ein einziges Mal wohnte er drei Jahre lanu in ein und demselben Dause und zwar auf der Wiener Land» strafte (hinter dem Stadtpark), aber selbst da mit Unterbre chungen. Vielleicht zwangen den Meister äussere Umstände misslicher Natur, Streit, Unverständnis seiner Lebensart ge- aenüber, zu solch oftmaligem Wohnungswechsel. Zu seinem liebsten Aufenthalt zählen die Däuser in Het- liaenstadt ausserhalb Wiens, in der anmutigen Wienerwald' laudschast, zwischen den sanstqeschwungenen Weingärten des Kaklenberaes. Dieses Heiligenstudt wurde später geteilt: wir nennen es heute Döbling, Grinzing, Sievering und Nussdorf: ..Alt-Wien". DeuriaeNschenken hängen den Köhrenkranz (der den Aus schank des „heurigen" Weines verkündet), auf einer langen Stange vor die Türen. Gitarren, Ziehharmonika und Geigen spielen meist keine echten wienerischen „Gstanzl und Tanz". Es ist laut geworden, eine Attrappe für die Fremden, die das . gemütliche, selige, berauschende Alt-Wien" fischen, bas nur noch in wenigen silberhaarigen alteir Menschen lebt. Die BoMsänaer und „Gspassmacher" sind dahtngegangen: Puder. Schmink, Jazz. . . wir sind beim Aeussevli.cken an« gelangt. Dazwischen aber, in den kleinen Vorstadtgassen, aus den stillen Plätzen, auf denen die Sonne spielt, wo In Akazien und rosarot blühenden Kastanien Me Träume bärigen, stehen die kleinen Weinbaucrnhüuser, fern vorn Trubel der Stadl, ver steckt hinter Ginster und Goldregen. Dnucrhäuser. in denen heute einfache bürgerliche Menschen wohnen, die wahrschein lich keine Ahnung von der „Eroica" haben, von der „Schick- salsshmphonio", von den Kämpfen eines Genies, die in den selben Zimmern tobten, in denen nun alte Mütter und Kranen ihre häusliche Arbeit verrichten und ehrsame Faftbin- derburschen und HaNdwerkergehilsen ihrem Werktag nach- aehen. Me Steiufig-uren vtn Heiligen stehen unter dem Laub der Bäume, die Arme mit Blumen geschmückt. Geranien leuchten an den niederen Fenstern. Es ist eine ländliche, enge Strafte, durch die wir gehen. Da steht, etwas schief und sehr alt, jenes kleine, bäuerliche Naus, in dem der Meister im Hoftrakt wohnte und niederge schlagen. verbittert, verstört und doch ergeben, einer Hoffnung voll, während seines beginnenden Gchörleidens das erschüt ternde. anklagende und namenlos tragische Bekenntis nieder schrieb. das wir „Heiligenstädter Testament" nennen. Kn dem Gartenhaus entstand auch die D-dur-Svmphonie, ebenda beacmn er am Werke der ersten zwei der drei Klaviersonaten ov. 31, vollendete die beiden Variationswerke op. 34 und 35 Der Sommer, den er hier verbrachte, sammelte alle seine Ho f- nllna auf Genesung von seinen körperlichen und seelischen Leiden. Nickt weit von diesem Hause wohnte Beethoven mit Grill parzer zusammen in der Grinzingerstrafte 64, im Sommer 1808. Man hat hier einen herrlichen Blick über die sich auf- schwtnaeNden Höhen des Kahlenberges. Kn der Nähe erklingt das Silberalockenspiel eines Baches, an welchem, nach ver schiedenen Niederschriften ehemaliger Zeitgenossen. „Die Szene am Backe" entstand. Kü diesem Hause, das wohl schon gnrn verändert ist, entstand der erste Entwurf zur qroften Pastorale. Bon hier aus unternahm Beethoven fleiftig seine Spazier gänge. Nach wenigen Schritten eröffnet sich schon der über raschende Blick auf Men, daS sich in blaue Schleier gehüllt an das blaue Band der Donau schmiegt. Das ganze Land liegt wie eine unfaftliche Melodie, ohne Heroismus, ohne gigantischen Zug, doch nicht ohne einen Zug tiefer Wehmut, versonnener Träumerei und demütiger