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Sonntag, cken 3. Oktober 1S2S 2t. Jahrgang Mer Tageblatt ZM-- /lnzeiger für Las Erzgebirge L.i.gromm., rog.dlatt ftn.«r,s«btr»». EuthaUeuL -le amtliche« SkLaaittttiachaagra -es Kate» -er VtaSt oa- -es fimtsgrrlchl» Ma«, poflfth*«.«.»- M»« Leipzig ar. Nr. 231 Der Streit um das Silverbergprogramm. Eine neue Rede Silverbergs. Düsseldorf, 1. Okt. Der Verein zur Wahrung der gemeinsamen Wirtschaftsinteressen des Nheinlandes und Westfalens tagte heute in Düsseldorf. Das Haupt-! thema der Versammlung war die Dresdner Rede Sil-! verbergs. Silverberg selbst nahm das Wort und stellte sest, daß er seine Rede der mit der Vorbereitung der Dresdner Tagung betrauten, aus acht Herren des Prä sidiums des Reichsverbandes bestehenden wirtschafts politischen Kommission vorgelegt habe und die Rede von dieser Kommission gebilligt worden sei. Die Fest stellung Silverbergs wurde von dem Vorsitzenden des Neichsverbandes, Geheimrat Duisberg, der der wirt- > schaftspolitisch en Kommission angehört, bekräftigt. Die gutbesuchte Versammlung wurde von General direktor Reusch mit Gedenkworten auf August Thys sen, Otto Wiedfeld und die anderen verstorbenen Mit glieder des Vereins eröffnet. Reusch kam dann sofort auf die Rede Silverbergs in Dresden zu sprechen und führte etwa aus: Den Ausführungen Silverbergs in Dresden kann man im allgemeinen nur zustimmen. Lei der aber hat er sich am Schluß seiner Rede auf das politische Gebiet begeben, was in Kreisen der Industrie Bedenken und Widerspruch auslösen muß, um so mehr, als diese Ausführungen von der Presse parteipoli tisch ausgewcrtet werden. Ich stimme Herrn .Silver berg darin zu, daß nicht gegen und ntcht ohne die Arbeiterschaft regiert werden soll, glaube aber darin mit ihm einig zu gehen, daß von der Industrie im Interesse ihres geschlossenen Auftretens die Parteipolt- ^ik ferngehalten werden muß. Es ist nicht angängig, eine einzige Partei als „Arbeiterpartei" zn bezeichnen In der Presse kehrt immer die Behauptung wieder, daß der Wortlaut der Silverbergschen Rede einstimmig vom Präsidium des Reichsverbandes vorher gebilligt worden sei. Ich stelle hier ausdrücklich sest, daß die Rede des Herrn Silverberg dem Präsidium! und Vorstand! vor der Dresdner Tagung nicht Vorgelegen hat. Reusch be grüßte dann noch die Maßnahmen, die der Reichs- sinanzminister Tr. Reinhold zur Vereinfachung des LerwaltungSapparates in seinem Ministerium getroffen hat. Nach Reusch nahm unter allgemeiner Spannung Generaldirektor Silverberg daS Wort. Er nahm nichts zurück, unterstrich iM Ge genteil ohne jede Zurückhaltung noch! einmal seine Dres dener Ausführungen und ließ sich auch durch den Wider spruch, der sich in der Versammlung hiev und da be merkbar machte, in seiner Stellungnahme, nicht erschtit- rern. Im einzelnen trug Dir. Silverberg in freier Nede etwa folgendes vor: Von einer Auseinandersetzung zwischen mir und Generaldirektor Reusch, wie sie vielfach erwartet wor den ist, kann keine Rede sein. Den wesentlichsten Teil meiner Dresdener Ausführungen Hat Generaldirektor Reusch wiederholt und dabei auch unterstrichen, daß gegen die Arbeiter nicht regiert werden solle. Tiefer Satz ist sehr bedeutungsschwer. Wenn man mir entgegenhält, daß das eigentlich selbst verständ- lich