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20. Jahrgang Nr. 2S9 Sonntag» äen 13. Dezember 1925 eignet. Er behauptet heute, daß er die Gegenstände habe nach Pommern bringen wollen, da ihm Vorhallen Dingen daran gelegen war, etwaige schriftliche Beweis- stücke sicherzustellen. Diese Koffer seien aber Hann durch Einbruch gestohlen und bet einem Trödler verkauft wor den. Ter Angeklagte bezichtigt zwei Freund«, die spä ter gegen ihn al» Belastungszeugen ausgetreten, sind, al» die Dieb« der Koffer. Früher hatte der Angeklagte gestanden, datz er die Uhr und ander« Gegenständ« au» dem Besitz de» Ermordeten verkauft habe, heut« wider» ruft er diese« Geständnis. Er behauptet, daß die» da mals eine falsch« Selbstbezichtiguttg gewesen sei. Zu dem Prozeß, d«s Fememörder» Grütte-Lehder gibt da» „Berliner Tageblatt" Mitteilungen bekannt, die der Angeklagte im Untersuchungsgefängnis Mitge fangenen gegenüber gemacht hat. In diesen mit Datum versehenen Angaben hat Grütte-Lehder erklärt, daß außer WuNe und Kube auch die Abgeordneten , i Reventlvw und Gräf« Mtttwifser pe» Morde» seien. Er habe zwei Mittäter, aber mindesten» dreißig Mitwisser gehabt. Wörtlich habe Grütte-Lehder gesagt: „Ter Plan eine» Viorde» an Gevering durch Mulle wird von mir noch herau»kommen." Ebenso wisse Ab geordneter Mulle von dem Attentatsplan gegen Gene ral von Seeckt. In einer Aussprache über die Erschie ßung Severinos habe Mulle gesagt, „solche Leute müß ten unschädlich gemacht werden". Da« Urteil. Ta» Schwurgericht 8 verurteilte nach «Noa «sn- stündiger Beratung den Angeklagten Robert Grütte- Lehder wegen Mordes aus Grund de« Jugendgerichts- Gesetzes zu einer Strafe von- acht Jahren Gefängnis unter Anrechnung von einem Jahr Untersuchungshaft. In der Urteilsbegründung heißt e» u. a.r LaS Gericht ist nicht im Zweifel, daß sich der Angeklagte der Tragweite der Tat bewußt war, denn er ist über da» Maß feiner Durchschnitts-Altersgenossen hinaus entwickelt. Beden ken nach der rechtlichen Seite hin wegen der Ausliefe rung hat das Gericht nicht gehabt. Ter Gerichtshof war nicht genötigt, hie Frage der Auslieferung nochmals zu prüfen. Es gibt in unserem. Recht nur Mord und keinen Politischen Mord. Wenn der AuSlieferungSstaat überzeugt ist, daß ein politisches Verbrechen nicht vor liege dann ist die Auslieferung bewirkt. Das Gericht hat die Verhältnisse, unter denen die Tat verübt wor den ist, in gewissem Maße als strafmildernd betrachtet, außerdem aber auch berücksichtigt, daß dem Angeklagten nicht ztr widerlegen sei, daß er subjektiv der Ueberzeu- gung war, datz hinter seiner Tat seine Partei billi gend stehe. Ter Angeklagte gab eine Erklärung, ob er die Strafe annehmen wird, noch nicht ab. eine sogenannte zweite Liste an, in der all« die Namen genannt sind, di« den Sozialdemokraten nicht genehm sind. Zu der Liste kann, wie in vollsspavtetlichen Krei sen erzählt wird, die Volk-Partei niemals ihr« Zu stimmung geben. Lite Verhandlungen gestatten sich überhaupt im Augenblick besonder» schwierig, weil nicht der Reichs kanzler, sondern der Reichspräsident die Verhandlung»- fäden in der Hand hat. Der augenblicklich erreichte tote Punkt dürfte morgen überwunden werden, wenn der Reichspräsident, wie zu