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Nr. 121 -uw Au..' Tc-veclat'. Mittwoch. öe« 2S. Mai 1»27 Sin sebweres Sräbeben registriert. Ne »York, 28. Mat. An Washington, Neu Orleans und Ottawa Haben tn der vergangenen Nacht die Seismographen ein Fernbeben von besorgniserregender Stärke registriert, da» mehrere Stunden anhtelt. Ate Entfernung des Herde» beträgt, wie angenommen svtrd, 6090 Meilen. Au» Ottawa wird gemeldet, daß der Herd «vermutlich in China oder Chile zu suchen ist. G Berlin, 23. Mat. Nach wetteren hier ringe" gangenen Nachrichten über da» Fernbeben hat die Nhet- nachsche Erdbebenwarte im Taunus Seismographen' auSschläge registriert, die säst doppelt so stark waren wie bei der Erdbebenkatastrophe in Japan 1928. Die NogtstrierungSstreisen reichten teilweise nicht mehr zur Auszeichnung aus. Man vermutet, daß, Mexiko oder Chile als Erdbebenherd in Betracht kommen. Die RetchS- anstalt für Erdbebensorschung tn Jena vermutet den Erdbebenherd dagegen im osttibetanischen Grenzgebiet oder tn Ostasrtka am Tanganjika-See. Doppelmord. Schöppingen (Kreis AhauS), 23. Mai. In der Bauernschaft Heven kam eS heu!e morgen zwischen dem Land wirt Lüdtke-bitter, der vor einigen Jahren wegen verschiedener Verbrechen zn sechs Jahren Zuchthaus verur. e'll, und dem von Gerichtswegen znr Deckung der Gerichtökostcn e ne Weide verkauft worden war, und dem Landwirt Heinrich Feger, der diese Weide erwarb, zu einer Auseincmdecsetzuug, in deren Vertan« Lütkebltter auf He'nr'ch Feger und se nen Bruder Josef mehrere Schüsse abgcch, die beide tödlich trafen. Der Mörder, der noch 214 Jahre Zuchthaus zn verbüßen ha!, wurde der Staatsanwaltschaft in Münster zu geführt. 8 Jahre nach der Tat verurteilt. Düsseldorf, 23. Mai. Der viekerhoit vorbestrafte frühere Neichsbankangestellte Ochmen, der im Februar 1916 die hiesige Reichsbankstelle um "90 000 Papiermark teliva 10 000 Goldmark) betrogen und den Betrug durch wische Buchführung gedeckt hatte, wurde zu einem Fahr 0 Monaten Gefängnis und drei Fahren Ehrverlust veriir eilt. 17 Kinder verlegt. Halle, 23. Mai. Als ein Wagen bei Täbl h etwa 30 Kinder vom Rübcnziehen nach Hause fuhr, konnten die Pferde den Wagen auf der Dvbliher Höhe nicht mehr halten. Der Wagen rollte den Abhang hinim'eg, wobei die Kinder sämtlich aus dem Wagen fielen. 17 Kinder erlitten zum Te l schwere Verletzungen. Der Bahnhof Rhede abgebrannt. Geldern, 23. Mai. In der vergangenen Nacht ist das Bahnhofsgebäude Rhede abgebrannt. Als mau dcw Fcuer gegen 314 Uhr bemerkte, stand das Gebäude bereits in Hellen Flammen. Sämtliche in den Schuppen labernden Güter so wie das Inventar sind bis auf den Geldschrank verbrannt. Die Löscharbeiten gestalteten sich äußerst schwierig, weil das Wasser aus mehr als 300 Meter Entfernung herangeholt werden mutzte. Ten Hält legt Berufung ein. Wie der Verteidiger des Kriminalkommissars ten Holl mitteilt, ist gegen die Verurteilung ten Hollts im Disziplinar verfahren zur Versetzung Berufung eingelegt worden. NNnlstervttNkhmungen tm Harma»"prez»ß. Berlin, 28. Mat. Im Barmat-Prozeß verkün dete heute da» Gericht zu einem' Bvwetsantrag der Ver teidigung über die wirtschaftliche Einstellung des da maligen Retchskabtnett» den Beschluß, die Herren Dr. Luther und Dr. von Richter, damals Minister des.Rei che» bezw. Preußen», zu vernehmen. Unter