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21. Jahrgang Sonnabenä» äen 7. Rugusc 192S Nr. 182 Die Magdeburger Komödie der Kriminal Braut. Berliner Krimi- OberstaatSanwalt Wie wir bereit- gestern meldeten, hat Schröder »in Geständnis abgelegt. Die vielgeschmähten Berliner Kriminalbeamten haben also in kürzester Frist Licht in gefunden sei, und selbst ge- Jn der Oeffentltchkett ist an den Untersuchung». Achter in Magdeburg, LandgertchtSrat Kölltng, die Frage gerichtet worden, ob sein Schreiben an den Magde burger Polizeipräsidenten von dritter Sette verfaßt und ron Herrn Kölltng nur unterzeichnet worden ist. Viel leicht gibt Herr Kölling auch darüber Auskunft, wer »teseS Schreiben versaßt hat und ob im besonderen der IkechtSanwalt Martin, der mehrfach in politischen Pro- »essen für recht-radikale Angeklagte eingetreten ist, al» g-rfosser dies«» Schreiben» kann. Lan-tags-Interpellatlon über Magdeburg. Nach einer Blättermeldung hat die kommunistische Landtagsfraktion einen Antrag auf Einberufung des ständigen Ausschusses zwecks Stellungnahme zu dem Magdeburger Justizfall gestellt.. In einer großen An frage wird an da» Staatsministerium die Frage gerich tet, ob es bereit sei, sofort dem! ständigen Ausschuß die jenigen Maßnahmen mttzutetlen, die gegen die in der Magdeburger Justizangelegenhett belasteten Richter er griffen worden sind. Außerdem wird Mitteilung dar über verlangt, warum der Justizmtnister kein Diszipli narverfahren gegen Kölling eingeleitet hat. Mie Sckröcler zu ciem Geltänänis gebraän wuräe. Nachdem das Geständnis der Götze Protokolliert war, verlangten die Kriminalbeamten eine Gegenüberstellung der «Götze mit Schröder. Der Untersuchungsrichter sträubte sich dagegen, Schröder aus dem Untersuchungsgefängnis nach dem Polizeipräsidium bringen zu lassen, trotzdem der Justiz palast vom Polizeipräsidium nur wenige Schritte entfernt ist. Auf Intervention des Polizeipräsidenten und nach dem Eingreifen des Oberstaatsanwaltes ist Schröder doch ins Po lizeipräsidium geschafft worden. Schröder wurde schwer gefesselt aus dem Gefängnis geführt. Bevor man ihn in das Untersuchungszimmer führte, ließ man ihn an der Zelle der Hildegard Götze vorübergehen und ihn durch das Fenster sehen. l Hildegard Götze brach beim Anblick ihres Geliebten laut aufschreiend zusammen. Auch Schröder erblaßte einen Augenblick und biß sich,' krampfhaft erregt, auf die Lippen, faßte sich dann aber sofort wieder und schritt ruhig ins Untersuchungszimmer. Im Untersuchungszimmer wartete eine neue lieber- raschung auf ihn. Dr. Riemann hatte das gesamte Wohnzimmer mitsamt der Einrichtung in das Untersuchungszimmer bringen und das Zimmer da- mit ausftatten lassen. Auf dem Boden lag der Teppich, auf dem noch die Blut spuren zu sehen waren, auf dem Tisch der Revolver, mit dem Schröder den Helling erschossen hat. Auch der Anzug, den Schröder an dem Mordtage getragen hat. Man ließ Schrö der wieder auf dem Stuhl Platz nehmen, auf dem er Helling in Großrottmersleben erschossen hat. Inzwischen hatte Schröder seine Fassung vollkommen wieder gewonnen, ja, er begann sogar jetzt höhnische Bemerkungen über die Ber liner Beamten zu machen. Die Berliner Beamten könnten sich noch so sehr anstrengen, wie sie wollten, sie bekämen doch nichts aus ihm heraus. So schlau Me er seien sie noch lange nicht. Sie wollten ihn wohl mit der Wohnungseinrichtung überrumpeln. Im übrigen denke er ja garnicht daran, sich