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Kuer Tageblatt Donnerstag, äen S. September 1S2S Nr. 210 Anzeiger für Sas erzgebirse LM Logebiati Eathalttvö -k amtttchra vrlaittttmachaagr« ter Natt» ö« Statt aas sa» stmttgrllchtt sta». p-att»«'«-" fwuttppg a,.,e« 2^. Jahrgang Die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund beschlossen. Genf, 8. September 1S2S. Die Völkerbundsversammlung hat nach An nahme der vom Büro vorgeschlagenen Tagesordnung für ihre heutige Vormittags- Sitzung soeben 11.48 Uhr den ersten Punkt ihrer heutigen Tagesordnung genehmigt und einstimmig die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund beschlossen. Der Beschlutz wurde mit starkem Beifall von der Versammlung begrübt. Genf, 7. Sept. Der Stnn der heutigen Beschlüsse »eß Büro» der Versammlung ist folgender: Man hat ich dahin geeinigt, daß! zunächst über die Aufnahme Deutschland» abgestimmt wird. Sodann erfolgt eine „eitere Abstimmung über die Schaffung des neuen iändigen Sitze» für Deutschland. Zn Verbindung Hier nit wird auf demselben Stimmzettel über die vorge- chlagene Vermehrung der nichtständigen Sitze abge- timmt. Wer also gegen die Vermehrung der nicht- tändigen Sitze stimmen wollte, mühte gleichzeitig auch >te Schaffung de» neuen ständigen Sitzes ablehnen. Diese llatzregel bedeutet einen moralischen Zwang zur An nahme des Gesamtkompromisses. Im Wortlaut der zu fassenden Beschlüsse heißt es: ,Sa» Büro schlägt der Versammlung vor, am Mittwoch, dem 8. September, um 10 Uhr vormittags Hine Plenarsitzung abzuhalten mit folgender TageSord- Irung, die die Artikel 11 und 12 der Tagesordnung zu sammen umfaßt: 1. Prüfung des Berichtes der ersten Kommission L der außerordentlichen Versammlung (vom März 1926) L über den Aufnahmeantrag der deutschen Regierung. 2. Prüfung der vom Rat am! 4. September 1926 angenommenen Entschließung, betreffend a) die Tv- ftgnterung Deutschlands als ständiges Ratsmttglted. b) die Vermehrung der Zahl der nichtständigen Sitze von sechs auf neun. S. Prüfung der Vorschläge der Studienkommis, ton über den Wahlmodus für di« nichtständigen Rats mitglieder und das Reglement ihrer Mandate. Das Büro empfiehlt der Versammlung, gemäß Ar- lkel 14, ,H 2 ihres internen Reglements zu bestim- neu, daß sie über die Artikel 1 und 2 der obigen La ¬ deaufträgen, auf der ein internationale» Abkommen zur Abschaffung von Verboten und Sperrmaßnahmen ge gen Ausfuhr und Einfuhr geschaffen werden soll. Das Datum der Konferenz wird der Generalsekretär int Ein vernehmen mit dem Vorsitzenden des Vorbereitungsaus schusses für die Wtrtschaftskonferenz bestimmen. Ferner wurde der Bericht des WirtschaftSkomiteeS über das Sa- nierungswerk in Oesterreich zusammen mit dem öster reichischen Gesetzentwurf über die Ausgabe von Schatz scheinen und die Erhöhung der Beamtengehälter und die noch an einige formale Bedingungen geknüpfte Frei, gäbe des Restbetrages der VölkevbundSanleihL genehmigt. Schließlich wurde das Protokoll über die Kontrolle der internationalen Anleihe für die bulgarischen Flüchtlinge unter Zustimmung de» bulgarischen Vertreter» und der Vertreter der Kleinen Entente angenommen, welch letz- ttren ein Einspruchsrecht eingeräumt wird. Der jugo slawische Delegierte sprach die Hoffnung au», daß! mit dieser Vereinbarung der Abschluß eine» Balkanpakte» gefördert werde. Norwegen will protestieren. Paris, 7. Sept. Der Vertreter der Agentur HavaS in Genf meldet, daß sich eine Opposition inner halb des Völkerbundes gegen die Absicht kundgebe, gleich zeitig über die Frage der Zuteilung eine» ständigen Ratssttzes an Deutschland und über die Frage der Schaf fung dreier erneuerungsfähiger nichtständiger Sitze ab- zusttmmen. ES werde verlangt, daß getrennt hierüber abgestimmt werde. Heute vormittag erfuhr man, daß gewisse Delegationen und besonders die norwegische un. ter Nansen beabsichtigten, in der Vollversammlung zu beantragen, die Entscheidung! Über di« neuen drei Titz» an den juristischen Ausschuß zurüSzuverweisen. Ta» Ergebnis dieser Intervention würde im Fall eine» Gelingen» da» sein, daß Deutschland sofort Genugtuung erhielte und daß