erwarte« ist, dte Fraftion»füh- rer zu gemeinsamer Sitzung zu sich bittet. Berlin, IS. Dez. Zn der für haute Zu erwarten den Betrauung Vr. Sucher» durch de« Reichspräsidenten bemerkt die „Tägliche Rundschau": Reichspräsident Pon Hindenburg hatte im Bewußtsein seiner hohen Amts pflichten die Initiative ergriffen. Die Parteien.haben seinem Appell Folge geleistet und «» besicht setzt di« Möglichkeit, sie alle an den gemeinsamen Verhandlungs tisch zu bringe« und festzustellen, wie »wett der gut« Wille zu einer Verständigung und zum,Verzicht auf einseitig» Forderungen reicht. Liese Feststellung aber ist Sache derjenigen Persönlichkeit, die von dem ver trauen de» Reichspräsidenten zur Regierungsbildung be rufen wird. Man wird damit rechnen können, daß dann der VÄglichkeit der großen Koalition rasch auf den Grund gegangen witd. Heute Negierungsbiläung. Berlin, ,11. Dez. E» hat in politischen Kreisen Verwunderung Herdorgerufen, daß der Reichspräsident von Hindenburg nicht, wie man annahm, sofort nach Bekanntgabe der sozialdemokratischen Erklärungen Dr. Luther mit der Neubildung der Regierung beauftragte, sondern den versuch machte, di« Vorverhandlungen zu nächst selbst weiterzuführen. Diese Absicht kam dadurch zum Ausdruck, daß von Hindenburg noch einmal den volkSparteiler Dr, Scholz empfing und erklärt«, daß er auch vertrete« de» Zen trum», der Sozialdemokrat«« und Temokraten noch »in- «al empfangen Wolke, Lies» Arbeitsweise ist wohl au» d«m Gedanken entstanden, Lr. Luthers Mission nicht dadurch zu er schweren, daß er vor ein« außerordentlich schwierig« Ausgab« — «twa di« groß« Koalition — gestellt würde, an ihr scheitere und dann vi«lleicht.zu d«m nächsten versuch, d«m Kabinett der Mitte, untauglich würde. Li« Volkspartei verhandelt heut« abend über die sozialdemokratischen Programmpunkte, und man kann hierzu wohl feststen««, daß. nicht so, sehr die sozial- demokratischen Programmpuntte wie gerade di» sehr dehnbare Forderung nach ,persönlichen Garantien" »in unüberbrückbar«» Hindernis werd«« wird, ja, wenn man einem sehr begründeten Gerücht, da» in Politischen Krei sen umläuft, Klauben darf, schließt sich an diesen Punks d»r sozialdemokratische» PerfünlichkettSeSarderung nach Urteil im Fememordprozeß Grütte-Lehder Der ueunzehnjShrige Mörder. — Der Mord ist ganz In der Ordnung. Mulle» Kube» Reventlow und GrLfe. Berlin, 11. Dez. Lor dem Schwurgericht 8 be- gan» heute der . Mordproheß g«gen den 19jährigen Grütte-Lehder, dem zur Last gelegt wtvd, im Jahre 1928 einen gewis sen Lammers, der als Oberleutnant Müller auftrat, erschossen zu haben. Grütte-Lehder, der nach her Tat nach Ungarn geflüchtet ist, wurde von dort äu» nur wegen Raubmordes an Deutschland auSgeliefeR, jedoch nicht wegen eines politischen Verbrechens. Er selbst ist nun bemüht, seine Tat als ein« Politische darzustellen. Lr behauptet, daß e» sich um einen Fememord handelt. In der Voruntersuchung sagte Grütte-Lehder, er sei beauftragt worden, den Heinz Dammer», der sich erboten hatte, ein Mordkommando gegen Minister Severtng zu prganiseren, zu beobachten, Gr hab« diesen Auftrag, der ihm von führenden völkischen Persönlichkeiten er teilt worden sei, ausgeführt und sei zu der Ueberzeu- gung gekommen, daß TanunerS