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>l«ichmttt«ln Sgeschlosien. ng. Erzgebirge« inil 381. relachs, rebse ,1.8V, ML 11161° MV. 10.- tere 8pe8en n empkieklt n !. jMg. ivi Mer Tageblatt «««««»—»e »le »,»«>, s» «—I 21. Jahrgang Donnerstag, cien s. kipril 1S2S Nr. Sl k.legramm., kagedlatt ftoeerzgedirg,. Euthalteu- -ie amtttch»« Srkoovtmachuuge« Rate» «ta-t uuö -es Amtsgericht» A«,. p»stfch»«.»»m- ft- L'lpzlg ar. 1»»« LMM Anzeiger für -as Erzgebirge -------- Tschitscherin gegen Locarno und -en Völkerbund. Angriffe gegen Chamberlain. — das Programm -er Sowjet-Negierung. Moskau, 6. April. Heute spät abends gab der russische Volkskommissar deS Auswärtigen Tschitscherin den hiesigen Vertretern der ausländischen Presse eine ausführliche Uebersicht über den Standpunkt der Sow jetregierung zum Völkerbund und zu der politischen Weltkonstellation. Die Sowjetregierung habe wieder holt erklärt, daß sie die Einladung zur Abrüstungskonferenz nicht annehmen könne, wenn die Konferenz auf schwei zerischem Gebiete stattfinde, obwohl sie grundsätzlich be reit sei, an allen Aktionen tetlzunehmen, die der Er-, leichterung des Rüstungsjoches dienen. Die Einberu fung der Vorkonferenz unter Bedingungen, welche eine Teilnahme der Sowjetunion ausschlteßen, zeige deut lich, daß die Mächte keine ernsten Absichten zum Abrüsten haben und daß die ganze Konferenz eine Komödie sei. Der Völkerbund habe bisher bewiesen, daß er nicht fähig sei, ernste politische Aufgaben zu lösen. Am vo rigen Jahr habe die englische konservative Regierung versucht, den Völkerbund zur Jfotirrung 0er Sowjetunion auSzunuhen. Locarno habe dieselbe Nolle spielen sol len wie vor einem Jahrhundert die Heilige Allianz, Tas Ergebnis der letzten Tagung habe zur völligen Dis kreditierung des Völkerbundes geführt. Obwohl die Üb rigen Delegierten der südamerikantschen Staaten gegen das 'Vorgehen Brasiliens protestierten, habe dieses Land doch „im Namen Amerikas" die Sitzung gesprengt. Es sei fraglich, ob die Situation im September besser sein werde als im März. Chamberlain versuche, in Europa die Rolle eines Diktators und Schiedsrichters zu spie len. Sein Endziel sei die Bildung einer Einheitsfront gegen die Sowjetunion gewesen,. Die inneren Gegen-' sätze der europäischen Staaten habe er aber nicht übe» winden können. Tschitscherin führ fort: In seinen Bestrebungen, Polen zu einer Westortentterung zu veranlassen und an der antisowjetistischen Einheitsfront tetlnehmen zu lassen, hat Chamberlain die deutsch-polnischen Inter essengegensätze nicht in Betracht g^ogen. Er verwik- kelte sich in Widersprüche in seiner eigenen Politik, in dem er seinerseits Deutschland Frankreich entgegenzu stellen suchte, andererseits aber Polen für die Nieder lage in Locarno entschädigen und e>S als Gegengewicht gegen Deutschland aufstellen wollte. Das Endziel der Politik Chamberlains, die Bildung einer Einheitsfront gegen die Sowjetunion, beruhte auf unüberwindlichen inneren Widersprüchen, deren Nichtbeachtung durch Chamberlain selbst zum Zusammenbruch der Einheits front in Genf führte. Der Untergang des Locarnover trages machte den Weg zu einer unmittelbaren üeutsch-franMschen Annäherung frei, zu der sich Briand vor Genf geneigt zeigte. Mit Bezug auf die Kammererklärung Briands vom 28. Fe bruar, in der