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Mer Tageblatt Nr. 23 Donnerstag, cten 28. Januar 1S2S 21. Jahrgang Erklärung der Reichsregierung im Reichstag U vi,»«»,», p»Nt;«Il« für »u» Itu« ua» U«««,«»» « au— »trtl,« Ma,,t,»u I- «,!tpt«aat„ »,klam«.p«N»,,U, «« «»ltpfaanl,,. «»tllch» Zatl» « «altpfaaat,». früheren regierenden fürstlichen Familien bedarf einer möglichst baldigen retchögesetzlichen Regelung, wobei die Neichsregierung dem deutschen Volke die Unruhe eines Volksentscheides ersparen möchte. Die gesamte RegierungS- und BerwaltungStätig- feit, ganz gleichgültig, ob es sich um die Weiterverfol- gung der allgemeinen Reformgedanken, um grosse gesetz geberische oder sonstige Pläne oder um die laufende Ar beit handelt, muh von dem Grundsatz beherrscht sein, daß die öffentlichen Ausgaben auf ein Mindestmaß her abzusetzen sind. Der feste Wille zu solcher grundsätz lichen Sparsamkeit, der seine Wurzel im stärksten vater ländischen Verantwortlichkeitsgesühl findet, muh sich, wenn wir einen Ausweg auS der Bedrängnis der Ge igenwart finden sollen, nicht nur in der Verwaltung des Reiches sondern in gleicher Stärke auch Hei den Län dern und Gemeinden auSwirken. Die Lage, in der die Reichsregierung dis Geschäfte des Reiches übernimmt, ist gekennzeichnet durch eine Wirtschaftskrise von außerordentlichem Ausmaß. Ihre Ucberwindnng ist dringendste Aufgabe der Ge genwart, es bedarf dazu der Aufbietung aller geisti gen und sittlichen Kräfte, der ganzen Arbeitsamkeit und Sparsamkeit unseres Volkes. Die Regierung ihrer seits wird mit allem Ernst und allein Nachdruck auf wie in Fortsetzung schon ergriffener Maßnahmen die deutsche Ausfuhr auf neuartigen Wegen erleichtert wer den kann. Die besonderen Verhältnisse, die sich au» außergewöhnlichen Entwicklungen der Wirtschaftslage in anderen Ländern ergeben haben und für einzelne deut sche Wirtschaftszweige, so besonders für Kohle und Eisen sehr fühlbar geworden sind, erfordern die besondere Aufmerksamkeit der Neichsregierung. Soweit die schwere Wirtschaftskrise, die wir durch laufen, eine allgemeine Krise ist, müssen die Hemmun gen beseitigt werden, die der Selbstheilung durch die wirtschaftlichen Eigenkräfte noch entgegenstcck, m. Dabei denlt die Reichsregierung nicht etwa an ein überspann tes Eingreifen der Behörden. Sie ist aber davon Über zeugt, daß die schon vor längerer Zeit wirksam einge leitete Preis enkungsaktion mit Nachdruck fortgesetzt werden muß, um die Wirtschaft vor übermäßigen Preisbelastungen zu befreien und dadurch gerade auch die gesunden Kräfte sowohl in der Großwirtschaft wie des gewerblichen Mit telstandes in ihrer Lebensfähigkeit zu stärken. Beson ders wichtig ist die alsbaldige Verabschiedung eines Ge setzes über die Beseitigung der Geschäftsaufsicht. Tiie Reichsregierung erblickt in der Durchführung, von Maß nahmen die die deutsche Gesamtwirtfchast von allen Ursachen der Ueberteuerung befreit, eine unerläßliche Voraussetzung sür den Wiederaufstieg Deutschlands. Sie ist sich bewußt, daß der Erfolg ihrer verwaltungsmäßi gen und gesetzgeberischen Maßnahmen in vielen Hin sichten sehr wesentlich von der freiwilligen Mitarbeit der Erwerbsstände abhängt. Tie zurückgetretene Reichs regierung hat diese Mitarbeit in erheblichem Umfange gefunden. Das neue Kabinett wird in gleichem Sinne weiterarbeiten; es ist bereit, wegen der zu ergreifenden Einzelmaßnahmen auch die in Gang befindlichen gesetz geberischen Entwürfe mit den Vertretungen der Er werbsstände erneut zu erörtern. Ter unverrückbare Zweck der Preissenkungsmaßnahmen