von ihnen vernehmen zu la Er ließe sich nur von e vernehmen, und das komm. sen. nem einzigen Kriminalbeamten ei für ihn nur sar Tenhold. Bei der Vernehmung waren außer den nalkommtssaren noch der Magdeburger Rasmus und der Polizeipräsident von Magdeburg, Henzel, anwesend. Dr. Riemann machte dem Schröder nun sehr ernsthafte Vorstellungen, er müsse doch endlich seine Tat gestehen. Man habe alles beisammen. Man habe sogar das Rad mit dem Helling an dem Mordtage hinausgefahren das Schröder eine Zeitlang nach der Ermordung fahren habe. Im übrigen besitze man das Geständnis seiner Es helfe ihm angesichts dieser Umstände kein weiteres Leug nen mehr. Daraufhin brquemi'e sich Schröder zu einem Teilgeständnis und heute früh zu einem umfaßenden. Er blieb auch heute vormittag noch vollkommen ruhig und unbewegt. Er zeigte nicht die geringste Spur von Reue. 1. Helling war verschwunden. Verdacht, daß er einem Verbrechen zum Opfer gefallen, regt sich. 2. Dieser Verdacht lenkt sich gegen Schröder, einen übelbeleumdeten Mann. 3. Die Leiche Hellings wurde im Hause Schrö- ders aufgefunden. 4. Es wurde festgestellt, daß, er erschossen wor den ist. Die Kugel wurde vorgefunden. 5. Bei Schröder wurde ein Revolver gefunden. 6. Eine Prüfung des Kalibers dieser Waffe und der Mordkugel fand nicht statt. Ter Untersuchungs- richter behauptete ohne Prüfung, das Kaliber sei ein anderes. 7. Im Hause Schröders lagern Briefe. Sie wer den nicht beschlagnahmt. 8. Es wird festgestellt, daß Schröder verlobt ist und diese Braut lange Zeit bet ihm gewohnt hat. 9. Die Braut wird nicht vernommen. 10. Der Untersuchungsrichter ist überzeugt, daß Schröder nicht der Mörder ist. Warum? Man hat dem Untersuchungsrichter Beamte aus Merlin zur Verfügung gestellt, die er ablehnte. Außer dem hat dieser Untersuchungsrichter noch die Disziplin- Aosigkett, seine höchsten Vorgesetzten in Zeitungen mit Anschuldigungen zu überhäufen. Letzterer Vorfall ist wohl der bedauerlichste. Es war bisher in Deutschland nicht üblich, daß Beamte gegen Vorgesetzte revoltieren. Wenn derart unerhörte Tinge vor dem Kriege vorgekoar men wären, hätte man den Betreffenden im hohen Bogen vor die Tür gesetzt, und wir hoffen, daß dieses auch in der Republik geschieht. Schrööers Schwester verhaftet. Magdeburg, 5. Aug. Wie verlautet, ist heute früh die Schwester Schröders sestgenommen worden. Bei ihr, die in Magdeburg wohnt, fand man den Chauffeuranzug ihres Bruders, mit der er im !Juni vorigen Jahres Helling nach Großrottmersleben gelockt hatte. Auch war sie es, die versucht hatte, aus dem Teppich in der Wohnung Schröders die Blutflecke ab zuwaschen. Während der Haft ihres Bruders stand sie mit ihm in ständiger Fühlungnahme, besuchte ihn oft und hielt »die Verbindung mit seiner Braut in Köln aufrecht. Anfragen. Berliner Blätter stellen folgende Fragen: Die Verhaftung der Geliebten Schröders hat zu «er völligen Klärung des Mordfalles Helling geführt. Wie konnte es kommen, daß dieser so nahe lte- Wgenden Spur von dem Untersuchungsrichter, wie von Wer Magdeburger Kriminalpolizei viele Wochen lang Meine Beachtung geschenkt worden ist? Wie war es möglich, daß der Mörder mit der Frau, Wie zur Zett des Mordes in dem Mordhause weilte, Minen regen schriftlichen Verkehr unterhalten konnte? Wie ist es zu erklären, daß in all den Wochen tm- Mer nur Material gegen Rudolf Haas gesucht wurde, Während der Mörder bei dem LandgertchtSrat Kölltng Mnd dem Kriminalkommissar Tenholt blinden Glauben Fand? Schröder selbst hat sich gegenüber einem Mitgefan genen damit gebrüstet, daß „schwarz-wetß-rot gegen Mchwarz-rot-gold" stehe. Wen trifft die Schuld, daß ein MNörder überhaupt auf solche Gedanken kommen konnte? SegnaSkgung Vr. Stratkl Sauers. Berlin, ö. Aug. Der König von Afghanistan Aman Ullah hat dem deutschen Gelchrtcn Dr. Strati!