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Huer Tageblatt /lnzeiger für Sas Erzgebirge 20. Zahryang Sonnabenä. äen 3l. Oktober l92S Nr. 2SS » « »,»«»«« ,.1«» Mk «»» n>» „» »litt». N»»,!,«» I» »»«Ich« Z»tl» « >«»««» «U sttr »I« p.st.nst.ll,. «II,,,«». — «,fch,I»« »«rktit,Uch. t»raspr«ch-ftafihlu- n». -z. kiiEM«»«., Lag«d<att ft««.r,g.bi,gi. Sathalten» -i» amtliche« Srkaoatmachoogra -e» kate» -er Stobt «ab -e» Amtsgericht» ^ioe. pestfche«.-»»- Nmt L«t^g '««« Das neue Kabinett Painlevb. Part-, 29. Okt. Nachdem! Patnleve gestern abend dem Präsidenten der Republik mttgetetlt hatte, daß. er bereit sei, die Regierung noch einmal zu übernehmen, ivar p r sofort gn die Arbeit gegangen. Während der ganzen Nach« gab es im Krt^g-mintsterium „eine leb- hafte Bewegung, die erst gegen 4 Uhr früh beendet war. Fast alle früheren Minister der Regierung Patnleve, Herrtot und einige Parlamentarier wurden von Pain- leve empfangen. Ta» erst« wichtig« Ergebnis war, daß zwei Versuche PatnleveS keinen Erfolg gehabt haben: Herriot hat die ih n wiederholt angebotene Beteiligung an der Regierung abgelehnt, und die Sozialisten, die dringend zum Eintritt in daS neue Kabinett aufgefor dert worden sind, Huben d'e^eml Ersuchen mit dem Hin- wi.iZ auf die Partetbeschlü s.» nicht entsprechen können o , ist d:r Negierung Patnleve von Herriot ebenso wi von L<o i Blum eine loyale Unterstützung zugesagt wurden, st.Il; das Kabinett mir der Beteiligung links- r t al.r Minister zustandekomme und der Politik vom II Mai 1924 treu bleibe. Brtand bleibt als Außen minister der neuen Kombination erhalten. Painleve hat im E »Verständnis mit dem Präsidenten Toumergue Per« su L riand zur UebernahMe der Regierung zu ^bewegen, und er wäre sogar bereit gewesen, in diesem Falle ein L' iuhi. r um ui t< r der Leitung BriandS zu verwalten. Aat r der Außenminister hat erklärt, daß- er es vorztehe, am 5 u i d'Orsay zu bleiben und die Politik weiterzu führen, die jetzt erfolgreich begonnen habe. Um 12 Uhr nach s w< r die Unterredung PatnleveS Mit Brtand be- eneet. Eine halbe S m.de später fuhr Patnleve nach dem Elhsee, um den Präsidenten der Republik über die Ergebnisse der ersten Unterhaltung zu unterrichten. Tann begab sich painleve wieder nach deM Krieg-Ministerium, wo er die Sozialisten Leon Blum, Paul Boncour und die früheren Minister des Kabinett» Herriot, Chautemps und Dulatirr. empfing. Um Vs3 Uhr wurde der Sena tor de Monzie aus dem Bett geholt und kam ziemlich stark erkältet in der Rue St. Dominique an. Eine S.unde später waren di« Beratungen der Nacht beendet. Es ist gelungen, ein Kabinett zusammenzuschllen, das folgende Mi.glieder umfaßt: Ministerpräsident und Schatzmeister: Patnleve: Budgetminister: Bonnet; Justtzministerr Lhäutemp»; Außenminister: Briand; Innenminister: Schrameck; Handel-Minister: Daniel Bineent; Krtegsmtnister: Dalatier; Martneminister: Borel; Arbeit-Minister: Durasour; Unterricht-Minister: De lb öS; Ackerbauminister: Durand; Kolontallninister: Leon Perier; Minister für öffentlich« Arbeiten: De Mangel; Unterstaat-sekretär für Finanzen: Bimet. Klar ist, daß die neue Regierung eine Ausdehnung nach links erhält. Obwohl Leon Blum, als er um 2»/, Uhr nacht» rrach Hause ging, den Journalisten erklärte, daß er nicht» sagen könne, ist doch bekannt geworden, daß der Führer der Sozialisten in der Kammer mit den neuen Ministern des Kartell» nicht