ein Spitzel sei und dte Absicht habe, alle» was er erfahre und dte Dokumente, dte er in die Hand bekomme, an die Kommunisten oder an andere politische Gegner zu verraten. Er habe dann den Mord im Tegeler Forst begangen und die Leiche de» Dammers, die erst lange nach der Tat gesunden wurde, vollkommen ausgeraubt. Ter Angeklagte, ein schmächtiger, blasser Mensch!, ist bezüglich de» Morde» in dollem Umfang, geständig, bchauptet aber, au» rein politischen Gründen gehan delt zu haben. l ' In mehreren Unterredungen mit den völkischen Abgeordneten Kube und Mulle habe er diesen die Absicht angekündigt, Tammer» zu be seitigen. Beide Abgeordnete seven Über den Vorschlag außerordentlich erregt gewesen, hätten sich aber in einem Sinne geäußert, der darauf schließen lassen mußte, daß ihnen der Tod Dammer» nicht unangenehm sei. Dar auf sei er zur Ausführung geschritten. Der Angeklagte schildert dann, wie sein erster Versuch, den Dammers zu erschießen, mißglückt sei. Bet einem! zweiten Aus flug nach Tegel jedoch habe er dann den Dammers durch drei Schüsse von hinten niedergestreckt und dte Leiche im Gebüsch verborgen. „Ich habe dann," so erklärt der Angeklagte, „mit maßgebenden Persönlichkeiten der Partei gesprochen und ihnen erzählt, daß TammevS von mir erschossen wor den wär«. Die Personen, mit denen ich sprach, fanden die» vollkommenOrdnung. Ich erhielt auch Reisespesen zu meine« Fahrt nqch München." Ter Angeklagte hat nach de« Tat nicht nur dt« Be« sitzgegenstände, dte Dammer» bet sich trug, an sich ge nommen, sonder« auch dt« Koffev d«» Ermordeten, dte in einem Hotel abgegeben worden waren, sich ange- Mögtichketten unä Ansätze zur Besserung? Don Dr. «Alt M. d. R. Da» Gesamtbild d«r deutschen Wirtschaft und vor allem der deutschen Industrie erscheint auf den ersten Blick überaus düster. Die Absatzschwierigkeiten scheine» nach wie vor im bisherigen Umfange zu bestehen und von einer Steigerung des Auftragsbestandes ist wentg zu merken, wohl aber mehren sich dte Fäll«, in d«n«« wegen fehlenden Betriebskapitals einzeln« Unterneh mungen sich lohnende Aufträge entgehen lassen müssen. Die Folgen davon sind weitere Betriebsstillegungen und -etnschränkungen und dementsprechend eine Wetter« Zu nahme der Erwerbslosen und der Kurzarbeiter. Die letzten Auswirkungen dieser Depression treten zur Zett noch gar ni N in die Erscheinung. Ist es angesichts einer solchen Gesamtlag« nicht vermessen, nach Anzeichen der Besserung zu suchen? Nun, so wenig sich man der Er kenntnis de» Ernste» unserer gegenwärtigen Verhält nisse verschließen soll, so sehr soll man sich' doch Don übertriebenem Pessimismus fernhalten. Gerad« »jn« ernste Würdigung der Krise zwingt zur Prüfung der Frage, ob und wo Ansätze und Möglich ketten zu einer Besserung gegeben sind. Ter sächsische Ftnanzmintster Dr. Reinhold kenn zeichnete vor kurzem in einem Vortrag in der Etnzel- handelsgemetnschaft dt« gegenwärtige Wirtschaftskrise al» ein« reine Kredit- und Kapttalkrtse. Da» ist zwei-« fello» richtig! Wenn sich jetzt die Reichsbank entschlos- sen hat, ihre stark zurückhaltend« Kreditpolitik liberaler zu gestalten, so wird dadurch eine gewisse Entlastung er zielt werden können. Di« deutsche Währung! wird da durch ganz gewiß keinen Schaden erleiden, auchKicht dann, wenn gegen dte Hereinnahme von Ausland»?»