Umständen wird sich die Vernehmung auch! auf den damaligen ReichSwtrtschaftSmtntster Schmidt und den Reich,spost- imtntster Giesbert» au-dehnen. Dr. Luther ist fltr den 1. Juni geladen. Am Tage Monteur, -eo Nach»!' Ari dn öcälr. Der tn München ansässige Monteur Schüller hitt, wie sich setzt herausstellt, ein seltsames Doppelleben ge führt. Er war bei einer Firmä schon lange Fahre tä'ig, genoß das grüßte Vertrauen und erhielt -ahlreiche Auf träge nach auswärts. Diese Reisen benutzte er dazu, tn den fremden Städten nächtlich, auf Wvhnnngsranb auüzngehen, wobei er große Bente machte. Schließlich wurde er jetzt tu Nürnberg verhaftet. 'Als man seinem Vorleben nachgtng, ergab sich, daß. er In Stuttgart ge wesen war, als dort ein bisher unaufgeklärter Mord an einem Dienstmädchen verübt worden war. Er gab die Tat zu. Verwerfung der Berufung des 15jährigen RaubmörberS Müller. Berlin, 23. Mai. Fu der heutigen Beriifungsver- haudlung gegen den lbjähr. Füvsorgezögling Müller, der wegen Ermordung des 76jähr'ge» Poslsekre'nrs Dobrinb, dessen Ottjährigcr Frau und deren Tochter vom Jugendgericht In Oranienburg zu zehn Fohren Gefängnis verurteilt wor den war, kam die Strafkammer zur Verwerfung der Beru- fnng des Angeklagten. Das Gericht hielt es für erwiesen, daß der Angeklagte die Tat mit Ueberlegung nusgeführt Hal. Der Sultan von Marokko im Harem vergiftet! Paris, 23. Mai. Nach einer Meldung aus Me- ktnS zirkulieren dort und in der Gegend von Fez die wildesten Gerüchte über eine schwere Erkrankung des Sultans Mulat; Fussuf, der in seinem Harem vergiftet worden sein soll. — Nach anderen Meldungen macht der Sultan eine schwere Nicrentrise durch, doch soll sich der Zustand tn den letzten Tagen wieder gebessert ha ben, so daß er kleine Spaziergänge in den Gärten seines Palastes unternehmen könne. Blutiger Zusammenstoß in Marseille. P a r i s, 22. Mai. Fn Marseille kam es zu einem bluti- s qne Zusammenstoß zwischen orgauisierien und uichtorganisier- ö ten tzafeuarbe tern. Fünf Arbeiwr wurden dabei schwer verletzt.. Schweres Hochosenungliick In Wales. London, 23. Mai. Fn den Stahlwerken von D.sla's in Cüdwales gab die Plattform auf einem Hochofen nach und stürzte mit sechs Arbeitern auf die Sohle de? Ofens. Zwei Arbeiter wurden gcötet und vier schwer verletzt. Absturz eines amerikanischen Lrnkluf'Zch'sfcs. San Antonio (Texas), 23. Mni. Ein nichtstarres Armee-Lcnkluftschiff stürzte Herne beim Aufstieg zum Hemi- fluge nach Belleville (Illinois) ab und wurde vollständig zer trümmert. Menschenopfer sind n'cht zu beklagen. "«vNirev VSvfe vom LZ. Mal. Am Wochenbeginn kam eS zu einem scharfen Rückgang der Ak ienkurse, sodaß man in Börsenkreisen vielfach von einem schwär>.en Montag sprach. Bei umfangreichen Txeku- i oneu der Banken, denen sich die Baissespekulation mit Blankoverkäu'en anschlotz, erlitten die Termtnkurse auf der iguzeu Linie empfinhliche Einbußen. Verluste von 10 Pr z u stellten fast den Durchschnitt dar. Eine große An zahl von Papieren eröffnete aber 15—30 Prozent niedriger, hguptsächl ch die früher bevorzugten Spezialwerte (Schultheiß, vstiuerke, Bmnberg Verein'g e Glanzstoff, Ludwig Löw«, Schuckert). Auf der anderen Scsie lagen nur sehr niedrig 'imitierte Kans rders vor. Die matte Tendenz hielt auch nach stostletzuug der ersten amtlichen Kurse an, zu der die