neben der Gesun dung des Wirtschaftslebens ist die Erleichterung der Le benslage der Arbeiter und der sonstigen BevölkerungS- teile mit geringem Einkommen. In Erfüllung einer besonderen Aufgabe der Sozial politik wird die Neichsregierung ein Arbeiterschuhgesetz einbringen, das die Bestimmungen über Arbetterschutz einheitlich zusammenfatzt und die Arbeitszeit neu re geln wird. Die Reichsregierung hält die von den frü heren Regierungen wegen der Ratifikation des Wa shingtoner Abkommens abgegebenen Erklärungen auf recht. Das Inkrafttreten einer international geregelten Arbeitszeit in Deutschland muß von dem gleichzeitigen Inkrafttreten in England, Frankreich und Belgien gb- Innenpolitik betrifft, so verweise ich wegen der grundsätzlichen Stel lungnahme der Reichsregierung zu den Fragen der Verfassung und zu den Beziehungen zwischen Reich und Ländern auf die Erklärung, die ich am 19. Januar 1925 in diesem Hause abgegeben habe. Auf diese Erklärung berufe ich mich auch wegen der grundsätzlichen Regie- rungseinstellung zu Beamtentum und Beamtenrecht und zu den Fragen unserer auf christlicher Grundlage be ruhender Kultur. Auf dem Gebiete der Schulpolitik wird die Reichsregierung die Lösung anstreben unter Wahrung der in der Verfassung gewährleisteten Ge wissensfreiheit und unter Berücksichtigung: der Eltern rechte. Die Reichsregierung gedenkt eine Verbesserung unserer Wahlgesetzgebung ernsthaft in.Angriff zu neh men. Die vermögensrechtliche Auseinandersetzung Mit zu diesem Zweck das zurzeit dem Retchsrat vorliegende Arbeitsgerichtsgesetz weiter verfolgen wird. Di« gesetz liche Regelung der Erwerbslosensürsorge ist angesichts der großen Zahl der Erwerbslosen mit Beschleunigung zu betreiben. Vor wenigen Wochen sind die Bedingun gen für die Verzinsung und Tilgung der Reichsdarlehen für di« RotstandSarbetten an die Kommunen und ands- k'l.gramm.r ragediatt ftu,»rzs»dirg,. Enthalten- -l» amtliche» Bekaaatmachuasea -er Rate» -es Etaöt ou- -er Amtsgericht» -tue. p»M«ck-L»nt» ftml Leipzig »».les« schäft sind in Vorbereitung und sollen in Verbindung mit den verschiedenen landwirtschaftlichen Organisationen betrieben werden. Wenn e» auch hier genau wie in den anderen Wirtschaftszweigen ein Allheilmittel nicht gibt, so ist die Reichsregierung doch davon durchdrungen, daß die Erhaltung und, soweit irgend möglich, Steige rung der Produkttonsfähtgkeit der Landwirtschaft eine Lebensfrage des deutschen Volkes ist. Neben die notwendige Stärkung des Innern Martz« tes tritt mit gleicher Bedeutung da» Erfordernis einer Steigerung der Ausfuhr. Tie gefaulten Handelsvertragsverhandlungen, die ohne Unterbrechung fortzusetzen sind, müssen mit dem Ziele geführt werden, zur Befruchtung des allgemeinen Wirt schaftslebens die Wiederherstellung eines lebhaften Wa renaustausches auf der Welt zu ermöglichen. Hierbei muß in erster Linie darauf hingewirkt werden, daß die leider noch teilweise bestehende Schlechterstellung deut scher Waren im Vergleich mit den Waren anderer Län der auf ausländischen Märkten beseitigt wird. Ange sichts der hohen Zölle, die im Auslands vielfach gelten, «müssen die deutschen Zölle bei den Verhandlungen da zu verwendet werden, unter Wahrung der deutschen Le bensnotwendigketten den Gesamtstand der europäischen Zölle möglichst herabzudrücken. Auch außerhalb der Handelsverträge wird die Reichsregierung fede ernst hafte Absicht, eine Annäherung der einzelstaatlichen Wirtschaften durch allgemeinere zwischenstaatliche Ab- Imachungen zu verwirklichen, mit aller Kraft fördern, finanz-, wirt'chaftS- und