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21. Zahrgrmg Mittwoch, äen 24. Marz 192S Nr. 70 rag.diai, ^»««rzg.dirg». Enthalten- -le amtliche» Gekaaatmachoogru -e» aale» öre Sto-t au- -r« flmte-rricht» -tue. psflph^k.e.ot» Nmi »'tp»ts a». '««« /luer Tageblatt P«tN»->I« f», ft,z,I,«, ft», »«» Um,,,,«» « »u». ft»»,!,,» U ««Mch, >,«* I, »»!,«. -LM- Anzeiger für Sas Erzgebirge Locarnodebatte im Reichstag. Strcsemann verteidigt die deutsche Delegation. < Berlin, 23. März. Tle große Aussprache tm Reichstage über die Gen fer Vorgänge begann gestern mit einer eingehenden Larstellung des ReichSaußenmintsterS. Keichsaußenmknisier Stresemann erwähnte zunächst, daß die Parteien mit großer Mehr- he t beschlossen haben, auf eine Erörterung im Aus wärtigen Ausschuß zu verzichten. Um so mehr halte ec sich für verpflichtet, die Grundgedanken der Genfer Verhandlungen darzulegen. Aus der Vorgeschichte der Genfer Verhandlungen war besonders bemerkenswert, daß der Völkerbundrat alS geschlossene Körperschaft im Februar 1925 den Wunsch auSsprach, mit Deutschland tm Rate zusammen- Luarbetten. Deutschland hat sich nach! Ueberwtndung schwerer grundsätzlicher Bedenken zum Eintritt in den Völkerbund entschlossen, aber es hat sich seinerseits nicht dazu gedrängt. Zweimal ist Deutschland gerufen wor den; einmal au» der Dölkrrbundversammlung 1924 her aus, das zweite Rial aus Wunsch der Mächte, die den Locarnofrieden nur unter der Bedingung des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund abschließen wollten. Daraus entstand die Pflicht dieser Mächte, ihrerseits al le» zu tun, wa» dickes Inkrafttreten der Locarnover träge ermöglichte, nachdem sie selbst die Zugehörigkeit Deutschlands zum Völkerbund als Kernstück der Locarno- v» .träge bezeichnet hatten. (Sehr richtig!) Tie deutsche Delegation hat keinen Zweifel darüber gelassen, daß eine Vermehrung der Ratssitze in Genf öle Zurücknahme -es -eutscken Aufnahme ¬ gesuches zur Zolge haben würde. Von irgendeinem früher bekanntgewor denen Anspruch auf einen ständigen Sitz für Polen lDnute nicht die Rede sein. Aber wenn den anderen Staaten. Spanien und Brasilien, in irgendeinem frü- ^herd« Stadium gesagt worden war, daß beim Eintreten eln^rGroßmacht, die einen ständigen Sitz erhielte, denn auch^ltzre Ansprüche aufleben würden, so konnte sich do^naturgemäß eine derartige Zusage nur beziehen auf den Termin einer ordentlichen Sitzung des Völker» XMndeS, in der die Aufnahme Deutschlands in den Völ» körHtind auf der Tagesordnung stand. 'Bei der Beant wortung des deutschen Schreibens wäre doch der Mo» motzt gewesen, wo diese Ansprüche der andern Mächte uwv mitgeteilt werden mußten. (Sehr wahr!) Wir ha ben deshalb .folgende Lragen aufgeworfen: 1. Soll eine Maximalgrenze festgesetzt werden ^v siür die Gesamtheit der Sitze im Völkerbundrat, d. h. »Xfoll Klarheit geschaffen werden, au» wie viel Mit- "V gliedern denn der Rat bestehen soll? 2. Soll das Verhältnis der ständigen Sitze zu den nichtständigen Sitzen geregelt werden? Jede Ver mehrung der ständigen Sitze ist natürlich eine Ver mehrung der Sitze der großen Nationen gegenüber den kleinen. 3. Soll der bisherige Modus über die Wahl der ständigen Sitze beibehalten oder geändert werden? 