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' ' i 20. Jahrgang Nr. 301 Mittwoch» äen 30. Dezember 1925 einer Anzahl von An- l und Landkreis», bte politische Stille in Serlkn. Die Frag« der Regierungsbildung wird kaum vor der zweiten Januarwoche in Stütz kommen. Reichs kanzler Luther, der eine» Erholungsurlaub angetve- tev hat, wird erst am 7. Januar in Berlin zurückerwartet. Lite verlautet, dürst« Reichspräsident v. Hindenburg vorher keine wetteren Schritt« in der RegierungHneu- btldung unternehmen. I« übrigen weilen zur Zett auch die maßgebende« Parteiführer fern von Berlin. Reichs- Minister a. D. Roch hat eine kurz« Reis« angetreten, von der er erst Anfang Januar zurückkehrt, und auch der Zentrumsführer Marx trifft erst am S. Januar wieder in Berlin ein. Da» nächste Ereignis, da» starke» Interesse beansprucht, ist die gemeinsame Tagung der Parteileitung und der Frakttonsvorstünde de» Zentrum», die am 10. Januar in Berlin stattftndet. E» heißt, daß auf dieser Tagung neue Versuche zur Bildung der Ei rotz en Roa lttion zur Sprache kommen werden. Eine Wiederholung de» Versuche», die Eirotze Koaltttan doch noch zustande zu dringen, wird auch in demokrati schen Kreisen al» notwendig beseichnet. Osten unä Westen. Der grotze Dichter de» englischen imperialistischen MachtgedankenS, Kipling, hat ein Wort geschaffen, da» die hoffnungslose Weite der Kluft zwischen abendländi scher und morgenländischer Kultur und Auffassung an deuten soll: ,Lasten ist Osten und Westen ist Westen. Niemals kommen sie einander nahe." Der Dichter liegt schwerkrank darnieder und gerade in diesen Stunden, die ihm das Schicksal vielleicht schon vorzählt, steht er wie der das große Reich von neuem! gegen den Osten enga giert. Es ist aber nicht nur jener Osten, den Kipling gemeint hat, den Osten der indischen Wunderwelt, der Kletnfürsten und Maharadschas, die durch den Soldaten und den Spion in Schach gehalten werden. Der Osten, der sich gegen das britische Weltreich empört, ist viel größer geworden. Die Verbindung dieses Ostens, der von Kleinasien bis nach Wladiwostok reicht, mit Rußland rückt bereits in den Bereich tatsächlich Politischen Ge schehens und dazu ist auch die alte Feindschaft zu den Sultanen von Konstantinopel in einer moderneren Form wieder lebendig geworden. Um das Wort Mossul gruppieren sich bereits feste Vorstellungen, recht materielle, aber auch recht geistige. Der englische Imperialismus rechnet mit Tonnen Pe troleum und der Orient trachtet die Person hervorzu bringen. die er braucht, um den geistigen Gehalt de» Begriffes in einen festen, politischen Gutz zu formen. Orient hofft auf einen Napoleon, der sich ein Weltbild formt und au» Ahnungen, Träumen und langüberlebten Traditionen ein Gebilde der Zukunft zimmert. Aber der wirklich« Napoleon war aber der Vollstrecker de» Vil len» einer geschlossenen Nation. Auf diese konnte er sich stützen, ihre Kraftreserven konnte er immer wieder mo bilisieren. Der Orient aber ist noch keine zur Initiativ« fähige Einheit. Er verfügt über kein Volk im europä ischen Sinne. Tort haltet man, wo man in Europa war, als der Dreißigjährige Krieg die Fürsten dazu verleitet«, ihren Landsknechten die Länder plündern zu lassen, um der besseren Religion zum Sieg zu verhelfen. Vielleicht steht auch Asten vor einer Endung. Der Anstoß kommt dort augenscheinlich aus Rußland, da» sich immer planmäßiger von der europ^ chen Ge meinschaft loslöst. Entweder im Verein oder ohne Ja pan trachtet es nach der Führung in Asten. Ob seine Interventionen in China