Ergebenheit, wie ein altes Volkslied einfach und beschenkend vor uns. Da denkt man an das Haus unten in der KMenberaer- strafte, eines der schönsten und unverändert erhalten gebliebe nen BeethdvenhäNser Mit dem weiten schönen Garten. Jenes Haus, in dein der Meister in der zweiten Hälfte des Sommers 1817 das Quintett op. 104 komponierte und das viel be rühmtere Lied „Resignation" schrieb. Resignation ist cs, was der gefühlvolle Wanderer in der wienerischen LaMchaft erkennt, in dem ganz wienerischen Wesen: eine lautere Fröhlichkeit, eine Schwärmerei, eine retck« Empfindsamkeit, ein wenia Wetzmut und ein« unser« kennbare Ergebenheit . . , lieber die Weg« und «neigten Mesen wandern wir, immer zwischen Weingärten hindurch. Sonnenverbrannte bauer wirtschaften in den Schenken, Mägde singen. Hinter verwunschenen Laubenqängen -linken weide Billen. Und wieder kommen wir an ein Daus, in dem Beethoven wohnte, über den Pfarrplatz an dein weinen Brunnen vorbc. den Duft dieser blühenden Landschaft um uns. Wir könnten auch auf die andere Sette von Wien nach Süden, nach Mödling und Baden gehen. Auch dort gibt es Beethovenhäuser. Aber sie sind verbaut, und der Duft der alten Zett ist nickt so erhalten wie in diesem landschaftlichem Schmuckstück von Wien, am Kahlenberge. Kein Sommer, dn er nicht eine Wock>e lang in diese bäuerlichen Gasten zrg. Keine enae Strafte, die er nicht durchwanderte, kein Wtcsenp kein Wog in die Weingärten, den er nicht ging, und oftmals Häuser, in denen er gerastet und geschrieben. Kn der Hellen, mit fröhlichem Blau ausgemalten Mauer runde steht eine einfache Mutter Gottes, die Hände voll Blumen. Sie ist alt, vielleicht noch aus der Zeit, da der Meister über diese Plätze stürmte, bewegt, vor sich hin« summend. Bon einer ländlichen Kirch« läutet das Ave in diese Gasten. Wie weit ist doch die brausende «oft« Stadt! Wie wundersam still ist «S Mw den Weingärten, welch ein unbe schreiblicher Zauber liegt Über dieser Landschafti Und bi« alten Häuser stehen verloren im langsam vertvehenden Lag, ferne, einer anderen Zett angehftrend, von der Musik ditäer anmutigen Landscluckt, die Beethoven so Überaus lirbt«, ge schmeichelt. verträumt, versunken in eine arofte Vergangen heit: Häuser aus dem allen Wien . . . Sprechet. tDIc!« Mnbrtt dient znm treten tvtelnunn-iinetniilch mittler tttttr. vtt «chrtttteltung Nberninnnt dufNe nnc dl- ue«in,eI-i>U<d« Iverantmortmig.j Vrr Srwrrkschaftsrlng M Eo-talpoMtt. Unter dem Vorsitz des Abgeordneten Hartmann fand im Reichstag eine Tagung des ReichsnnsschusseS des Gewerk- schgftringeS deutscher Arbeiter-, Angestellten- und Beamten verbände statt. Auf der Tagesordnung stunden zwei seh» aktuelle Referate. Mar Röfs iger-Berlin, Mitglied de. RetchswirtschaftsrnteS, sprach zum Tluma: „Die grundsätzliche Stellungnahme de.8 GewerkschastSrlugcS zur Sozialpolitik. Retchstagsabgeordneter Ernst Lemmcr zeigte die Gefahren auf. die den Arbeitnehmern tin vorliegenden Strafgesetzenl- wurf drohen. Eingehend behandelt wurde die Frage „Stna ober Selbsthilfe." Kn einer sehr angeregten Debatte, an tu. sich u. a. die Reichstagsabgeordneten Erkelenz und Zie ler, Maria Heller sberg, Mitglied des Reichswtrt- schaftsrateA Dr. Beume, Allgemeiner Verband der Vcr- sicherungsanqestellten und die RetchägefclMssührer Müller und Krempel beteiligten, unterbreitete Rössiger (GDA.) als Berichterstatter „Leitsätze des Gewerkschaftsringes zur Sozialpolitik", die einstimmige Annahme fanden. Sie lauten wörtlich: „Sozialpolitik ist die Anerkennung der sozialen Ver