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/luer Tageblatt Nr. 124 Sonnabenä» äen 30. Mai 192S Herabsehuna äer Umsatzsteuer. Ein Erfolg der v»mokrat«R. Unter der Fülle der in, der gestrigen ReichStagSfit« zung gefaxten. Beschlüsse ist von besonderer Bedeutung die Annahme einer von dem demokratischen Abgeord neten Nr. Fischer-Köln eingebrachten Entschließung, in der die Regierung aufgefordert wird, dem Reichstag so fort «inen Gesetzentwurf über Herabsetzung der Umsatz steuer vorzulegon. Es Ist M erwarten, daß di« Regie rung di« Vorlage Heftig Einbringen wird, daß sie noch mit dem übrigen Steuerpesetzentwükten zusammen beraten und vor der. Sommerpause verabschiedet werd«» kann. IM Stsuerausfchuß d«S Reichstag« wurde «in Vor schlag da» «bg. Dr. Fischer-Küln (Dem.) besvrochen, dem Einkommensteuergesetz«^ BeMannung defhukügen, dar»usolg« der ArLeUgeber für dl» lhm bei« üo-nstemw Den Beginn der Sitzung hat man bereit« um 11 Uhr vormittags feistgesetzt. Der ganze ReiMve-retat muß noch erledigt werden. Eine große Rede des ReichS- wetzrminister» ist zu erwarten. So sind denn di« Abge ordneten in verhältnismäßig großer Zahl erschienen. Nach einigen geschäftlichen Formalitäten nimmt der Reichswehrminister Dr. Geßler das Wort. Vorher war schon im Reichstag ein Mbänderungsantrag zum ReichS- haushaltplan de« ReichSwehrminifteriumS eingegangen. Nieser Antrag lautet: „Der Reichstag wolle beschließen, da» Gehakt des Reichswehrministers zu streichen." Ter Antrag stammt von den Sozialdemokraten. Sie wollen damit dem Reichswehrminister ihr Mißtrauen ausdrücken. ! Dr. Geßler spricht frei und erläutert die ganze Lage der deutschen Reichswehr/ Er spricht mit starkem politischen Einschlag. Zuerst setzt sich der Minister mit der Kritik auseinander, die am TienStag von verschiede nen Seiten an der Reichswehr geübt worden ist. Er er- klärt, die Ausgaben seien nicht zu hoch. Wenn man strei chen wolle, dann müsse man unter da» heruntergehen, was selbst die Entente als notwendig für Deutschland betrachte. Es sei auch kein Nachweis erbracht worden, daß zuviel gezahlt werde. Der Minister behandelte die Schwierigkeiten, die kn bezug auf den tüchtigen Nacht wuchs bei den Offitteren der Reichswehr bestehen. Auch für die Maun^chpften müsse natürlich bei einer Dienst- -ett von »w^li Jahren für Bef.brderunaSmvglichkeiten Sora« getragen werden. Die Zahl der OfstzierSpferde in der Reichswehr sei kleiner als bet der Schweizer Armee. Ter Reichswehrminister gibt zu, daß die Reichswehr Gelder von vaterländischen Verbänden angenommen hat. Aber sie heibe sie lediglich angenommen, um da mit WvhlfahrtSeinrichtungen für die Angehörigen der Reichswehr — für die etatsmäßige Mittel nicht vorhan den sind — zu unterstützen. Dr. Geßler erklärte daß er bei der Annahm« der Gelder die Billigung z. B. des preußischen Innenministers Tevering gefunden habe. Ter politische Zweck der Annahme der Gelder besteh« darin, daß das Reichswehrministerium Organisationen, wie dem Stahlhelm, Werwolf usw.