im Einvernehmen mit den Vereinigten Staaten erfolgen, dafür gibt e» manche Symptome, aber keine Beweise. Im Zuge der ameri kanischen Politik könnte es liegen, den astatischen Ler« fallprozeß weiter ausreifen zu lassen. Amerika bleibt dem Völkerbunde fern, dessen Autorität noch immer tM Urteil der Zeitgenossen schwankt. Ob nicht England end lich dem Beispiel Amerikas folgen wird, indem e« di« freie Union der angelsächsischen Nationen anstrebt? Einstweilen verbündet sich dieses Rußland auch mtt der neuen Türket, die auf Ablehnung der Modernisie rung die Todesstrafe stellt. Ueber Angora und Kon stantinopel aber geht der Weg nach dem Balkan, wo eine latente Bauernrevolution und «ine ttefeingw- wurzelte panslawistische Tradition Rußland noch immer al» den großen Bruder erscheinen läßt. Die äußersten Strahlen dieser Bewegung laufen bi» Prag. So zeigen sich heute, am Schlüsse eine» Jahre» voll Friedenskonferenzen und blutigen Zusammenstößen, deutlich die Tendenzen zur Bildung zweier großer Macht konzerne. Des angelsächsischen und des slawisch-türkisch- japanischen. Tie Politik des GletchgewtchtSshstem» droht wiederzukehren und mit Zielsicherheit steuert sie wieder auf den Zustand des bewaffneten Friedens hin. Zwischen den beiden Rivalen aber liegt jetzt entwaffnet da» groß» deutsche Volk. Zn wessen Arm« wird e» da» Schicksal treiben? Die Vorgänge im nahen Orient geben den führen den Mächten in der Weltpoltttk den Vorwand für ihre Rüstungen, die der Lösung der Probleme- im .fernen Osten dienen. Die Kolonialstaaten sehen sich vor, um gegen Massenerhebungen gewappnet zu sein. Rur datz Ursache und Wirkung nirgend» klar zu Tag« trete«, eG gerüstet wird, um di« «heilige Ordnung" im Orient auf- rechtzuerhalten oder ob im Orient intrigiert wird, p« in der friedfertigen Atmosphäre Europa» di« Rüstungen zu rechtfertigen. Gewisse Sretgntss« in Syrien, Marokko und Tripoli» verstärken nur di« Zweifel. Auch die Heranziehung der Farbigen zum Weltkrieg rächt sich erst jetzt in fühlbarem Matz«. Di« Farbigen haben den Re spekt vor der wettzen Rass« verloren, die sich im Welt- krteg zerfleischt« und die indischen Rajah» haben «inen tiefen Blick in die Uneinigkeit und Unfähigkeit Europa» machen können. Da» Jahr endet im Zeichen grenzenloser Anarchien, die im Namen von Recht und Ordnung ihre Wunder ent- fällst. Daß der groß, Krieg nicht wiederholt wird, da für bürgt nicht der FriedenSviÜen der Massen Euro pa». Lar sicherste Friedeußbürgz ist der große WM- Polnische Intrigen im Völkerbund. Gegen die Abmachungen von Loem n». land sicher nicht verfehlen werd«, sein« Wünsch« anzu melden. E» geht daf. Gerücht, datz auch der ständige Generalsekretär Sir Brie Drummond, der im Vertrag von Versatlle» auf L ^enSzett ernannt sei, Mrüchzutre- tmr beabsichtige. « D«ie Ideen, die hier Pertinax für di« französischen Chauvinisten und deren polnische Freunde propagiert, sind im höchsten Grade giftig. Würden sie verwirklicht, so würde Deutschland nach seinem Eintritt um alle dtes- be-üglichen Zusicherungen von Locarno geprellt und betrogen werden. Für die Entschließungen Deutschlands, sich bet der erfolgten Interpretation de» Art. 16 zu be ruhigen, war gerade die Einstimmigkeit der RatSbe- schlüss« au»schlaggebend. Die Tendenzen, di« Pertinax vertritt, würden sogleich Deutschland» Eintritt in den Völkerbund verhindern. Ohne Herrn Pertinax allzu ernst zu nehmen, muß die» doch gleich gesagt werden, und es wäre wünschenswert, wenn man in Frankreich selbst diesem sauberen Vorschlag — mit falschen Karten zu