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Anzeiger für öas Erzgebirge Sonnabenä. äen 30. Januar ^92S Nr. 25 21. Jahrgang Vevteauen füv Luther Eine Erklärung Stresemanns. — 10 Stimmen mehrt VertrauenS- Vie Sehan-iung -rs Strafgefangenen Hklz Abendstunde Reqierungs- Abgeorbnete Eine Stunde, bevor gestern im Reichstag? die Aussprache l über die Regierungserklärung fortgesetzt wurde, war e ne I Kabinettsfitzung abgehalten worden, in der übereinstimmend l oie Aufassung vertreten wurde, daß der Reichskanzler vom Reichspräsidenten düe Ermächtigung zur Auflösung des Reichstages .rbitten müsse, für den Fall, daß bas Vertrauensvotum der .koalitionsparteien abgelehnt werden sollte. Als Dr. Luther M der dritten Nachmittagsstunde im Reichstage erschien, war er bereits im Besitze des Auflösungsbekrets. Alles Interesse und jedes Gespräch im Reichstage drehen sich nur noch um die Frage: Werden die wenigen Stimmen Mehrheit für das Ver trauensvotum im entscheidenden Augenblick vorhanden se n oder nicht? Daß die Sozialdemokraten Enthaltung beschlossen hatten, war bereits vor Sitzungsbeginn bekannt. Aber es ist als e n charakteristisches Zeichen für den Stimmungsum.chwung inner halb der sozialdemokratischen Fraktion anzusehen, daß acht weniger als 38 Abgeordnete sich für die glatte Annahme des Vertrauensantrages ausgesprochen haben. Fraglich war noch, wie die Wirt'chastliche Vere'n'gung. die 22 Stimmen zählt, sich verhalten würde. Aber auch dar- ! über war man sehr bald ins Bild gesetzt. Die Wirtschaftliche Vereinigung hat. eben'alls einstimmig „Stimmenthaltung" be schlossen, so daß insgesamt 150 Abgeordnete des Reichstages bei der Abstimmung über das Vertrauensvotum nicht votierten. Der Kampf um den Vertrauensantrag mußte sich aus schließlich zwischen den Regierungsparteien und den Parteien der Opposition, den Deutchnat-onalen, den Kommunisten und den Völkischen absvielen. Da die Stimmenzahl der beiden Blocks nahazu völlig gleich ist — 171 zu 170 — hing es wirklich nur von der zu fälligen Stärke der Präsenzzahlen einer der beiden Gruppen ab, ob das Vertrauensvotum angenommen oder abqelehnt wurde. Das Frage- und Antwortspiel, bas Rät'elraten ging bis knapp vor der Abstimmung unverändert fort. Dauernd wurde festgestellt und gerechnet, w'eviel Abgeordnete bet den einzelnen Fraktionen fehlen. In der siebenten glaubte man feststellen zu können, daß bei den Parteien 12 und bei den Oppositionsparteien 21 fehlen. Kurz vor Beginn der Abstimmung über das s Votum macht s Außenminister Dr. Ttre'fnnan« unter atemloser Stille im Reichstage die Mitteilung, daß er von den Besatzungsmächten England, Frankreich und Belgien heute eine Note erhalten habe, in der 'estgsstellt wirb, daß entgegen umlaufenden Meldungen, die Besatzungsmächte ke'' Entscheidung hinsichtlich der Stärke der Besatzungstruppen in der zweiten und dritten Zone getroffen haben, insbesondere keine Entscheidung etwa in dem Sinne, daß die Zahl der Be- satzungstruppen 75 000 Mann oder annähernd soviel aus machen soll». In der Note heißt es ferner, daß die Besatzungsmächte bei den Feststellungen verbleiben, die in der Note der Bot ¬ schafterkonferenz vom 14. November v. I. gemacht worden sinh. (In dieser Note der Botschafterkonserenz war bekanntlich zugasagt worden, daß die Besatzungstrupen in der zweiten und dritten Zone annähernd der Normalstärke der FriedenSbesatzung entsprechen sollen.) Die Note der Besatzungsmächte führt weiter auS, daß England, Frankreich und Belgien alsbald in eine Prüfung der Herabsetzung der Besatzungszahl auf die annähernd normale Stärke eintreten werden, sohgld die Verträge von Locarno in Kraft getreten sind. Gleichzeitig haben die Basatzungsmächte mitgeteilt, daß die Räumung der Kölner Zone auf den 31< Ja nuar verkürzt worben sei. Die°e Erklärung des Reichsaußenministers machte im Hause starken Eindruck. 