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Nr. 10l Sonntag, cten 1. Mai 1921 r--.»k« 5».dw». «athaUm» »I, -mttlch-n s-kaittitm-chung-ll Se- Not» »-r S,«SI IM» »«, ->ml-gnlcht»M«. »,. I«, 22. Jahrgang Deutschland rm Absterben? Antimalthusianismus in der Weltwirtschaftlichen Bereinigung. vle llaaMcke Lukunkt veurlcklanäs. Bon D«. Külz, M. d. R. . 28. April. Auf einem VortragSaben) 25* deutschen Weltwirtschaftlichen Gesellschaft sprach ck»er Präsident de« preußischen Statistischen Landesamtes, Tr. Saenger, über das Bevölkerungsproblem. Ein leitend bedauerte der Vortragende, daß das Problem auf den bisherigen Wtrtschaftskonferenzen so wenig beachtet worden sei. Er verbreitete sich sodann über den Ge burtenrückgang, der bereits vor dem Kriege als eine große weltwirtschaftliche Gefahr angesehen worden sei. Der Rückgang habe auch nach! dem Kriege angehalten, während die Säuglingssterblichkeit erfreulicherweise zu rückgegangen sei. Des wetteren setzte sich, Dr. Saenger mit der Theorie von MaltuS und den verschiedenen Theorien über die CrnährungSfätztgkeit der Welt, die von Volkswirten auf 5,7 bis 8 Milliarden Menschen geschätzt wird, auseinander. Danach sei, was die Nah- rungsversorgung anbelange, keine Schwierigkeit in der weltwirtschaftlichen Entwicklung zu erblicken. Der Red ner schilderte sodann den Einfluß der biologtsch^-techno- logischen, der soziologischen und der Psychologischen Mo- mente, nach der Einteilung von Sombart, auf die Be- völkerungspolittk. Im Meilen Teile seines Vortrages beschäftigte sich Tr. Saenger mit dem Bevölkerungsproblem in Deutsch land. Infolge der augenblicklichen starken UcbervUke- rung und der ungeheuren Arbeitslosigkeit sei die bevöl kerungspolitische Lage Deutschlands außerordentlich un günstig. An Hand von statistischem Material und zahl reichen Beispielen kam der Redner zu dem Schluß, daß Deutschland sich! auf dem Wege des langsamen Ubster- benS befinde. Wege zur Abhilfe seien in der Schaffung einer Jugendbevölkerung, die nur durch Volksvermeh rung möglich, sei, durch eine erweiterte StedlungSPoltttk, insbesondere in Ostdeutschland, durch Förderung der landwirtschaftlichen Produktion und eine gesunde Lohn- und.Gehalt-Politik gegeben. Der Redner schloß damit, daß er sein Bedauern darüber ausdrückte, daß auch auf der kommenden Weltwirtschaftskonferenz das Bevvlke- rungsproblem nicht behandelt würde. Hier hätte Deutschland Gelegenheit gehabt, seine außerordentlich schwierige bevölkerungspolitische Lage den anderen Völ kern zu unterbreiten. ES war eine mutige Tat, daß die Deutsche Demo kratische Partei auf ihrem Parteitag in Hamburg die Frage der künftigen Gestaltung Deutschlands vor der Politischen Öffentlichkeit eingehend erörterte. Das Pro blem birgt so ungeheure Schwierigkeiten, daß auf Sei ten der meisten Parteien die Neigung besteht, es als nolt me tangere zu behandeln, obwohl jeder Politiker mit einiger Aufrichtigkeit vor sich! selber bekennen muß, daß der heutige Zustand schlechthin eine Unmöglichkeit ist. Ein deutsches Reich mit 2000 Parlamentariern, mit 60 Ministern und mit „eigenstaatlichen" Ländern von der BevölterungSziffer einer Kleinstadt läuft Gefahr, dem Fluche weltgeschichtlicher Lächerlichkeit anheim zu fallen. Unsere Kinder werden uns dereinst nicht ver stehen daß wir eine solche staatsorgantsatortsche Gro teske so lange geduldet haben. Welch ungeheures Verdienst hätte sich die soge nannte Revolution des Jahre» 1918 um die deutsche Zukunft erwerben können, wenn sie den historischen Augenblick erkannt hätte! Ter deutsche Einheitsstaat war für sie keine tragende Idee. Wenn je ein großcr geschichtlicher Moment verpaßt worden ist, so ist eS da mals geschehen. Die Wenigen, die, wie Hugo Preuß, das Gebot der Stunde erkannten, blieben Prediger in der Wüste, und e» wäre außerordentlich interessant, nachträglich sich einmal die Namen derer zu vergegen wärtigen, die dem von Preuß propagierten Gedanken des Einheitsstaates gegenüber ihre föderalistische und partikularistische Einstellung bekundeten. Mancher würde heute bescheidener vom „Einheitsstaat" sprechen. Es mögen bet einzelnen Personen damals unschön« Mo tive mitgewirkt haben: das Kleben am etnzelstaatltchen Amt, die