spielen — schnellstens desavouierte. Vle RhelnlanSrelsr -cs Nelchsprüstüenten. E» ist stho« mehrfach ««gekündigt werde«, datz Reich». Präsident vo« Htndenbura voraussichtlich Anfang Februar eine Reise in die befreite» Teil« de» besetzte« Rheinland» zu unternehme« gedenkt, um di« von der Besatzung neu befreiten BevölkerungSteile zu begrüßen, wie der „Retchsdienst ter deutschen Presse" hort, bereiten nunmehr bte zuständigen rheinischen Behörde« ein Programm für diese Reise und die damit verbundene« Veranstaltungen vor. Angesicht» der ernsten wirtschaftliche« Lag« besteht an maßgebenden Stellen die Absicht, dies« Veranstaltungen auf da» unbedingt notwen dige Matz pi beschränke«, so daß «im regungen fetten» zahlreicher Ortschaften i— . in letzter Feit Stimmung für einen Besuch de» Retch»prüsi- denten gemacht haben, kaum stattgegeben werden dürft«. Außer der allgemeinen politischen Lage ist hierfür tn Betracht »zogen worden, daß nach dem Dezemöerau»wet» allein tm -«Mn Gebiet 18» Sw Arbeit-los«, da» heißt 17,4 pro Mille zu verzeichnen sinh. Parltz, SS. De». Pertinax vom .-Echo d« Part»" petzt anläßlich des Eintritt» Deutschland» in den Völ kerbund eine vollstärwige Umgestaltung de» Völkerbund rate» Vorau». S» sei vereinbart, schreibt er, daß Deutsch land einen ständigen Sitz erhall«, aber auch ander« Staaterr stellten dasselbe Verlausten, so in»besondeve Spanien und Brasilien, aber auch in. letzter ZeikP olen. Polen habe berell» gewiss« vorsühler diplomatischer Art in dieser Richtung unternommen. E» begründet sein verlangen damit, datz ,Me Aussicht besteh«, datz di« Mehrzahl der Fragen, di« Deutschland vor den Völker- Sundrat bringe» wird, Polen direkt angeht". Pertinax tritt natürlich dafür ein, datz Polens Wünsch« erfüllt werden. Er steht ober Schwierigkeiten Vorau» insofern, al» sich bet einer Erweiterung de» Pölkrbundrate» auf 11 oder IS Mitglieder die Be stimmung de» Pakte», wonach sein« Beschlüsse mit Ein stimmigkeit gefaßt werden müssen, nicht mehr durchführen lasse. <!) Wetter macht Pertinax daraus aufmerksam, daß die Amtszeit der wichtigsten völkerbundSbeamten 19L6 ablaufe, und daß bet dieser Gelegenheit Deutsch- deutschloaös Vertretung Im Völkerbund, Verzicht««f ein«« ständig«« vertret«, Berlin, SS. Dez. Di« .Deutsch« diplomatisch politische Korrespondenz" schreibt: Ein Berliner Mon- tagS-BIatt bringt heute Ausführungen über angebliche Maßnahmen der RetchSregterung bzw. de» Außenmini ster» zur Ernennung ehre» deutschen Delegierten beim Völkerbund. Deutschland hat sein ZulassumgSgefuch noch nicht eingebracht, ist noch nicht in den Völkerbund aus genommen und wird erst nachher tn di« Lag« kommen, sich bei Völkerbunds- und -ratStagungen vertreten zu lassen. E» sind daher Pevsonalfragen bisher überhaupt noch nicht erörtert worden. Die RetchSregterung beabstchttgt jedoch keine stän digen führenden Vertreter in Gens zu unterhalten, son dern von Fall zu Fall, genau wie da» auch di« anderen Mächte tun, sich entweder durch den Retchsaußenmintster oder durch andere beauftragte Delegierte vertreten zu Ver ZrieSeu po« LonSoa. Staatssekretär a. D. v. Kühlmann, der in letzter Zett mehrfach als Kandidat für die Vertretung Deutschland» in Genf genannt wurde, sagt in der «Frankfurter Zeitung" über den Stand der brutschen Außenpolitik: «Locarno ist ein ernster versuch größten Stil», da» ur alte gefährlichste politische Problem des mittleren Europas, die Rivalität Deutschlands und Frankreichs am Rhein, für eine lange Periode zur Ruhe zu bringen, und -war dadurch, daß England