- Sauer der in diesen Tagen von dem zuständigen afgha nischen Gericht wegen der Tötung eine- .Afghanen zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden war, durch einen spontanen Gnadenakt die Strafe erlassen, Dr. Stratil-Sauer ist bereits der Deutschen Gesandtschaft in Kabul übergeben worden und wird in den nächsten Ta»' gen die Rückreise nach Deutschland antreten. j Dieser Akt deS Herrschers von Afghanistan wird als ein neuer Beweis für seine freundschaftlichen Gefühle für Deutschland mit Befriedigung und Dankbarkeit be- grM ' srankreicd unä „veulfcklanci, veutlcklanä über alles..." In dir in deutscher Sprache erscheinenden Straßburger Zeitung" „La Rspublique" erschien dieser Tage ein Leitartikel, der sich mit der Natio nalhymne befaßt. Als Unterlage dient ein Gutachten des Heidelberger Universitätsprofessors Dr. CurtiuS, das der Berliner Korrespondent des „Temps" ein holte. Die Straßburger Zeitung, die sich nicht durch Deutschfreundlichkeit auszeichnet, obwohl sie in deutscher Sprache erscheint, kommentiert diese- Gutachten mit Worten, die frei von Haß, von dem ehrlichen Willen zur Verständigung getragen sind. Für uns sind nicht nur die Ausführungen des Herrn Dr. Curtius interessant, sondern vor allem auch der Wiederhall, den seine Worte in Frankreich gefunden und geben wir hier die maßgeblichsten Stellen des betreffenden Leitartikels wieder. D. Schriftltg. Man hat, seitdem der verstorbene Präsident Ebert do» Deutschlandlied an Stelle des berüchtigten „Heil dir im Sie- gevkranz" zur Nationalhymne erhob, in Frankreich kein gute- Haar an „Deutschland über alles" gelassen. Der Titel, der die Anfangsworte des Liedes und seinen Refrain darstellt, klang unsren Nationalisten von jeher wie der Trompetenton einer kriegerischen Attacke in den Ohren. Besonders bet uns im Elsaß wurde in den ersten Jahren nach dem Krieg jeder Anlaß benutzt, um über die angeblich im ganzen Reiche gras sierende „Deutfchland-über-alles"-Epidemie zu spotten und die Wahl des Liedes der Deutschen als Nationalhymne der deut schen Republik wie eine unerhörte Provokation des Pangerma- nismus zu brandmarken. Kritiklos, wie leider so oft stimmte die Mehrzahl aller Blätter in das Wutgeheul ein, das sich prompt erhob, wenn man irgendwo las, daß „Deutschland über alles" bei irgend einer Gelegenheit gesungen worden sei. Und doch hätte man gerade bei uns im Elsaß wissen dürfen, daß die Anfangsworte dieses Liedes etwas ganz anderes be deuten, als das, wozu das Vorurteil beschränkter Nationalisten sie gestempelt hat. Zur Ehrenrettung der vielgerühmten französischen Objek tivität sei nun auch an dieser Stelle festgehalten, daß endlich ein angesehenes französisches Blatt den Versuch gemacht hat, seinen Lesern einmal klar und sachlich auseinanderzusetzen, was es mit dem Deutschlandlied nun eigentlich für eine Be wandtnis hat. Der Berliner Korrespondent des „Temps", Herr Wladimir D'Ormesson, ist es, der die Anregung hierzu gegeben. Ormesson hat sich, um einmal eindeutig zu erfahren, wie das Deutschlandlied entstanden ist und was es