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Biluge zu ßlr. 247 bc» Aur Wo siüher äte Plänen waren. Bon Anton Erklenz, M. d. R. Chicago, Ende September. Zum drittenmal in Chicago, der führenden Großstadt des mittleren Westens. Ein dicker Nebel hängt über der Stadt, gebildet aus der Feuchtigkeit der Luft und den zahllosen Ruß- teUchen der verbrannten Wetchkohle und des Motorbetriebs- stoffeS. Auf den Straßen ein Halbdunkel. In den zwanzig, dreißig, vierzig Stock hohen Geschäftshäusern brennen taufende Lampen. DaS Halbdunkel ist um so ungewohnter, als hier selbst in den Nachtstunden die Straßen stark erleuchtet sind. Der prachtvolle Michigansee rollt Welle auf Welle aus Ufer mit hochaufspritzendem Gischt. Die Straßen in drangvoll fürchterlicher Enge. Ein lebensgefährlicher Verkehr. An die sem einen Tage wurden in dieser einen Stadt sechs Menschen durch Autounfälle getötet, eine vielfache Zahl verwundet. In den zwethundertachtundfünfzig Tagen dieses Jahres wurden 547 Menschen durch Autounfälle getötet, 270 erschossen bezw. ermordet, 167 sterben infolge von Moonshine, d. h. infolge von heimlich beschafften alkoholischen Giften. Das alles in einer Stadt von rund drei Millionen Einwohnern. Chicago ist trotzdem die Stadt der Zukunft. So gar die Eisenindustrie zieht sich langsam aus dem westlichen Pennsylvania an die Ufer der großen Seen heran. Eisenerz kommt vom Lake Superior. Kohle liegt nicht allzu weit von hier entfernt. Alles kann mit Wasserfracht herangebracht werden. Hier ist die geistige und wirtschaftliche Zentrale des riesigen amerikanischen landwirtschaftlichen Gebiets. Hier in der weiten Umgebung ist die Weizen« und Maiskammer Nord amerikas und Europas, der Fleischschrank der Vereinigten Staaten. Als Stadt, als Menschenansammlungspunkt, hat Chicago eine große Zukunft, und es hat nur einen, allerdings überlegenen Rivalen, das ist Neuyork. Soweit es in diesem Lande so etwas wie eine geistige Führung gibt, kommt sie aus Chicago. * » Wer, etwa bei Henry Ford in Detroit, die neuen Metho den der amerikanischen Technik studieren will, muß in den Schlachthäusern Chicagos das Studium beginnen. DaS klingt wie ein bissiger Scherz, ist aber reine Wahrheit. Ford gibt selber zu, daß seine Methode des „gleitenden Bandes" nur eine Anwendung des Grundgedankens ist, der in den Chi- acgoer Schlachthäusern zwanzig Jahre früher angewandt wurde, und der im Urkeim wahrscheinlich auf den alten Schläch termeister Swift zurückgeht. , Zunächst ein bißchen Volkswirtschaft. Das Vieh, das zur Fletschnahrung der Vereinigten Staaten bestimmt ist, wird hauptsächlich gezüchtet auf den großen ehemaligen Prärien, von denen Chicago Hunderte Meilen weit umgeben ist. Ver braucht aber wird das Fleisch tausend Meilen (1600 Kilo meter) von hier entfernt in Neuyork, Boston, Pennsylvania usw. Das lebende Vieh so wett zu transportieren, wäre un rationell, da wenig mehr als die Hälfte des Lebendgewichts an Fleischgewicht herauskommt. Das wäre also doppelte Fracht. Darum find die Schlachthäuser in Chicago. Die Farmer von nah und fern bringen ihr Vieh hier auf den großen Markt, auf dem täglich viele zehntausende Stück Vieh verkauft werden. Die Packer, d. h die großen Schlachthäuser, kaufen das Vieh, schlachten es hier ab und fahren das genutzt fertige Fletsch täglich in tausenden Kühlwagen nach dem Osten, nach Philadelphia, Neuyork usw. In den Vereinigten Staaten wurden im Jahre 1924 rund 14,4 Millionen Stück Rindvieh und rund 79 Millionen Schweine geschlachtet. 9,5 Millionen bezw. 53 Millionen davon werden in einem halben Dutzend großer Schlachthäuser geschlachtet. Swift (u. Comp. allein schlachten hier und in ttnigen Zweigstellen jährlich 17 Milli onen Stück Vieh, d. h. Rindvieh, Schweine und Schafe. Und das nächstgrößte Schlachthaus, Armour u. Comp., schlachtet fast ebenso viel. So ist hierzulande die Schlächterei ein Riesenbetrieb, be trieben mit aller Raffinesse der Technik, des Geschäftssinnes. Denn hier wird nicht nur das Fleisch verarbeitet, hier wird das -um Essen nicht direkt verwendbare Fett in Margarine mit Buttergeschmack umgewandelt. Und alles wird benutzt. Die Haare der Schweine sind ein einträgliches Nebenprodukt. Aus den Magen- und Darmsäuren der Tiere wird Pepsin gewonnen. Das ungenießbare Fett wird in Seife verwan delt. Aus den Nieren der Schafe wird ein wertvolles chemi- ches Präparat gewonnen, bet dem zur Erzeugung von einem 3,20 Mark, für. hiesige Verhältnisse ein nicht mal hoher Lohn. Der Neger, der dort den Kühen den schmerzstillenden Ham merschlag versetzt, hat 50 Lents, 2 Mark, in der Stunde. Das sind mittlere Löhntz. Der Wiegemeister dort vor der Räu cherkammer, der ein Gesicht hat wie ein Professor, verdient 90 Cents, 3,60 Mark, die Stunde. Ein Drittel der Arbeiter fährt im eigenen Auto. Mehr als ein Viertel der Arbeite, besitzt Shares, das heißt Aktien von diesem Schlachthaus, di« sich mit 8 bis 12 vom Hundert verzinsen. Organisation gibt es kaum. einzigen Pfund dieses Stoffes die Nieren von 125 000 Schafen verarbeitet werden müssen. Der Rohstoff für Insulin, das neue Mittel gegen Zuckerkran.heil, wird hier gewonnen. D,e Drüsen von 10000 Stück Rindvieh ergeben ein Pfund In- sulist. So wird hier alles im Großbetrieb ausgcnutzt. Die Erzeugung von Nebenprodukten aus den Tierkörperteilen, die der kleine Schlächter wegwerfen muß, soll den Gesamtbetrieb so ergiebig machen, daß das Fleisch an den Kleinhändler bil liger verkauft werden kann, als dem Farmer für das Le bendgewicht bezahlt werden kann. r .nvlulles und klnzeig rs fn> uns . Dm mr-.lag, den 22. Oktober li'ikd Es ist schwer zu sagen, wie Ihre Nerven daraus reagieren würden, wenn Sie ansehen müssen, wie an der einen Stelle stündlich 200—300 Ochsen und Kühe, an der anderen Etelle 800 Schweine und an der dritten Stelle lausend Schase ge schlachtet werden. Rund heraus gesagt: es ist der abstoßendste widerlichste Anblick, den man sich denken kann, wenn mau sieht, wie alle Raffinesse der Technick benutzt wird, schreiende, zappenlde, angstvoll verzerrte, hilflose Tiere zu schlachten. In der Schweineschlächterei: Je zwanzig Schweine werden in einen engen Verschlag getrieben. Ein Neger legt einem Schwein nach dem andern eine Kette nm ein Hinterbein. Er hakt das andere Ende der Kette in einen Haken an einer großen, sich langsam drehenden Scheibe. Unwiderstehlich wird das Tier hochgezogen, stößt gellende schreie aus. Es bewegt sich einige Meter wett aus einer Lausschiene, Kopf nach unten. Dort steht ein Arbeiter, meist ein Neger, mit einem nicht sehr großen Schlächtermesser und schneidet mit einem Schnitt die Schlagader des Tieres durch. Ein Blutstrom spritzt auf den Boden und versickert in einem großen Behäl ter unter dem Erdboden. Das Schwein zappelt noch ein Paar Sekunden und verschwindet in einem Behälter mit kochendem Wasser. Dort rollt eine Maschine den Körper hin und her und schuppt die Borsten ab. Nach einigen Minuten kommt das Schwein, weiß und sauber, wieder an der Gleitschiene hängend zum Vorschein. Es passiert in der nächsten Sekunde große Gasflammen, die den ganzen Körper umschlagen und den Rest der Haare abbrennen. Einen Schritt daneben stehen an dreißig Männer mit Messern der verschiedensten Art auf gepflanzt mit je einem Schritt Zwischenraum- Langsam be wegt sich der Körper der Tiere vorbei. Jeder Mann tut nur einige bestimmte Schnitte, schneidet bestimmte Teile ab, die in verschiedene Laufröhren fallen und gesonderter Verarbei tung entgegengehen. Nach dreißig bis vierzig Minuten ist der Körper, schon fertig bearbeitet, aufgespreizt. Er läuft selbsttätig in einen Gefrierraum, wo er 36 Stunden hängen bleibt, damit die Lebenswärme aus dem Körper entweicht. Dann beginnt der zweite Arbeitsprozeß, das Trennen des Körvers in zwei Längshälften, das Abschneidcn der Schin ken, das Austrennen der Rippen usw. Alles Fleisch läuft selbsttätig von einem kleinen Tetlprozeß zum nächsten. Es wandert, wieder in Kkhlräume, Schinken und Speck bewegen sich in die Räucherkammern für 36 Stunden. An anderer Stelle wird Wurst gemacht. Dort werden Millionen Weiß blechbüchsen hergestellt, um das kleine Fleisch zu verpacken. Sie kaufen hier sechs Koteletts in einer Weißblcchbüchse. Das Frischfleisch hängt wieder im Kühlraum und wird in Kühl waggons verladen. Im Schlachthaus für Großvieh. Je drei bis vier Stück Rindvieh werden durch enge Gänge in einen Verschlag ge trieben. Ein Neger schlägt jedes Stück mit einem schweren Hammer vor den Kopf. Die Gleitkette kommt und hebt jedes Vieh am Hinterbein hoch. Fürchterliche Schreie er tönen durch die Halle. Zehn bis 12 Stück werden gleichzeitig hochgehoben. Die Schlagadern werden durchgeschnitten. Nach ein oder zwei Minuten machen sich drei, vier Männer über jedes Tier her, trennen die Haut ab. In wenigen Minuten beginnt der Aufschneidungs- und Zcrteilungsprozeß. In einer Stunde wandert jeder Körper in die Kühlhalle usw. Das sehen sie 200- bis 300mal in der Stunde, 800mal in der Schweineschlachthalle, lOOOmal in der Schafschlachthalle, und Sie wissen schließlich nichts anderes zu sagen als: terrible, furchtbar, entsetzlich! Sozial? 7000 Arbeiter und Arbeiterinnen wirken '' in den Schlachthäusern der einen Firma Swift, hier nnd in einigen anderen Städten. 1500 Kontorangestellte besorgen den Geschäftsbetrieb. Du wirst eingeladen, in dem Betriebs restaurant der Firma zu speisen. Dir ist wenig wohl dabei; denn was du gesehen, erschüttert dich, ekelt dich an, obgleich größte Sauberkeit und stetige amtliche Kontrolle dabei steht. Der Mann, der dort 800 Schweinen in der Stunde die Schlagader durchschneidet, verdient in der Stunde 80 Cents, „Ich war vor zwei Jahren in Deutschland und England. In Europa sind die Beziehungen zwischen Unternehmer und Arbeiter völlig verdorben. Der Klassenkayipf verzehrt euch. Der Unternehmer will möglichst niedrige Löhne zahlen, der Arbeiter möglichst wenig arbeiten. Nein, so geht eS nicht. Wir zahlen hohe Löhne. Wenn wir nicht hohe Löhne zahlen, können sich die Arbeiter nichts kaufen, und wir können keine Geschäfte machen. Aber unsere Leute müssen arbeiten. Acht Stunden nur, aber in diesen acht Stunden muß etwas ge- schasst werden. Wir haben seit 1916 unsere Löhne und Ge- hülter um 70 v. H. erhöht, aber wir haben die Arbeitsleistung vervielfacht. Unser Arbeiter ist stolz, wenn das Geschäft blüht, und er kaust sich dann Aktien unseres Unternehmen». Fünfzig Prozent unserer Arbeiter und Angestellten haben ein eigenes Auto. Aber wir warten auch mit Lohn- und Ge- Haltserhöhungen nicht, bis die Arbeiterorganisationen, kom men. Wir erhöhen die Löhne von selbst und geben daneben Prämien und Gewinnbeteiligung. Deshalb haben unsere Arbeiter gar keinen Anlaß, sich stark zu organisieren. Wenn wir warteten, bis wir zu Lohnerhöhungen gezwungen wer- den, würden wir ja die Arbeiter zwingen, sich zu organi sieren ..." «. i Der Mann, der so sprach, war General Wood, setzt Ge neraldirektor des riesigen Versandhauses Sears Roebtuk u. Co., draußen, weit vor den Toren Chicagos. Es gibt in Deutschland und wohl in Europa kein Unternehmen, das mit diesem und einigen ähnlichen seiner Art verglichen werden könnte. Ein Versandhaus, das nur und ausschließlich aus dem Wege der Postbestellung und des Poft- und Bahnver sandes arbeitet. Es verschickt jährlich 50 Millionen Kata loge, dick wie ein Berliner Telephonbuch, an acht Millionen Kunden. Das ist seine Reklame, aber es ist auch die einzige Reklame. Insbesondere die Millionen Farmer auf den Prärien sind Kunden dieser Versandhäuser. Sie haben kein Geschäft in ihrer Nähe und suchen sich alles, was sie brau- chen, nach dem Katalog aus. Alles, von der Nähnadel bis zum Ofen, zur Radiostation oder zum Wohnhaus. Die Ver sandhäuser betonen, daß sie alle Waren billiger verkaufen als das größte städtische Geschäft, weil sie weniger overhead expenses (Geschäftsunkosten) haben. 60 000 Bestellungen gehen täglich durchschnittlich ein und werden meist noch am Tage des Eingangs erledigt. Der Jahresumsatz betrug 1924 rund 250 Millionen Dollar, d. h>. eine Milliarde Mark. 12 000 Arbeiter und Angestellte sind hier und in einigen Filialen tätig. Was dieses Ricsengeschäft besonders interessant macht, ist weder sein Riesenumfang noch seine ganze Art, sondern die Technik seines Betriebes. Große Postwagen bringen ganze Berge von Postbesttzllfungen. Die meisten Besteller schicken, das Geld für ihren Kauf, nach Katalogpreis mit, tn Form von Schecks, von Bargeld oder Briefmarken. Die Werte werden^entnommen und auf dem Bestellschein vermerkt. Der Bestellschein enthält die Adresse des Bestellers, die Angabe des gewünschten Gegenstandes und die Nummer des Kataloges. Da ist ein Saal, in dem, eng gedrängt nebeneinander, an fünfhundert Damen an besonders konstruierten Schreib maschinen sitzen. Kein Wort wird gesprochen. Keine un nötige Handbewegung wird gemacht. Auf dem rollenden Band eilen die zch-ntausende Bestellungen weiter. Dort wer den sie abtcilungsweise sortiert. Pneumatische Röhren leitungen befördern jede Bestellung an die zuständige Abtei lung. Kleinere Waren werden in ein Körbchen gepackt. Auf dem rollenden Band wandern die Körbchen in die nächste Ab teilung, empfangen dort den weiteren Inhalt, eilen weiter. Dort werden die Rechnungen geschrieben. Jede Bestellung fallt genau dahin, wo die Dame sitzt, die die Adresse des Be stellers hat. 8 Millionen Adressen stehen in diesen Schränk chen, gleich eingerichtet zum Durchschlagen der Adresse auf den Klebezettel. Rollende Bänder, Tränsportkanäle gehen kreuz und quer durch den Betrieb. Schließlich landet alles mit Rechnung und Ware in einem Körbchen en der Ver- Umer der Seipel der Hebens. Original-Roman von I. Schneider-Förstl. llrh«d«schutz durch Stuttgarter Roman-Zentrale «.Ackermann, Stuttgart. l17. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) „Und wa» hat er für dich getan?" sprach eine Stimme in ihr. „Tausendmal mehr! Nackt ist er für dich geworden l Sein Blut wollte er dir Hu trinken geben, um dein Leben zu fristen! An dich, die Irrsin nig», bettete er sein Dasein und nährte dich mit der Arbeit seiner Hände." Wa« sie für ihn getan, war nur der tausendste Teil des Dankes, den sie ihm schuldete. Und doch mutzte sie ihn strafen, den geliebten Mann, Mutzte ihn genesen machen von dieser wahnsinnig grund losen Eifersucht, die immer wieder in ihm aufloderte und Salle tn seinem Heben war. Da» fein gedämpfte Licht flutete wieder durch den Saum. Sie fetzte sich im Bette auf. - ,Heinz!" rief sie bittend. ,Hal Was wünschest du?" fragte er kühl. „Bitte, steh mich an, Heinz!" Ur wandte ihr sei« Gesicht zu. DaS Abweisende, da» Kalte seine« Blicke- beirrte sie nicht mehr. „ES ist mir heute von einer jungen Frau erzählt worden," sagte sie vollkommen ruhig, „die ihren Mann vergöttert. Und nun — denke dir, Heinz — hat ihr jemand gesagt, daß dieser Mann ein Verhältnis mit einer anderen Frau unterhielt, es schon unterhalten bat, eh« er sie zur Eh« nahm. Und das Kind, da- die ander« geboren hat, ist sein Kind. Und er hatte auch noch di« — Ruch sucht« nach Worten — Unverfroren heit, dies« andere und ihr Kind in sei« Hau» zu nehmen. Und seine Frau, ahnungslos wie sie war, hat sie mit offenen Armen empfangen!" „Ein Schurke!" Weiter nichts!" sagte Hartmann gleichgültig. „Und die arme Frau? Was meinst du denn, Lieb ster, datz die arme, betrogene Frau tun soll?" „Ihn lausen lassen! Er ist nichts andere» wert!" ,Hch danke dir, Heinz!" Er wandte sein Gesicht wieder zur Seite und schloß die Augen. Ruch verließ ihr Bett und begann sich an/ »ukletden. Al» sie eben ihr Haar wieder zu einem . Kno ten steckte, sah Hartmann auf. Was wollt« sie? Al st« in das Zimmer nebenan trat, setzte er sich in den Kissen aus. Er hatte sie gekränkt. Draußen klinkte eine Tür lautlos ins Schloß. So rasch sein stetser Fuß eS erlaubte, sprang er aus dem Bett, schlüpf in seinen Schlasmantel und ging in das anstoßende Zimmer. Es war leer. „Sie benimmt sich wie ein Kind," dachte er verärgert. Er hörte das Oeffnen einer Türe, dann nichts mehr. Sie wollte also heute nacht allein sein, ihn nicht neben sich wissen. Sein Herz HLmMerte schuld bewußt. Die Neue wurde wach. ,Ach hätte meine Worte besser abwägen sollen," ging er in sich. „Einer Frau wie Ruch sagt man nicht derlei ins Gesicht, wie ich getan." Sein Fuß. schmerzte. Trotzdem kleidete er sich an und ging zu ihr. Ruth saß in ihrem Zimmer an dem Schreibtisch. Ihre Hand glitt eilig über einen Bogen feines Leinenpaptcr. Sie schrieb an Kelling. Obwohl sie. das Eintreten ihres Mannes gehörr hatte, hob sie den Kopf nicht. Er trat zu ihr. „Wenn ich vorher tn der Erregung meine Worte nicht abwqg und dich beleidigte, dann bitte ich dich um Entschuldigung," bat er rauh. Sie nickte schweigend, ohne aushusthen, und schrieb ohne ihn zu beachten weiter. „Kann ich auf dich warten?" fragt« tzl und setzt« sich in einen der tiefen Stühle. La wandte sie ihm ihr Gesicht M, ruhig, ernst! „Ich bin iM Begriffe, Vater mitzuteilen, datz W mit den Kindern einige Wochen zu ihm nach Kreuch gehe," sagte sie, sah von thM weg und schrieb wieder Mit klaren, schnörkellosen Buchstaben. Er war maßlos verblüfft. Hatte er denn recht ge hört? Nach Kreuth wollte sie? Für einige Wochen gleich. „Und ich?" stieß er raüh hervor. Sie zuckte die Achseln. „Und ich, Ruch?" „Du hast ja Lisa und den Junge,»! Da wirst Lu mich wohl kaum vermissen!" Ihr Gesicht beugte sich tief über den Bogen. Sie konnte das Lachen nur mehr mit Mühe unterdrücken. Armer Heinz! Wie er erschrocken war! Er war aufgestanden I Seine Brust dehnts sich in allen Rippen. Wie ein Blitz leuchteten ihre Worte vor ihm auf. Ruth, seine Ruth war eifersüchtig auf Lisa Kelling und ihren Jungen. Darum war sie heute weg gefahren, und zwar zu Hengstenberg!. Darum wollte sie mit den Kindern nach Kreuch, weil sie sich von ihm vernachlässigt fühlte. Er glaubte, alles so klar zu er kennen, so deutlich in ihrem Innern zu lesen. Und er war so sorglos gewesen, hatte nicht ein einzige« Mal daran gedacht, daß es ihr weh tun könnte, wenn er mit Lisa im Park saß oder sie mit dem Kleinen nach dem Klausenhof begleitete und abends mit ihr Schach spielte, wenn Ruth die Kinder zu Bett brachte. Er wußte, wie Eifersucht brannte. Und sie hatte diese Marter bis heut« ertragen ohne ein Wort der Klage, ohne ihm je einen Vorwurf zu machen. Unsag bare« Mitleid Mit de« geLebte» Weib» stieg tzu ihm auf.