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N ^76 Aller T'igeoluir »ttd A'iziimr Mr käs E.z wwgk Sonnabend, den 28. November fiTb Sächsischer Landtag. Dresden, 26. November. Die heutige Sitzung, die wieder von dxm Vizeprä sidenten Dr. Eckardt (Tn.) geleitet wird, b-ginnt mit einer Beratung der Eingabe des Deutschen Braunkohlen' induslrtevereinü über die Lage des mitteldeutschen'Braun- kbhlenbergdaueS. Abg. Lippe (D. Vp.) erstattet den Bericht des Haushaltausschusses B und beantragt, die Wünsche der mitteldeutschen Braunkohlenindustrie auf eine günstigere Tarifierung bet der Deutschen Reichsbahngesellschaft un ter Wahrung der berechtigten Interessen des sächsischen Steinkohlenbergbaues nachdrücklichst zu unterstützen. Ohne Aussprache wird dem Ausschußantrag etnhel« lig zugesttmmt. < Abg. Glombttza (Komm) begründet die Anträge seiner Fraktion vom 24. und 25. August dieses Jahres zu den Forderungen der Textilarbeiter und den Bauarbetterstreik In dem ersten Antrag war verlangt worden, das säch sische Arbeitsministerium zu beauftragen, sofort beim Reichsarbeitsministerium dahin zu wirken, daß die For derungen der Textilarbeiter bewilligt werden und die geplante Aussperrung unterbleibt. Der Redner bezeich net die damaligen Forderungen der Textilarbeiter als durchaus berechtigt und nennt die inzwischen erfolgte Festlegung des Tarifs bis zum Dezember eine Unge heuerlichkeit. Während die Steigerung der Lebenshal tungskosten 80 Prozent betrage, seien nur ^0 Prozent Lohnerhöhung bewilligt worden. In dem zweiten Anträge war gefordert worden, die Regierung zu beauftragen, sofort vermittelnd in den (unterdessen beigelegten) Bauarbeiterstkeik einzu greifen, dergestalt, daß die gerechtfertigten Forderun gen der Bauarbeiter bewilligt würden. Auch die Lohn erhöhungen der Bauarbeiter nennt der Redner unzu länglich. Er beantragt., die zurzeit in Sachsen tätigen Schlichter .die früheren GewerFschaftsangestellten Haack, Brandt und Panoscha zu entfernen und durch neue zus er setzen. Die Vorschläge zur Neubesetzung der drei Schlich ter sollen von den Gewerkschaften und Betriebsräten gemeinsam gemacht werden. Abg. Berg (Tn.) weist darauf hin, daß die Anträge längst überholt seien und bezeichnet es als einen Un fug, sie heute noch zu begründen. Tas Haus beschließt die Ueberweisung der Anträge an den Haushaltausschuß. B. Die Notlage der Landwirtschaft kommt in Anträgen der Deutschen Volkspartei und der Deutschnationalen Volkspartei zum Ausdruck. Abg. Dionath (D. VP.) stellt den Antrag, die Re gierung zu ersuchen, rechtzeitig, Maßnahmen zu treffen, um die der sächsischen Landwirtschaft, namentlich in höheren Gebirgslagen, durch Unwetter während der Erntemonate entstandenen Schäden festzustellen; ferner Vorkehrungen zu treffen, um durch, staatliche Unterstüt zung die Beschaffung von Saatgut und Düngemitteln u. a. dort zu fördern, wo Mitzwachs und ungeborgene Ernte eine intensive Bewirtschaftung gefährden, endlich auf steuerlichem Gebiete Erleichterungen zu ermöglichen für die durch Unwetter schwer geschädigten landwirt schaftlichen Unternehmungen. Abg. Troll (T«n.) begründet einen ähnlichen An trag seiner Fraktion. Im einzelnen beantragte er, die Regierung zu ersuchen, 1. für die durch die Witterungskatastrophe 1925 Ge schädigten die aus Anlaß der vorjährigen Mißernte ge währten Saatgut- und Düngemittelkredite bis Ende 1928 so zu verlängern, daß die Rückzahlung in drei gleichen Raten, beginnend Ende 1926, erfolgt und bis zur Be- Die Unterzeichnung -es Locarnovertrages. Berlin, 27. Nov. Die „Tägliche Rundschau" mel det: Die Unterzeichnung des Loearno-Vertrages wird, wie jetzt feststeht, nicht durch die Botschafter, sondern durch die Delegierten erfolgen. Tie deutschen Delegier ten in Locarno Reichskanzler Dir. Luther und.Aeichs- äußenminister Dr. Stresemann werden sich mit den Staatssekretären v. Schubert und Kempner und Mini sterialdirektor Gauß nach London begeben und die Unter schrift vollziehen. Für den Aufenthalt in London sind zwei bis