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Sonnabenä» äen 10. Juli 192S uer Tageblatt UE Mnzetser für öas Erzgebirse c.l.sranm»: Lag*dla« SathaU«»ö ök amtttchüK -rkamümachaKgra ör« Nate» ö« Sta-t aas öe, siattr-rttchi» sio». ft« «-R» m. Nr. 158 Sonnabenä» äen 10. Juli 192S 21. Zahrgang Polens Kolonisotionspolttik. Entrechtung der deutschen Ansiedler. Warschau, 8. Juli, Tiie deutsche Fraktion de» fZejmi hat eine Abordnung nach Wolhynien entsandt, uml dis zahlreichen Klagen -u untersuchen, die von den Dortigen deutschen Kolonisten eingegangen sind. Tie Kommission hat folgende erschütternde Tatsachen fest bestellt r Bor ungefähr KO Jahren wurden viele Deut. Ws nach Wolhynien berufen und dort auf Pachtland iingesiedelt. Sie haben die sumpfige und waldige Ge bend in jahrelanger mühevoller Arbeit zu einem Atu« fier land umgestaltet. Nun kam im Jahre 1924 ein Gesotz zustande, nach dem die Pächter unter gewissen Bedingungen die Pachte und ZtnSländev ankaufen konn ten. Zum Ankauf berechtigt waren aber, nur solche Pächter, die das polnische Staaksbürgerrecht besaßen. Der deutschfeindliche frühere Vizeminister Czulski hatte nun eine Verfügung erlassen, wonach die Polnischs Staatszugehörigkett von Bedingungen abhän- gig gemacht wird. Eine dieser Bedingungen ist, daß der Pächter Polen nicht länger als aus die Tauer eines Jahres verlassen darf. Während des Weltkrieges aber wurden, die deut schen Ansiedler von russischer Sette als Verräter ver leumdet, ihr Land wurde vollständig verwüstet, die Ge bäude eingeäschert und sie selbst in das Innere Rußlands verschleppt von wo sie erst mehrere Jahre nach Beendigung des Krieges zurückkehren konnten. Die polnischen Behörden nutzten diese- Unglück au« und, behaupteten, daß diese Deutschen länger al« ein Jahr den Aufenthalt in Po len unterbrochen hätten. Sie sprachen ihnen daher Pa» Recht ab, weiter auf ihren Ländereien zu bleiben, und nahmen die Vertreibung von Lausenden von deutschen Pächtern rücksichtslos vor, ES trifft dies die Pächter utn so schwerer, al» sie nach ihrer Rückkehr unter den größten Entbehrungen da verwüstete Land und die Baulichkeiten wieder in mu sterhaften Zustand gebracht haben. Nach den Schilde rungen einwandfreier polnischer Beobachter unterschei den sich die deutschen Ansiedlungen durch, ihre Sorge salt und die Höhe ihrer Kultur, bet weitem von den übrigen Ländereien Polens. Irgend welche Ansprüche vor Gericht haben keinerlei Aussicht aus Erfolg und die Gerichtsvollzieher gehen rücksichtslos vor. Man verschleudert die Gebäude und da« Inventur, ja spgur die Müder und rechnet den Erlös auf die sogenannten Exekution«- kosten an, so daß die deutschen Kolonisten ohne jegliche Mittel htnauSgestoßen werden. Zn den lohten Tagen soll, len wieder Kolonisten zwangsweise exmittiert worden sein, und zwar: Cäsaren 24 Familien, Ptskorowtpe 7 Familien, Adamonka 21 Familien (diese Kolonie soll für dieses Verfahren noch 25 000 Zloty GertchtSkosten bezahlen), Bogumilow 15 Familien, Oluka 84 Fami lien. , / Vie Reglerungsbll-ung in Mecklenburg-Schwerin Schwerin, 8. Juli. Der Landtag wählte .n seiner heutigen Sitzung die neue Regierung. Im ersten Wahlgang wurde der sozialdemokratische Abgeordnete Paul Schröder- Mostock mit 25 von 49 Stimmen zum Ministerpräsidenten gewählt. 