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Nr 101, Kuer Tageblatt und Anzeiger nie du« ütrzgedti««-. Sonntag, den 1 Mai 1987. eine» deutschen EinheitsvolkeS, etner deutschen Nation ist. Wir haben in der deutschen Geschichte bisher nur zweimal Ansätze einer Entwicklung zur deutschen Na tion gehabt. Tas eine Mal in den Freiheitskriegen. Ta blieb als positiver Gewinn der deutsche Vaterlands gedanke zurück. Umsonst fragte bis dahin der Deutsche: was ist des Deutschen Vaterland? Die Freiheitskriege gaben die Antwort darauf. Aber der deutsche Vater landsgedanke hatte danrals noch keine staatsbildende Kraft. Dynastische Rücksichten waren stärker als er. Erst über 1848 hinweg brachte 1871 eine Verwirklichung deS deutschen Staats- und Ncichsgedankeus, aber auch jetzt noch beschwert durch dynastische Hemmungen. Seit 1918 sind sie gefallen. Und nun ist die Bahn frei für die Entwicklung, an deren Ende wir Lum deutschen Vaterland und zum Deutschen Reich sich die deutsche Nation gesellen sehen. Wir sahen in den Augusttagen des Jahres 1914 das zweite Mal in der Geschichte das beginnende Werden zur Nation vor uns. Ein grausames Schicksal hinderte die Vollendung. Tas darf uns nicht dazu führen, das Ziel aus "dem Auge zu verlieren: die Erziehung der Deutschen zur deutschen Nation. Ohne deutsche Nation kein deutscher Einheitsstaat! Abmarlck) Meier französischer Zchvoaäronen aus Saarlouis. Saarbrücken, 29. April. Zn der Nacht zum Montag ist, wie «^rst heute bekannt wird, über die Hälfte des in Saarlouis garnisoniertcn französischen TragoncrregimentcS, bisher in Stärke von zwei Schwad ronen, nach ihrer neuen Garnison St. Avold abgerückt. Tie restlichen zwei Schwadronen werden am 30. April folgen. Der Abzug erfolgte, um die durch Verlegung französischer Truppenteile aus Lothringen nach Süd frankreich entstandene Lücke in der Lothringer Garnison wieder auszufüllen. Tas in Saarbrücken garnisornerte 153. .Infanterieregiment bleibt vorläufig noch hier, da der vom Völkerbund für den Abzug festgesetzte Termin der französischen Saarlandtruppen der 12. Jun, (nicht der 30. April) ist. Neber die Bildung deS 800 Mann starken Bahnichutzes ist noch nichts bekannt; er dürfte ebenfalls erst am 12. Juni in Tätigkeit treten. Vir hamburgische Hürgerjchaft gegen die Finanzpolitik -es Reiches. Hamburg, 29. April. Tie Hamburgische Bür gerschaft nahm heute eine sozialdemokratische Entschlie ßung an. die gegen die Finanzpolitik des Reiches schärf sten Widerspruch erhebt und die Erwartung ausspricht, daß die NeÄ>srcgierung bei der endgültigen Regelung des Finanzausgleiches zu einem allen Ländern gerecht werdenden Ausgleich komme. Insbesondere erblickt die Entschließung in der Annahme der Aenderung der Bier steuer im Reichstag mit einfacher Mehrheit eine Ver letzung der Verfassung, weil die Abänderung des Ge setzes nur mit einer für Verfassungsänderungen vor geschriebenen Mehrheit erfolgen dürfe. Der Senat wird ersucht, diese Entschließung der Rcichsregierung zu übermitteln. Einschränkung Ser krifenkürsorge für Erwerbslose. Berlin, 29. April. In einem Teil der Presse wird die Befürchtung ausgesprochen, die Reichsregie rung plane einen allgemeinen überstürzten Abbau der Krisenfürsorgc für Erwerbslose. Diese Befürchtung ist, wie von zuständiger Stelle mitgetcilt wird, grundlos. Die Vorlage, die der Neichsarbeitsmtnister auf Grund der im Gesetze über eine Krisenfürsorge enthaltenen Er mächtigung dem Reichsrat unterbreitet hat, sieht ledig lich vor, daß von der Krisenfürsorge künftig bestimmte Berufe ausgenommen werden sollen, in denen sich der Arbeitsmarkt günstig entwickelt hat. Nach den statisti schen Feststellungen beträgt die Zahl der Angehörigen derjenigen Berufe, die aus der Krisensürsorge ausschei- den müßten, nur etwa 8 v. H. der gesamten Krisen unterstützten. Nus Sem „Reichsanzekger". Berlin, 29. April. In der heutigen Nummer des „Neichsauzeigers" ist