unzufrieden ist. Paul Boncour Machte keinen Hehl daraus, daß er gern Minister gewor den wäre, die Parteibeschlüsse sind aber bindend und erlauben vorläufig keinem Sozialisten den Eintritt in eine bürgerliche Regierung. Heute werden Sammer und Senat nur kurze Geschäftssitzungen haben und sich sofort bis zum Dien-tag. den 3. November, vertagen. Die einzigen Reden, die heute gehalten werden, dürften die Nachrufe auf die in den Ferien gestorbenen Mitglieder des Parlaments sein, drei Deputiert« und zwei sehr be kannte Senatoren, deren Namen zur Geschichte gehören: Viviani unb Leon Bourgeois. Paris, 29. Okt. Ministerpräsident Painleve wird als Minister des Schatzamtes sich auch den Beziehungen mit den Banken und den Währungsfragen widmen. Ter Minister für Budget Bonnet, dessen Befugnisse in einem besonderen Dekret festgesetzt werden sollen, wird unter Leitung des Schatzministers Pie Finanzen und die ver schiedenen finanziellen Verhandlungen leiten. Gr wird sich insbesondere Mit dem Budget beschäftigen nrüssen. dessen Vorbereitung er sicherstellen und dessen Diskus sion im Parlament er verfolgen wird. Ministerpräsident Patnleve und Bonnet werden sich morgen vormittag in- Finanzministerium begeben, wo ihnen Eaillaux den Dienst übergeben wird. General Mütter erschossen. Bei einer Scharfschießübung auf dem Artillerieschießplatz Jüterbog wurde gestern nachmittag durch ein abirrendcs Ge schoß der Kommandant der 4. Division, Generalleutnant Müller, während er die Gefechtshandlung begleitete, tödlich verletzt. SS Dresden, 29. Okt. (Amtliche Meldung.) Der Un- glü<S.all, dem der Befehlshaber im Wehrkreiskommando 4, Generalleutnant Müller, heute auf dem Truppen-! Übungsplatz zum Opfer fiel, hat sich folgendermaßen zu- ge r^gen: Am 29. Oktober in den ersten Nachmittags stunden fand eine Uebung gemischter Waffen mit schar-, sein Schüsse statt. Bet dieser Uebung Überschüssen seit«! würw-rstewär - in Stellung befindliche schwere Maschi nengewehre die vordere Linie. In vorderster Linie der an, r.i enden Infanterie befanden sich di« UebungSlei- tung u.-d die übrigen der Uebung beiwohnenden Ofst- t r mit en unter ihnen Generalleutnant Müller. Ti« Ent ernu^.g, aus der die schweren Maschinengewehre die Jn a.-tcrte Überschüssen, betrug 1000 Meter. Plötzlich vr .cli Generalleutnant Müller an der Seite getro sen „u ammen und verschied sofort. Tev an Ort und Stelle be in. liche Sanitätsoffizier stellt« fest, daß ein MTG.- Geschoß aus Wetter Entfernung die Hauptschlagader zer- s -lagen und den sofortigen Dod herbeigeführt hatte. Gin V rschulden an dem UnglückS'all ist nach den bisherigen Feststellungen niemanden beizumessen, va alle für der- ar t-,e Schießübungen notwendigen und vo»geschriebenen Sicherung-Maßnahmen getroffen waren. Sachverständige nehmen an, daß ein« mit zu 'schwacher Pulverladung v eschen« Patron« d«n verhängnisvollen Kurzschuß abgab Zu dem tragischen UnglückSfall auf dem Jüterboger Uebung-Platz wird noch gemeldet, daß sich einige Schritt« vom Befehlshaber. Generalleutnant Müller, entfernt in mitten der übrigen O'ftzter« auch Reichswehrminister Getzler befand. Der Minister ließ nach dem Unglück»- fcll die Uehung sofort abbrechen und ordnet« -in« ein gehende Untersuchung an. Di« Leich« de» General» Ist jedoch von den Justizbehörden bereit- fveig«geb«n, da kein Zweif«! daran besteht, daß e» sich tatsächlich um ein abirrend«» Geschoß