vereide- <>u Makler of' den Börsenkommtssar hinzuziehen mutzten. Die Kurs'afeln waren anfangs mit Minuszeichen bedeckt. Auch ain Kassamarkt wurden die Notierungen auf einer echeb- i h Widrigeren Basis festg-stellt. Die Gcldvcrhältnisse zeigften heute keine Veränderung. Tngesgeld war mit 414 'bis 614 Prozent reichlicher vorhanden. Moucnsgeld mit 714 bis 814 Prozent dagegen knapp. Sehr ruhig lag das Geschäft am in lernalt: onalen Valu- tenmarkt. Das englische Pfund befestigte sich gegen Neu- pork aus -1,85.62. D'e sonstigen europäischen Devisen notier en etwa auf ihrer bisherigen Basis. Blehmarkt in Aue am 23. Mai 1S27. Amtliche Preisuotiernngen: l. !>r«nd' r. Pfa. filk Ochsen: L> uollflclschlge au»^«mäUel« hüch'ttnSchlachlwertt« t. Pmpe ..... 2. älx-re .... b) svuslipe nollstehchiii« 1. Pmc,e .... 2 Miere .... c) flrilchicir .... 0) gecing nrncUnte 8. Bullen: a) ji'Mjirrr vvllilkUchige HSchNrn Schlnchtmerte» . b) Ions igr vollslepchme oder nusgrniäslet c) slriiwige . . . . cl) grrnm grnädrle L. Kühe: s) ji'mcp-re vollileischicie döchpen Schlnchtwertes . k) sonsNgr »ollsleischicie oder nusgemSNet« c) flrNchnie ..... 0) nrrnn, genäh !e .... 0 ssnrkrn: s> vollslriirduir onscirinäNeie HSchNrn Schlachtwerte« <.äwbNmen> d) sonni^r volNleilchni? .... O.gsrrsser: möhici iirnnhriro Jn> xivirh l Pld. I« K7 45 »8 55 4S--50 83—85 II. Kälber. s) Doppellender besier Most k) beNe Molt- und Son^kälber c) mittlere Mott, und Snngkälber 0) jierintie Kälber . e) oenncpte Kalber 80 70 III. Schafe. s) beNe Molilännner nnd jnngere MaNhamrnel l. Weidsninst .... 2. Stallmast . . . . .60 b) mittlere Maplänimer, ältere Masthammel und gittcienährte Schafe . . . . — c) fleischiges Schafvieh . . . . — ci) gering genährte Schafe und Lämmer . . — IV. Schweine. s) Feltschwelne Nber 300 Pfd. Lebendgewicht S2 b) vollfleisch.Schmeinevon240—300Pfd.Lebendgew. S2 c) , , „ 200—240 , , 82 ci) , , , 180—200 , , 58—80 e) fleischige „ „ 120—160 , , 58—58 f) „ „ linier 120 , , — ^) Sanen .... 50—58 dän. Rinder ... . 80—82 c/sL w//s/k<7s/e Vas kireu; im Moor. Roman von Fritz G a i, tz e r (4. Fortsetzung.) Endlich, endlich, nach langem, qualvollen Warten nnd Ausschauhalten erblickte Gesine das Geführt, das ihren Vater vom Nhlenhofe heimbrachte. Ganz fern noch sah sie es. Und nur langsam näherte es sich! aus dem durch die kahle, fruchtlecre Marsch eintönig! ver laufenden Wege. ' Der Beginn ihre» Denkens wollte sie veranlassen, sich zu erheben und dem Vater entgegenzuetlen. Aber die» Vorhaben war so ohne treibende Kraft, so schwach! und wenig lebensfähig, daß es schon tm Geborenwerden starb und tn sich.zufammensanv wie ein erlöschendes Licht. Und so blieb sie regungslos auf dem Stuhle am Fenster ihrer Schlaskamme^r, die sie heute noch nicht verlassen hatte, hocken und dachte es zum ersten Male als eine Gewißheit, daß KlauS Jvrnsen gestorben sei. Bisher hatte sie es nicht glauben können, daß dies starke, grüne Leben dahin sein sollte, dgß ein Wieder sehen mit ihm zu den Unmöglichkeiten gehören müsse. Ihr letztes Hoffen war gleich einer wilden Flamme auf gelodert. Es Hatte sich tm heißen Trotz, darin verbis sen. daß ein Irrtum, eine Verwechslung, eine falsche Nachricht — irgend etwas, aber ganz gewiß ein unga- fflärte» Etwas vorliegen mlF'e, das, im Lichte des neuen Tage» ruhig und leidenschaftslos betrachtet, da- Htnschwtnden würde wie ein gespenstischer Nebelstreif. Nun war der neue Tag. Und wa» er gebracht hatte, trug die güsteren, mitleidslosen Züge, einer gs- wtssen Usberzeugung. Seitdem man ihr gesagt, haß der Vater nach dem Nachbarhofe hinüber sei, um den Totenschein zu holen, hatte sie alles letzte Hoffen als eine große Torheit hin ter sich geworfen, wo eS gleich, einer am Weg? 