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21. Jahrgang Nr. SS Ireitag» äen 19. März 192S k.i.sramm«, «ag.biatt f,u„r;g«b!rg». Enthalten- -le amtliche« aekoaatmochoagra -es Nate» -re Sta-1 aa- -er flmtrgerlcht» Ao«. P«fych«ck-K»ow k»«teÄpztg a,. 1»«« WM- Anzeiger für -as Erzgebirge Muer Tageblatt ... ft». »»« »IM,» U imtllch, >,»« «« Vertagung bis September. ,Man muß kn veutfchlanö es zu hören bekommen, daß hier in diesem Saale -le Enttäuschung ungeheuer iß, -aß heute Sie Vertreter Deutschlands hier noch nicht begrüßt wer-en können/ Genf, 17. März. Um 12.50 Uhr mittags wurde in der Völkerbundversammlung der Antrag auf Ver tagung des deutschen Aufnahmegesuches bis zum Sep tember ohne Widerspruch angenommen, nachdem der Präsident sestgestellt hatte, daß ein vorher eingebrach ter Antrag Albaniens aus sofortige Abstimmung nicht schriftlich eingereicht worden war. Auch der Antrag BrtandS, der den Wunsch des Völkerbundes nach einer Ueberwindung der Schwierigkeiten und nach der Auf nahme Deutschlands im September ausdrückt, wurde einstimmig angenommen, ebenso ein Antrag des Grafen Jshii, den Rat mit der Einsetzung der Studienkomniissivn für die Frage einer Erweiterung des Nates zu beauf tragen. Diese Kommission soll die Probleme studieren, die mit der Zusammensetzung, der Zahl und der Wähl- art der LiatSmitglieder Zusammenhängen,, und ihren Bericht möglichst an alle Mitglieder des Völkerbundes liefern, damit die Völkerbunddersaminlung Kenntnis von dem Gutachten der Kommission hat, wenn sie im September 1926 zusammentritt. Die genaue Zusam mensetzung der Kommission soll vom Rat noch in seiner jetzigen Sitzung sestgestellt worden. Der Verlauf ä r H'hnng. Tie Völkerbundsihung wurde um 10.25 Uhr vom Präsidenten Alfonso da Costa eröffnet. Zunächst ergriff der brasilianische Delegierte Mello Zranco das Wort, um seine Haltung zu begründen. Er führte folgendes aus: Srasilien hat niemals die Absicht gehabt, gegen den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund ein Veto einzulegen. Aber Srasilien hat sich dagegen gewendet, -aß Ser Eintritt Deutschlands in Sen Völkerbund und -er Abschluß -er Locarno-Verträge zu einer unüber legten Rekonstruktion Ses Völkerbundes benutzt werden sollte. Da öies zuletzt mit Tricks und auf Umwegen versucht wurde, ist meiner Regierung nichts übrig ge- blieben, als durch den Einspruch gegen Sen deutschen Ratssitz die Entwicklung aufzuhaltcn, da andere Mittel nicht mehr zu Gebote standen. Locarno ist ein großes Werk, aber es ist dem Völkerbund untergeordnet und muß in dem Völkerbund auf solche weise eingeordnet wer-en, daß er nicht Schaden erleide. Deshalb rufe ich dem Völkerbünde zu: „Tua ros sxiturl" Ich be dauere aus tiefstem Herzen, daß durch diesen nötigen Entschluß der Eintritt Deutschlands in öen Völkerbund verhindert wird. Ich weiß am besten, welch ungeheurer Fortschritt für den Völkerbund durch öen Eintritt dieses großen Landes erzielt worden wäre. Aber es ist besser, Saß Deutschland erst später in einen ungeschädigteu Völkerbund einzteht, wenn die Probleme, die hier auf- geworfen find, mit Ruhe und Reifheit geklärt worden sind. Ustr 10.50 Uhr Pesti eg Chamberlain die Rednertribüne, um den Vertagungsantrag einzu bringen und zu begründen. Er spricht vor.Erregung mit ganz langsamer, aber immer wieder stockender Stimme: „Es ist wahr, daß einen Augenblick lang Schwierigkeiten auch zwischen Pen Unterzeichnermächten von Locarno bestanden haben. Aber alle diese Schwie rigkeiten sind in "vollster Freundschaft erledigt und be seitigt worden. Wir waren alle sehr glücklich in der Sicherheit, daß wir nunmehr den Eintritt des großen Landes in den Völkerbund h,ier empfehlen könnten Da hat eine neue Gewaltandrohung, eine neue Anwendung von Gewalt, die unverträglich ist mit -em Völkerbunüsgedanken, unser ganzes Werk zerstört/ Dieser Satz Chamberlains erweckte stürmischen Bei fall. Chamberlain führ fort: „Ich wünsche, im Namen Englands und der englischen Delegation, der schwedi schen und der tschechoslowakischen Delegation für ihr un eigennütziges und edles Verhalten Dank zu sagen." Eine lange Applausovation für die beiden Länder folgt „Auch an dem Verhalten der deutschen Delegierten kann nicht die leiseste Kritik geübt werden. Sie haben sich' würdig, klug