pflichtung der Allgemeinheit, drn einzelnen Volksgenossen und Volksschichten gegenüber. Sie hat im besonderen die Erhal tung. den Schutz und die Pflege der menschlichen Arbeitskraft zum Ziele. Kür den modernen Gesellschnftsstaat wird sie auch zu einer wirtschaftlichen Notwendigkeit. Die Verpflichtung der Arbeitnehmer, an der Beschaffung der Mittel mitzuwirken, muft anerkannt werden. Alle Sozialpolitik muft von der An erkennung des Mitbestimmungsrechtes der Arbeitnehmer aus gehen und weitestgehende Einräumung des Rechtes der Selbst verwaltung zum Ziele haben. Besonders in der Sozialversicherung kann sich der Staut darum auf die Schaffung der gesetzgeberischen Grundlagen be schränken und Verwaltung und Ausgestaltung, sowie alles überhaupt nur Mögliche den Beteiligten Merlasten. So ent stehen sozialpolitische Einrichtungen, die den Bedürfnissen der Arbeitnehmer entsprechen und den Erfahrungen des praktischen Lebens gerecht werden. Solche Erziehung zur Selbstverwaltung ist eine besondere Aufgabe des demokratischen Staates. Er soll nicht bevormun den. was durch praktische Selbsthilfe Es eigener Kraft bester gestaltet werben kann. Auf die Weiterentwicklung der deut schen staatlichen Sozialpolitik kann nicht verzichtet werden. Sie ist Spiegelbild des Grades des sozialen Verantwortungs gefühls des Volkes. Die im Rahmen der allgemeinen Sozialpolitik besonders bedeutungsvolle staatliche Sozialversicherung muft. wenn sie türm Z«ck »nchmchm soll. inidrem Aufbau di« verschieden- artigen Bedürfnisse der einzelnen Bevus«stünde berücksichtigen. Köre Leistungen sollen tzevoMM tzen wirUchoMttd Schwach, sten. -en Jugendlichen, den Kranken, den Arbeitsunfähigen, den Arbeitslosen «siv. zugut« komm» und den sismniltenschutz einscklieften. Ler »rin« BrrsichminaVmdanIe mutz hinter dem sozialen verstcherumchaedairken zurücktreten. La« rechtsrrti« di, unter- scktMicke Heranziehung der Beteiligten etnschlieftltck des Staates zu» Bestreitung «er Lasten. Angesicht» der Aufgabe der Sozialpolitik ist da« Wort von der Soziallast eine Irre führung. Auch bei Wegfall der staatlichen Sozialversicherung müsiten von de» Wirtschaft wieder ähnliche Aufwendungen für VersickerungSetnricktunaen auf betrieblicher, genossen- schaktlicker oder freier privater Grundlage «macht werden. (siegen drohende Bürokratisierung dev staatlichen Sozial politik ist die Beschränkung b«r gesetzgeberischen Mahnahmen ans das Grundlegende und bi« weitgehendste Selbstverwaltung durch die Beteiligten der beste Schutz. Die Fortführung der Sozialpolitik muh unabhängig von dem aawerkschrMtcken Kampf um di« DVHerbewertuna der mrnschlickun Arbeitskraft bleiben. Der Kampf um den höhst- mbglichen Lahnnnstil führt durch di» wirtschaftlich» Stärkung der Mast« biß Volke» sogar zu einer Senkung der Gozialaus- gabm. Der Hinwei» auf Leistungen au» der Sozialpolitik darf darum ni« Deckmantel für die Ablehnung wirtschaftlich tragbarer Lokmanfin'üche werden." Ein« weitem von Erkelenz eingeLrachte Entschlieftuna. di« EinMfordernnaen für die Gestaltung und Selbstverwal- «nrm dm Sazlnsversichernng aufftelki, wurde dem engeren Vor- stand zur besonderen Brschlusckaffnna Überwiesen. Ebenso eine diiite Gnstchliehnng, die an da« Referat de« Abgeordneten i'emmer aiiknüicki und den blonderen Schutz der Arbeitneh- wer iin vorliegenden Slrafgesetzentwurf zum Ziele hat. Mehmarikt In Au« am 7. NovsmLer 1927. Amttkch« ip»4k*u»N,»ung«n» 1. Kind«». Pfg. für l PW -i. Vchi«n: vc>Iifliisch>g»att«-»mäNg«tzSchU«n«chla<tz«w«rr«» 