erklärt, es werde dem etwaigen Friedensstörer zusammen mit dem Angegriffenen notfalls mit seiner gesam- ten Macht entgegentreten. Der sogenannte Pakt ist nichts anderes als ein unter Bedingungen abgeschlossener Bündnis vertrag. Da» englische Schwergewicht, sei eS tn der deutschen, sei e» in der französischen Wagschale, ist so stark, daß durch dieses Abkommen ein deutsch-französischer Krieg um den Rhein tn nächstes Zeit unwahrscheinlich w rd, weil er dem Angreifer so gut wie keine Aussicht auf Erfolg eröffnen würbe. Für Deutschland liegt ein Nachteil darin, daß der Zustand, wie ihn der Krieg geschaffen hat, nicht verewigt, aber immerhin auf voraussichtlich lange Zeit stabilisiert wird, ein großer Vorteil aber darin, daß Frankreich in Anwendung offener Gewalt gegen Deutschland sich Mäßigung wird auferlegen müssen. Deutschland ist nach diesem Vertrag sechs Jahre nach Beendigung des größten Krieges der Weltgeschichte wieder als gleichberechtigte Macht in das europäische Staatensystem eingetreten Ein großer Erfolg, wenn man bedenkt, wie klänge der Krieg gebauert hat, wie sehr seine Dauer und Härte Interesse« verletzt und Leidenschaften erregt hatte und wie lange «ach 1870 Frankreich seine Isolierung ertragen mußte, bi» die geduldig und mühsam nach Rußland angesponnenen Fäden sich zum Bündnis verdichteten. ES war außerordent- l'ch auffallend, baß der Pakt, den man viel zweckmäßiger fürderhin den Frieden von London nennen sollte, obwohl er, wie dargelegt, einen entscheidenden Schritt in der deutschen Außenpolitik bedeutete, an sich in der Oeffentlichkeit relativ wenig diskutiert wurde. Die ganze Aufmerksamkeit konzen trierte sich auf die sogenannten Rückwirkungen, insbesondere die Besatzungsfragen. Dabei find doch diese, so wichtig sie für das Wohl und Wehe besonders der leibenden Bevölkerung der besetzten Zone find, fast nebensächlich im Vergleich zu der un geheuren Wichtigkeit der Wirkungen dieses Vertrags auf die Außenpolitik und die gesamte Zukunft Deutschlands. Be satzungen, di« nicht mehr in irgendeiner Form verlogene Autonomien oder brutale Annexionen vorzubereiten bestimmt find, hören erfahrungsgemäß auf- wenn ihnen die Innere Notwendigkeit fehlt." völkisch» Hetz» gegen St« RekchspräflSenten. Seitdem der Reichspräsident v. Hindenburg die Locarno- Verträge unterschriebe« hat, betreibe« die NationaMsn eine unerhörte Hetzpropaganda. Auch di« in Württemberg er- scheinend« „völkische Wacht" kann bei diesem Schimpskonzert nicht Zurückbleiben. Nachdem sie dem Reichspräsidenten „deutsches Gewissen" und „deutsche Ehre" abgesprochen hat, schreibt da» Blatt: ,,E» war vielleicht di« größt«, politische Torheit nationaler Kreise in diesem Jähr, um einiger unbe deutender, nicht einmal eingetretener Vorteil« willen diesen alte« Man« auf de« Prästdentenstuhl zu setzen, der heut« «in willenlose» Werkzeug seiner Umgebung ist. wo blieb die R«tnigu«g unsere» öffentlichen Leben», die Hindenburg ver sprochen -atf Li« «eichepräsibentschaft Hindenburg» wird zu den traurigsten Kapiteln der Geschichte der Gegenwart ge hören." Diese maßlchen Hetzereien gegen den obersten Beam ten de» Deutschen Reiche» sehen di« RrchiSkreis, mit gleich- gittkgem Schweigen zu. Au Warnungen fehlt eß nickt. Di« Stimmen werden mmer zahlreicher und lauter, daß diesen Schmähere'en auf gesetzlichem Weg» et« Eick» bereitet »tzck. /luer Tageblatt Mzeiger für S«s Erzgebirge MM ragevaa u»—rs»dt»go. Sathallra- -le amtliche« Sekaastmachrmge«? -L» Rate» -ee StaA vaö -es Matsgeelcht» slae. polVheck-uom» mm «eststg «,.ie«e