4. Ist es beabsichtigt, für die nichtständigen Sitze einen Turnus einzuführen? 5. Soll es möglich sein, daß sich Gruppen zu sammenschließen im Völkerbund, die als Gruppen eine Vertretung haben, oder soll die Vertretung im Rat lediglich die freie, von keiner Richtung beein flußte Vertretung des einzelnen Staates sein? Erst, wenn alle diese Fragen grundsätzlich geregelt worden waren, konnten wir zu der Frage Stellung neh men, welche Mächte bet einer Vermehrung des Rates nach diesen oder jenen Grundsätzen in Betracht kämen ks hat in der Oeffentlichkeit auch den Anschein er weckt, al» wenn manche Kreise bet un» etwas hochmütig auf jene Staaten herabfehen, -le in an-eren Eröteilen liegen und mit unserer Zivilisation wenig bekannt sind. Tas halte ich aber für einen großen außenpolitischen Fehler, (Sehr wahr!) Aus dieser falschen Einstellung heraus ist man meines Erachtens vor dem Kriege auch zu einer falschen Beurteilung der Balkanstaaten gelangt. ES durfte nicht der Eindruck erweckt werden, als ob d^r Völkerbund eine europäische Angelegenheit sei. in der europäische Mächte sich die Herrschaft Üb-r an dere Länder annratzten. Ter Völkerbund muß in sei ner wahren Gestalt ein Weltvölkerbund sein, und der Anspruch großer Kontinente, in ihm zur Mitarbeit ver- treten zu sein,, vünd nnn mw bestritten. Was uns in dieser Zett da» Recht zu Vor würfen und zur Erregung gab, war der fortgesetzte versuch, -le ganze Verantwortlichkeit auf öle -rutschen Schultern zn legen. Es war bekannt, daß Schweden widersprechen würde. Das Gegebene war, sich erst der Einmütigkeit im Böl- kerbundrat zu versichern und erst dann an Deutschland hevanzutreten, nicht aber den ganz falschen Eindruck zu erwecken, al» ob Deutschland der Vormund.Schwe dens sei. Jetzt kam die dritte Phase der Genfer Verhandlun gen. Tie schwedische Delegation war zu der Uebsrle- gung gekommen, ob nicht der Wunsch nach Schaffung eine» neuen Sitze» durch ein (dpfer Schwe-ens erfüllt werden könne. Um den Völkerbund vor einer Krisis zu bewahren, wolle es seinerseits aus ein Man dat verzichten, sei e» sofort, sei eS später. Wir haben den ideellen, den rein idealen Gesichts punkt Schweden», eine» Manne» wie Unden, durchaus gewürdigt. Aber al» Schweden in dieser Situation uns gefragt hat, wie wir zu einer solchen Geste stehen wür den, haben wir nach einiger Bedenkzeit nicht gezögert, ihm zu sagen, daß diese» Opfer vergeblich sein würde, und zwar von dem Gesichtspunkt au», daß unzweifel haft Deutschland zwar ein formelle» Einspruchsrecht ge gen die Niederlegung de» Mandat» nicht zustehe, daß aber, wenn der Ausgang ein solcher ist, daß an Stelle de» neutralen Staate» ein der Entente nahestehender Staat gewählt würde, der politische Charakter deS Völ kerbundes, soweit er von Gruppenbildungen bestimmt würde, so geändert würde, daß das für uns praktisch die unerfreulichste Lösung sein würde in per Gesamt gestaltung des VöltcrbundrateS. Aus Grund dieser neuen Erklärung der Deutschen Delegation, das; auch dieses Opfer vergeblich sei, sind dann andere Vorschläge von den Gegenpartnern ge macht worden. Um eine bessere Lösung zu finden, er wuchs jener Gedanke, Schweden dürfe nicht allein ver zichten, wir sehen