160 ja, 15V nein. Nach >48 Uhr abends wurde das Abstimmungsergebnis im Reichstage verkündet. Insgesamt beteiligten sich 460 Abgeord nete an der Abstimmung. Davon gaben 151 Stimmenthal, tungs'arten ab, 160 stimmten mit Ja, 149 stimmten mit Nein, tungskarten ab. 160 stimmten mit Ja, 150 stimmten mit Nein. Das Kabinett Luther blieb also mit zehn Stimmen in der Für bas Vertrauensvotum haben gestimmt: 64 Zentrum, gefehlt haben 4, 47 Deutsche Volkspartei, gefehlt haben 4, 18 Bayrische Volkspartei, gefehlt hat einer, 30 Demokraten, ge fehlt haben 2 und ein Mitglied der Wirtschaftlichen Vereini gung, insgesamt 160. Gegen das Vertrauensvotum haben gestimmt: 102 Deutschnationale, gefehlt haben 8, 39 Kommu nisten, gekehlt haben ?, 8 Völkische, gefehlt 7 und 1 Fraktions loser, insgesamt 150. Der Stimme enthalten haben sich: 112 Sozialdemokraten, gefehlt 18 Abg., eine sozialdemokratische Stimme war ungültig. Außerdem haben sich 18 Mitglieder der Wirtschaftlichen Vereinigung der Stimme enthalten, ge fehlt haben 2. Vie Seriiner presse zu Sem Vertrauensvotum für Sas Neichskabinett. Berlin, 29. Januars. Die Deutsche Zeitung sieht in der Annahme der Vertrauensfrage für die Reichsreg'e- rung, die durch eine Minderheit gegen eine Minderheit bei Selbstausschaltung beinahe eines Drittels des Reichstages zu stande gekommen sei, eine tatsächliche Niederlage der Regie rung und wiederholt ihre Parole: Opposition mit allen Mit teln und in jeder Form. Die Deut sch e Tageszeitung, die zwar erklärt, daß die Rcichsregierung nach den Zahlen der gestrigen Abstimmung bas Vertrauen des Reichstages nicht besitzt, oder zum mindestens in höchst unzulänglichem Maße, betont, daß bisher keine der ausschlaggebenden Oppositions parteien sich zur Opposition bekannt habe. Die Regierung habe also die Möglichkeit zu beweisen, baß sie etwas kann. Die Börsenzeitung schreibt, obwohl wir mit der Locarno- Politik nicht einverstanden sind und bei jedem anderen was Luther mit seinem Namen deckt, den starken Kompromiß charakter bedauern, begrüßen wir doch die Partei der politi schen Fühirerpersönlichkeit. ; Unterreäung zwischen Brianä unä Chamberlain. Pari», 28. Jan. Wie angekündigt, hatten der englische Staatssekretär Mr Auswärtiges Chamberlain und Außenminister Briand heute vormittag 10 Wr eine Unterredung, die bis gegen 12.15 Uhr dauerte. Nach der Besprechung wurden die Vertreter der auslän dischen Presse von den beiden Staatsmännern empfan gen. Wie Hava» hierüber berichtet, erklärte Briand. Chamberlain und er hätten nur einen einfachen Mei nungsaustausch gepflogen und bezüglich der verschiede nen von ihnen gestreiften Fragen keine entscheidenden Beschlüsse gefaßt. Chamberlain Hab« infolge seines län geren Aufenthaltes im Süden etwas die Fühlung mit der Politik verloren. Bevor er also irgendeinen Be schluß fasse, fei es ganz natürlich, daß er die Ange legenheiten näher prüfe, die heute vormittag gestreift