- da« Geld abgenommen und dadurch, verhindert habe, daß dieses Geld zu politischem Unfug verwendet wird. Der Reichswehrminister bezeichn ' nete gewisse Spielereien einzelner Verbände als ein Verbandsunwesen und Unfug. Er bedauere, daß die Gelder für WohlfahrkSeinrichtun- gen in der letzten Zeit spärlicher geflossen sind. Dann betonte der Minister mit Nachdruck, .daß die deutsche Reichswehr dazu da sei, die deutschen Grenzen zu schützen. Tie deutsche Politik sei friedfertig. Von ihm selbst stamme da» Wort, daß in dieser Zett in- «. ein Verrückter an den Krieg denken könne. Unter großer S-annuna erklärt der Minister, auch der Reichspräsident von H'n>enburg, der doch als militärischer Fachmann a""«s^rochen werden müsse, hab« erklärt, daß Deutsch land an einen Krieg gar nicht denken könne. Selbstver ständlich lei man bereit, internattonale SicherhettSver- einbarungen für den gegenseitigen Schutz der Grenzen abzuschließen. So lange aber solche Abschlüsse noch nicht erzielt worden sind, mutz dafür gesorgt werden, daß Deutschland nicht zum Kampfplatz oder zur Etappe frem der Heere wird. Dieser Erklärung stimmte da» Dau« be sonder« lebhaft zu. ' ' Der Minister führte weiter au», wenn die anderen nicht abrüsten, dann sei e» notwendig, daß Deutschland al» Grundlage zur Erringung der Gleichberechtigung in der Welt ein Eliteheer hat wie wir e» tatsächlich in der Reichswehr besäßen. ES sei geradezu lächerlich, von ge heimen deutschen Rüstungen zu sprechen. Ironisch mein- te der Reichswehnninister, ein Volk, da« heimlich rüsten wo Ne. dürke nicht so schwatzhaft sein, wie e» da« deut sch« Volk ist! Mit Nachdruck wandt« der Minister sich gegen die Militärspklereim gewißer Kreis«. Richtig sei, daß im Herbst .1923 Zeitfreiwillige einge stellt worden seien, und daß di« total erschöpfte Muni tion bi» zu der durch! den Versailler Vertrag gezogenen Grenze ergänzt worden sei. Aber von einer Geheim haltung könne keine Red« sein, denn er selbst, der Reich». w«hrminister, hab« damal» Im Kabinett beantragt, dies« Ung« offiziell de« Sntent« mittzuteilens leider sei die ser Antrag im Kabinett nicht durchgegangen. Heut» würden Zeitfreiwillige nich», mehr »u«geLild«t. Dan« beschäftigte sich der Minister mit der Frag« da» VazisiSnu». Gegen «inen vernünftigst Vatzififtnut Dr. Gehler über die Reichswehr Der ReichAwehretat im Reichstag. sei nichts einzuwenden. DK größte HeereÄoorlage aber sei in Frankreich von Herriot und seinem Linkskartell ge macht worden, woraus fick ergäbe, daß Republik und Demokratie zwar friedlich aber nicht defaitistisch zu sein brauchen. Da» deutsche Volk könne nicht auf da» ver zichten, worauf wir selbst nach dem Vertrag von Ver sailles Anspruch haben. Bei der bekannten Broschüre der Liga für Menschenrechte könne von einem Landes verrat keine Rede sein, wohl aber hab« diese Broschüre Deutschland im Ausland« sehr geschadet. Bon einem Verrat könne deshalb keine Rede sein, weil neun Zehntel de» Inhaltes der Broschüre, eine Aufzählung der Maß nahmen, die im Versailler Vertrag festgelegt sind, be deuten. Tann gab es eine Sensation. Der Reichswehrmini ster beschäftigte sich mit den Anschuldigungen gegen die die sognannte schwarze Reichswehr und wies diese Anschuldigung al» unberechtigt zurück!. Dabei kam er auf den früheren sächsischen Ministerprä sidenten Dir. Zeigner zu sprechen, der seinerzeit heftig» Anklagen im sächsischen Landtag gegen da» Reichswehr ministerium erhoben hat. Der Reichswehrminister er klärte unter größter Erregung des Hause«, man müsse Herrn Dr. Zeigner mildernd« Umstände zubilligen, denn er habe als Unterlagen für seine Anklage lediglich die Anklagen gehabt, die der deutfchvölkische ReichStagSab- geordnet« v. Graefe-Goldebee gemacht hab«. Bei den Völkischen wird es unruhig. Sie schicken «inen