ist, so erkläre ich : es ist zweckmäßig, Selbstver ständlichkeiten auszusprechen. Ich habe genau gewußt, daß ich das politische Gebiet gestreift habe, und ich halte es nach wie vor für notwendig. ES ist nicht mög lich, eine Trennung der verschiedenen schwebenden und die Wirtschaft interessierenden Fragen von der Politik iwrzunehmen. Denn alle Fragen, die das deutsche Unternehmertum oder die Wirtschaft betreffen, werden in einer Stelle entschieden, die politisch zusammengesetzt ist. Tis Gefahr, die die Verknüpfung aller Fragen mit der Politik mit sich bringt, ist aber um so größer, wenn man nicht den Mut hat, sich Mit diesen Dingen zu be schäftigen. Was habe ich nun in Dresden gesagt? werde alle enttäuschen, die glauben, ich. wolle etwas zurücknehmen oder ändern. Wenn nicht gegen die Ar beiterschaft regiert werden soll, dann muß Man doch den Entschluß fassen, daß große Parteien, in denen die Arbeiterschaft wesentlich vertreten ist, nicht prinzi piell als regierungsunfähig erklärt werden. Man mutz den Mut haben, die Konsequenzen zu ziehen. Silverberg gab sodann die Voraussetzungen an, von denen seiner Ansicht nach eine Zusammenarbeit mit der.Sozialdemokratie abhängig ist. Tie SPD. habe einmal nicht die Macht und die Fähigkeit, den Staat zu regieren. Sie müsse ferner auf die übrigen Doktri nen verzichten und die Unterstützung der Politik durch die Straße müsse aufhören. Silverberg schloß mit der Hoffnung, daß Unternehmer und Arbeiterschaft bald auf einer Linie Zusammenkommen. Seinen Ausführungen folgte zuerst ein etwas schüchterner, dann langsam iin- mer stärker werdender Beifall. Hierauf nahm Dr. Thyssen das Wort. Er hielt sich kurz und versuchte nur in großen Zügen eine Abschwächung der Silverbergschen Ausführungen. Er glaube nicht, so führte er aus, daß Silverberg absolut neutral war. Er habe nach den Aus führungen Silverbergs den Eindruck, als.wolle dieser sagen, es könne nur mit der SPD. regiert werden. Diese Konsequenz könne man jedoch nicht ziehen. DaS Unter nehmertum müsse politisch neutral bleiben. Alsdann streifte Thyssen die soeben zum Abschluß gekommene deutsch-französische Verständigung und betonte, daß-sie in der Hauptsache ein Schritt aus dem Wege zur Befrie dung Europas seih Die Ausführungen von 'Thyssen wurden von lebhaftem Beifall, der ostentativ stärker war als der Beifall bet der Rede Silverbergs, begleitet. Das Rätsel, ob Dr. Silverberg mit Zustimmung des Reichsverbandsvorstandes in Dresden gesprochen hat, wurde durch eine Feststellung des Vorsitzenden , des Reichsverbandes, Geheimrat Dr. Dutsberg gelöst. Dutsberg erklärte: „Weder Präsidium noch Vor stand noch ein offizielles Gremium! des Neichsverbandes haben sich mit der Rede Silverbergs bcschäft oder gar dazu Stellung genommen. Jeder, der im Rcichsver- band eine Rede hält, muß sagen dürfen, was er will. Aber gerade Herrn Silverberg an dis Kette legen zu wollen, wäre ganz ausgeschlossen. Herr Silverberg hat es dagegen für richtig befunden, im Präsidialbeirat für Wirtschaft und Finanzpolitik, als Ausführungen Ge heimrat KastlS festgelegt wurden, die Gelegenheit zu benutzen, .um zu hören, wie dieses inoffizielle Gre mium über seine Ansicht denkt. Alle damals anwesenden Herren mit einer einzigen Aus nahme haben Herrn Silverberg zugestimmt, auch