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Nr. S Ireitag. äen 8. Januar 1S2ö 21. Jahrgang Mitteilung des Es festgestellt Wer der Erzberger« poft" von ihrem Münchner Korre'pondenten gemeldet wirb, soll gegen Hitler «in Berfahren wegen Meineides eröffnet worden sein. Hitler habe in eidlichen Bekundungen über das seinerzeitige Borgehen der Kampsverbände Behaup tungen aufgestellt, die der Wahrheit widersprächen. Außerdem ständen verschiedene Behauptungen Hitlers mit den eidlichen Erklärungen, die Auer im Luppe-Streicher-Prozeß abgegeben habe, in Märfftiem Widerspruch. Die Untersuchung liege in den Händen des Ersten Staatsanwalts Stenglein. Aum verfahre« gegen dr. Luppe. Nürnberg, 6. Jan. In der heutigen Stadtrats- sttzung erklärte der nationalsozialistische Stadtrat Strei cher namens seiner Partei, sie sei bereit, den persönli chen Kampf gegen Oberbürgermeister Luppe einzustellen, soweit es sich um Stadtra.ssitzungen handle, ebenso Le gen einzelne Stadtratsmitglieder, wenn ihr die Ge- was wir-! Berlin,?. Jan. Tie heutige Rückkehr des Reichs kanzlers Dr. Luther nach Berlin nehmen verschiedene Blätter zum Anlaß, auf die Frage der Regierungs bildung im Reich zurücktzukommen. Tie „Tägliche Rund, schau" schreibt: Nachdem die Mission Dr. Kochs geschei tert ist und in der Zwischenzeit die damalige Haltung der Sozialdemokratie sich eher noch verschärft hat, wird man annehmen 'können, daß der Reichspräsident den Auftrag zur Regierungsbildung Dr. Luther erteilen wird, der nur noch den Versuch machen kann, die Mit- telparteien zu einer Regierungskoalition zusammenzu schließen. Im Gegensatz zu dieser Auffassung hält die »Mermania" die große Koalition noch nicht für erledigt und weist die Sozialdemokratie darauf hin, daß sie die Wahl habe zwischen staatspolitischer und parteipolitischer Taktik, zwischen Einfluß und Einflußlosigkeit. Jeden falls werde das Zentrum erneut verlangen, daß die große Koalition geschaffen werde. Wenn diese nicht zu stande kommen sollte, so hält es das Berliner Zentrums organ für unmöglich, daß das Zentrum eine Regierung unterstützt, die auf den guten Willen und die Duldung der Deutfchnationalen angewiesen ist, und- eine Atinder- hcitsregierung der Mitte könne nur eine Regierung un ter deutschnattonalem Einfluß bedeuten. Koch für üir große Koalition. Stuttgart, 6. Jan. In der deutschen Landes versammlung der Deutschen demokratischen Partei Würt tembergs und Hohenzollerns trat Reichsminister a. D. Koch am Schlüsse einer zweistündigen Rede in nachdrück licher Weise für die große Koalition ein, in dem er u. a. aussührte, daß sich die Parteien angesichts der Auf-! gaben und Bedürfnisse der Zeit verständigen inüßten Auf sozialdemokratischer Seite sage man allerdings: Die Zeit dafür ist noch nicht gekommen. Ob aber die deutsche Vollspartet auch späterhin noch bereit sein werde, in eine große Koalition einzutreten, erscheine etwas zwei felhaft. Ein kluger Politiker werde eine solche Gelegen, heit, wie sie sich jetzt bietet, ergreifen, damit Teutsch- land endlich einmal in stabile Verhältnisse kommt, sei verkehrt, sich in den Schmollwinkel zu stellen. Jur Vei hastunn äes angeblichen C-zdergermöräers. Berlin, 6. Jan. Tas Polizeipräsidium teilt mit: In der Angelegenheit des in Aussee verhafteten angeblichen Erzbergermörders Schulz hat sich die Ber liner Polizei heute früh telegraphisch mit der Polizei behörde in Aussee in Verbindung gesetzt und ebenso hat