1. lunq« . . . . . ». nittr« . . . . , d) sovMg« vattsüifchig» t. woge . . . . . ». alt»« , . . . . c) fbgchi« o) gering genkhrte 8. Nullen: «) pingte« vollsltgchlg« YSchtten Schlachtwerle» . b) lcmplge „ollfleischlgt oder au»g«mStt«t c) sltllchlg« o) gering genährt« . . . . <?. KÜH«! «) ping«« vollsleiichig« HSchlten Schlnchlwerte» . b) IcngNg« vollsttlichlge oder au»gemSttete c) flegchige . . . . . o) gering genährt« . . . . l). yä'srn: ») vollflegchIgeunrg«m8tte»«HSchtten Schlachtwerte» ianlb!nn«n> b) wnltige voWeilchlg« . . . . L.Sr«sf«l! mäßig g-nührt«, Jungvieh II. Kslb«r. «) Doppellender bester Mast , d) best« Malt- und Saugkälber . c) mittler« Mast- und Saugkälber ci) geringe Kälber . . . . . e) geringste Kälber . . III. Schaf«. ») beste Mastlämmer und jünger« Masthamm«! 1. Weidematt . . . . . 2. Stallmatt . . . . . d) mittler« Mastlämmer, Slt«r» Masthammel und gutgcnährt« Schaf« . . . . ci fleischige» Schafvieh . . . . c>) gering genährte Schaf« und Lämmer . - «10 58 55 56 52 45-47 33-40 52 50 IV. Schwein«. l»1 Feitschweine über 300 Pfd. Lebendgewicht . 70 b) vollfl«isch.Schwetn«vonS40—»VVPfd.Lebendge«. 70 e) , . . 200—240 , . «8—70 c>) , , , 160—200 , , S4—5» e) sleischig« , , 130—160 , » — k) , , unt«r 120 , „ — e) Sau«n .....— dän. Rindfleisch 75—80 dänische» Schweinefleisch .... — Lin sekÜnss Ontklir »uQsc?)s Dslkäs i7)U steckßkor^sfcl »z-d. bin äer Doktor Eisenbart. (Zu seinsm LOOMriaen Todestage am 11. November 1927? Bon Kurt Metzer-Rotermund. Keder alte und junge Musensohn kann'aus dem Kom mersbucke den berüchtiqien marktschreierischen Quacksalber, der die „Blinden gehen" und die „Lahmen wieder sehen" macht, — das Urbild des drastischen, halb treffenden, halb enl- stellenden Liedes aber dürfte für sehr viele in mystisches Dun kel gehüllt sein. Um seine Art und sein ANstreten zu verstehen, erinnere man sich, wie Grimmelshausen im „Simplizius" von einem kaiserlichen Soldaten erzählt, der gegen Ende des «30« sährtaen Krieges auf seinen Irrfahrten an Leib und Seele, an Hab und Gut so heruntergekommen ist, daft er, um nicht betteln zu müssen, beschliesst, es mit der praktischen Medizin zu versuchen. Kn Erinneruna an die Behandlung, die ihm einst ein Pariser Doktor hat angodeihen lassen, kaust er sich die Allerweltsmebizin, den Thertak, eine angeblich aus siebzig Stoffen bestehende Mixtur, und zieht auf die Jahrmärkte. Die Ausbeuter der allgemeinen Unkenntnis benutzten alles, was irgendwie im abergläubischen Volk als Heilmittel aalt. Damit wurde dann gutgläubig oder bewusst betrügend darauflos experimentiert. Solche handgreifliche Kurpfusche rei war keineswegs verpönt. Die ekelerregendsten Bestand teile, Ausscheidungen von Mensch und Tier fanden sich als käufliche Medikamente in den Apotheken. Km Kahre 1674 er schien sogar ein Derk, betitelt „Dreck-Apotheke", von Paultni Kn den finstersten Zeiten bildete die „Volksmedizin" ein Nebenaewerbe von Hirten, Scharfrichtern und anderen „wei sen" Personen. Dann üböen Geistliche und Kuden die Heil kunde aus. Nürnberg aber hatte schon im 14. Kahrkmndert der ..höheren Medizin" kundige Stadtärzte — die Hauvtmasi- der de« Kurieren« beflissenen Personen allerdings bestand aus den nichtstudterten Wundärzten, meist Badern, die zur Ader lieften, Zähne zogen, Brüche heilten. Viele befassten sich! auch mit der erfinderischen Behandlung von Speztalleiden und fuhren auf Wochen^ und Kahrmärkte, um durch Schaustellun gen sind Possenreiften die Opfer anzulocken. Dieses Wander gewerbe wurde gegen erhebliche Abgaben konzessioniert, und dieicnigen, die