24 Stimmen entfielen auf den Abg. Freiherrn von Brandenstein (Deutschnational). Im zweiten Wahlgang Wurden nur 30 Stimmzettel abgegeben, die Deutschnakionalen, die Völkischen und zwei Wirtschaftsparteiler enthielten sich der stimme. Es entfielen auf den Abg. Asch (Soz.) 24 und aus den Abg. Moltmann (Soz.) 1 Stimme, 5 Stimmzettel blieben kmbeschrieben. Abgeordneter Asch war somit zum Staats minister gewählt. Im zweiten Wahlgang entfielen von den abgegebenen 30 Stimmen auf den Abg. Dr. Möller (Dem.) 23 Stimmen, zwei Stimmen auf den Abg. Moltmann (Soz.) 5 Stimmezettel waren unbeschrieben. Dr. Möller ist somit -um Staatsminister gewählt. Deutsche Zirmen sollen Zalschgel- -rucken. Men Blättern zufolge sind in der letzten Zeit aus verschiedenen Teilen der Welt, so aus Afrika, Indien und Australien, bei deutschen Druck- und Kunstverlagen Aufforderungen.eingelaufen, falsche Banknoten de» je weiligen Landes herzustellen. Tiie Firmen Übergaben die Briefe der Falschgeldabteilung der Reichsbank, die dis englischen Behörden in Kenntnis setzte. Tie eng lische Botschaft hat den deutschen Firmen Tank und An erkennung für die sofortige Anzeige ausgesprochen und jeder Firma 50 Pfund überweisen lassen. Zusammenstoß von zwei bayerischen fibgeoröneten. München, 8. Juli. In den Wandelgängen des Bayerischen Landtages trat heute vormittag der sozialdemo kratische Abgeordnete Gerhard Bauer auf den national sozialistischen Abgeordneten Streicher zu und versetzte ihm mehrere Ohrfeigen. Der Grund dazu dürfte darin zu suchen sein, daß sich Bauer durch Angriffe in einem Artikel des „Türmer" beleidigt gefühlt hat. Daprrns Zelüzug gegen koscheres Zleisch. München, 8. Juli. DaS Landtag-Plenum hat heute einen Antrag angenommen, der.einem Schächt- dsrbot gleichkommt. Es wurde gegen die Stimmen der Bayrischen Volkspartei und der Freien Vereinigung be schlossen, daß gesetzliche Anordnungen erlassen werden, nach denen vor Beginn der Blutentziehung die Schlicht« tisre durch mechanisch wirkende Vorrichtungen betäubt werden müssen. Da der orthodoxe Ritus Tiere al« nicht geschlachtet ansieht, wenn sie durch die Form der Schlachtung eine wenn auch noch so unbedeutende Ge hirnverletzung erlitten haben, die jene mechanische Be täubung aber nach der Meinung der Rabbiner nach sich ziehen muß, würde koschere» Fletsch in Bayern nicht mehr zu haben sein.^ Voraussichtlich wird dieser Be schluß allerdings nicht Gesotz werden können, weil die Angelegenheit der Reich-zuständtgkett unterliegt. Die H'-zialdemokrat-n. für die die Sache keine prfirziptelle Frage ist, sollen für den Antrag deshalb gestimmt ha ben,, weil das Rabbinat zum mindesten aus München vor dem Volksbegehren einen Aufruf veröffentlicht hat, der sich gegen die Lürstenenteignung wendete. verkauf amerikanischer Schiffe. London, 9. Juli. Wie di« Blätter au» Neuhork melden werden im Laufe dieses Monat» 19 Schiffe von insgesamt 239 000 Tonnen km Werte von etwa fünf Millionen Pfund zum Verkauf angeboten werden, darunter der „Leviathan" (ehemals der deutsche Manche fsr „Vaterland"). Ties würde den ersten bestimmten Schritt der Washingtoner Regierung darstellen, sich von dem,Schiffahrtsbetrieb zurückzuziehen. Angebote kön nen nur von amerikanischen Privatgesellschaften abge geben werden. ' t Der Zinanzplan Lakllaux' fertlggestellt. Paris, 8. Juli. Finanzminister Eaillaux hat nunmehr seine Finanzpläne fertiggestellt^ Die Ent würfe sind sehr