er bei der Betonung der Bedeutung Lo carnos für die Sicherheit Frankreichs darauf hinwies, daß sich in Berlin hervorragende politische Persönlich-« ketten aufhielten, die versuchten, die deutsche Regierung zu einer.Weigerung, mit Frankreich einen Sicherheits- Pakt zu besprechen, zu veranlassen, sagte Tschitscherin: „Um Briand 'zu beruhigen, muß ich meine wiederholten Erklärungen in Erinnerung rufen, daß die Sowjet regierung mit allergrößter Sympathie einer unmittel baren deutsch-französischen Annäherung als dem Weg zur Pazifizierung deS Kontinents auf den Grundlagen, die nicht zur Herrschaft außenstehender Mächte führen, entgegensicht." i Hinsichtlich der Vorschläge, die nach Per Genfer Dölkerbundsversammlung gemacht wurden, bctreisend die Abschaffung der obligatorischen Einstimmigkeit der VölkerbundratSbcschlüsse, erklärte Tschitscherin, die Ein führung des Grundsatzes der Beschlußfassung nach der Stimmenmehrheit würde den Einfluß Deutschlands im VülkerbundSrat ganz illusorisch machen und Deutschland könne der Genfer Zusammenbruch der gesamten Politik der deutschen Regierung in der letzten Zeit als krasse Veranschaulichung dafür dienen, wohin das Vorherr schen der sogenannten Westorientierung über die wei tere Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zur Sowjetunion führe. Tschitscherin fragte: „Wenn die Regierungen, von denen Deutschland die Aufnahme in den VölkcrbundSrat erhoffte, machtlos waren, diese For- malitüt zu erfüllen, was rann dann Deutschland er warten, wenn es einmal auf ernstere Angelegenheiten ankommen wird dir internationale Politik -rr vereinigten Staaten berührend, wies Tschitscherin auf die Dualität in der Stellungnahme amerikanischer Kreise zu Locarno und zu Genf hin und sagte: „Einerseits ist Amerika an der Pazifizierung Europas als der Voraussetzung der euro päischen Kreditfähigkeit interessiert, andererseits aber befürchten die Vereinigten Staaten den engeren Zu sammenschluß der europäischen Staaten als eine Stö rung in der weiteren Verstärkung des politischen und wirtschaftlichen Einflusses Amerikas in Europa. Letz teres spielt für die künftige Gestaltung der amerikani schen Politik eine größere Rolle, denn die Schwächung des Zusammenschlusses der europäischen Länder erleich tert die amerikanische Durchdringung in Europa. Welche Formeln die amerikanischen Staatsmänner für ihre Europapolitik auch aufstellen mögen, ihr Endeffekt bleibt immer die weitere Unterordnung Europas unter die Herrschaft des amerikanischen Kapitals." * * * die englische Seurteilung -er Nkchtbeteilkgung Nußlan-s an -er Abrüstungsvorkonfeeenz. London, 7. April. Der diplomatische Korrespondent des Daily Telegraph schreibt, in britischen Kreisen werde die Nichtbereiligung Rußlands an der Abrüstungskonferenz nicht als unüberwindliches Hindernis für den Erfolg der Konfe renz betrachtet. Es werde darauf hingewiesen, daß die Kam- missionsberatuilg noch mcht die eigentliche Konferenz bedeutet, sondern lediglich die Aufgabe hat, das Terrain zu prüfen und Anempfehlungen über die Reichweite und das Programm der Konferenz zu machen. Es werde als möglich betrachtet, daß Rußland doch noch beschließen werde, an der Konferenz selbst teilzunehmen. Die Berliner Presse zum Toäe August Thyssens. Sämtliche Berliner Blätter widmen dem Heimge