worden seien. Aber es habe sich auch hier wieder der pußerordentlich lebhafte Wunsch nach einer engen und herzlichen Zusammenarbeit in allen Fragen kundgetan. »Chamberlain äußerte, diese» Verfahren sei biß jetzt ziemlich gut geglückt. Es sei die Grundlage alles des sen, wa» man im vergangenen Jahre getan Habe, und auf diesem Wege sei man nach Locarno gelangt. Briand erklärte: Wir sind entschlossen, auf diesem Wege fort- zufahren. Chamberlain bemerkte alsdann unter Hin weis auf seine zweimonatige Abwesenheit von London, der Meinungsaustausch, den er soeben über gewiss« Frankreich und England besonders interessierende Fra tzen mit Briand gehabt Habe, lasse keinen Zweifel dar über, daß Briand und er das Mittel finden würden, in Zukunft ebenso zusammenzuarbetten wie bisher. Wir sind, so fuhr Briand fort, auf kein« unüberwindlichen Hindernisse gestoßen; die Entscheidungen werden seh» rasch getroffen werden. Ueber die deutschen Forderun gen betreffend die Stärke der alliierten Ve- fatzungstruppen im Rheinland« befragt, «r- klärte Briand, diese Frage sei von den deutsche» Zei tungen Polemisch behandelt worden. Sie werd« im Geist von Locarno geregelt werden, dadurch, daß :nan einer seits die,Lasten der deutschen Bevölkerung auf ein Min destmaß herabsetze und andererseits der Sicherheit der alliierten Truppen Rechnung tragen werde. Seit Lo carno sei übrigens ein großer Teil der Wünsche Deutsch lands bereits verwirklicht worden, wa» noch übrig bleibe, werde leicht zu regeln sein. Ebenso werd« auch die Fratze der Entwaffnung demnächst ihre Lösung finde». Chamberlain Erklärte, man dürfe nicht auf da» sehen, wa» noch zu tun sei, sondern müßte vielmehr da» Überblicken, wa» seit Lo carno bereits getan worden sei. Das stelle einen un geheuren Fortschritt dar und wenn man derartig« Er gebnisse für Anfang dieses Jahre» vorauSgesagt Hätte, hätte niemand daran geglaubt; da» müsse Mr die Zu kunft Mut.einflbßen. Muer Tageblatt 'LLM Mzelger für öas Erzgebirge WWW «agsdia« »Uttrzg.dira«. Enthalten- -le amtllchra vekaaotmachoagea -es aale» -er Staöt NN- -r» Amtsgericht» fine. »mt Leip,«» Nk. IS«, -efrekungsfeker ln Köln. Köln, 28. Januar. Die Nachricht, baß die Kölner Zone am 31. Januar 1926 12 Uhr nachts frei wirb, hat hier allenthalben freudige Ueöerraschung und Begeisterung hervor gerufen. Oberbürgermeister Dr. Adenauer hat sofort beim Kultusminister den Antrag gestellt, am Montag, den 1. Febr. den Schulunterricht ausfallen zu lassen. Wie WTB. hört, findet in der Nacht vom Sonntag, den 31. Januar zu Montag, dem 1, Februar Mitternacht eine große öffentliche Befreiungsfeier auf dem Domplatz statt Wenn die Mitternachtsstunde schlägt, beginnt die Deutsche Glocke am Rhein, die Petrusglocke des Domes zu läuten und sämtliche Kirchenglocken folgen. Vor dem Hauptportal dcS Domes hält Bürgermeister Dr. Adenauer eine kurze Ansprache an die Bevölkerung. Die Feier wird durch den deutschen Rundfunksender in KönigSwusterhaustn ausgenommen. Durch die z. Zt. in Köln stattfinbende Deutsche FunkauSstellung ist diese Möglichkeit gegeben. Sie wirb sodann an alle deutschen Rundfunkempfänger Weitergeleites. Antrag auf Repressalien gegen Italien. Die Deutschnationale Fraktion des Preußischen Landtags erlucht in einem Antrag, die Genehmigung zur Errichtung neuer italienischer Schulen in Preußen solange zu versagen und die bestehenden italienischen Schulen