nicht zuletzt sozialpolitischem Die Reichsregierung ist weiter bereit, zu^prüfen, ob und Gebiet alle« tun müssen, was möglich ist, um die Er starkung der Wirtschaft zu fördern und die Not weitester Voliskreise zu lindern. Alle Bemühungen um Verminderung der öffent lichen Abgaben finden auch bet größter Beschränkung der Ausgaben ihre Begrenzung in den durch die Ver armung unserer Wirtschaft geschaffenen Tatsachen und in den Belastungen, die wir infolge unserer politischen Gesamtlage auf uns nehmen mußten. Gerade deshalb aber ist die Erhebung jedes UcbermaßeS an Steuern sorgfältig zu vermeiden und sind Härten nach aller Mög lichkeit auszuglcichen, damit die Gesamtbelastung wirt schaftlich tragbar und sozial gerecht ist. Die Reichs regierung wird demgemäß mit der durch die Lage der Wirtschaft gebotenen Beschleunigung auf der Grundlage des bestehenden Systems sich um den Abbau wirtschafts hemmender und damit preisverteuernder Steuern wei ter bemühen, deren Schwere letzten Endes die breite Masse der Be^ölke'-nng trifft. Um auch in diesem Zu sammenhang die Elgenverantwortuug der Länder und Gemeinden zu stärken, sollen für die Einkommensteuer am l. April 1927 die Ueberweisungen durch Zuschläge obgelöst werden: dabei ist aus finanziellen und Wirt- ; schaftlichen Gesichtspunkten im Auge zu behalten, daß die einzelnen steuerlichen Leistungen in einem richtigen , Verhältnis zu einander bleiben müssen. Daß ungedeckte Ausgaben nicht geleistet werden dürfen und keinerlei ' Hinabgleiten in inflatorische Maßnahmen in Frage kom- man kann, ist selbstverständlich. Die Bereitstellung von öffentlichen Geldern für , die Belebung der Wirtschaft ist naturgemäß sehr eng umgrenzt und darf grundsätzlich den Rahmen einer pro duktiven Erwerbslosensürsorge nicht überschreiten. Die Reichsregierung möchte mit Beschleunigung die bäuerliche und Arbeitersiedlung in den volksarmen Teilen des Ostens fördern. Dis allgemeinen Siedlungspläne sollen hierdurch nicht berührt wsrdcn. Für die Förderung des Wohnungsbaues sind der Reichsregierung Beratungen, die mit Vertretern der Landesregierungen kürzlich im Neichsarbeitsmtnisterium stattgefunden haben, wertvoll. Namentlich müssen Wege gefunden werden, der nicht abzuleugnenden Ueberteuerung des Bauens zu begegnen. Die Reichsregierung hofft, von den Landesregierungen bei der Verwendung der HauSzinSsteuer in diesen Be strebungen unterstützt zu werden und bemüht sich ihrer seits besonders um.die Erleichterung erststelligen lang fristigen Hhpothekenkredites. Ueberhaupt wird die Reichsregierung mit aller Energie auf eine Besserung der Kredttlage der Wirt schaft hmarbeiten. Unsere Wirtschaft braucht billigeren und langfristigeren Kredit. Die Reichsregierung denkt dabei besonder» auch an die Landwirtschaft, deren Notlage sie mit großer Sorge verfolgt. Durch die hängen. Auch da» einheitliche Arbeiterrecht bedarf der bereits in der Durchführung begriffene Kreditaktton der tatkräftigen Förderung durch die ^Reichsregierung, die Golddtskontbank wird der Landwirtschaft über die Ren- tenbanlkreditanstalt ein beträchtlicher Zwischenkredtt als, bald zugesührt werden. Die Regierung ist sich dartiber klar, -aß mit Krediten allein nicht geholfen werden kann, wenn nicht gleichzeitig auch mit anderen Mitteln die Landwirtschaft ertragfähig gemacht wird. Maßnahmen zur Steuerung der allgemeinen Not in der Landwirt- Berlin, 28. Jan. Zn der heutigen Sitzung de» Reichstage» erklärte Reichskanzler Dr. Lutherr Die jetzt dem Reichstag dorgestellte Reichsregierung ist gemäß einem Auftrage de» Herrn