gangenen August Thyssen lange Nachrufe. Die „Kreuz zeitung" schreibt: Mit Thyssen ist einer von den mar kantesten rheinisch-westfälischen Industriekapitänen, der Senior jener Kaufleute und Fabrikanten/ wie sie sich im Bewußtsein ihre» Wertes selbst genügsam nannten, end gültig vom Kampfplatz abgetreten. Denn gekämpft hat August Thyssen Zett seines Leben». Was diesem! Kampf aber seine innere Berechtigung gab, das waren seine Ergebnisse. — Die „Deutsche Allgemeine Zeitung" nennt Thyssen den bedeutendsten Techniker, Kaufmann und Fi nanzier unserer Zeit. Was sterblich an dem stets Ruhe- loscn war, kommt nun in der Mutter Erde zum ewigen Schlaf, 'dieser Erde, der sein Tatendrang und seine wird- schastliche Kühnheit so unendlich reiche Schätze entrissen haben, zum Segen des Vaterlandes und einer Arbeiter schaft, Vie auf «tn halbes Hunderttausend zu beziffern sein dürfte. In der „Täglichen Rundschau" heißt eSr Wenn nun nicht lange vor seinem Htnscheiden Thyssen oie Zustimmung zu dem Aussehen seine» Lebenswerke» in den großen deutschen Eisentrust gegeben hat, so hat hier noch einmal der alte Industriekapitän sein hohe» Maß von Einsicht tn die wirtschaftlichen Notwendig keiten und feine Entschlußkraft bewiesen. — Me „Ger» nania" bezeichnet Thyssen al» den TYP de» Tchwer- 1 industriellen der Vorkriegszeit, der in Weiser Selbst Beschränkung auf dem ihm eigenen Gebiet«, auf dem er bester Kenner war, wahrhaft Große» geleistet hat, und der in einer fast auffälligen Bescheidenheit und Zurück haltung immerfort verharrte. — Da» »Berliner Tage blatt" schreibt: Während Sttnne» auskaufte und die alte, bereit» bestehende Produktion zusammenfaßt«, hat Thyssen gebaut, Vene Werke geschaffen und alt« auf den I Höchststand der 'modernen Technik gebracht. — Di« „Börsenzeitung" sagt: Thyssen war der größte „Ar beiter" Deutschlands, der erste Diener seiner Werke, wie Friedrich der Große der erste Diener de» Staate» war. Man hörte tvenig von ihm. Er arbeitete im Stillen und sein Name, der dk» weitaus mächtigsten Industriel len Deutschlands, wurde außerhalb seiner Jnteressen- j sphäre kaum genannt. — Auch der „Börsvn-Tourier" , rühmt an dem Verstorbenen die überaus große Beschei denheit und 'Zurückhaltung. Dieser Zndustriegewalttge blieb bis an sein Lebensende ein schlichter Mann. Wäh rend Generaldirektoren und Direktoren in ihren Auto» mobilen zur Arbeit fuhren, fuhr er an jedem Morgen > mit der Elektrischen tn sein Büro. Niemals hat er ! einen Ehrentitel angenommen, es sei denn den Ehren- I dvktor einer Reihe von Hochschulen. Er duldete nicht einmal, daß seine Sühne Reserveoffiziere wurden. Wenn ' er auch Mitglied der Zentrumspartei «war, so hat er doch nie in das politische Getriebe einzugreifen versucht. Der Aufstieg August Thyssens, so schließt das Blatt sei- ! neu Nachruf, ist typisch für den Werdegang der ganzen ! deutschen Wirtschaft, und die Darstellung seines Lebens wird in Zukunft ein deutsches Lehrbuch für jeden wer den, der durch klaren Willem, unermüdliche Arbeit und durch das Verständnis der die Zeit aufbauenden Kräfte wirtschaftlich emporstreben und der Gesamtheit djenen will. — Das christliche Gewerkschaftsblatt „Ter Deut sche" sagt über das Verhältnis August Thyssens zu seinen Arbeitern: Die Lohn- und ArbettSverhältnisse auf seinen Werken waren