solange zu schließen, bi? der deutschen Bevölkerung in Südtirol wieder d'e Mög lichkeit de» Unterrichts in ihrer Muttersprache gegeben ist. Neue italienisch« Protest«. , Rom, 29. Januar. Nach einer Stefantmeldung veran- stalteten gestern in Florenz und Leceo Studenten Protest kundgebungen gegen den „ttoltenfttnbltchen Feldzug m Deutschland." > Ueber -le Kosten -er Nekchsstnanzverwoltung. In letzter Zett sind häufig sowohl in Tageszei tungen wie in öffentlichen Versammlungen völlig un zutreffende Gerüchte über die Kosten der RetchSfinanz- verwaltung verbreitet worden. Der Reichsftnanzmini- ster ist diesen Gerüchten mit einer amtlichen Veröffent lichung entgegengetreten, die Mitte Tiezember 1925 in den Tageszeitungen abgedruckt worden ist. Tarin wird an Hand des amtlichen Materials festgestellt, daß die WerwaltungSkosten der Abgabenverwaltung in den letz ten Jahren mit geringen Schwankungen 4 bis 5 v. H. betragen haben. In den Kosten sind inbegriffen die Ausgaben des ReichSfinanzmtnisterium» selbst einschließ lich der vom früheren Schatz- und Wiederausbaumini- stertum übernommene« VerwaltungSzwetge, ferner all« Kosten der gesamten Abgabenverwaltung, also der San» desftnanzämter mit den Finanzyerichten, den Finanz ämtern, Hauptzoll« und Zollämtern, de» ReichSfinanz- Hofes, der Bau. und LiegenschastSverwaltung mit allen ihren nach 8 19 AO. und darüber hinaus weite Teile der Landesfinanzverwaltungen umfassenden Aufgaben. Für das Rechnungsjahr 1924 betrugen die JsteinnahMen 7 359155 205 Reichsmark, die CesamtistauSgaben nur 306 508 461 Reichsmark. Tie Ausgaben betragen mit hin im Durchschnitt 4,14 v. H. der Einnahmen. Au» diesen Zahlen ergibt sich, daß der BetriebSkoefftztent der Reichsfinanzverwaltung außerordentlich gering ist und daß die verbreiteten Gerüchte al- unverantwort liche Entstellungen bezeichnet werden müssen. Li« kommunistisch« LandtagSfraktio» i» Preußen führte in einer Kleine» Anfrage Beschwerde über die Behandlung des Strafgefangenen Hölz. Insbesondere werde dem Verteidiger, der für ein Wiederaufnahmever fahren in Sachen Hölz tätig sei, sein« Arbeit auf jede Art und Weise erschwert. Wie der preußische Justizminister, dem amtlichen preußischen Pressedienst zufolge, ausführt, sind ^«m Strafgefangenen Hölz wegen fortgesetzter grober Unge hörigkeiten mehrere Vergünstigungen entzogen worden. Der Minister hat diese Maßnahme nach Prüfung des Sachverhalts sür gerechtfertigt erachtet. Sie erstreckt sich auf den Verkehr des Hölz mit seiner Ehefrau; der knÄndliche und schriftliche Verkehr mit dem tM Jnt?r- esse der Wiederaufnahme de» Verfahrens Mr Hölz tä tigen Verteidiger wird dadurch nicht getrosten. Ein simtsverzicht Trotzkis. Moskau, 28. Jan. Auf s«t»e persönlich« Bitt« hi» ist das Mitglied de» Präsidium» d«S Oberste» PolkS- jwirtschaftSrate» Trotzki vom Poste« de» Chef» d«r HauPtelektrizitätSverwaltung enthöbe» Word«». ZuM vorläufigen Ches der HauPtelektrizitätSverwaltung wurde KurostaschewSki ernannt. Ver japanisch» rNknlsterpräst-ent gestorben^ Tokio, 28. Jan. Gestern abend ist nach mehr monatiger Krankheit der japanische Premiermintst« Vi comte Kato an NtereNschrumPfung im Atter von S- Jahren gestorben. Zn einer sofort etnberufenen Son dersitzung des japanischen Kabinett» wurde beschloss«», die Demission einzuretchen. Wakatfukt übernimmt di« Nachfolge Kato» al» Vov» sitzende» der Aegievung-Parttzi.