drei Tage in Aussicht genommen. SS Rom, 26. Nov. Tie Blätter melden, daß der Ver trag von Locarno in London wahrscheinlich durch den dortigen Botschafter Italiens unterzeichnet werden wird, Annahme -er Locarnoverträge -urch Sen polnischen Lanötag, Warschau, 26. Nov. Der auswärtige Ausschuß des polnischen Landtages hat heute die Verträge vom Lo carno angenommen. Gegen die Verträge sprach der Ver treter d er christlich-nationalen Partei und der Sprecher der radikalen Bauernpartei. Ministerpräsident , Graf Skrzhnski betonte, daß eine Ablehnung des VerfassungS- werkeS von Locarno für Polen die Isolierung und da mit den Tod bedeute, eine Annahme hingegen eine fünf- bis zehnjährige Friedensperiode, während der es an seinem Aufbau arbeiten könne. Auch Herriot lehnt ab. Parts, 26. Nov. Herriot hat die Bildung deB neuen Kabinetts abgelchnt. Die Sozialisten haben nach bewegten Beratungen, die den ganzen Vormittag! aüS- füllten, den Eintritt in das von Herriot geplante Ka binett abgelehnt. Dieser Beschluß wurde in der Mit tagsstunde einstimmig vom Parteivorstand gefaßt, nach dem di» sozialistischen Vertrauensmänner /wiederholt endigung des Wirtschaftsjahres 1925/26 Zinsen nicht erhoben werden; 2. für die durch die WitterungSkatastrophe l925 Geschädigten Saatgut- und Düngemittelkredite und außerdem Kredite zur Beschaffung von Futtermitteln in gleicher Weise wie im Vorfahre bereitzustellen: 6. für die durch die Witterungskatastrophe 1925 Geschädigten die auf Grund der Wttterungsschäden 1924 zunächst bis 15. November 1925 gestundeten Steuern zu erlassen und anderweit säuerliche .Erleichterungen bis zum vollen Erlaß zu gewähren; 4. Gewerbe- und Zugtiersteuer für die Landwirt schaft mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Abg. Renner (Komm.) macht in einem Antrag seiner Partei eine ganze Reihe von Vorschlägen zur Feststellung der Notlage der „werktätigen" Landwirte und zur Beseitigung dieser Notlage. WirtschastSmintstee Müller legt dar, daß durch die schönsten Reden nicht geholfen werden könne. Es sei eine vorbereitende Arbeit im Ausschuß notwendig. Die in den Anträgen der Vollspartei und der Deutsch nationalen vorgeschlagenen Wege halte er für unmög lich: cS würde ein individuelles Vorgehen erforderlich sein. Es seien bereits Kredite zur Verfügung gestellt und steuerliche Erleichterungen gewährt Morden. Wenn die angeordnete Erhebung erfolgt sei, würden alle in' Betracht kommenden Fälle geprüft werden kön'.wn. Er hoffe, daß das erforderliche Material.bis zum Beginn der Ausschußberatung vorliege. Abg. Wehrmann (Tom.) äußert, daß die Dinge im Ausschuß objektiv geprüft würden. Wo Not wirklich vorhanden sei. müsse im Interesse der Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft und der Volksernährung geholfen werden. Wenn allerdings jedes Jahr gesagt werde..daß die Katastrophe vor der Tür stehe, „müsse dis Osffentlich- keit abstumvsen. Die Anträge gehen an ven HauShaltauLschuß A Die nächsten drei Punkte der Tagesordnung, die gemeinsam behandelt werden, befassen sich mit Hern AuLstand in Muldenhütten und Halsb rücke. Abg. Gäbel (Komm.) führt aus, in Muldenhütten und Halsbrücke seien dis Arbeiter der staatlichen Be triebe in den Ausstand getreten, weil die Direktion den neu abgeschlossenen Tarif der chemischen Arbeiter als für die staatlichen Betriebe nicht bindend erklärt habe. Tie Direktion der staatlichen Werke habe den Schritt der Arbeiter mit Aussperrung und größeren Ent lassungen beantwortet und willfährige Arbeiter und die Angestellten der Werke als Streikbrecher herange zogen. Ter Redner beantragt, die Regierung Zu beauf tragen, die für die Arbeiter, der staatlichen Werke Aluls- denhütten und Halsbrücke durch Tarifvertrag festgeleg ten Lohnerhöhungen zu bewilligen und die entlassenen Arbeiter sofort wieder einzustellen. Die den Arbei tern wegen Streik, Aussperrung und Entlassung, ent gangenen Löhne sollten voll vergütet werden. Zu demselben Gegenstand liegt eine Anfrage der Deutschnationalen vor, die vom Abg. Berg