'ver dorrenden Blume gestorben war. Das wußte sie. Aber darüber hinaus vermochte sio fast nichts zu erwägen. Ihre Gedanken wanderten kaum in die Vergangenheit zurück, in das Land seliger Träume und blütenretcher Hoffnungen, das ihx Klaus Jörnsens Liebe beschert Hatte. Sie erinnerte sich der Stunde nicht, da sie zum Abschiede an seinem Halse ge hangen und er in ihr heißes, aus innerster Seele rin nendes Weinen hinein von einem gewissen Wiedersehen gesprochen nnd sie immer wieder geküßt und an sich ge rissen Hatte. Er müsse jetzt fort, hatte er ihr versichert, er halte es nicht mehr aus daheim, wo alles so eng be grenzt, so nüchtern, alltäglich und erbärmlich kleinlich sei. Die goldene, verhetßungsretche Weite voller Wun der und Gefahren locke und zöge ihn mit starken, ge waltigen Armen. Und wenn er seine Abenteurerlust, seinen Hang zum Renen und Wandern gestillt, dann wolle er wiedcrkommen. Sie solle treu und gewiß auf ihn warten, und würden auch Jahre zwischen Abschied und Wiedersehen sich legen. Und wie treu war Gesine Erichsens Warten ge wesen! Kein begehrlicher Blick hatte anderen gegolten, obwohl so mancher nach ihres Leibes Schönheit mit heißem Begehren geschaut. Ja, selbst in ihrem heiur- lichsten Denken und Wünschen batte sic Treue bewiesen Es Hatte immer zu ihm, dein Fernen, Geliebten seinen Weg genommen und war tn Schn sucht zu ihm gewan dert tm Licht des Tages und in stillen, einsamen Stun den der Nackt. Drei lange Jahr« wär e» ein solches treues, keusches, minniglicheS Warten gewesen, rein wie strahlende Sonnenflut und unwandelbar gleich Sternen" kreisen. i Und nun war er gestorben. Fexn tn der Wett. Fern von ihr. Wölbte sich, ein Hügel über ihm? Barg ihn grausige Meerestiefe? Gesine erschauerte, al» rinne ein Kälteempftnden über ihren Leib, und stöhnte auf. Vielleicht erzählte der Totenschein davon, wo man ihn zur letzten Ruhe gebettet. Gleich würde sie iHv scheu und mit brennenden Augen über seine Schrift dahtnirreu. Schon klapperte der Wagen auf den Hof, so sacht und verschwommen, scheinbar im Sterben lie gende Geräusche erzeugend, al» brächt« er einen Toten selbst. Ein neues Erschauern packte Gesine, heftiger, denn vorhin. Es tastete sich mit eiskalten Händen an ihrem Leibe aufwärts, schien sich ihr würgend um den Hals zu legen und machte, daß die Zähne wie im Fieberfrost auseinander schlugen. Taumelnd, nach einem Halt greifend, erhob sie sich und starrte mit verzerrtem Gesicht und weit geöff neten Augen nach der Tür der Schlafkammer, durch die nun gleich der Vater treten würde, um das gewünschte Dokument tn ihre Hände zu legen. Und nun erschien RaSmuS Erichsen. Hätte Gesine.in diesen Minuten dafür Aufmerk samkeit gehabt, so hätte sie sehen müssen, wie bleich ihre» Vaters Gesicht war, wt« seine Hände, mit denen er tastend tn dje Tasche griff, zitterten. Sie -Ltt« -empfinden müssen, wie seinem Munde mit dem über di« Livven gehenden Atem »tn Dunst von Fusel ent»