sie Verbindung .ausgenommen mit dem Polizeipräsi dium in Wien. Von Wien aus wurde mitgeteilt, daß die in Aussee verhaftete Personen zunächst behauptet habe, der Erzbergermörder Schulz zu sein. Sie habe diese Behauptung aber später zurückgezogen und sie als Schwindel bezeichnet. Tas Polizeipräsi dium in Berlin hat nunmehr sofort eine Photographie des Erzbergermörders Schulz, die seinerzeit vom Ber liner Polizeipräsidium versandt worden ist, nach Aussee geschickt, damit an Hand dieses Bildes den kann, ob der Verhaftete tatsächlich Mörder Schulz ist. Aus Graz wird gemeldet: Nach s" ' Landesgendarmertekommandos wurde in Bad Assee ein Mann verhaftet, der sich Edgar von Pachmann aus Mün chen nannte und im Besitze zweier Wechsel auf 500 Schilling und 1800 Mark auf das Exporthaus Rode u. Co. in Hamburg war. Beim Verhör gab der Verhaftete zu, nicht Pachmann zu heißen und gestand ein, der ge suchte Schulz aus Saalfeld a. S. zu sein. Nachforschun gen ergaben eine unzweifelhafte Aehnlichkeit mit dem Erzbergermörder Heinrich Schulz. Bei einem weiteren Verhör widerrief er sein Geständnis und bestritt ferner, mit den Wechseln betrügerische Absichten verfolgt zu haben. Beim Telegraphenamt Aussee wurde nach Feststel lungen der Gendarmerie von einem.Unbekannten an das badische Landgericht Offenburg folgendes Telegramm ausgegeben: Heinrich Schulz Mörder Erzbergers Be zirksgericht Aussee in Haft. Komplize Ttllessen unter falschem Namen Zürich in Aufenthalt. Deutsche Beschwer-» über -ie Han-Habung -er englischen In-ustrieschuhzölle. London, 6. Jan. Wie verlautet, ist bei der britischen Regierung eine deutsche Beschwerde über die Handhabung der neuen Jndustrieschutzzölle auf Hand- schuhe, Glühstrümpfe und Messerivaren eingegangen. Die Beschwerde wendet sich besonders dagegen, daß die deut schen Schisse bei ihrer Ankunft in den britischen, Häfen solche Waren verzollen mutzten, obwohl die deutschen Exporteure von dem Inkrafttreten dieser Zölle zur Zett als da» Schiss den deutschen Hasen verließ, keine Kennt nis hatten. Die zuständigen Stellen der britischen Re gierung werden sich, wie Reuter meldet, mit dieser Angelegenheit beschäftigen. Vk»-»raufnahm» -er tzan-»lsluftfahrt- verhan-lungen. Part», 6. Jan. Wie die Agentur Hava» mit teilt, sind am kluai d'Orsay die Berhandluygen zwischen den deutschen und den alliierten Sachverständigen im Hinblick auf di« Regelung her deutschen Hgndelsluft- schiffahrt wieder ausgenommen worden. Man Hofs«, -u etnem Abkommen -u gelangen, doch werd«n sich di« Lsrtzaüdbmgerr »och einige Leit -iniiahau. V»k -unbequeme" wilfonpreks. StresemannK AbsPge. Berlin,?. Jan. TaS „Berliner Tageblatt" mel- Idct aus Newhork, daß die Verwalter der Woodrojo iWilson-Gtiftung beschlossen haben, den sür eine gltru- ststische Lat ausgesetzten Preis für das Jahr 1925 nicht zu verteilen. Es sei ursprünglich eine Dreiteilung des , Preises geplant gewesen und zwar sollten Chamberlain, Briand und Stresemann sich in den, Preis für ihre Ver dienst« um da» Zustandekommen de» Looarnovertrage» teilen. Dr. Stresemann habe jedoch di« Annahme Kes Wtlsonpretse» abgelehnt. Da» „Berliner Tageblatt" bc. merkt zu dieser auch von der Pariser Ausgabe der „Ti me»" gebrachten Nachricht: Li« Zuteilung de» Pretse» war an die Bedingung geknüpft, daß die Preisträger ihn selbst in Washington am 28. Dezember in Empfang nehmen sollten. Ta da» für Dr. Stresemann nicht möglich war, ergab sich di« Ablehnung. Der