«- diten und Ausländsanleihen nicht mehr mit der glei chen Rigorosität wie bisher vorgegangen wird. E» ist, als e» auf deutsche Verhältnisse zugeschnitden Wik«, wenn vor kurzem der Präsident de» Justttut« of Ban ker- in London, .Str John Fergusen, ausführte r „Ein wettere Einschränkung der Ausländsanleihen würde sich al» eine sür die Wirtschaft wentg ersprießliche Ma» nähme Herausstellen. Eine künstlich« Goldwährung, d. h. eine solche, die durch Anleihebesch ränkungen künstlich gesichert ist, ist Boeder für un» noch für ander« Natio nen von Nutzen. Eine solche Goldwährung «unter der Glasglocke hat wentg Wert." Eine wettere Milderung der Kredit- und Kapital krise würde durch eine Verbesserung, d. h. durch eine aktivere Gestaltung unserer Handelsbilanz erzielt wer den können. Hier Zeigen sich Ansätze zum Besseren. Dte Oktober-Außenhandelsbilanz bestätigt, daß di« .Ausfuhr von Fertigwaren im Zunehmen begriffen ist, und zwar trotz Fehlen» der Handelsverträge und der naturgänätz daraus entstehende» schweren Hemmungen. Die Aus fuhr von Fertigwaren hat sich im Oktober uw rund SV Millionen Mark erhöht? daß auf der AuSfuhrseit« auch Lebensmittel und Getränke eine Steigerung um 19,8 Millionen Mark erfahren haben, ist im Interesse unserer Expvrtkapazttät -war zu begrüßen, im Interesse de» Volksernährung aber an sich nicht ohne Bedenken, do Wetzen, Mehl und Kartoffel» hierbei de« heimisch«» Konsum entzogen wurden. Liese Bedenken werden aper Praktisch dadurch ausgeglichen, baß infolge der guten Ernte auf der Einsuhrseite der Lebensmittel Abnahmen um 46,6 Millionen Mark zu verzeichnen sind. Dt« Ziffern zeigen, datz di« Znlandsproduftton in größerem VMfange als bisher den Inlandsbedarf zu decken in her Lage ist. Wenn für wolle »in« Einführsteigerung von 2,ö Millionen Mark und von Baumwolle um 44,S Mil lionen Mark eingetreten ist, so widerlegt di«» am besten dte Behauptung, daß die Textilindustrie auf erheblichen Rohstossbeständen feststtze. Rückgänge in der Etnführ sind vor allem bet Kupfer, Mineralöle» und Tabak be merkbar; sie sind et« Bewei» für dt« vermindert« Kans- kraft der beteiligte« Industriezweig« und der Konsu menten. Da« Gesamtbild ist so, daß d« Passtvöakd» Von 292,4 Millionen Mark im September ans 2ßd MMmw» Mark im Oktober zurackgegangen ist. Bet einer ver nünftigen, durch angemessene Handelsverträge goord- neten Zollpolitik werden hier weiter« Fortschritt« erzielt werden können und 'zwar viel schneller und wirksam«« al» durch papierner» und konftwnzmätzig», PretSsen- kungsaktionen. Wenn die gegenwärtige Krisis mit Recht al» «in« Kapital- und Kreditkrist» zu werten ist, so ergibt sich daraus mit zwingender Notwendigkeit die Pflicht» vw Wirtschaft von allen vermeidbaren Hemmungen zu be freien, die einer Kapttalneubildung «ntotgen " Mr wenigen Monaten vom Reichstag -«schloss, resvrm witd dwf» Befreiung im möglichen wendig»« Umfang» noch nicht bring»«, wenn mrschtw Lrt.il ßw M^wmngen -Waübm tsv W- Auer Tageblatt LWM Anzeiger für das Erzgebirge -ZW «eiegramme» «am»««« Enthalten- -ie amtilchgE Bekanntmachungen -eo Nato» -er Gta-t an- -es Amtsgericht» Am. p»chch-ck'«»ot» n-u Leimig n». ,m»