ich. Ich habe sogar am Tage vorher die Rede Silverbergs gelesen und habe Herrn Silverberg gebeten, daß er doch Herrn Luther nicht nur tadeln, sondern auch loben möchte. Er hat dies grundsätzlich abgelehnt. Die Bemühungen, die widerstreitenden Meinungen im Netchsverband auf eine mittlere Linie zu einigen, zeigte sich in den weiteren Erklärungen, Dvisbergs, mit denen er der Haltung Silverbergs Vas Prinzipielle zn nehmen versuchte. Es sei ein taktischer Streich gewesen, den Herr Silverberg gespielt habe. Wenn es eine rich tige Maßnahme war, so würde sie.bald iHv« Auswir kungen finden. Hmäenburgs 79. Geburtstag Von Hindenburg, Präsident des Deutschen Reiches, begeht heute seinen 79. Geburtstag, -uv Freude aller Deutschen in voller Rüstigkeit., Im Frühjahr 1925 Überkrug, nach dem Tode des ersten deutschen Reichspräsidenten, die Wahlmehrheit des deutschen Volkes dem Feldmarschall das höchste Amt- das es nach der Verfassung zu vergeben hat. Bet sei nem ausgeprägten Pflichtgefühl zögerte Hindenburg keinen Augenblick, die schwere Bürde der Stellung aus sich zu nehmen, obwohl er sich vollbewußt! tvar, daß ihm als früheren Offizier, der sich! nie mit Politischen Fra gen beschäftigt hatte, manche Schwierigkeiten.bevpr- s'mden. Treu der Verfassung, hat Hindenburg seine» Amte» gewaltet. Ohne Ermüdung zu zeigen, unterzog A sich pen nicht geringen Mühen der Repräsentations pflichten seines Amtes. Er gtnvi den Weg, den ihM daS Interesse und das Wohl des Landes vorzetchneten., Er hat zu den früheren neue Beweis? dafür gefügt, daß IvaS Vertrauen, das die Anhänger eines republikani- 'schen Deutschlands in ihn und feine Loyalität gesetzt ha ben, gerechtfertigt war. Und obgleich Schmeichler und egoistische Lobredner ihn auch weiterhin werden be einflussen wollen, ist das deutsche Volk überzeugt, daß er auch, künftig, wie bisher,, verstehen wird, die schlech ten von den guten, Ratgebern zu scheiden.^ In dieser ! Gewißheit..einigm sich alle Bolkskretse, alle Republi kaner zu dem gemeinsamen herzlichen Glückwunsch am heutigen Lage. * < Reichspräsident von Hindenburg ist vor seinem Geburtstage von Berlin zu einem Landaufenthalt >ev- ' reist und wird erst »rach dem 2. Oktober zurückkehrea. Vas Rätselraten über Livorno. London, 1. Okt-, In Ergänzung des nichts sagenden amtlichen Berichtes meldet der Sonderbericht erstatter des „Daily Telegraph" aus Livorno, daß, so weit er in der Umgebung der beiden Staatsmänner habe feststellen können, die Unterredung zwischen Chamber lain und Mussolini sich mit der für England und Ita lien bestehenden Notwendigkeit beschäftigt habe, die Pro bleme zu prüfen, die sich aus der deutsch-französischen Verständigung ergeben würden. Ess wurde zu verstehen gegeben, daß England und Italien keinen abweichenden Standpunkt zu der neuen Phase der europäischen Po litik einnähmen. Am Donnerstagabend empfing Chamberlain einige englische Journalisten und erklärte ihnen, daß das Wort Thoirh überhaupt nicht erwähnt wordeu sei und daß überhaupt nicht viel über Politik gesprochen wurde. Chamberlain bedauerte ironisch, der Presse keine Sensationen liefern zu können. Die „Westminster Gazette" meldet, daß Mussolini» Begleiter, Unterstaatsselretär Grandi, erklärt habe, daß die Unterredung sich nicht um Tanger, sondern um wich