Diener hinaus, um Herrn o. Graefe zu holen. Ter Minister spricht aber ruhig weiter, während die Abgeordneten sich lebhaft über diese Feststellung unterhalten. Zu den Angriffen gegen das Offizierkorps kann ich nur aufrichtig versichern: Da» deutsche Heer, wie e» steht, ist ein Heer der Republik! Da» alte Offizierkorps hat sich mit größtem Pflichtgefühl der Republik für die Neugestaltung doS Heere» zur Verfügung gestellt. (Beifall rechts.) Die Offiziere, die ihren Eid auf die republikanische Verfassung geleistet haben, werden die sen Eid nicht brechen. Die Reichswehr habe ein« weltgeschichtlich« Aufgabe zu erfüllen. Die Borwürfe die von der Sozialdemo kratie gegen ihn gerichtet worden seien, seien ungerecht. Jedoch erkenne er an, daß Mängel vorhanden seien die beseitigt werden müssen und für deren Beseitigung er auch eintreten wolle. Scherzhaft sagt« er MM Reichs tag: „Wenn Sie mich einmal los sind, dann bekom men Sie mich nickt wieder." Die Republik müsse mehr Gemütswerte schaffen. Tie Liebe könne man nicht be fehlen. Er wolle alles tun um die Liebe zur Republik zu fördern. Er habe seinerzeit, Vor fünf Jahren, al« er das Amt des Reichsminister» übernommen, verspro chen, Ordnung zu schaffen und das Heer zur Verfas sungstreue zu erziehen. Er habe da« Bewußtsein, hiess Aufgabe erfüllt zu haben. ' > Nach der Rebe Dr. Geßler» kamen noch di« Redner der Wirtschaftlichen Bereinigung, der Bayrischen Volks- Partei und der Völkischen zu Wort. Abg. Bredt (Wirtsch. Vgg.) erinnerte unter Hinweis auf den sozial demokratischen Antrag da» Gehalt de« Reichswehrmi- ntsters Geßler zu streichen an BtSmarck, der in einem ähnlichen Falle gesagt halt«, er werde da« Gehalt ein fach einklagen. ' > Abg. Lotbl (Bahr. Bv.) bedauerte, daß wir durch die Entente verhindert würden, die allgemeine Wehr pflicht einzuführen. ' Der deutschoölfische Abg. v. Ramin erklärte, daß seine Partei den Wehretat annehmen werde, nicht wegen de» Reichswehrminister» Geßler, sondern, deshalb, weil di« Völkischen Anhänger de» Wehrgedanken« seien. Er Polemisierte gegen die Liga 'für Menschenrechte, die die Geschäfte Frankreichs betreib«. Gegenüber der Feststel lung des demokratischen «bg. Haa«, Reichspräsident von Hindenburg habe sich für 'eine friedliche Lösung' der schwebenden Probleme eingesetzt, meinte der Redner, daß Hindenburg eben nicht vnder» könne, weil er keine genügend große Wehrmacht zur Verfügung habe. Eine längere Debatte gab e« dann über oie sozial demokratische Interpellation wegen des Pionterunglücks ans der Weser, dr« von dem, sozialdemokratischen Abg. H'ünlich begründet wurde. Verantwortlich fstr da» Unglück sei der leitend« Offizier gewesen. Aber typisch sei di« irreführend« amtliche Berichterstattung gewesen und di« Art, mit her von militärischer Seit» die v«f- fentlichkit durch verfchl,i«rung d«4 Tatbestand»» völ lig falsch untarrichwt Word«« s»i. Auf di« Frage, wa» di» Heeresleitung tun wolle um der Wiederholung sol cher Unglücktzläll« vorzubeugen, erwidert« Reichswehrminister Geßler, daß die Heeresleitung sofort alle Schritte getan habe, um die Ursache de» Un glücks aufzuklären. Im kommenden Monat wird in öffentlicher Gerichtsverhandlung die Schuldfrage unter sucht werden. Der Minister bestritt, daß irreführend« Berichte von der Reichswehrverwaltung der Oekfentlich- kett übergeben worden seien. Der grundsätzliche Fehler bet den Bestimmungen für die