kurz und enthalten nut eine kleine Anzahl von »Artikeln. Sobald die Regierung von der Kammer da» Vertrauensvotum erhalten haben wird, will Eaillaux die schleunige Beratung seiner Finanz pläne von der Kammer fordern. Lite Ratifizierung des Washingtoner Abkommens wird den Gegenstand eines besonderen Gesetzentwurfes bilden. Die französischen Sozialisten for-ero eine Vermögensabgabe. Parts, 8. Juli. Tiie sozialistischen Abgeordneten Blum und Auriol haben heute eine Tagesordnung ein gebracht, für die sie die Priorität am Schlüsse der In terpellationen verlangen. Tiie Tagesordnung schlägt vor, das finanzielle Gleichgewicht durch ein Nvtopfer vermittels einer Vermögensabgabe wtederherzustellen. Englische Sefürchtungen wegen einer Se-rohimg Englan-s durch Rußlanö. Kalkutta, 8. Juli. Oberst Saunder», der Di rektor der militärischen Operationen, erklärte in einem Vortrag« über die Verteidigung unter besonderer Be rücksichtigung der russischen Bedrohung, daß die jüngst« Geschichte gezeigt habe, daß durch Afghanistan die beste Dormarschlinie nach Indien führe. Lier Hauptdruck Sowjetrußland» nach Indien sei von dieser Richtung ge kommen, weswegen er der Ansicht sei, daß e» zu einem Kviqg« noch in der gegenwärtigen Generation kommen müsse, wenn Sowjetrußland seine derzeitige Politik fovtsstze. stchtstuo-entag la Englan-. London, 8. Juli. Da» AchtstundemarbettStzesetz wurde in dritter, Lesung vom Oberhaus« angenommen und schielt dis königliche Bestätigung. veittsckl-näs Kriegsopfer. Die Boss. Ztg. bringt folgende interessante Zusammen stellung der deutschen Opfer nach einer Statistik de» Reichs- archiveS: Fast acht Jahre find seit Kriegsende verflossen und über den Nöten der Nachkriegszeit, den JnflattonS- und Stabilisier rungskrisen scheint die Erinnerung an die Kriegsopfer schon etwas verblaßt. Man hat versucht, die Invaliden des Welt krieges durch sinnvoll -usammenwirkende Einrichtungen der Berufsausbildung, Umschulung und Arbeitsvermittlung zu meist in Berufen unterzubringen, die ihnen die bestmöglich« Ausnutzung der ihnen verbliebenen Arbeitskraft ermöglichen. Gleichwohl ist die Zahl der Kriegsbeschädigten, die vom Reiche Versorgungsrenten beziehen, noch immer sehr groß. Eine Erhebung, die im Jahre 1924 vom Statistischen RetchSamt und dem RetchSarvettSministerium durchgeführt worden ist, hat über ihren Zustand, ihre Zusammensetzung und ihre bis herigen Schicksale außerord^ltlich interessante Aufschlüsse ge- Bon den IX Millionen Kriegsbeschädigten, die im Jahre 1920 vorhanden waren, erhalten gegenwärtig noch SM 728 Bersorgungsgebührntsse. Ein Beschädigter muß gegenwärtig unter einer Minderung seiner Erwerbsfähigkeit von minde stens 25 v. H. leiden, um eine Rente zu erhalten. Ist er mindestens 50 v. H. erwerbsbeschränkt, so gilt er als Schwer beschädigter und hat als solcher Anspruch auf besondere Ver günstigungen, namentlich bet der Unterbringung in Arbeit. Erfreulicherweise überwiegen bet den Kriegsbeschädigten die Letchtbeschädigten unter 50 v. H. ES waren in der Erwerbsfähigkeit gemindert: um 80 v. H. — 257 989 — 88,9 v. H. „ 40 „ , 112488 -- 18,9 , , , 50 „ „ 128518 ---- 18,8 , , „ 60 » „ — 68 899 -- 9,6 , „ 70 „ , 48162 --- 7L, , „ 80 „ , — 28842 — 8,8 . , » SO. — 4 788 0,7 . . mehr als SO „ „ - 28089 --- 4,2 , , Blinde gibt eS unter den Kriegsbeschädigten 2784. Bon ihnen waren 12 dazu