gehandelt hat, da» au» irgend- welchem kaum feststellbaren Grunde seine Flugbahn ge ändert hat. Es handelt sich jedensaM nicht um einen sogenannten Querschläger. Wie von zuständiger Stelle noch Mttgetetlt wird war Generalleutnant Müller von Dresden herüberge- kommen, um dem Scharfschießen eines Bataillon» seiner Division beizuwohnen. Ter General hielt sich hr der Nähe der Truppen auf, als er tödlich getroffen wurde. Wie die Blätter Melden, ist während der Gefechts übung auch Oberstleutnant V. Hörauf voM.Stabe de» Gruppenkommandos 2 in Kassel durch Stetnsplttter, die ourch Niaschtnengewehrschüsse verursacht worden waren, verletzt worden. Er wurde in das.Standortslazarett von Jüterbog gebracht. a General Müller stand iM 56. Lebensjahre und war in Bautzen geboren. Er war vor dem Kriege u. a. BatatllonSkvmmandeur in Leipzig, später auch Flügel adjutant des König» von Sachsen. Bei Kriegsausbruch war Müller Oberstleutnant beim Militärreich-gericht in Berlin. Er übernahm am dPtten MobtlmachungStag die Führung de» Res>Tnf/>R«gtt 104, daS er im Feld bi» September^ 1916 führte. In den Jahren.1917 und 1918 war Müller al» Oberst Brigade- und später Divi sionskommandeur. Aw Generalmajor führt« er b«i Kriegsende -i« 24. Res.Hivision. IM Jahre ISIS wurde «r WehrkretSkommandeur und 1928 pmr er Lan deskommandeur von Sachsen. Sa-en-Zahrt -es Reichspräfl-eaten. Karlsruhe, 29. Okt. Rach d«n bisherig«» Disposi tionen wird Reich-Präsident v. Hindenburg nunmehr am 7. November der badischen Landeshauptstadt d«n in Aus sicht gestellten Besuch abstatten. Rach d«m bisherigen Programm wird der Reichspräsident, von Stuttgart kom mend, an diesem Tag« gegen V>12 lthr mittag« hier ein- treffen und ab«nd» 6 Uhr weiterfahren. .Für den Be such d«» Reich-Präsidenten sind vorgesehen «in Empfang bet d«r badischen Regierung im Staat-Ministerium, Be such pe- Landtag» und de» Rathaus«», wo -in Früh stück stattstndet, dann Tee im Staat-Ministerium. Die Deutschnalionalen unä üie Staatsveremtwortung. Von Dr. «l» Md.«. Daß gegen die Abmachungen von Locarno in mehr facher Beziehung Bedenken bestehen, wird von nieman dem verkannt. Wenn die Teutschnationalen all« Be denken, die sie von ihrem Standpunkt au» hatten, offen und stark zum Ausdruck brachten, so war die» ihr gutes Recht, vor allem innerhalb eine- parlamentarisch re gierten Staatswesen». Und doch liegt das jetzige Ver halten der Teutschnationalen außerhalb der Grenzen, welche die Staatsverantwortung zieht. Tie Teutschnationalen waren nicht Opposition»- son dern Regierungspartei, sie waren also unmittelbar mit beteiligte Träger der Regierung-Verantwortung. Die deutschnationalen Minister haben, daran besteht kein Zweifel, im Kabinett nach dem Vortrag de» von Locarno nach Berlin zur Berichterstattung entsandten Staatssekre tärs Kempner ihr Placet zu den darauf folgenden Ver einbarungen gegeben. Der mißbilligende Beschluß der deutschna tonalen Reichstagsfraktion stellt sich also zu nächst einmal als eine Desavouierung der deutschnatto« nalen Minister durch die eigen« parlamentarisch« Ver tretung dar. Auch hierzu hat di« RetchStagSfraktton natürlich das Recht, aber e» ergibt sich vom Standpunkt der Staatsverantwortung au» die Frage, ob di« Art und der ZeiHunkt der Geltendmachung diese» Rechte fich vereinbaren lassen mit den höheren Pflichten einer am Schicksal tzon Staat und Volk unmittelbar beteilig ten Regierungspartei. Hier ergeben sich auf den erstem Blick zwei Bedenken allerschwerster Art. Tie 110 Mit glieder zählende deutschnationale ReichStagSfraktion hat ihre Beschlüsse in einer Besetzung von rund 60 Köpfen gefaßt. Es mag dahin gestellt bleiben, ob da» Fehlen der Fünfzig in dieser Schicksalsstunde ausnahmslos auf unüberwindliche Behinderungsgründe zurüchzuftihren ist oder ob in mehr oder weniger erheblichem Umfange das Motiv des Fernbleiben» in der Scheu vor der Verant wortung lag, das eine steht jedenfalls fest, daß eine ver antwortungsvolle Fraktion bei einer Besetzung von kaum mehr als der Hälfte ihre» Bestandes niemals Beschlüsse fassen darf, die bei voller Besetzung vielleicht ganz an ders ausgesehen hätten und die von ungeheurer Trag weite für das Schicksal der Gesamtheit sein müssen. Im vorliegenden Falle lag um so weniger Anlaß zu einem solchen Verfahren vor, als die Entscheidung absolut nicht drängte, sondern ohne sachliche Bedenken sehr wohl einer zweiten, besser besetzten Zusammenkunft Vorbehalten iver- den konnte. Damit wird das zweite gegen die Haltung der Teutschnationalen bestehende Bedenken berührt. Tie Entscheidung fiel in einem Zeitpunkt, zu dem hinsicht lich der positiven, realpolttischen Auswirkungen der Ver handlungen von Locarno durchaus noch eine Wandlung zum Besseren wahrscheinlich war. Durch den deutsch nationalen Schritt wird diese Wahrscheinlichkeit auf das äußerste beeinträchtigt. ES ist klar, daß die nationa listische Aktion in Deutschland zwangsläufig — auch wenn die Beteiligten dies nicht beabsichtigen — den Chauvi nismus in Frankreich stärken müssen. Man braucht hier zu als Beispiel nicht die französische RegieungSkrise heranzuziehen, die zweifellos zum guten Teil aus die fachliche Unfähigkeit des FinanzministerS Eaillaux zu rückzuführen ist, der bet all seiner Teutschland gegen über vernünftigen Gesamteinstellung sich doch nicht al- geeignet erwiesen hat, gangbare Wege zur Lösung der komplizierten Finanzprobleme zu finden. Aber wohl gibt die französische Presse einen klaren Beweis für unsere Behauptung. Diie „Action franeaise" al» na tionalistisches Hetzblatt ganz besonderen Typ» kann man dabei ausschalten. Der „Matin" ist schon ernsthafter zu nehmen, wenn er meint, daß da» deutschnattonale Manöver da» Gegenteil von dem erreichen werde, wa» an politischer Erpressung mit diesem abgekartetem Spiel er strebt werde, und in England klingt al» Unterton die alte, leider nicht völlig unberechtigte Kritik durch alle Meinungsäußerungen hindurch: Deutschland kann man noch immer nicht al» berechenbaren Faktor in irgendeine politisch« Kalkulation einstellen. E» ist ganz selbstverständlich, daß der Reichstag Ge legenheit hab«n muß, da» entscheidend« Wort über Lo- earn» zu sprechen, und daß bi» dahin die Regierungs krise al» «ine» der vielen tnnerpoltttschen Zwischenspiel« bei Verfolg außenpolitischer Gesundung gewertet werde« mutz. Gewiß wird der wert d«r Abmachung«» von Lo- earno gemindert, wenn sie von einer Mehrheit ohne die Teutschnationalen genehmigt werden, aber eine Geneh migung durch «ine bescheiden« Mehrhrtt ist immer noch besser al» eine Ablehnung od«r «in« neu« Uuswühlun- aller der unser Rott trennenden Gegensatz« durch «ine Reich-tag-wahl. Al- ultima ratio -raucht di« Regte- rung Neuwahlen nicht zu scheuen; der überwiegende Teil de- deutschen Volke» sehnt sich nach außenpvlitt-