Ptonterübungen sei der, daß sie nur für den Kriegsfall eingestellt waren, W» man m^hr riskieren müsse al» bei JrtedenSübungen. Diese Bestimmungen sino nach dem UnglückSfall sofort revidiert worden, und e» find Wetter« Sicherung»- und Schuhvorschrifton aufgenommen worden. Dor kommunistische Abg. Neu bauer meinte, der UnglückSfall sei eine Folgeerscheinung der Leichtfertig- kett, mit der bet der Reichswehr von höheren Vorge setzten mit dem Leben der Soldaten umgegangen werde. ES sei vorgekommen, daß 'Soldaten auf Befehl ihrer Vorgesetzten mit scharfer Munition und Handgranaten strafererzteren mutzten, wobei auch leicht Unglücksfäll« Vorkommen können. In den 'militärischen Berichte« sei der Versuch gemacht worben, di« wahren Schuldigen zu docken. Nachdem sich der Abg. Brünknghau» (D. VP.) gegen die Art de» Vorredner» gewandt hatte, diesen traurigem Vorfall politisch auszunützen, nahm Reich»- wehrminister Dr. Geßler noch einmal da» Wort, um auf Grund der Nachprüfung durch ein Gerichtsverfahren zu bestreiten, daß die Behauptung de» Abg. Neubauer, daß mit scharfer Munition strafererriert worden sei, rich tig sei. In dem ange-ogeneN Fall habe, e» sich herau»- gessttllt, daß die Soldaten leichtfertig mit einer scharfen Mine gespielt hätten. In der weiteren Debatte nahm der sozialdemokrati sch« Abgeordnete Künstle'r Gelegenheit, den Reichs wehrminister zu ersuchen, doch zu deN Äußerungen Her- riots vom 28. Fanuar diese» Jahre» in der französi schen Deputiertenkammer über Verstöße Deutschland» Stellung M nehmen. Herriot habe davon gesprochen, daß Deutschland Gasmasken yerzustellen versuchte, ob wohl ihm das verboten fei. Rsichsmwehrminister Dr. Geßler erwiderte, er wolle auk die Herriot-Rede 'vom Januar im allgemeinen setzt nicht eingehen, sondern bebakte sich da» vor, wenn di« Note über die Mllttärkontvolle einaelaufen fei. Uber in der Gaswaskenkrage ist der Standpunkt der deutschen Regierung sehr einfach. Deutschland hat in Genf be antragt, den , > > , < , i s ,, Gsfiaarkrseg, diese besonder» unmenschlich« und besonder»' unritterliche Art Krieg zu führen 'M beseitigen. Solange aber der chemische Krieg nicht abgeschafft fei, glaube Deutschland das Recht zu haben, Gasmasken als VerteidigungSmittel anMschaffen. Im Derlgiller Vertrag sind zwar chemi sch« Ui-griff^mittel verboten aber Abwehrmaßnohmen gegen chemische Angriff« find Deutschland nach Ansicht der deutschen Regierung erlaubt und zu diesen Bertei« digungSMitteln gehören die Gasmasken. Richtig ist, daß di« Auslegung der Vertragsbestimmungen zwischen der Entente und der Reichsreaterung strittig ist. Mir müs sen dabei bleiben, daß uns Abwetzrmaßnahmen gestattet sind. Sollt« in Genf der chemische Krieg abgesckafft Warden, dann hätten wir die GaSmaSkeN nicht mehr nötig. Wir würden es sehr begrüßen, wenn sich die an deren Länder zur Beseitigung de» chemischen Kriege» aufraffen könnten. Freilich, solange daS nicht geschieht, müssen wir alle Schutzmittel die un» zu Gebote stehen, für unsere Verteidigung bereitstellen. ' Dio Debatte schließt: der Etat der Reichswehr mit Ausnahme des Etats dek Marineverwaltung wird er ledigt. Alle Abstimmungen werden bi» nach der Bfingst- vans« vertagt. Die nächste Sitzung findet am S Juni statt. > > " MMM Anzeiger für das Erzgebirge «va»-" -as'biau Enthalten- Sie amtllch»« Sekanatmachuageo -rs Nate» -er Sto-t UN- -es fimt-gericht- Vu». P-M'ck.-euw'fwu ttp,,»