Sucht, im einzelstaatlichen Parlament die müh sam eroberte Stellung zu behaupten — der letzte Grund lag tiefer. Die Vorstellung de» Einzelnen war mit dem, was in den Staaten an politischer, wirtschaftlicher und kultureller Eigenart in der Vergangenheit entwickelt worden war, so eng verbunden, daß man sich auch in der Revolution von ihm nicht trennen wollte. Ein Zweites kam hinzu. Das deutsche Kaiserreich! hatte die deutsche LeistungSkrast auf vielen Gebieten zu einem Höchstmaß gesteigert — zu einer deutschen Nation hatte eS das deutsche Volk nicht entwickelt. Dynastische Fes seln lähmten hier das Borwärtsschretten. Es wäre un wahrhaftig, wenn man leugnen wollte, daß auch, manche Fürstenhäuser vor allem in der kulturellen Entwicklung eine glückliche und dankenswerte Rolle gespielt haben, aber das gewollte Aufgehen in die gesamtdeutsche und deutschnattonale Entwicklung fehlte. Und wenn da» deutsche Reich der Kaiserzeit, obwohl eS verfassungs mäßig nur ein Fürstenbund war, darüber hinaus An sätze zu einem gesamtdeutschen Empfinden und Handeln brachte, so nur deswegen, weil Bismarck bewußt dem demokratischen Gedanken in dem Reichstag al» gemein samer Volksvertretung eine starke Konzession machte. Am übrigen beruhte das deutsche Kaiserreich auf dyna stischer Tradition und bundeSfürstltcher Souveränität. Diese Struktur des BtSmarckschen Reiches wurde von der Revolution innerlich! durch, Beseitigung der Fürsten ausgehöhlt. Dadurch, daß gleichzeitig die Per sonalunion zwischen Preußen und dem Reich verloren ging, borst ein weiterer Grundpfeiler. Gleichwohl ver suchte die Revolution, die innerstaatliche Struktur de» deutschen Reiches der Btsmarcktschen Epoche zu über nehmen, und so haben wir den heutigen Zustand be kommen. Tie Entwicklung drängt nach Neugestaltung, aber was in der Revolution mühelos hätte durchgeführt werden können, wird jetzt zu einem ungeheuer schwie rigen staatsorganisatortschen und staat-politischen Pro blem. Gleichviel, ob man Unitarte« oder Föderalist ist, man wird da» eine al» programmatisch! richtig anerken nen müssen: in dem deutschen Reich! der Gegenwart und Zukunft müssen die Staaten verschwinden, deren Eigen staatlichkeit M« auf dynastischer Tradition und nicht auf innerer staatlicher Lebenskraft beruht. De« wette ren wird al» Entwicklungstendenz die Notwendigkeit von keiner Sette bestritten werden können, die LeistungSkrast de» deutschen Reiche» auf politischem und wirtschaftlichem und kulturellem Gebiete bi» zum erreichbaren Höchstmaß zu steigern. Da» ist nur möglich, purch eine starke Zu sammenfassung von Gesetzgebung! und Regierung beim Reiche in allen retchswichtigen Angelegenheiten, unter Dezentralisierung der Verwaltung in regionalen und ausführung-mäßigen Angelegenheiten. Und ein Drit te» liegt schließlich, klar zutage: mindestens ebenso wich tig wie da» Problem de» Etnheit»staates ist da» de» Einheit-Volte». Nu« der dsußsch« Staat wird zu« Höch? sten LetNkgLkE -nvorswtgen, der dis AutdmMasm Endgültige Beseitigung des russisch-schweizerischen Konflikts Die Sowjets gehen nach Genf. Moskau, 29. April. Aus gut informierten Kreisen erfährt der Vertreter der „Vossischen Zeitung", daß Rußland entschlossen ist, sich, an der Genfer Wtrt- schaftSkonferenz zu beteiligen, und Mar nicht nur als Beobachter, sondern al» ordentlicher Teilnehmer. Tie russische Delegation wird nicht von Litwinow, sondern von wirtschaftlichen Sachverständigen geleitet werden. Moskau, 29. April. Die Sowjetregterung er nannte heute die Mitglieder der russischen Kommission für die internationale Weltwirtschaftskonferenz. Zum Vorsitzenden wurde Ossiskt, zu Mitgliedern Sokolntkow, Chintschk und Lepse ernannt. Ter Kommission sind fünf Sachverständige betgegeben. Sekretär der Kommission ist Stein. Paris, 29. April. Der Beschluß der russischen Negierung, an der Weltwirtschaftskonferenz tetlzuneh- men, wird in Frankreich! als Symptom für eine bevor stehende Wendung in der internationalen Politik Rußland» mit Genugtuung verzeichnet. Man glaubt hier bestimmt, Anhaltspunkte dafür zu haben, daß die Sowjetregterung eine gründliche Modifikation ihrer Haltung zum Völker bunde vorbereite. So will der „TempS" wissen, daß in Moskau bereits