der Wortlaut der Ausfüh- ruugsbestimmungen zu 8 9 der Verordnung über die Arbeitszeit und der Ergänzung der Ausführungsbe- sttmiuungen vom 17. April 1924 zur Verordnung über die Arbeitszeit veröffentlicht. Ferner liegt dem „Reichs anzeiger" eine Bekanntmachung über die Festsetzung! von Steuerkursen für die Feststellung der Einheitswerte auf dem Beginn pes 1. Januar 1927 bet. Mmlsterfahrt durch öas Hochwassergebiet. Am Freitag unternahmen NcichSverkehrsmintster Tr. Koch und Ncichsernährungsminister Schiele eine Reise durch das Überschwemmungsgebiet der Havel und Elbe. Tie Fahrt führte von Rathenow nach Witten berge und gab ein anschauliches Bild von der Verwü stung durch das Hochwasser. Im Kreise Westhavelland hat die Havel 40 000 Hektar, in der Priegnitz die Elbe 12 000 Hektar überflutet. Besonders groß ist der Hoch wasserschaden in den Gebieten der unteren Havel. Im Mittelpunkte des Interesses stand während der Fahrt die Aussprache über die Regulierung der Havel und Elbe, die nach Bildung des Elbe-Hilfskomitees von den Interessenten mit Nachdruck gefordert wird. Rcichsver- kehrsministcr Koch besichtigte bet Wittenberge auch das Ueberschwemmungsgebtet der Carthane und der Stepe- nih und nahm bei dieser Gelegenheit das Wort. Er führte, dem „Bcrl. Tagebl." zufolge, u. a. aus, daß man im Ministerium die Notwendigkeit der Regulierung der Havel überall anerkannt habe, und daß man sich! über die Notwendigkeit klar sei, das Projekt der Verle gung der Havelmündung mit großer Eile fertigzustellen. 25 Jahre Berliner Hanäelskammer. Berlin, 29. April. Unter Teilnahme von etwa 400 geladenen Gästen veranstaltete heute nachmittag die Industrie- und Handelskammer Berlin eine Festsitzung anläßlich ihres 25jährigen Bestehens in der Aula der Handelshochschule Berlin. Ter Präsident der Kammer, Franz von Mendelssohn, hielt die Begrüßungsansprache, in der er zugleich allen Mitarbeitern wärmsten Dank für den Eifer aussprach, mit dem sie der deutschen Wirt schaft gedient hätten. Als nächster Redner schilderte der Vizepräsident der Kammer, Geheimer Kommerzienrat Tr. Konrad von Bvrstg die enge Verflechtung von Wirtschaft und Staat, die sich in der Arbeit der Zndustrte- und Handelst kammer zeige. Tie Glückwünsche der deutschen Reichs- und der preußischen Staatsregierung überbrachte der Preußische Hnndelsminister Tr. Schreiber. Dieser wies darauf hin. daß sich gegenwärtig auf verschiedenen Wirtschaftsge bieten neues Leben und neuer Glaube an eine allmäh liche Gesundung unserer Verhältnisse zeige, und schloß mit dem Wunsche, daß es der Kammer gelingen möge, kraftvoll dazu beizutragen, daß das, was heute noch Hoffnung sei, in naher Zukunft Gewißheit werde. Neichsbankpräsident Tr. Schacht überbrachte die Grüße und Glückwünsche des ReichSbankdirektortums. ReichSbuhnpräsidcnt Dr. Dvrpmüller sprach im Namen der Deutschen Reichsbahngesellschaft den Tank für das treue Zusammenarbeiten aus. Oberbürgermeister Tr. Böß brachte Vie Glückwünsche der Stadt Berlin dar. Geheimrat Rieß er begrüßte die Kammer im' Namen des Industrie- und Handelstages. Es folgten noch Begrü ßungsansprachen des Präsidenten d.r Landwirtschafts kammer, von Oppen, des Rektors der Handelshochschule, Wegener, des Generaldirektors Knörk für kaufmännische Schulen, sowie die Staatssekretärs Meyer für die obere Beamtenschaft. Dr. Ruh über ckis cleulfcden Ueamlen 'im Gegeriwartshaar. Düsseldorf, 29. April. In einer Festsitzung des diesjährigen Lehrganges der Niederrheinischen Ber- waltnngsnkademie hielt Tr. Külz einen programmati schen Vortrag über das Thema „Der deutsche Beamte im Gegenwartsstaat". Ter Vortragende entwickelte das Verhältnis des Beamten zum Staate, das Problem Be» amtentum und Wirtschaft und die Fragen der Beamten bildung. Er betonte u. a., daß das Beruf-beamterüum auch, im Volksstaat eine Staatsnotwendigkeit sei. Nicht Abbau des .Berufsbeamtentums, sondern