es ausübten, galten dann als „Landärzte", auch wenn ihnen dieser Titel nicht behördlich verliehen war. Angetan mit einem scharlachroten Rock und einer grohen Perücke nebst Dreimaster oder gar in einens orientalischen Talar und mit einem Turban auf dem Kopfe, priesen sie sich dem staunenden Volke zu Kuren feder Art an. Innere Krankheiten Überlieft man, im Bewusstsein der einenen Unzulänglichkeit, dem wissenschaftlich gebildeten Arzte. Bei äufterlich und operativ zu behandelnden Leiden zog man den nichtstudierten, aus dem Handwerkerstände hervorgegan genen Heilkünstler zu Rate. Zu diesen letzteren gehörte auch der berühmte Eisenbart. Sein nicht alltäglicher Name muft Mieren Geschlechtern so seltsam und bizarr geklungen heben, daft man ihn als freie PhcmtasieschSpfuna betrachtete. Und doch hat dieser Wunder- und Wanderdoktor tatsächlich gelebt. Er wurde um 1660 zu Miebach (bet Regensburg) geboren und ist auf einer Geschäftsreise in Hann.-Münden am 11. November 1727 gestorben und dort ansehnlich be graben worden. Dieser Groftbritannisch und Braunschweig- Lünebmraische Leibarzt, wie auf seinem mächtigen Leichen- steine zu lesen ist, gilt zwar seit dem bekannten Liede (1818 in einem Göttinaer Kommersbuch« zuerst veröffentlicht) al« der Tvvus des unwissenden, kur Pf uschendenMarktz sckreiers, der sich nichtsdestoweniger der gefährlichsten Operationen erdreistete. Kndesien ist zu seiner „Ehrenrettung" zu lagen: Kohann Andreas Eisenbart war rein handwerklich äufterst tüchtig. Auch als technischer Erfinder leistete er man che«. Er konstruierte ein Instrument zur Beseitigung von Nasenpolvpen und eine besondere Nabel zum Operieren des Stares. Ke zahlreicher seine operativen Erfolge waren, desto prahlerischer trcn er auf. Seinen Selbstanpreisungen pflegt« Eisenbart, der sich auch „Okulist, Schnitt- und Wunderarzt" nannte, mit LeneidMSwertem Selbstgefühl vorauszuschicken: ..Kck bin der berühmte Eisenbart." Wenn er nicht Hasen scharten, Gallensteine Brüche oder ähnliche Gehrechen be handelte, vertrieb er seinen „balsamischen Haupt-, Auaen- und GedächtntssPirituS", der gegen Augenleiden, Flüsse, Schwin del, Ohrensausen und Kopfschmerzen helfen sollte und von dem daS Lot zwölf Groschen kostete. Auch gegen Kinnen, Leber flecke und Runzeln hielt der vielseitige Mann „probate" Mit tel bereit, so daft seine Volkstümlichkeit sich im deutschen Lande immer mehr au»breitete. Kurz vor seinem Tode übertrug er das einträgliche Gewerbe seinem Ängsten Sohn« Gottfried. Während „Doktor" Eisenbart und seine Kollegen trotz ihrer bedenklichen, nicht selten lebensgefährlichen Gewaltkuren vertrauensselige Verehrung genossen und demgemäß hohe Ein künfte bssaften, war man rpifttrauisch gegen die wissen schaftlich aebildeten Lenzte, die es verschmähten, durch komödienhaft«» Gebaren von sich reden zu machen. So fand der Mediziner Professor Wbrecht in den ersten Zeiten der Göttinger Universität wenig Entgegenkommen. Er musste seine anatomischen Versuche in dem finsteren Keller eines Festunasturmc« vornehmen. Erst im Anfänge de» 18. Jahr hundert« ist durch Erfindung zahlreicher zweckmässiger, heute selbstverständlicher Knstru-ment« und Unterfuchungsmethoden ein solcher Fortschritt in der HeilAmde erzielt worden, dass die auf Aberglauben und jeglichem Unwissen fassende Kur pfuscherei grossen Stil« heute kaum mehr möglich ist, wenn, schon die rein sachliche Schulmedizin bi« schier unausrottbare Beliebtheit der „HeiMMer* bei der jedem Humvug zuaeneta- ten Menoe noch nicht völlig überwunden hat.