die Absicht besteht, auch zu der vorbe reitenden Abrüstungskonferenz, die ja im Herbst ihre Be ratungen wieder aufnehmen soll, einen Vertreter zu entsenden, und daß man darüber hinaus in den führen den Sowjetkretsen bereits in Erwägungen darüber ein getreten sei, Rußland zunächst durch! einen „Beobachter" ständig in Genf vertreten zu lassen. Hughes übe« Sie ^brüftungsfeage. Neu York, 29. April. An seiner Rede auf der Jahresversammlung der American Society For Inter national Lau führte der früher« Staatssekretär Hughes, der bekanntlich die Vereinigten Staaten auf der Flot- tenabrüstung»konferenz vertrat, au», daß kaum «ine günstigere Zett für die Beschränkung der Rüstungen zu erwarten sei al» die gegenwärtige. Die Genfer Dis kussionen müßten daran verzweifeln, eine weltumfas sende RüstungSetnschränkung für alle Völker und Waf fengattungen zu erreichen. Aber wie könnten mit der Erfahrung der letzten Jahrzehnte vor Augen Staats- männer die gegenwärtige Gelegenheit zur Abrüstung vorübergehen lassen? Die Beschränkung der Deutschen Wehrmacht durch, den Versailler Vertrag sollte nach der Erklärung der Mächte der Beginn einer allgemeinen Rüstungsbeschränkung sein und der »ertrag von Lo carno habe die Grundlagen der Sicherheit geliefert- ES sei kaum zu erkennen, auf welchem anderen Weg« eine solche Sicherheit geliefert werden solle. Die er hoffte Verständigung der drei Mächte Amerika, England und Japan.über di« Seeaö»üstung sollt» anderen Mäch ten alt vMkk dt»M. Einen untrüglichen Beweis für die Gesinnungs änderung der Sowjetmachthaber gegenüber dem Völ kerbund sieht das Blatt in der Tatsache, daß die russi sche Regierung die von der Schwei- angebotene Genug tuung für die Ermordung ihre» Botschafters, die sie noch im vorigen Jahre al» ungenügend aus» entschiedenste zurückgewiesen habe, jetzt unverändert angenommen hat. Dieser Umfall sei nur aus dem Wunsche Moskau« her aus zu erklären, sich nicht länger selbst au» der Dis kussion der großen internationalen Probleme, deren Schwergewicht sich mehr und mehr nach! Genf verschiebt, auszuschlteßen. „Jswestijaj" über die Teilnahme Rußlands an der WelMirtschaftskonseren-. Moskau. 29. April. „Jswestija" schreiben: Der Be schluß der Sowjetregierung, ungeachtet der ungewöhnlichen Mittetlungsweise des Völkerbundes durch einen Anschlag im Bölkerbundsgebäude, an der Internationalen Weltwirtschafts konferenz tetlzunehmen, ist der beste Beweis von der Sinn losigkeit der Behauptungen,, daß die Sowjetregierung angeb lich eine Selbsttsolterung anstrebt und die Berufung auf den Sowjet-schweizerischen Konflikt als diplomatischen Vorwand für dis Verweigerung einer Teilnahme an den europäischen Konferenzen benutzt bat. Der Entschluß der Sowjetregterung bedeutet nicht, daß die Sowjetunion optimistische Hoffnungen auf die Konferenz setzt, von deren Programm die wirklichen Ursachen der schweren Krise der Weltwirtschaft ausgeschlossen sind. Die Teilnahme der Sowjetunion an der Konferenz darf nicht als Möglichkeit irgendwelcher Aenderungen des Außenhandelmonopolsystems ausgelegt werden. Die Sow jetunion strebt Vie Entwicklung von Wirtschaftsbeziehungen zu den kapitalistischen Staaten an, was nur bet unbedingter Aufrechterhaltung des unverrückbaren Außenhandelsmono pols möglich ist. Hollün-lsch-brlgischr verhan-lungen über -le plakatzwlschenfälle. Amsterdam, 29. April. Nach dem „Algemeen HändelSblad" stattete gestern der niederländische Ge sandte in Brüssel dem belgischen Außenminister «inen Besuch ab, wobei n. a. die letzten Zwischenfälle in Hol ländisch^ tmburg zur Sprache kamen und dem Gesand ten versichert wurde, daß die belgische Regierung etwaige neue Zwischenfälle soweit wie möglich, verhindern wolle. Grmeln-ewahlen lm Memelgrblet. Memel, 29. April. Im Memelgebtet Obe« ge stern die Gemeindewahlen stattgefunden. Dio Wahlbe teiligung war geringer als im Lahre 1924. Da» Er gebnis der Wahlen.»in der Stadt Memel zeigt ein An wachsen der kommunistischen Mandate von 6 auf 10 und,etnen Rückgang der sozialdemokratischen Sitze von 18 auf 5. Tie neue ltnkssoztaltstische Liste errang drei Sitze. Bet den bürgerlichen Parteien einschließlich der Natlonallttaue« sind keine Verschiebungen im bisheri gen Besitzstand