die übrigen Länder hinsichtlich der Zahl der nichtständigen Sitze im Ungewissen gelassen würden. Der Vökkerbundsrat fei entschlossen, die nor wegischen Vorschläge und jeden anderen Vorschlag! dieser Art energisch zu bekämpfen und Brtand werd« nicht zögern, nötigenfalls von der Rednertribüne de» «Ülker» bundes aus einzugreifen. Unter diesen Umständen könne die morgige Vollversammlung nach Ansicht de» Vev» treter» der Agentur HavaS äußerst lebhaft werden. Der Völkerbundsrat werde sich heute nachmittag mit der festgesetzten Tagesordnung beschäftigen, aber e» verstehe sich von selbst, daß die Intrigen und Manöver, die ge gen seine Beschlüsse vom Sonnabend unternommen wür den, pon ihm sehr genau geprüft werden würden. Vtt -rutsche Delegation für Senf aufgestellt. Einer Korrespondenzmeldung zufolge ist die List« für die deutsche BölkerbundSdelegatton nunmehr voll ständig ausgestellt. Der Delegation gehören danach ne ben den bisher genannten Persönlichkeiten al» Sachver ständige noch! eine Unzahl höherer Beamter und di« bereits in Genf weilenden Mitglieder der vorbereiten den AbrüstungSkommtsston an. Weiter werden Mitglie der der Delegation der deutsche Gesandte in Bern, Adolf Müller, und der Genfer Generalkonsul Asch mann sein. Der erstere ist, nach Blättermeldungen au» Genf, bereits gestern abend dort etngetrosfen. icSordnung ohne vorherige KvmmisstonSüberwetsung os« KegisrungDdertLetern zu I ne? JnduslriräänrLgunz- Genf, 8. Sept. Heute morgen wurde der Punkt . der Tagesordnung einstimmig angenommen. ES ist lso auch! zu erwarten, daß der strittige Punkt L vor behaltlos Genehmigung findet. Die Schwarzscher, die n den vom Büro ausgestellten Beschlüssen Intrigen egen Deutschland sehen wollten und in sensationellen leberschriften den Locarnogetst verhöhnten und von Lug und Trug" sprachen, scheinen diesmal wieder ge- örig hineingefallen zu sein, denn Punkt 2 wird wohl benfalls einstimmig angenommen werden. Die Unken, ufe waren also unberechtigt. Dis „Germania", das Zentrumsorgan, schreib: zur Rede Dr. Silverbergs: „Wir, die wir stets für die bestehende Staatsform ein getreten sind und die Teilnahme auch der breiten Arbeiter massen, also auch der Sozialdemokratie an der Regierung gefordert haben, können die geistige Entwicklung des Reichs verbandes der deutschen Industrie auf das lebhafteste be grüßen und nur wünschen, daß diese Einstellung von Dauer sein und in gleichem Sinne weiter fortschreiten möge. Da zu bedarf es des Verständnisses und des guten Willens auf beiden Seiten. Die Industrie muß bereit sein, die Folgerun gen aus ihrer veränderten Einstellung zu ziehen. Es sind nicht nur leeere Gerüchte gewesen, welche die Finanzierung der sogenannten „vaterländischen Verbände", deren Haupt ziel bekanntlich die Beseitigung der republikanischen Staatsform und der Kampf gegen den „Erbfeind" ist, der Industrie in die Schuhe geschoben haben. Das muß nun- mehr aushören. Diese Organisationen wie auch die gleich gesinnten Blätter — und zu letzteren gehören nicht nur die Verbandsblätter — dürfen keinen Pfennig mehr von der Industrie bekommen. Der Schaden, den sonst das Der- trauen in die Geradheit und Aufrichtigkeit unserer Indu- strieführer nehmen müßte, wäre nicht wieder gut zu machen. Es war auch nicht geschickt, daß die bekannten industriellen Forderungen in bezug auf Arbeitszeit und und Lohngestaltung von Geheimrat Kastl so scharf, fast möchte man sagen diktatorisch, vorgetragen wurden. Was die Industrie verlangt und zum Teil mit viel Recht ver- lanaen kann, ist bekannt. Es kommt alles darauf an, daß der rechte Ton und Takt im Zueinander und Gegeneinan- der von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gefunden wird. Dann hat man sich recht oft schon über nicht weniger schwie rige Fragen leidlich geeinigt. Der „Herr-im-Hause-Stand- punkt" auf der einen Seite und blinde Halsstarrigkeit auf der anderen Seite führen niemals zu einer befriedigenden Lösung. Auch die Sozialdemokratie muß Vernunft walten lasten und den Mut aufbringen, das als richtig Erkannte zu tun. Solange sie sich in ihrem Tun und Lasten von der Rücksicht auf den radikalen