tigere Fragen gedreht Hätte. Tas Blatt kommentiert diese Feststellung dahin, daß Mussolini daran.arbeit«, Griechenland, Rumänien und Bulgarien durch Verträge mit Italien zu einem gegen Jugoslawien gerichteten Bund zusammenzuschweißen, der es Italien erleichtern soll, gegenüber Frankreich das Uebergewtcht im Mitteln:esr aufrecht zu erhalten. Frankreich, so meint das eng lische Blatt, werde durch feine Verständigung am Rhein den Rücken sreibekommen für eine aktivere Politik im Mittelmeer. Die englische Außenpolitik habe, tn Be folgung ihrer Realpolitik Mussolini im Balkan freieHand gegeben tM Austausch für Zusicherun gen Mussolinis, im westlichen Mittelmeer, in dem Gebiet, an dem England interessiert sei, eine zurück haltende Politik zu verfolgen. „Daily News" betont in ihrem Sonderbertcht, daß in den Erörterungen Italiens der Drang „nach einem Platz an der Sonne" die Hauptrolle gespielt habe. Mus solini habe erklärt, daß er sich jeder Neuvertet lung der Koi onialmandate zugunsten von Deutschland widersetzen werde, wenn nicht zu gleich Italien in seinen Aktionen gegenüber den mög lichen Entwicklungen der europäischen Lage.unterstütz) werde. > S.'in Antrag über Sie Vereinigung Veutschlanös unü Oesterreichs, Wien, 30. September. Der österreichisch-deutsche Volks bund hat beschlossen, bei dem nm Sonntag beginnenden paß europäischen Kongreß den Antrag zu stellen, der Kongreß möge die Bereinigung Oesterreichs mit dem Deutschen Reiche auf die Tagesordnung setzen und beschließen, unter Berufung auf Artikel 88 des Staatsvertrages von St. Germain und auf Artikel 80 des Versailler Vertrages die grundsätzliche Er laubnis zur Vereinigung der beiden Länder beim Völ kerbund nachzusuchen. Militärdiktatur kn Polen! Warschau, 1. Okt. Zur Stunde, verhandelt Pilsudskt mit verschiedenen Persönlichkeiten über den Eintritt in seine Regierung. Auffallenderwetse hat er bis jetzt keinen der Parteivertreter geladen, sondern lediglich Generäle. Dian nimmt infolgedessen an, daß Piisudski bis Absicht hur, ein GeneralSkabiuett zu bil den. Was das bedeuten will, ist klar genug. Gs wird wahrscheinlich eine verschleierte Militärdiktatur errich tet werden. Man vermutet, daß Pilsudskt sogar beab sichtigt, den jetzigen Kommandanten der Stadt Warschau General Slawyj zum Innenminister zu ernennen. Dis polnische KabinettSlrifiS. Warschau, 1. Oktober. Marschall Pilsudskt ist e» »och nicht gelungen- seine Kabinettsbildung zu beenden. Er scheint bei der Besetzung einzelner Ressorts noch auf Schwie rigkeiten zu stoßen. Als sicher kann gelten, daß Pilsudskt neben dem Vorsitz im Kabinett auch das Kriegsministerium übernehmen und daß der frühere Ministerpräsident Barthel die Stellung eines Bizemtnisterpräsidenten erhalten wird. Zum Ueberfall auf den früheren polnischen FinanzmiMster. Warschau, 1- Oktober. Der Ueberfall polnischer Offiziere auf den früheren Finanzmtntster hat das größte Auf sehen erregt. Eine Reihe hochstehender Persönlichkeiten, darunter Gesandte und Abgeordnete, haben dem Minister, der infolge der erlittenen Verwundungen zu Bett liegt, ihre Wünsche zur baldigen Genesung ausgesprochen. Die Abend blätter berichten über den Zwischenfall selbst noch, daß di« Offiziere vor dem Ueberfall die Telephonleitung zu: Wohnung des Ministers «-geschnitten haben.