begründet wird. Abg. Tempel (Soz.) glaubt nicht, daß der Fi nanzminister Dr. Reinhold mit den Vorkommnissen in Muldenhütten und Halsbrücke einverstanden fer? Es lä gen Uebergri^fe und Mißgriffe der Direktion vor. Der Redner gibt aber zu, daß die staatlichen Betriebe nicht aus Rosen gebettet seien. Tas liege an dem alten Re gime, wo nichts getan worden sei, um die Betriebe wirtschaftlicher zu gestalten. ES sei aber unverantwort lich. den Arbeitern zumuten zu wollen, für xw'ch nied rigeren Lohn zu arbeiten als in der Privatindustrie. Um einen wilden Streik habe eS sich nicht gehandelt. mit den Delegierten der anderen Kartellfraktionen und Herriot Persönlich konferiert hatten. Tie Radikalen sind um vier Uhr nachmittags zu einer Fraktionsberatung zusammengetreten. Herriot, der offiziell.immer noch mit der Kabinettsbildung betraut war, wohnte dieser Beratung bei. ES handelte sich da bei hauptsächlich um die Frage, ob die Radikalen evtl, ein rein sozialistisches Kabinett unterstützen wollen. Man glaubt vielfach, daß Herriot.nunmehr dem Präsidenten der Republik den Sozialisten Paul-Boncour empfehlen werde. An d^r Börse herrschte per Eindruck! vor, daß ein von Briand geleitetes Konzentrationskabtnett auch ohne die Sozialisten zu erwarten ist. Tier Frankenkurs ging auf dieses Gerücht hin in die Höhe, das englische Pfund schoß mit einem offiziellen Kurs von 127,45 und ging nachbörslich biS aus 126,70 herunter. Intendant o. Schillings vom Ministerium fristlos ent lassen. Aus Berlin wird gemeldet: Am Mittwoch nachmit tag hat der Intendant der Staatsoper, Herr v. Schillings, durch ein Schreiben der Staatsregierung seine fristlose Ent lassung erhalten. Der Anlaß zu diesem skandalösen Schritt des Kultusministeriums war nach diesem Schreiben die Tat sache, daß Herr v. Schillings an der letzten Etatsitzung teilzu nehmen sich weigerte. Wir werden auf die näheren Umstände noch zurückkommen. Der Fall ist beispiellos und nur durch die völlige Hilfslosigkeit des Kultusministers Becker zu erklären, der sich anscheinend vollkommen in den Händen einiger Büro kraten befindet. Das Kultusministerium hat die Presse für heute nachmittag zu einer Besprechung geladen, man darf auf die Argumente des Herrn Ministers neugierig sein. In der Begründung der fristlosen Entlassung des Inten- danter der Berliner Staatsoper v. Schilling wird den Blät tern zufolge darauf Bezug genommen, daß der Intendant sich geweigert habe, zur Beratung deS Etats für 1926 zu er scheinen. Demgegenüber wird von einer dem Intendanten nahchehenden Seit, erkürt, daß er seit drei Monaten aus' wichtige Entscheidung über den Etat von '925 war'?. Ma r». Schilling wird vorläufig weder die Räume der Inten! au. noch die der Staatsoper betreten. Die. vorläujlge Lene ig der Stuatöoverbei riebe übernehmen Genera, in ustt dir et wr Kleiber und Geheimrat Winter. Als eventueller Ruchsolaer Schillings wird von den Blättern der Inteudaut ivw Kasseler StadttheaterS Paul Becker genannt. Unterzeichnung Ker üeutjck-me-erlänSl-chen yan-elsvevträge. Berlin 26. Nov. Bei den tu Berlin ««führten WirtschaftSverhandlungeu haben die deutsche und die niederländische Regierung zwei Verträge vereinbart, d e tm wesentlichen die nachstehenden Bestimmungen ent halten. Die deutsche Negierung sichert der niederländi schen Warenetnfuhr die meistbegünstigte Behandlung zu. die auf Grund des deutsch-niederländischen Handels und SchifsahrtsvertrageS bisher nur die deutsche Warenei,.- fuhr in den Niederlanden in vollem Make genoß. Fer ner wurde eine Regelung über die Einfuhr von nieder ländischer Steinkohle noch Deutschland geirosf.n. Au - wurde die Ausfuhr von entfetteten Knochen aus Deutsch land frctgegebeu, während für die Au-fnhr von nimt entfetteten Knochen ebenfalls eine Erleichterung '- o.- gesehen wurde. Außerdem wurden für die nachfolgenden wichtigen niederländischen Ausfuhrartikel die deuischen Zollsätze ermäßigt: Kartoffeln, Küchengewächse, Pf'ä. - zen, Blumenzwiebeln, Tafeltrauben, Kirschen und Er.