ein, daß die Deutschen das nicht tragen können, die Lösung kann nur sein, daß neben diesem neutralen Staate ein Staat mit anderer Ein- stellung ebenfalls verzichte. Darauf kam am nächsten Tage der Verzicht -er Tschechoslowakei. In dieser Situation kam die Mitteilung de» brasilia nischen Vertreters. Srasilien sianö nicht gegen Deutschland, und in der Rede von Mello Franco in der letzten Sit zung erklärte dieser, daß er sich nicht gegen den deut schen Sitz wende, daß er ebenso wie andere Mächte wün sche, daß Deutschland im Völkerbund vertreten sei, daß seine Stellungnahme aber von der Auffassung ausgehe, -aß Srasillen sich gegen eine Europäisierung -es völkerbun-es wenden müsse s und dann kam ein vielbeachteter Satz, der dem Si.ure nach hieß: Es steht doch nicht so, daß der Völkerbund wegen der Locarnmnächte da ist und sich nach ihnen zu richten hat, er dürfe nicht eingebaut werden in das Lorarnowerk, sondern das Locarnowerk müße eingebaut werden in den Vökerbund. In der brasilianischen Presse ist zum Ausdruck ge kommen, daß die deutsche Haltung eine HerauSforde« ^smg darstelle, es sei unfreundlich von Deutschland ge wesen, den brasilianischen Anspruch zurückzuwecseu. Ich verweise demgegenüber auf da» Verhalten Spanien». Spanten ist tief gekränkt gewesen, daß e» in dieser Ta gung keinen Sitz tm Völkerbundrat erhielt, und Spa nten hat deswegen sogar gedroht, sich vom Völkerbund zurückzuziehen. Es hat aber gleichzeitig erklärt, daß es sich dadurch nicht abhallen lasse, für Deutschland zu stimmen. (Bravo!) Brasilien glaubte, eine andere Stel lung etnnehmen zu können. ES hat damit die Verant wortung für den Verlaus der Genfer Tagung auf sich genommen. Nach dieser Stellungnahme Brasilien» war da» Hauptthema da», ob durch diesen echec de» Völker bundes auch die Loearno-Politik einen «hee erleiden solle. Wir freuen uns, daß ^ir Ausfassung alle? betei ligter. Mächte dahin ging, diese Politik fsrtzusetzen. Wir haben uns ferner darüber geeinigt, was aus dem deut schen Gesuch wegen Ausnahme in den Völkerbund wer de» . Mr fM unk klar, gewqsen, daß ein Aortbo» stehen de» Gesuche» nur möglich wär», wenn »in» Ent schließung de» Völkerbundes selbst gefaßt werd«, di, zum.Ausdruck brächte, daß der Eintritt Deutschland» zwar jetzt nicht vollzogen werden könne, aber doch bet nächster Gelegenheit. Dieser Antrag ist von Briand gestellt worden und hat die einmütig« Zustimmung de» Völkerbundes gefunden. Die einzige große Sitzung der letzten Tagung war auSgesülU mit Erklärungen der verschiedensten Mächte, die da» Bedauern darüber Ml- sprachen, daß jetzt die Aufnahme Deutschland» nicht möglich sei, aber den Wunsch nach Aufnahme Deutschs lands ausdrücklich zu erkennen gaben, Lassen Sie mich nach dieser Darstellung der Gen fer Vorgänge nun da» Ergebnis würdigen. Der Aus gang der Verhandlungen ist nach den verschiedensten Gesichtspunkten hin tief zu bedauern. Sllllge Lorbeeron. Ich weiß wohl, welch« Ratschläge un» au» der Heimat gekommen sind, daß Lelegramm« und Depe schen gekommen sind, daß wir abreisen sollten. Ich glaube, wir hätten sehr billig« Lorbeeren ernten kön nen in den ersten Tagen unsere» Eintreffen» in der Heimat. Aber wir haben so doch die Erkenntnt» wach rufen