Akt Ke» guten Millen», der n der Anfrage durch da» ameri kanisch« Komitee lag, soll darum nicht weniger anerkannt werden. Ler ,Loka anzetger" schreibt -u der Ange- legenyett, daß der Stiftung ein ähnlicher Kescheid, wie der Dr. Stresemann», auch von den übrigen Pretöträ- gern zugegangen sein dürfte. Mussolini. Staatsmintster a. D. Dr. Franz Sch weher ver öffentlichte soeben ein Buch „Politische Geheimver bände" (Herder, Freiburg i. Br.), welches das Dunkel des Geheimbundwesens von Vergangenheit und Gegen wart aufhellt. U. a. findet sich daselbst auch ein Kapitel über den Faschismus in Italien. Das Nachstehende ist ein Auszug daraus und zeigt Schweyers Werk in aktu ellster Bedeutung. Der Bolksmann Mussolini hat es verstanden, in kürzester Zeit eine ganz Italien beherrschende Organisation ins Leben zu rufen, die den Staatsorganismus dergestalt umklammerte, daß die verfassungsmäßigen Instanzen durch einen trockenen Putsch gezwungen werden konnten, die ganze politische Macht an den Führer der Bewegung auszuliefern. Seitdem besteht neben dem legalen Staatsapparat der illegale Apparat der faschistischen Organisationen; die beiden Apparate stehen dem Diktator Mussolini als verfaßungsmäßig berufenem Minister präsidenten einerseits und als Führer der revolutionären faschistischen Bewegung anderseits in gleichem Maße zur Ver fügung. Das System des Faschismus ist heute in Italien zum Regierungssystem geworden; Mussolini übt trotz König tum und trotz Parlament eine fast unumschränkte Alleinherr schaft über ganz Italien aus. Die Machtausübung vollzieht sich in voller Oeffentlichkeit. Der Faschismus ist seinem innersten Wesen nach eine eigentümliche italienische Erscheinung, die aus den besonderen wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen des Landes sich erklärt und dabei in starkem Maße bas persönliche Geprägt ihres Urhebers erkennen läßt. Benito Mussolini ist als Sohn des Dorfschmieds Alessandro Mussolini am 29. Juli 1883 in Predappio in der Romagna geboren. Die revolutio« närigen Neigungen des Vaters blieben nicht ohne Wirkung auf den Heranwachsenden ausgelassenen Sohn. Er wurde Leh rer, sand aber in diesem Berufe keine ausreichende Befriedi gung. Er vertrat innerhalb der sozialistischen Partei die radi kale Richtung und übernahm im Jahre 1912 die Redaktion des Mailänder sozialistischen Partetblattes „Avanti". Nach Ausbruch des Krieges trat Mussolini zunächst für die Neutralität Italiens im Weltkriege ein, gab aber diesen Standpunkt später auf und wurde der leidenschaftlichste Ver fechter des Eintritts Italiens in den Krieg an der Seite der Ententemächte. Seine Deutschfeindlichkeit reichte an die der größten französischen Kriegshetzer heran. Er forderte trotz des von ihm vertretenen Nationalitätenprinzips entschieden die Vorrückung der italienischen Grenze bis an den Brenner. Dem Versailler Gewaltfrieden stand er innerlich stark ableh nend gegenüber, da er in ihm kein geeignetes Werkzeug für den notwendigen Wiederaufbau Europas erblicken konnte. Mit der Entwicklung der großen Weltereignisse hatte er sich mehr und mehr von den Grundsätzen des Sozialismus inner lich freigemacht. Nach dem Kriege vollzog Mussolini auch äußerlich sein« Abkehr von den sozialistischen Ideen und begann sich gegen die inneren Feinde der Nation, die er in den Giolittianern, Sozialisten und Klerikalen erblickte, Zu diesem Zwecke nahm er im Jahre 1919 eine Neuorganisation seiner