für einen Sinn hat, an den berühmtesten Romanisten des heutigen Deutschlands, Prof. Curtius in Heidelberg, mit der Bitte gewandt, ihm den Text des Liedes genau zu übersetzen und zu interpretieren. Der Heidelberger Professor ist diesem Er suchen mit absolut objektiver Wissenschaftlichkeit aber doch in der vollendeten Form des Causeurs gefolgt, der die franzö sische Sprache und Psyche genau kmnt und einen Hauch vom gallischen Esprit verspürt hat. Tie Leser des „Temps" er fahren so durch ihn im Jahre 1926, was man in Deutschland schon geraume Zeit früher, nämlich 1848, gewußt hat, da Hoffmann von Fallersleben sein Lied der Deutschen dichtete, das Lied, dessen Melodie durchaus nicht kriegerisch agressiv, sondern mehr breit und getragen, bekanntlich mit der öster reichischen Kaisevhymne „Gott erhalte Franz den Kaiser" übereinstimmt und aus einer der Haydnschen Symphonien stammt. Der geistvolle Kommentar des Heidelberger Dozenten gipfelt in der Schlußfolgerung, daß die Worte: Deutschland über alles in keiner Weife als ein Ausdruck von maßlosem Imperialismus gedeutet werden dürfen, sondern daß diese Worte einfach besagen wollen, dem Deutschen stehe sein Vater land am höchsten, daß der Sinn eben d:r ist, daß Deutschland dem Deutschen „über alles" gehe. Nun fragen wir: kann ein vernünftiger Franzose, der Frankreich liebt, es einem ver> nünftigen Deutschen Übelnehmen, wenn er Deutschland ebenso liebt? Steht nicht jedem sein Land am höchsten und kann man nicht als Franzose Frankreich und als Deutscher Deutsch land über alles stellen und doch zugleich als Kosmopolit in seinem Herzen Raum für das Mindestmaß an Achtung be halten, das der Angehörige einer Nation dem der anderen menschlich entgegenbringt? Alle diese Fragen werden in der Ausdeutung der Curtiusschen Uüberschung des Deutschland liedes bejaht und es gereicht dem „Temps"-Korresponden'en zur Ehre, daß er sie seinen Lesern objektiv weitervermittelt. Mit Recht weist der Kommentar insbesondere darauf hin, daß man nicht nur die ersten Worte des Liedes lesen dürfe, um sich ein Urteil über seinen Geist zu bilden. Die vielbenannte Erststrophe, die so gern als Beweis für Deutschlands Expan- sionsgelüste zitiert werden, gäbe überhaupt den Franzosen keinerlei Grund zur Beunruhigung; denn wenn eS zum Bei spiel heiße „von der Maas bis an die Memel" so hätten allen falls von Deutschlands westlichen Nachbarn die Belgier Grund zur Klage, keinesfalls aber die Franzosen. Wenn es dann in der dritten Strophe heißt: „Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang", so ließe das wohl auf feuchtröhliche Lebens- und Liebesbedürfnisse der deutschen Nation, aber doch sicherlich nicht auf besondere kriegerische Gesinnung schließen. Auch die berühmte Stelle, in der gesagt wird, daß Deutschland zu „Schutz und Trutze" brüderlich zu sammenhalte, ist keineswegs aggressiv -u deuten. Ormesson übersetzt st- m-richtig mit: psur se dsfendre et pour attaquer, »aS Tlunkel gebracht. Schwer war es gerade nicht, denn >ie Beweise lagen sonnenklar und nur der Untersrr- hungSrichter Kölling tappte in der Finsternis und chrie, als die Angelegenheit geklärt wurde, daßtpie(Un-l abhängigkeit des Richterstandes gefährdet sei. Vergegenwärtigen wir uns in knappen Zügen die Vorfälle: ' ^uer Tageblatt MM- Mzeiger für das Erzgebirge WM Lag.blatt No»»r,g.s>rg,. Enthalten* ök amtliche» vekanatmachnnge« -»» Rat«- A« Grast uns *»- flmt-grricht» flu«. Leipzig Nr.,»»»