und 'vernünftig Verhalten und waren von dem gleichen Willen hur Einigung beseelt wie alle an deren Mächte." Deshalb hoffe er, von der Zukunft »ich: widerlegt zu werden, wenn er feststelle, daß man zwav hier in Genf eine begonnene Arbeit unterbrechen >nüsse. daß, oder da» ganze Werk der Friedenspolitik keinen Augenblick eine Unterbrechung erfahre, sondern in der gleichen Richtung mit der gleichen Aufrichtigkeit dauernd fortgeführt werde. (Großer Beifall.) Chamberlain schloß mit den Worten: „Wir müssen die Einigung, die wir hier gefunden haben und jetzt nicht verwirk lichen können, in nächster Zukunft verwirklichen. Es darf nur eine Unterbrechung für den Augenblick sein. Wir "können die Mitarbeit des großen deutschen Volkes im Völkerbund nicht entbehren." Chamberlain fand sehr starken Beifall. Die Rede wird sofort französisch vorgelesen. Hierauf besteigt SrianS mit langem Beifall begrüßt, die Tribüne. Er erklärt einleitend, er könne 'sich zunächst nur dem tiefen Emp finden anschließen, dem sein Kollege Chamberlain hier so beredten Ausdruck gegeben habe. Ja, es habe zu^ j erst auch Schwierigkeiten zwischen der deutschen und der französischen Delegation gegöben, ernste Schwierig- leiten. Aber sie seien alle stets und in jeder Minute mit absolutem Wille» zur Versühnung und Verständi gung "besprochen und beseitigt worden. Er höre nun schon die Naben über dem Schicksal des Völkerbundes "krächzen, er höre schon morose Stimmen, die von Ka tastrophen vud Zusammenbruch 'reden. Man werfe ihm ja immer leichtsinnigen Optimismus vor. Er sei leicht sinnig und optimistisch. Er wisse, daß der Völkerbund, der schon so große Dienste der Menschheit geleistet hat, weiter leben werde, und er wiste, daß der Tag kommen werde, an dem Deutschland hier im Völkerbunde und im Nate mit Sen anderen Zusammenarbeiten werde. Ein ungeheurer Beifallssturm folgte diesen Dor ten. Also müsse das Werk von Locarno, die größte politische Tat unter den heutigen Zeiinmständen, er halten vlejben und fortgeführt werden. Tas waS heulst, geschehen sei, müsse allen Versammelten zur Lehre die nen. Es dürfe sich nicht wiederholen. ES zeige sich, daß eine.Reformation des Völkerbundes nötig sei und erwogen werden müsse. Die Versammlung habe eine große moralische Pflicht gegenüber Deutschland zu er füllen. Man müste in Deutschland es zu hören bekommen, daß hier, in diesem Saale, Sie Enttäuschung un geheuer ist, daß heute die Vertreter Deutschlands hier noch nicht begrüßt werden können. Eine donnernde Applaussalve, die nicht enden wolüe, folgte diesen Worten Briands. Briand bringt hierauf folgende Resolution ein: „Die Versammlung bedauert, daß der gewünschte Eintritt Deutschlands in diesem Augenblick durch Schwierigkeiten verhindert worden ist. Sie gibt der sicheren Hoffnung Ausdruck, daß der Eintritt Deutsch lands im Herbst vollzogen wird/ Sodann erhielt Jshii als Vorsitzender des Rates das Wort. Er schließt sich den Ausführungen seiner Vorredner und der einge brachten Resolution an und stellt, falls diese Resolution angenommen wird, im Namen des Rates den Antrag, die von Deutschland vorgeschlagene Studienkommission zur Reorganisation des Nates zu beschließen. Darauf besteigt Und en die Tribüne, nimmt aber nicht selbst das Wort, sondern läßt eine formulierte Erklärung von dem französischen Dolmetscher verlesen, die mit der sympathischen Hoffnung schließt, Deutschland baldigst in Genf begrüßen zu können. Unden erhielt eine große Ovation. Der Vertreter von Paraguay er klärte im Namen von elf latein-amerikanischen Staa ten das große Bedauern dieser Staaten, zum erstenmal mit Brasilien nicht einer Meinung in dieser Versamm lung zu sein. Der.Schweizer Delegierte < Motta erklärte, daß es die lebenswichtige Ausgabe de» Völ kerbundes sei, die Aufnahme Deutschlands bis zur Sep. tembertagung sicherzustellen, da sonst ein Zusammen bruch des Völkerbundes unter dem Wutschrei per Völker erfolgen werde. Al» letzter forderte d-r Vertreter Alba nien» unter Außerachtlassung der Satzung, daß di« Vvllerbunddersammlung sofort Aber die Aufnahme Deutschland» in den Völkerbund abstimme; er brachte jedoch keinen dahingehenden Antrag ein. Ter Präsident stellte fest, daß kein Widerspruch gegen Di« Vertagung der Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund erhoben werde, und daß der Völkerbund damit einstimmig di« Vertagung beschlossen habe. Die Versammlung nahm darauf einstimmig die von ^Srtand vorgelegt« an Deutschland gerichtete Erklärung an, Zn seinem Schlußwort gab Präsident Costa der Hoffnung Ausdruck, daß Deutschland bald im Völker bunde den ihm gebührenden Matz einnehmen werden und erklärte die außerordentliche Tagung de» Völker» bundcS für geschlossen. Abreise -er -eutschen Delegation au» -enf. Gens, 17. März. Me deutsch« Delegatton hat heute abend 8 Uhr im Gonderzug di« Rückreise nach Deutschland angetrelen. Bor ihrer Abreis« empfing st« noch die Besuche verschiedener Delegationen der Völker- Ibundversammlung, darunter den Besuch de» österrei chischen Bundeskanzler» Dr. Ramek, de» italienischen RatsmitgliedeS Sctaloja und de- polnischen Minister präsidenten Grafen SkrzhnSkt. Die Presse zum Genfer Pasko. Kritik an Chamberlain. London, 17. Mich. Eine Reutevmeldung au» Genf besagt, es Coerde allgemein anerkannt, daß d«r Völkerbund seine schlimmste Kvtst'S durchmach«. Ab«r die Ucberzeugung herrsche vor, daß er darüber Hinwegs komme» werde. Die Tatsache, daß «in amerikanischer Staat in erheblichem Maße dazu beitrug, den Plan der Zulassung Deutschlands zum scheitern zu bringen, habe zu lebhaften Erörterungen Anlaß gegeben, da «S sich um eine rein europäische Angelegenheit handle und di« amerikanischen Staaten sich bezüglich ihrer.inneren Fra» gen stets auf die Monroedoktrtn berufen. Der Genfer Mißerfolg habe in Bern eine Sensation hervorgeruf«n, und es herrsche die Ansicht, daß er zu einer Abänderung der Satzung des Völkerbundes führen könne. „Manchester Guardian" schreibt, das gemeinsam« Kommunique, für das die deutsche Unterschrift erlangt wurde, sei gestern abend offensichtlich zu dem Zweck« ausgegeben worden, Chamberlain und Briand für un schuldig zu erklären. T^ie betrübliche Wahrheit aber fei, daß die Schuld an dem großen Unglück in sehr hohem Maße auf einem Manne, nämlich auf Chamber lain ruhe, der von Anfang an in der falschen Richtung gearbeitet habe. Er habe so gut wie jeder.andere ge wußt, daß Spanien und Brasilien von Part» zu rein taktischen Zwecken vorgeschoben worden waren, und er habe sich selbst zu diesem unheilvollen Spiel hergegeben. Der Genfer Sonderberichterstatter de» „Daily Te legraph" schreibt: Selbst das Opfer Schweden» wird nicht 'das Ansehen einiger Staatsmänner retten, die in Locarno Dinge versprachen, über die sie kein.BersÜ- gungörecht besaßen. Vielleicht bildeten sie sich, vom Geist von Locarno berauscht, ein, daß es ihnen gelin gen würde. dem Völkerbundrat ihren Millen aufzu zwingen. Wenn, wie man jetzt glaubt, Chamberlain und Briand Polen 'in Locarno einen Ratssttz verspra chen, — bisher wurde dies nicht geleugnet — dann hätten Luther und Stresemann damals davon unter richtet werden müssen. Zeder Versuch, Deutschland au» der gegenwärtigen Krise einen Vorwurf zu machen, isti nicht nur ungerecht, sondern auch verächtlich. Darin stimmen die in Genf weilenden Vertreter der Dominion» und die Mehrheit der Völkerbundsdelegierten überein. der Eindruck in Amerika. Newyork, 17. März. Die Vermeidung eine» offenen Bruches in Genf hat hier eine allgemeine Er leichterung geschaffen. Verantwortlich« Kreise erwar ten, daß bi» zum September, alle Schwierigkeiten aus geglichen werden können, so daß Deutschland da«« beu Vorteil hat, unter Bedingungen und in einer, Atmo sphäre etnzutreten, die ein bessere» Arbeiten ermöglicht, als wenn es heute nach einem unbefriedigenden Kom promiß eingetreten wäre. Die Ansicht, daß Deutsch land in Genf eine gerechte Sache vertrat, hat sich! in den .letzten Tagen überall duvchgesetzt. Die taktvoll!» Behandlung der ganzen Frage feiten» Deutschland» wird durchweg anerkannt, so daß man feststellen kann, daß die Genfer Krise dem deutschen Ansehen in Ame rika nicht geschadet hat. Die amerikanischen Befürch tungen, daß die Vertagung Unangenehme finanziell« Folgen für Deutschland haben könnt«, wie di« betsptel»- weis« der Berliner „Ttme»"-Vertr«ter ausdrückt, sind unbegründet. Las Kredit- und AnlsihsgHschäft blßtb» durch den Außgang von Genf unberührt. Ämsrika hak durch die versöhnliche Haltung der deutschen Velegterwn Beweise genug erhalten, daß es Deutschland mit de«