Fasci vor, die er nunmehr Fasci de Combattimento, d. h. Kampfbünde, nannte. Die wirtschaftliche Lage Italiens war durch den Krieg schwer erschüttert. Die unzufriedenen Volksmassen wurden von der auch nach Italien getragenen Seuche de» Bolschewismus angesteckt. Im Sommer 1920 kam die soziale Revolution zum Ausbruch. Das revolutionäre Proletariat schritt zur Tat und besetzte die Fabriken. Die Staatsgewalt versagte. Das war für Mussolini der günstige Augenblick -um selbständigen Eingreifen. Man war des roten Terrors müde und empfand die entschlossene Tat Mussolinis als eine Er leichterung. In Hellen Scharen strömten die Tausende heran, um an den Rachezügen teilzunehmen. Nun folgte ein Jahr des größten faschistischen Terrors. Sozialistische und kommu nistische ZeitungsbureauS, Druckereien, Gebäude wurden rück sichtslos in großer Zahl zerstört. Die Versammlungen 8er Gegner wurden gesprengt und schließlich ganz unterdrückt. Wiederholt suchten die faschistischen Unterführer ihren Führer Mussolini zum letzten großen Schlage, zur Uebernahme der politischen Macht, zu veranlassen. Er hielt seine Stunde noch nicht für gckitmmen. , Erst im Herbst 1982 verkündete «r in Udine seine Absicht, l indem «r erklärte: „Wir wollen Italien regieren." Diese ' Erklärung ries ungeheure Erregung in ganz Malte« tzerver. Die faschistischen Kräfte wurden unter den Nuäen der Regie rung planmäß'g mobilisiert. Auf einmal erschien eine faschi stische Truppe in Südtirol, um die neuerworbenen Gebietsteil, unter faschistische Herrschaft zu bringen. Die» war in weni' gen Tagen geschehen. Eine große Begeisterung erfaßte die ganze italienische Bevölkerung. Die notwendige Sttmmun für die weiteren Schritte war geschaffen. Mussolini ließ er klären, daß die Eroberung Südtirol» al» die »erste Etappe des Marsches auf Rom" zu betrachten sei. Etwa 40 000 Mann wurden nach Neapel vorgeschoben, die Hauptmacht von rund 200 000 Faschisten blieb nördlich pon Rom stehen. So war Rom von zwei Setten bedroht. Inzwischen hatte sich Mussolini vertraulich mit der Regierung in Verbindung ae- setzt und di» Auflistung des Parlament», di« Reform de» Wahl recht», sofortig, Neuwahlen, Kamps gegen den Soztaltlmu», sine energische nattanale Politik in Dalmatte« mit füns Meineidsverfahren gegen Hitler'? WKen berg, Januar. Wie der »Fränkischen Tages-währ dafür gegeben werde, daß die Geschäfte in voller . ..— — Unparteilichkeit geführt würden. Tie Zusammenarbeit mit Juden lehne seine Partei restlos ab. Bürgermeister Treu gab sodann die Entschließung der Regierung Mit- telfrankens über die Amtsenthebung Tr. Luppes be kannt und stellte im Namen des Aeltestenausschusses den Antrag, an die Staatsanwaltschaft zu schreiben, das Verfahren im Interesse der Stadt so schnell wie irgend .möglich durchzuführen. Dieser Antrag wurde mit allen gegen neun Stimmen der Nationalsozialisten und der Wirtschaftspartet angenommen. Oberinspektor Zapf vom dienst suspen-iert. Nürnberg, 6. Jan. Wie «die „Sdürnberger Ztg." meldet, ist im Zusammenhang mit der gegen Oberbür germeister Tr. Luppe eingeleiteten Voruntersuchung auch gegen Oberinspektor Zapf das Vorverfahren wegen Meineides eingeleitet worden. Oberinspektor Zapf sei einstweilen vom Dienst suspendiert worden. Mer Tageblatt WZM Anzeiger für öas Erzgebirge WWW «eK^amme, «atzisiatt stu,»,,g,»irg,. Enthalten- -ie amtlich»« Bekanntmachungen -es Bat»« -er Sta-t ouö -r» Mmt»gertcht» Mo». p»Mch«r-«»ot» ftmt «,.