Reichspräsidenten gebildet worden, nachdem die Deutschnationale Volks- Partei.aus der bisherigen Regierung ausgeschieden war und die Versuche zur Bildung einer Regierung der gra sen Koalition mißlungen waren. Um trotzdem eine Par lamentarisch gestützte, wenn auch nurmehr von einer Minderheit des Reichstages getragene Reichsregierung zustande zu bringen, haben sich die Fraktionen des Zen trums, der Deutschen Volkspartei, der Deutschen De mokratischen Partei und der Bayrischen Volkspartei zu einer Koalitionsregierung der Mitte zusammengeschlos sen. Es wird Sache des Hohen HauseS sein, verant wortlich darüber zu entscheiden, ob es der Aufnahme der sachlichen Arbeit durch diese Minderheitsregterung, die Vertrauensgrundlage geben will. Schon am 19. Januar 1925, als ich dem Hohen Hause eine MehrhettS, regierung vorstellen durfte, habe ich um die Mithilfe auch der außerhalb der Regierung stehenden Parteien michgesucht, die in staatsbejahender Gesinnung praktische Mitarbeit leisten wollen. Die Negierung, die ich heute dem Hohen Hause vorzustellen berufen bin, ist als Min derheitsregierung auf die Mithilfe nicht zur Negierung ehörender Parteien grundsätzlich angewiesen. Sie er bittet diese Mithilfe, damit sie in einer schwierigen außenpolitischen Lage und einer Wirtschaftskrise von rößtem Ausmaß die Geschäfte des Reiches sachgemäß und zum Nutzen des Volkes führen kann. In der Außenpolitik ist der Weg, den die Reichsregierung zu gehen hat, durch den am 1. Dezember 1925 in London abgeschlos senen Vertrag von Locarno und durch die allgemeinen Richtlinien, die ich in meiner Reichstagsrede vom 23. November 1925 ausgesprochen habe, bestimmt. Tie wichtigste Entscheidung der Reichsregierung wird den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund betreffen. Tie fetzt zurückgetretene geschäftsführende Reichsregierung hat gemäß der Entschließung des Reichstages vom 27. No vember 1925 unablässig an der weiteren Auswirkung der Abmachungen von Locarno gearbeitet, in Sonder heit zugunsten des besetzten Gebietes. Ich nehme an, daß die bevorstehende Beratung des Haushaltplanes des Auswärtigen Amtes zu eingehender Aussprache hier über und über die Außenpolitik überhaupt Gelegenheit geben wird. Es erscheint der Reichsregierung empfeh lenswert, hierbei alle Einzelfragen der Außenpolitik im Hohen Hause zu erörtern und dabei die vorliegenden Anträge, Interpellationen und Anfragen einzubeztehen. Meinerseits möchte ich heute nur auf eine Frage Hin weisen, die zur Zett im Mittelpunkt der Erörterung steht, das ist die Frage der Besatzungsstärke in der ,2. und 3. Zone. Hierüber hat die dem Hohen Hause bekannte Note der Botschafterkonferenz vom 14. November 1925 vorgesehen, daß eine fühlbare Ermäßigung der Trup penzahl eintreten soll, und zwar so, daß die künftige Besatzungsstärke sich den Normalziffern nähert. Der -Begriff der Nvrmalziffern kann nicht anders anfgefäßt werden als gleichbedeutend mit dem Begriff der deut schen Friedenspräsenzstärke in den in Betracht kommen den Gebieten, wie seinerzeit in der amtlichen.deutschen Veröffentlichung ohne Widerspruch der in der Botschaf- tertonferenz vertretenen Mächte hervorgehoben worden ist. Dem entsprechen die Schritte der deutschen Negic- ri ng in dieser Frage. Die Verhandlungen hierüber mit den beteiligten fremden Regierungen sind in lebhaf tem Gange. Die Reichsregierung gibt sich der Erwar tung hin, daß sie, ebenso wie dies in einer Reihe be^ reits erledigter Fragen geschehen ist, zu dem von uns ^gewünschten Ergebnis führen. Was die UMW Anzeiger für das Erzgebirge