nicht immer die besten. Tein Ein Zememör-er verhaftet. Das „Berliner Tageblatt" meldet aus Schwerin, daß ein gewisser Oskar Thomsen aus Faulsch, der vom Berliner Polizeipräsidium wogen Teilnahme an einem Fememord steckbrieflich verfolgt wird, in Mecklenburg auf dem Gute Nörtzow ermittelt, festgenommen und dem Amtsgericht Grevesmühlen zugesührt worden ist. Kein Einspruch gegen -le Verschiebung -er Siersteuererhöhung. Berlin, 7. April. Zu der gestrigen Meldung des! Berliner Tageblattes, daß der Reparationsagent gegen die Hinausschiebung d.-r B'ersteuererhöhung Einsvruch erhoben bcwe, Vi en d'e Blätter mit, daß ein solcher Einspruch nicht erio^t sc'. Für die Frage sei überhaupt nicht der Ncplnalions- t sondern der Kommissar für die verpfändeten Einnahmen inst ndig. Dieter ist mit einer Versch'ebung der Steuerer- hung vorläufig bis zum 30. Juni einverstanden. Französische Zollbestlmmungen für da» Saargebiet. Saarbrücken, g April. Von der Regierungskom- Mission w'rd Sekanntgegeben, daß die IZollbestimmungen des französischen Finanzgefetzes vom 4. April 1626, durch die eine Reihe von Zollsätzen erhöht werden, auch auf die Einfuhr aus anderen Ländern in das Saargebiet Anwendung finden und zwar vom S. April 19LS ab. Zur TripoUsrelse Mussolinis. Rom, 6. April. Die Blätter melden, daß über morgen zu der Stunde, in der Mussolini nach Tripoli» abreisen wird, sämtliche Tampfvfeifen der italienische« Schiffe in allen Häfen und auf allen Meeren da» Er eignis der bedeutsamen Reise begrüßen werden, da» jetzt schon die Aufmerksamkeit der ausländischen Regierun gen errege. Alle italienischen Rathäuser der Seestädte werden den ganzen Tag flaggen und am Abend beleuch tet sein, um den Beginn einer neuen See- und Kolo nialpolitik zum Ausdruck zu bringen. Eintritt faschistischer Ne-akteure in -ke Giornale -'Italia. Rom, 6. April. AuS der Redaktion des Giornale d'Jtalia sind eine Reihe von Redakteuren ausgetreten und durch ebenso viele faschistische Journalisten ersetzt worden. / Teilnahmr -eutscher Lehrer an einer englischen Lehrerkonserenz. Portsmouth, 6. April. An der gegenwärtig hier tagenden Konferenz des NattonalverbandeS der englischen Lehrer nehmen zum ersten Male seit dem Kriege auch deutsche Delegierte wieder teil. Der deutsche Vertreter „dankte in einer Rede für die Einladung zur Teilnahme an der Konferenz, die er al» einen Beweis de» Wunsche», die früheren freundschaftlichen Beziehun gen wieder aufzunehmen, bezeichnete und erklärte wei ter, die deutschen Lehrer wünschten Schulter an Schul ter mit den englischen Lehrern zu arbeiten. wle-eraufnahme -er sthwekzerlsth--eutschrn Han-elsvertragsverharr-lungen. rücksichtsloses Vorwärtsdrängen veranlaßte Thyssen, auch der Arbeiterschaft gegenüber allzu ost die Ellen bogen zu gebrauchen. Wenn der alte Thyssen sich trotz- Bern, 6. April. Die Schweizer Unterhändler - dem bei den Arbeitern eines gewissen guten Rufs er- sind heute abend zur Wiederaufnahme der Hanvelsver- , freute, und wenn sie mit Achtung von ihm sprachen, tragsverhanolungen nach Berlin abgereist. 'dünn deshalb, weil er keine Tirohne, sondern selbst u außerordentlich fleißig war. Tier Hochnrut war ihm j fremd. Er war ein offener, ehrlicher Gegner, und mit j solchem findet sich auch die Arbeiterschaft ab. Möge August Thyssen in Frieden ruhen!