können, wa» die Schuldfrage bedeutet. Veutschlonö sieht jetzt vor -er Entschelöung, ob e» angesichts der Krisi» de» Völkerbund«», ange sichts diese« Ausgang«» seine grundsätzlich« Einstellung gegenüber dem Völkerbund ändern sott oder nicht. Ich ' bin der Ansicht; ist die Krisi» de» Völkerbünde» nicht eine Krisi» dadurch, daß gerade durch die Tatsache de» Eintritt» Deutschland» der Völkerbund al» Instrument der Stegerstaaten doch ein, grundlegend« «enderung erlitt? Wir haben un» di« Frag« dorgelegt, ob wir unser Ziel der gleichberechtigten Mitwirkung im Völ kerbund weiter verfolgen sotten. Diese Frage wird dadurch entschieden werden, o- wtr die Entwicklung in Genf al» «in« neue Niederlage Deutschland» betrachten sollen oder nicht. TuS erstere ist eine Anschauung, die e» nur in Deutschland gibt. (Sehr wahr! b. d. Regierungsparteien.) Ein« Politik ist doch nicht deshalb falsch, weil sich Wer TUrchfüh« sührung Schwierigkeiten entgegenstellen. Ich darf doch darauf Hinweisen, wie verschieden die Auffassungen tva» ren von der künftigen Stellung Deutschlands tm Völ kerbünde. Es war gesagt worden : Ta geht der deutsch« Michel nun wieder hin «ach Genf. Was werden wir denn im Völkerbund sein: fünfte» Rad am Wagen, «in Satellit Frankreich»! Da» trifft doch nicht zu. E» handelt sich geradezu um einen Kamps um unsere Stel lung tm Völkerbund. Wir haben diesen Kampf sortzu- setzen, zumal der Völkerbund sich in seiner überwiegen den Mehrheit auf den Standpunkt gestellt hat, Deutsch land al» Mitglied des Völkerbundes zu sehen. beabsichtigen nicht, un» irgendeiner Mächte gruppierung im Völkerbund« anzuschließen. Wir ha ben auch nicht die Absicht, mit einem stündigen Sih das Renomee der Großmächte zu betonen. Nicht wir haben diesen Unterschied zwischen ständigen und nicht ständigen Sitzen geschaffen. Auch wenn wir in den Völkerbund gehen, schließt da» nicht au», daß wir mit allen Mächten in Frieden leben wollen. Vir sin- moralisch nicht geschwächt au» Genf hervorgegangen. Bor dem Kriege und wäh rend de» Krieges haben wir den Fehler begangen, den Grotzmachtsäktor der öffentlichen Meinung der Welt nur sehr gering einzuschätzen. (Gehr wahr!) ES wäre ein Verbrechen, da» jetzt wieder zu tun. Deshalb durste unter keinen Umständen der Verdacht einer Schuld an einem Mißerfolg in Genf auf Deutschland ruhen. Vir hoben in Genf eine moralische Genugtuung erlangt. « » « Al» erster Redner der Parteien sprach danach ftbg. Graf Vesiarp für -ie Veutfchnationalen. Er erklärte: Wir lehnen mit Schärfe den OphimiSmu» ab, der Pa den Versuch macht, da», wa» in Genf ge schehen ist, zu beschönigen oder gar al» einen Erfolg der deutschen Politik, einen Fortschritt Deutschland» in der Achtung der Welt, eine Förderung seiner Interessen htnzustellen. Uns fehlt Mr Auffassungen, wie sie der Herr Außenminister soeben vorgetragen hat, jede» Ver ständnis. (Gehr richtig! recht».) Al» «ine Demütigung empfinden wir e», daß die deutschen Unterhändler txotz aller Anregungen «nv Zusagen K«r Gegenseite mit ih>- rem Ausnahmegesuch in Gens zehn Tag» lang haben warten müssen, um unverrichteter Sache wieder abzu ziehen. Wir müssen e» mißbilligen, daß die Herren Luther, und «»««semuM in chrem Bestreben, die einmal