Bruder bestimmen läß', ist sie freilich für eine Regierung nicht reif." Bon führender gewerkschaftlicher Sette hört da» Ber« ltnerTageblattzur Rede Silverbergs aus der Tresde- Pressestimmen zur Silverberg-Rede Verständnisvolle Aufnahme auch von Setten der Sozialdemokraten und der Gewerkschaften. Vas Gkga« Strefemanns zur Lage. Die „Tägliche Rundschau" nennt es verfehlt oder um mindesten übertrieben, den Ratsbeschluß, wonach te Zuerkennung eines ständigen Ratssitzes an Deutsch, and und die Erhöhung der Zahl der nichtständigen llitglteder von sechs auf neun gleichzeitig behandelt »erden soll, als eine schlimme Intrige gegen Deutschland tnzustellen und ihm „katastrophale Folgen" für Deutschland -u-uschretben. Die Reichsregierung habe urch ihren Delegierten in der Studienkommtssirm der Vermehrung der nichtständigen Sitze schon int Mat zu- esttmmt, und diese Haltung habe seinerzeit die ein mütige Billigung der großen Parteien int AuSwärtt- en Ausschuß gefunden. Nachdem Deutschland als Mit lied der Studienkommission sein Einverständnis mit er Vermehrung erklärt habe, hätte es auch alS Rats- kittglied nicht eine gegenteilige Stellung einnehmen önnen. ES könne also nicht die Rede davon sein, daß er Vvlkerbundsrat durch seinen Beschluß Deutschland or vollendete Tatsachen gestellt habe. Wettere Seschlüsse öes völkerbun-rates Außer der Vertagung der Taarfvage beschloß der ZölkerbundSrat heute, den Generalsekretär mit der Etn- Lrufung Mrs Ksystssnö s ' „Die Rede Silverbergs wird von un» als bemerkens wertes Ereignis anerkannt. Die Rede gewinnt dadurch an Wert, daß das Präsidium des Reichsverbanves die wesent- lichen Teile der Rede vorher ausdrücklich gebilligt hat, so daß eine feste Grundlage gegeben ist. Der unmittelbare Erfolg der Rede Dr. Silverbergs wird eine wesentliche Erleichterung der Behandlung aller lnnerpolmschen Fragen sein die gemeinsamen In! tzrqstn der Industrie und der Arbeiterschaft berühren. Für eine weitergehende Rückwirkung kommt das Angebot einige Jahre zu spät oder zu früh. Zu spät, weil die Zen- tralarbettsgemeinschaft, wie wir Gewerkschaftler glauben, wesentlich durch die Schuld des Unternehmertums zer brochen wurde, das die Bedeutung des inneren Marktes, also der Kaufkraft der breiten Massen verkannt hat. Zu früh, weil die Gewerkschaften durch die Krise auS vielen Positionen herausgedrängt worden sind und es natürlich vorziehen, unter Bedingungen zu verhandeln, die ihnen das Gefühl des Gleichen unter Gleichen geben. In gewerk schaftlichen Kreisen wird ferner bezweifelt, ob Silverbergs Rede im Reichsverband wirklich einstimmige Unterstützung gefunden hat. Indessen wird die Einstimmigkeit nicht als absolut notwendig empfunden, sofern Stlverberg den der Zahl und der Bedeutung nach wichtigeren Teil der Indu strie hinter sich hat. Da» vkleuutui» t« SquAltt wird von den Gewerkschaften al» nicht verwunderlich an- gesehen. Die Industrie kann in ber Republik ebenso gut leben und gedeihen wie unter dem Kaisertum, ohne zudem hinter Soldaten, Junkern und Hofschranzen an vierter Stelle zu stehen. Allgemein haben alle befragten Gewerk schafter sich dahin geäußert, daß die Stlverbergschen For- derungen der Anerkennung des Kapitalismus, der Ein stellung des Klastenkampfes nur theoretische Formulierungen seien, die für eine praktische gemeinschaftliche Gegen- wartSarbeit eine grundsätzliche Bedeutung nicht bcan- spruchen können. Da» einflußreiche Organ der Hamburger Sozialdemo kratie, da» „Hamburger Echo*, nimmt heute ausführ lich in einem Artikel „Gefährliche Geschenke" Stellung zur Rede Dr. Silverbergs in Dresden. Diese sei, schreibt da« zweifellos ein Bekenntnis der mächtigsten Industrie. Häuptlinge. Sie habe der deutschnationalen Engstirnigkeit den Assq'üv und hrsche den Stab über di« Bsrntert« «Meiden wolle. LäS Büro schlägt vor, daß! Artikel i der obigen Tagesordnung an die erste Kommission »erwiesen wird, die gebeten wird, so schnell wie möglich »er Versammlung einen Bericht über die Frage zu er kalten." TkS Büro hat dem Hauptdelegierten der Schweiz, lliotta, die Aufgabe anvertraut, der Versammlung »en Vorschlag des Büros vorzulsgen.