Festigung, Modernisierung und Stärkung der Leistunissähigkeit seien die Forderungen des Gegenwartsstaates hinsichtlich des Beamtentums. Tas Allgemeinwohl erfordere, daß beide Energiezentren unseres Gemeinschaftslebens, die in der Beamtenschaft und der Wirtschar: gegeben stnd, in starker Leistungskraft dem Volksganzen nutzbar sind TaS letzte Ziel fei eine in sich gefestigte in ihrer Stel lung gesicherte und geachtete Beamtenschaft als lebens wichtiges Glied eines freien und unabhängig en Volkes, als eine starke Säule des Staates, mit dein sie steht und fällt. vorläufig keine gesetzliche Kuslügung öcs Artikels 4S. Berlin, 29. April. Gegenüber Zeitungsmeldun- gen, daß demnächst eine gesetzliche Auslegung des Ar tikels 48 zu erwarten sei, erfahren die Blätter, daß im Reichsinnc,-Ministerium noch keine Entschließungen dar über gefaßt seien und daß dies auch für die nächste Zett nicht wahrscheinlich sei. Störung Liner deutschen Feier. Kattowitz, 29. April. Aus Ruda wird gemel det, daß während einer Tienstjubiläumsfeier des Leiters etner deutschen Minderheitenschule, Rektor Jettner, von etner Reihe von Personen auf die Fenster des Versamm lungsraumes ein Bombardement mit Ziegelsteinen er öffnet wurde. Einige der Festteilnehmer wurden leicht verletzt. Tie Polizei griff ein und führte die Täter ab. Unter diesen befand sich auch der durch seinen NuSbruch aus dem Glciwitzer Gerichtsgefängnis bekannt gewor dene Schwerverbrecher Paseker. Eine Reöe Lor- Valfsurs auf elnem englisch-amerikanischen Diner. London, 29. April. Auf einem gestern abend unter Vorsitz von Lord Reading veranstalteten englisch amerikanischen Tiner, auf dem Lord Balfour und der amerikanische Botschafter die Hauptgäste waren, hielt Balfour eine Rede, in der er auf seine erste Mission nach den Vereinigten Staaten Bezug nehmend sagte: Damals hatte der Unterseebootkrieg seinen Höhepunkt erreicht. Tas ist der einzig schwache Punkt in der alli ierten Rüstung gewesen. Es war damals keineswegs klar, daß der Krieg gewonnen werden könne nicht auf den Schlachtfeldern, sondern durch Unterseeboote. Diese Drohung zu überwinden, ist der Hauptzweck meiner Mission gewesen. Auf die Abrüstungsfrags Bezug neh mend, sagte Lord Balfour, wenn in dieser Frage auch noch viel zu tun übrig sei, so habe die Washingtoner Konferenz im Jahre 1922 tatsächlich mehr erreicht als irgendwo anders seit dem Kriege zur Verwirklichung dieses großen internationalen Ideals erreicht worden sei. Schließlich sprach sich Lord Balfour gegen ein eng lisch-amerikanisches Bündnis aus, da dieses nicht die Art sei, durch die wahres Zusammenwirken zwischen Völkern wie dem amerikanischen und dem des britischen Reiches erzielt werden könne. prozek Mking-Olympia. Leipzig, 29. April. Zu Beginn der Heutigen Verhandlung des Prozesses Wiking-Olympia gab Ka pitän a. D. Ehrhardt eine längere Erklärung ab, in der eS Heißt: Ministerialrat Schönner hat sich als Verfasser der Denkschrift de» preußischen Ministers des Innern bekannt. Er ist also für die darin enthaltenen verleumderischen Beleidigungen bezüglich! meiner Angeb lich erwiesenen Anstiftung zum Meineid verantwortlich. Ministerialrat Schönner hat weiter behauptet, eS liege ein Geständnis von mir dafür vor, daß ich einen Mein eid und Beihilfe zum Meineid geleistet habe. Ein sol ches Geständnis habe ich nie abgelegt, sondern genau das Gegenteil erklärt. Zusammenfassend stelle ich fest, daß Ministerialrat Schönner meine Glaubwürdigkeit durch Aufstellung unrichtiger Behauptungen zu erschüttern versucht. — Ministerialrat Schönner erklärte hierzu: Was die Frage des Meineides betrifft, so halte ich Vie Behauptung aufrecht, daß der Kapitän sowohl einen Meineid wie Beihilfe zum Meineid (der Prinzessin Hohenlohe) geleistet hat. Vas verbot gegen Wiking bestätigt — gegen Glpmpia aufgehoben. Leipzig, 30. April. In Sachen Wiking-Olympia wurde heute vormittag 11.15 Uhr der Beschluß des Staatsgerichtshofes verkündet. Unter Aufhebung des Beschlusses des Kleinen Staatsgerichtshofes vom 13. 