geisteskrank, 27 hatten noch den Verlust eines Beines, 41 den Verlust eines Armes zu beklagen, wäh rend 10 der Unglücklichen beide Beine verloren hatten. Durch Zubilligung der höchsten Rente und Gewährung besonderer Pflegezulagen wird für die Blinden gesorgt. Überraschend hoch ist die Zahl von 89580 Lungen tuberkulosen. Zu dieser hohen Zahl sei bemerkt, daß auch eine durch den Kriegsdienst herbetgeführte Verschlimme rung eines bereits vorhanden gewesenen LungenletdenS einen Rentenanspruch begründet. Einer nochmaligen ärztlichen Nachprüfung dürfte die Zahl von 5000 Geisteskranken bedürfen. Denn wenn sich nach der Erhebung unter ihnen fast 1000 Beschädigte mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit bis zu 50 v. H. befinden, so liegt die Vermutung nahe, daß auch leichtere Nerven- und Gemütsstörungen als Geisteskrankheit, gerechnet worden find. Die Zahl der Kriegsbeschädigten, die ein Bein oder einen Fuß verloren haben, ist.mit 44 567 etwas mehr als doppelt so hoch als die Zahl der Arm- und Hand- amputierten. Die durch die Amputation verursachte durchschnittliche Minderung der Erwerbsfähigkeit ist bei bei den Gruppen fast die gleiche (67 v. H.). Die Unterbringung in Arbeit hat bet den Arm- und Beinamputierten dank der hohen Entwicklung der deutschen Prothesentechnik und Ortho- pädiemechanik im allgemeinen recht günstige Erfolge aufzuwei- sen gehabt. Für die 1250 Doppelbein- und Fußamputierten und die 136, die beide Arme oder Hände verloren haben, kommt eine Berufstätigkeit nur in ziemlich seltenen Fällen in Frage. Ihre Lage wird wie die der Blinden durch beson dere Pflegezulagen zu erleichtern gesucht. Sehr erfreulich ist die Feststellung, daß selbst schwere Be schädigungen für die Invaliden kein Hindernis gewesen find, eine Lebensgefährtin zu finden. Im Gegenteil! Von den Schwerbeschädigten waren etwa 75 v. H. verheiratet. Bon 100 Minden hatten 78 eine Frau, während es bet den Lungentuberkulosen 78 und bei den Doppelamputterten 67 waren. Das Vertrauen der Frauen zu den Schwerbeschädig ten hat sich als gerechtfertigt erwiesen; sie find in der über wiegenden Mehrzahl durchaus imstande gewesen, eine Fami lie zu ernähren. Von dm 293 000 Schwerbeschädigten find selbst bei der gegenwärtigen Wirtschaftskrise nur etwa'18 000, obwohl erwerbsfähig, ohne Arbeit. . . Die häufig gehörte Auffassung, daß die Zahl der Kriegs beschädigten ständig im Rückgang begriffen sei, hat sich als nicht zutreffend erwiesen. Im Gegenteil ist seit 1924 ein Zugang von 17000 bi- 18000 Mann zu verzeichnen, der sich wohl daraus erklärt, daß bei der gegenwärtigen ungünsti- gen Wirtschaftslage auch Rentenansprüche erhoben werden, auf deren Verfolgung bisher verzichtet wurde. Legt man die allgemeined Sterblichkeitsziffern zugrunde, so würden wir 1980 noch 685 000, 1940 noch 606 000 und 1945 noch 550 000 rentenberechtigte Kriegsbeschädigte haben. Die statistischen Erhebungen haben sich auch auf die ver sorgungsberechtigten Kriegshinterbliebenen erstreckt. Man hat im Oktober 1924 865000 Kriegerwitwen, 962000 Halbwaisen, 65000 Vollwaisen festgestellt. Die Z<chl der Kriegerwttwen bat sich seit Kriegsende stark verringert, und -war au- einem recht erfreulichen Grunde: rund 200 000 dürften sich wieder verheiratet haben. Für die Versorgung und Für» sorg« der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen