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uer Tageblatt /lnzeiger für -as (rzgebirse Zs r«t«g»ammi, rogidiau fto»«»rs<bi,a». EathaUraö -le amlllchea Srkamrtmachaagea -es Nate» -er -ta-t aa- -es Mats-eetcht» Mre. VeMcheck-n—t», MM Qtpzt, »e.,ee« Nr. 191 Dienstag, äen IS. August 192S 20. Jahrgang Die kommenden Paktverhandlungen London, 16. August. Wie der diplomatische Bericht- erstatter des „Observer" schreibt, wird die bevorstehende Note an Deutschland wahrscheinlich über einige der in London zwischen Chamberlain und Briand erörterten Fragen swenig oder nichts sagen. Die englische öffentliche Meinung sei aber besonders daran interessiert, in welchem Umfange Eroß- britannten zu einem bewaffneten Eingreifen bet einem Streit zwischen Frankreich und Deutschland verpflichtet ist. Es sei die Hauptsache, daß Deutschland gegen Sanktionen nach Art der Ruhrbesehung gesichert wird und daß Frank reich nicht das Recht hat, durch deutsches Gebiet hindurch den Polen zu Hilfe zu eilen. Die Note werde vielleicht über diese Fragen schweigen oder sich wenigstens in dieser Veutschlanü im VLlkerbunSsrat willkommen. In neutralen diplomatischen Kreisen verlautet, daß anläßlich der französisch-englischen Mintsterzusarnmen- kun.t außerhalb der eigentlichen offiziellen Besprechun gen beiläufig fcstgestellt wurde, daß zurzeit kein ein ziges im Völkcrbundsrat vertretenes Land noch irgend welche politischen oder formellen Schwierigkeiten berei ten würde, wenn nach Deutschlands . bedingungslosem Eintritt in den Völkerbund der Antrag auf Wahl Deutschlands in den Völkerbundsrat gestellt werden würde. völkerbunSsratetagung km September. Genf, 14. August. Der Völkerbundsrat wird am 2. Sep tember unter dem Vorsitz des französischen Vertreters zu seiner 35. Tagung zusammentreten. An der Spitze der vor läufigen Tagesordnung steht die Frage der Festsetzung der Grenze zwischen der Türket und Irak (Mossulfrage. Ferner wird wahrscheinlich die Lage Oesterreichs Gegenstand ein gehender Beratung sein. Der Rat wir sich mit dem Bericht des GencralkommissarZ Zimmerman und mit den Ergeb nissen der Untersuchungen von Layton und Rist zu befassen haben. Gegenstand der Beratungen werden weiter die Be- richte betreffend die finanzielle Wiederaufrichtung Ungarns und die Arbeiten des selbständigen Komitees für die Ansied lung der griechischen Flüchtlinge sein. Auf der Tagesord nung stehen dann einige Minderheitsprobleme, die schon in der letzten Tagung zur Sprache kamen, wie die Frage der grie chischen Minderheiten in Konstantinopel, der türkischen Miu" derheiten in Westthrazicn, der Minderheiten in Litauen und die Lage der ungarischen Kolonisten in Siebenoürgen und dem Banat. Der Völkerbundsrat wird sich auch mit zwei Fra gen betreffend die Freie Stadt Danzig befassen, die ihn be reits beschäftigt haben. Es sind dies das Problem des pol nischen Postdienstes auf Danziger Gebiet und der Bericht der Sachverständigen betreffend Begrenzung der polnischen Munitionslager auf Danziger Gebiet. Schließlich wird der Völkerbundsrat Kenntnis von der Tätikcit der verchschiedcnen Völkerbundsorgcme seit der letzten Ratstagung nehmen. Gemäß den Bestimmungen des Völkerbundspaktes, wo nach Stauten, die im Völkerbundsrat keinen Sitz haben, zu den Verhtmdlungen über Fragen, die sie besonders angehcn einen Vertreter ernennen sollen, wurden elf Staaten zur Be- Zeichnung eines Delegierten eingeladen, darunter ein Staat, der nicht Mitglied deg Völkerbundes ist: die Türkei. Vie französische völkerbun-s-elegatkon. Paris, 16. August. „Exeelsior" teilt mit, daß der Min sterpräfident Painlcoe per Eröffnungssitzung der Völ''erbunpstagung beiwohnen und in einer Rede dst Außenpolitik Frankreich» darlegen wird. Patnleve wird der Delegation angehören, da er nur al» Mitglied der Delegation nach den Bestimmungen de» Völkerbundes in Genf sprechen kann. Bourgeois, der sich bisher als Vorsitzender der französischen Delegation an den Ber- Handlungen beteiligte, wird au» Gesundheitsrücksichten nur noch formell den Vorsitz sichren. Zronkrvkchs AahlungsfShkgkelt. London, 16. August. Der frühere Kauptdelegiert« Großbritannien» bet der Meparation«kommtssion Lord Nradburh bemerkt tn einem im „Sundah Erpreß" vev- vsfüntltchien Interview, Set sachgeinäßer vernünftiger Ftnanzgebarung und mit dem Willen, sine Besteue rung einzuführen, die der englischen drrHlokhbar wäre, könne Frankreich die Aufgabe übernehmen, da« tzon Eng land und Amerika geborgte Kapital zurüHuzahlen. Frankreich sei verhältnismüßig vrHer al« vor dem Kriege und 90 Prozent seiner Kriegsschulden feien wie der gutgemacht morden. Hinsicht nicht festlegen, aber sie seien natürlich sehr ein gehend erörtert worden, und man hoffe, nach unmittelbarer Fühlungnahme mit Berlin eine praktisch« Lösung zu finden. Freilich sei durchaus möglich, daß sich die Verhand- lungen mit Deutschland in die Länge ziehen, so daß Deutsch, land dem Völkerbund während der Septembertagung nicht mehr beitreteten könnte. Auch müßten vorher die Entwaff- nungsforderungen der Alliierten erfüllt werden. Die pünkt- liche Räumung des Ruhrgebiet«« und die bevorstehend« Räumung der Sanktionsstädte hätten jedoch auf die deutsche öffentliche Meinung einen großen Eindruck gemacht; viele der Entwaffnungsforderungen seien ferner bereit» erfüllt worden, während bei anderen die Erfüllung im Gange sei. Sozlalksirnkongrrsi unö painlevö-polltlk. Paris, 16. August. Der Sozialistenkongreß setzte gestern die Debatte Über die der Regierung Painleve gegen über zu befolgende Politik fort. Düley war der Ansicht, daß das Land sich unzweifelhaft für die Ltnksregierung aus gesprochen habe, und das man deshalb an der Negierung teiinehmen, aber Bürgschaften fordern müsse. Abg Presse- mane hielt das Kartell tot, und zwar hätten es nicht die Sozialisten, sondern ihre Verbündeten umgebracht Man müsse wieder die Rolle der Oppositionspartei aufnehmen, nicht als systematische Opposition, sondern als Opposition für die Nahrung der sozialistischen Grundsätze und Interessen der arbeitenden Klasse. Die Rede wurde mit Beifall ausge nommen- Waltz, welcher der Minderheit angehört, verteidigte die Politik der Teilnahme an der Regierung. Eeneralsekre- tär Faure griff die Mitglieder der Partei heftig an, die zur Unterstützung der Regierung bereit seien. Renaudel und andere unterbrachen den" Redner, und- es kam zu einem scharfen Wortwechsel zwischen Mehrheit und Minderheit. Die Rede Faures wurde von der Mehrheit mit lebhaftem Beifall ausgenommen. Leon Blum war der Ansicht, daß das Land sich dreimal, nämlich im Mat 1924 bei den Kammerwahlen, bei den Gemeindemahlen und bei den Kontonalwahlen aus gesprochen habe. Umsomehr müsse die Partei sich von der Regierung trennen, die dem Willen des Landes nicht Rech nung trage. Der Kongreß solle sich gegen die Beteiligung an der Regierung aussprechen, aber in einer Art, die keinen Bruch der Einigkeit erfordere. Nachdem noch verschiedene Redner gesprochen hatten, wurde eine Kommission ernannt, welcher die verschiedenen eingebrachten Tagesordnungen über wiesen wurden Die Schlußsitzung des Kongresses mit der Abstimmung wird morgen nachmittag abgehalten. kommunksissihe Wegelagerer. Angehörige der kommunistischen Partei hatten heute vormittag in Charlottenburg «in Drahtseil über die Straße gespannt und dadurch einen 16 jährigen Radfahrer.zu Fall gebracht. Dieser wurde von den Kommunisten blutig geschlagen, wahrscheinlich weil er dem Bismarckbund angehört. Sodann flüchteten die Angreifer. Einer von ihnen, ein 17 jähriger Arbeiter ist jedoch von Zeugen erkannt worden. Da» ««re tschechische Eherecht. Die Regierung der i Tschechoslowakei hat den neuen Codex des Ehe und Familien, rechts ratifiziert. Zufolge dieses Gesetzes basieren die neuen Bedingungen des Ehe»- und Familtenrechtes aus vollkommener Freiheit der Beziehungen zwischen den Ehegatten, auf der Befreiung! der Frau von der Macht des Gatten, die sich aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Frau ergab. Der Codex bestimmt, daß Personen, die einen Ehevertrag abschließen, sich die volle persönliche Freiheit und die Freiheit der Arbeit er. halten. Die Aenderung des Wohnsitze» eines der Ehegatten, bedeutet für den andern nicht die Pflicht, ihm zu folgen. Das durch gemeinsame Arbeit der Ehegatten während der Zett des ehelichen Zusammenlebens erworbene Eigentum wird al» gemeinsame» Eigentum beider angesehen. Besitzt einer der Ehegatten nicht dis zum Lebensunterhalt notwendigen Mittel oder ist er arbeitsunfähig, so ist der ankere Ehegatte > verpflichtet, ihn zu unterstützen, wenn er laur Entscheidung de» Gerichte» dazu fähig ist. Interessant ist, daß die Tchet düng auf Grund der Einwilligung beider Ehegatten ebenso wie auf,Grund de» Wunsches de» einen ohne weiteres vorge nommen werden kann. Die Pflicht, die Kinder zu erhalten, fällt beiden Ehegatten zu. Der polnisch-tschechische Aamps gegen äen äeutschen Voäenbesltz. T«r Besitz de» Boden» ist mit da» wichtigste Mo ment im nationalen und wirtschaftlichen Leben der Völker. Ti« Wahrheit diese» Satze» zeigt sich, wenn wir den schweren SelbstbehauptungSkampf betrachten, den da» Deutschtum insbesondere in Polen und in her Tsche choslowakei zu führen hat. Einem Volk, da» de« natio nalen Boden» beraubt wird, wird die Grundlage seine« Dasein» entzogen, e» wird entwurzelt. Der Kampf um den Boden ist daher der wichtigste Faktor in dem heißen Nativnalttütenrtngen, da» sich zurzeit im Osten abspielt. In Polen wie in der Tschechoslowakett beobachten wir da» gleiche Verfahren. Beide Länder suchen planmäßig durch sogenannt« Agrarreformgesetze Pie Deutschen von ihrem Grund und Boden zu bringen, den so erworbenen Boden - zu nationalisieren und die ' Deutschen damit Heimat, und wurzellos zu machen. Da» polnische Agrargesetz ist am 21. Juli 1925 nach heftigen Kämpfen vom polnischen Reichstag Sejm an- genommen worden und wird in Kürze Gesetz werden. Ter Kampfcharakter diese» Gesetzes ergab sich du« der Debatte, er ist auch sonst n«h dem Inhalt ganz offen- sichtlich. Da» Gesetz richtet sich zweifellos gegen die nationalen Minderheiten. Selbst die slawischen Minder heiten mußten diese Terckenz de» Gesetze» erfahren. Tenn ein von ihnen gestellter Antrag, dah bei der Landverteilung in den Ostgebieten di« ortsansässige Be- dölkerung in erster Linie berücksichtigt werden solle, wurde von den national polnischen Regierungsparteien glatt abgelehnt. Vorzugsweise aber will das Gesetz die deutsche Minderheit treffen. Der deutsch« Großgrundbe sitz, der trotz aller Gewaltmaßnahmen immer noch SO Prozent aller Güter in Händen hat, soll enteignet und zerschlagen und damit ein» der stärksten Bollwerke de« Deutschtum» vernichtet werden. Ter Enteignung verfallen zuerst alle Güter deut scher Landwirte, die sich verpflichtet hatten, da» Gut nicht an polnische Käufer wetterzugeben. Bon dieser Be stimmung wurden vier Fünftel de» deutschen Besitze» und neun Zehntel aller Ländereien Polen» bettoffen. Für eine restlose Aufteilung sind vorgesehen die deutschen Rentengüter. Besonder» verhängnisvoll ist die Bestim mung de» Agrargesetze», daß von den Teilungsmächten unter besonderen Bedingungen erworbene Grundstücke ohne Schonung irgend eine» RestbesitzeS bi» aus» letzte aufgeteilt werden sollen. Bei -em besonderen Charakter der polnischen Politik ist naturgemäß der deutsche Grundbesitz in den westlichen Grenzgebieten Polen» besonder» gefährdet. Die Fol gen werden sich auch in wirtschaftlicher und sozialer Beziehung bald zeigen. Der deutsche Grundbesitz, nicht nur der große, hatte da» Land zur Blüte gebracht und dem Boden zu einer unerreichten Kultur verhülfen. Ob diese Blüte nach der Zerschlagung aufrecht «halten wer den kann, ist mehr al» zweifelhaft. Tie Gefahr ein« Produktionsminderung liegt jedenfalls sehr nah«. Aelter al» die polnische Agrarreform ist die tsche chische. Gemäß dem Bodenrefovmgesetz vom 16. April 1919, bei dessen Abfassung die Deutschen nicht vertreten und nicht beteiligt waren, wurde jeglich« Großgrund besitz in der Tscheche!, d. h. all« Komplex« über 180 Hektar landwirtschaftlichen Boden» oder 250 Hektar Bo den» überhaupt beschlagnahmt. Auch bei dies« Boden reform zogen die Deutschen den Kürzereien. Denn die praktisch« Handhabung war absolut deutschfeindlich. Deutsch« Interessenten wurden über die Bestimmungen d«r Zuteilung dauernd im Unklaren gelassen. Diese «folgt meist hinter dem Rücken der deutschen Bewerb««. Sie haben von den bisher verteilten 186 S18 Hektar nicht» «halten. Da» tschechische Bodenamt geht bei der Zuteilung durchaus planmäßig nach politischen Gchetm« grundsätzen vor. Ueberall dort, wo bisher die Deutschen die Mehrheit in der Gemeinde hatten, Warden tschechi sch«! Familien angesetzt und so die deutsch« Mehrheit ge- brochsn. Dir Einheit de» dautschenVBprachgebtet» wttb auf -isst Weise zerrissen und die Sprachgrenze veoschtestg sich immer mehr in» deutsch« Sprachgebiet. Schon froh locken di« Tschechen. Eine« ihrer Organe „Gtraz Mo- raptz" schreibt triumphierend r „Wir stehen am Fuße de« Allvater», der im Jahr« 1925 von un« völlig beherrscht werden wird." veschränkung der Ausländer,isrn in Polen. Die polnische Regierung hat beschlossen, Maßnahmen zu ergreifen, damit in Zukunft möglichst wenig Nuslandlretsen polnischer Bürger unternommen werden. Nur die notwendigsten Reisen sollen genehmigt werden. Man hofft, daß hierdurch die Autfuhr polnischen Gelds» verringert werde, na» tm Interesse der polnischen Währung unbedingt erforderlich sei. So enthüllen sich Leide Agrarreformen, die polni sch« wie die tschechische, al» schändlich« Machwerke zur Zerschlagung und Entwurzelung de» Deutschtum». De» Völkerbund hätte Li« ein« dankbare Aufgabe, im Zoichon de« Minderheitenschutz«» di» Enteignung der Deutsche» in Polen und in der Tscheche zu verhüten.