- bccren, Schleie, Austern, Edamer- Md Goudakäse, un gehärtete und gehärtete fette Oele, eingedickte Milch, Blei- und Zinkweiß. Die Zollermäßiguugeu treten durch Stundung eine Woche nach Unterzeichnung des Berirags in Wirksamkeit. Ferner hat die Deutschs Regierung die Erklärung abgegeben, daß die hinsichtlich der deutschen Eisenbo.hntarise bestehende Verschiedenheit zwischen den niederländischen Häfen und den Häfen dritter .Staaten zu einem nicht zu fernen Zeitpunkt beseitigt werden. Die niederländische Regierung hat sieh ihrerseits bereit er klärt. den >'emschland bisher bis Ende 1929 gewährten Kredit von 140 Millionen Gulden um sieben Jahre zu verlängern sowie den Zinsfuß dem des Geldmarktes anzupassen und ihn schon vom 1. Januar 1927 ab aus 5hl Prozent sestzusetzen. Die beiden Verträge sind heute t?n dem Vorsitzen den der deutschen Delegation, Wir?!. Legationsrat Tr. Marckwald und dem Vorsitzenden der niederländischen Delegation.. Ministerialdirektor Tr. Nederbragr unter zeichnet worden. Eine Neöe -es amerikanischen Sotfchasters Schurmann. Zur Feier des Tanksagungstagss veranstaltete die amerikanische Kolonie in Berlin am Donnerstag abend im Hotel Esplanade ein Bankett, bei dem der ameri kanische Botschafter in Berlin, Jacob Gould Schurman, folgende Rede hielt: „Wir feiern heute unseren Danksagungstag. Wenn man auch fragt, wofür wir in unserem Herzen, am dank barsten sein sollten, so möchte ich antworten, daß es die ständig wachsende Stimmung zugunsten des Friedens und der Verhinderung des Krieges unter den Nationen ist. Der Geist des Friedens' schwebt über der alten Welt, welche ein Krieg schon halb zerstört hat und die ein anderer ins völlige Verderben reißen könnte. Ueber- all in der Welt wächst die Neberzcugung, daß alter Streit und Hader nun endlich vergessen, die tote Vergangenheit begraben und ein neuer Versuch unternommen werden muß, die Beziehungen der Völker auf die Grundlage der Verständigung und Versöhnung zu stellen. Die Po litik der Gewalt, die immer zum Kriege führt, stellt eine Art der Zivilisation dar, die Europa nicht länger ertragen kann. Und Europa sehnt sich nach dem Geist, den Goethe schon vor hundert Jahren als das Vorrecht und den Ruhm Amerikas bezeichnete: Amerika, du haft es besser Als unser Kontinent, der alte, Hast keine verfallenen Schlösser Und keine Basalte, Dich stört nicht im Innern Zu lebendiger Zett Unnützes Erinnern Und vergeblicher Streit. Aber wenn die Nationalen alte Leiden .vergessen und in Zukunft Konflikte vermeiden sollen, so muß man die zum Kriege anreizenden Ursachen aus der Welt schaf fen. Wie Kant schon vor mehr als hundert Jahren er kannte, stellt der Wettbewerb der Nationen auf dem Ge biete der Rüstungen die größte Gefahr für den Frieden dar. Und ich stehe nicht an, es heute auszusprechen, daß diese Rüstungen mehr als alles andere die Verwirk lichung des Friedens gefährden, den alle fortschrittli chen Völker ersehnen und erhoffen. Der neue Geist des Friedens kann von der Welt nicht Besitz ergreifen, so lange die Welt in Waffen starrt. Abrüstung, oder we nigstens die Einschränkung der Rüstungen, ist der nächste Schritt in der Befriedung der Welt und der Aussöhnung der Nationen. Die Haltung Amerikas zu dieser Frage ist in der Washingtoner Abrüstungskonferenz vom Jahre 1921 Har zutage getreten. Der Personalabbau bei der Reichsbahn. Der Personalbestand der Reichsbcihn-Geselhschäft ist be reits von 1009 000 um 297 000 Köpfe vermindert und hat für das zuständige Personal den Friedenskopfstand von 693 009 Beamten und Arbeitern erreicht. Trotzdem will die Reichsbahn noch weiter stark abbauen. Sie kommt dadurch in Konflikt mit dem Reichstag, dessen Ausschuß zur Prüfung der Rechtsverhältnisse bei der Reichsbahn einstimmig be schlossen hat, baß ein weiterer Personalabbau unterbleiben möget Ein Abkomme« zwischen Spanien und Mexiko. Mexiko, 26. November. Der mexikanische Außen- Minister und der spanische Gesandte haben ein Abkvmm-m unterzeichnet, daß eine Regelung der Ansprüche Spaniens an MeM -arftellt.