10. 1926-wird die Verfügung deS preußischen Ministers des Innern vom 12. 5. 1926, durch die das Verbot des „Wiking" ausgesprochen wird, bestätigt. Dagegen wird der das Verbot aushebende Beschluß des Gerichts hofes vom .IS. 10. 1926 in Bezug auf den Bund „Olympia" bestätigt. Die Kosten des Verfahrens wer den für ,,Wiking" dem Bund, iür „Olympia" der preu ßischen Staatskasse uuferlegt. ; Friedrich zum Asicss.Ler.awrn nicht zwplvsscn. Referendar Friedrich, »er im Wiking-Olhmpia-Prozetz eine Nolle spielte, sollte gestern sein Assessorenexamen b?>gin- nen. Er ist jetzt als Referendar in Naumburg an der Saale beschäftigt. Das preußische Justizministerium hat ihm gestern mitteilen lassen, 'das; er zum Assessorenexamen »ich! züge ln ssen ist. Mie Hölle ltarv. Das Urteil gegen Dr. Thiele. Berlin, 29. April. Vor dem Diszipltnarhof war ein Disziplinarverfahren gegen den Gertchtsarzt Dr. Thiele anhängig gemacht, da gegen ihn Vorwürfe bei der Behandlung des ehemaligen Reichspostministers Tr. Höfls und sonstiger Patienten im Untersuchungsgefäng nis erhoben wurden. Nach, mehrtägiger Verhandlung iü, wie der Amtliche Preußische Pressedienst mitteilt, heute folgendes Urteil ausgesprochen worden: Der an- g-klagte Strafanstalts-MediLnalrat Dr. Thiele wird wegen Tieusi wrgeh-ens mir Versetzung in ein anderes Amt M'?' gßüihem Range mit Verminderung' des Dienst- "tnknmmenS nm 10 Prozent aus die Dauer von drei Iadvon bestraft. . >' j I ! D ! WM dapko'K yvger? srr Eifaß. 's co mrirmomifiifchL .,Straßburger Bolksstimme" meldet, daß der Direktor der indirekten Steuern, dem auch die Verwaltung des staatlichen Tabakmonopols un- tcrstebt dur kleinen Tabaks; ändern auf dem Lande, Vie gleichzeitig Zeitungen verkaufen, mit der Entziehung des Tal-akhandols gedroht hat, wenn sie nicht den Ver trieb der Bvlksstimme einstellett. Tic jianzösischen Gewerkschaften gegen die neuen iMilitärgesche. Paris, 29. Avril. In einer längeren Entschließung nimmt der Verwnltungsausschuß des Allgemeinen Arbeiter verbandes (C. G. T.) Sellung gegen die neuen Militärqesetze. Er erklärt, diese nicht annehmen zu können, da sie in den schwersten Zeiten die Arbeiterklasse und ihre Organisationen materiell und geistig der unbeschränkten Militärauiorität un terwerfen würden. Serufung -es Danziger Senats gegen eine Entscheiöung -es völkerbunSskommissars. Danzig, 29. April. Der Senat hat beschlossen, gegen die Entscheidung des Völkerbundskommissars vom 8. April 1927 betreffend die Zuständigkeit der Dan ziger Gerichte zur Entscheidung über den von den Eisen- bahnbcamten gegen den polnischen Ersenbahnfiskus an hängig gemachten Prozeß Berufung einzulegen. Amerikas Politik gegenüber Sü-chino. Washington, 29. April. In politischen Krei ser. verlautet, daß die Vereinigten Staaten weder eine englische Truppenexpedttton gegen die Kantonesen un terstützen werden, noch TschenS Vorschlag annehmen, die Untersuchung der Schuldfrage an den Nankinger Zwi schenfällen etner gemischten Kommission zu unterbrei ten Tas Staatsdepartement lehne es ab, zu den Lon doner Meldungen, wonach England eine Teilung Chinas durch eine Iangtseblockade durchführe, falls es keine Ge nugtuung erhalte, Stellung zu nehmen. Vie kantonreglerung und Sowjeerußianö. Parts, 29. April. Der Sonderberichterstatter des „Journal" hatte in Kanton mit Waihuk, einem Mtrarbeiter des Außenministers Tschen, eine Unterre dung, in der dieser die Nachricht von dem Einfluß Sowjetrußlands auf die Kantonregierung als übertrie ben hinstellt. Sowjetrußland habe militärische Instruk teure geliefert. Hätte man solche von Frankreich! er beten, so wäre man wahrscheinlich! auf eine Ablehnung gestoßen. Waihuk forderte in der Unterredung Frank reich aus, dem jungen China Vertrauen zu schenken und ihm Zeit zu lassen, sich durchzusetzen.