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Mittwoch, äen 7. Januar 1925 Nr. S Mer Tageblatt WM- Anzeiger für -as Erzgebirge «Wiamm»» La-rdlatt ^u.rrzgrdir^. Enthalten- -l» amtlichen Sekanntmachungrn -»» Nates -er Gta-t «n- -»» ftmtrgericht» Hue. pastghuftiftaw, NM «mir s*.ISS» 20. Jahrgang Sine günstige 8il»n). Do« Finanzmtntster Dr. Reinhold. Da» erst« Jahr der Gwßen Koalftton, das JaHr 192-, Dar auch für un- in Sachsen da» Jichr der Sta- blltsierung. Wir Haden tn Sachsen unseren öffentlichen Wuüchalt — hoffentlich endgültig — tn Ordnung ge bracht. Der erst« Etat, d«n die Koalitionsregierung vor- stsstWt hat, hat ohne Fehlbetrag abgeschlossen, und die sich bessernd« wirtschaftlich« Lage hat bewirkt, daß dte Steuereingänge höher gewesen find, als man im Frühjahr 1924 vorsichtigerweise annehmen konnte. So D «S gelungen, die tM Lauf des Jahre» an dte Staat». Wste gestellten Mehrforderungen, vor allem für die Be- ««itS«gehülter, au» den Mehrertrügntsfen zu be friedigen. ES wurde sogar möglich, tm Dezember die allzu schwer« Steuerlast für dte Wirtschaft etwa» zu Mildern und gletchzetttg auf dem Gebiet der Miet- »tUspeuer dringend erwünschte foztale Erleichtemn- ge« L» schaffen. j Zu diesem günstigen Ergebnis hat die Erstarkung der deut'chrn Wirtschaft besonders auch der sächsischen, wesentlich beigetragen, vor allem dadurch, daß der säch- fische Staat von der drückendsten Last, die hei Antritt der Koalitionsregierung eine außerordentliche Sorge war, nämlich von der ErwerbSlosenfürjsorge .fast ganz befreit worden ist. Wir hatten Ende des Jahres 1923 tn Sachsen 604 000 zu unterstützende Erwerbslose und Zuschlagsempfänger, und die Summe, die das Land für diese Unterstützung au bringen m^ßte, belief sich da mal? auf,annähernd eine Million Goldmark in der Wo che! Ende 1924 waren insgesamt 88 000 Erwerbslose und Lu^chl?g?empsänger, deren Unterstützung ohne In anspruchnahme von Landekmit^eln ganz aus den Bei trägen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gebest wer den könnten. Dazu kommt aus der anderen Sette, daß die besser beschäftigte Wirtschaft selbstverständlich wesentlich hö« bere Steuererträgnisse gebracht hat, so daß vor allem dte Arbettgeberabgabe, die ja vom 15. Dezember an nur noch zur Hälfte erhoben wird, tn den letzten Monaten sehr hohe Summen erbrachte. WaS dte StaatSwissenschaft anbetrtfst, wurde durch dte Gründung der Sächsischen Werke ebenfalls erhebliche.Fortschritte erzielt. Der Ausbau des Böh lener Werks.wurde so gefördert, daß die Inbetrieb nahme der Brikettpressen im Frühjahr zu erwarten steht und daß gleichzeitig mit der Stromabgabe, wenn auch noch in beschränktem Umfang, begonnen werden kann. Ferner gelang es tm Dezember, das große Strvmlei- tungSnetz zu schließen, so daß nunmehr ganz Sachsen einheitlich mit Strom versorgt werden ka:.^- Daneben wurde der Ausbau der Wasserkräfte als Staats aufgabe neu in Angriff genommen und wesentlich /ge fördert. GS wurden nun die Wasserläufe zum Ausbau ausgewählt, die einen dauernden wirtschaftlichen Nutz effekt versprechen. Tie Bauten wurden so rasch und ver hältnismäßig so billig — zum großen Teil unter den bet den Planungen angesetzten Beträgen — -gefördert, datz die Rentabilität sich vermutlich noch etwa» günstiger stellen wird, al» ursprünglich angenommen wurde.. Die Wasserkrastanlage in Aue wird vermutlich noch por dem 1. Lchrtl. die bet Waldenburg und Kloster buch tnr Laus« de» Mat, dte bet Wurzen tm.Spät sommer tn Betrieb genommen werden. Ebenso wird dte große Talsperrenanlage bet Muldenberg und dte Trinkwasserversorgung, wenn -eine besonderen Zwischen fälle eintreten, tm Frühjahr fertig werden. Erfreulich ist auch!, daß dte Sächsische Staats bank eine außerordentlich günstige Entwicklung genom men hat und durch vorsichtige Kreditgewährung der sächsischen Wirtschaft wesentliche Hilfe gebracht hat. Bon aNen größeren Verlusten ist dte Staatsbank mit.Aus nahme etneS Falles, der die Städte- und Staats bank der Oberlausttz betrifft und der wenige« ver lustreich ist, als Werst angenommen, dank Ihrer Vorsicht «a» ha» neu« Jahr betrifft, wtrd alle» davon.ab« hängen, ob eS den Bemühungen der sächsischen Regte- rung gelingt, beim neuen Finanzausgleich dte schwer« Benachteiligung Sachsens durch dte Schlüsselder- teilung der einzelnen Steuern zu beseitigen und -urch- zusetzen, datz den Steuerüberweisungen des Reiches da» Artliche Aufkommen zugrunde gelegt wtrd. AN«» tn allem hat da» erste Jahr der Großen Ko alition eine stark« Konsolidierung derHstttischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Sachsen gebracht. Die Koalitionsparteien dürfen mit berechtigtem Stütz auf ihr« Erfolg« Hinweisen, die um so größer sind, al« vor einem . Jahr wohl nur wenig« Politiker der Regierung H«ldt ein so lange» Leben prophezeit haben. Da» bi»- Lsrig, »irren der Koalition läßt auch, für» -wett« Jahr. fD-e Hoffnung«« anAhrießchn l Vie koke üer voiDasterirsnterrnf überreicht. Berlin, 5. Januar. Heute mittag um XI Uhr er- schienen dte alliierten Botschafter unter Führung de» englischen Botschafters Lord D'Abernon beim Reichskanzler um ihm die Note der Botschasterkonferenz in der Räumungsfrage zu über- reichen. Die Note wird erst im Lauft des Nachmittags ver- öffentlicht werden. Der Empfang der Botschafter dauerte nur zehn Minuten. Vie Vertragsbruch-Note. Der Wortlaut. Lite Kollektivnote der alliierten Regierungen über die Frage der Räumung der nördlichen Rheinlands ne lautet kn deutscher Uebersetzungr Artikel 428 des Vertrages von Versailles voM 28. Juni 1919 besagt, daß, um die Ausführung de» ge nannten Vertrages durch Deutschland sicher"-'-rllen, die deutschen Gebiete westlich de» Rhein» einschließlich/ der Brückenköpfe während eines Zeitraumes von 18 Jahren nach Inkrafttreten de» Vertrages durch die Truppen der alliierten und assoziierten Mächte besetzt bleiben. Ge mäß Artikel 429 wird dte in Artikel 428 vorgesehene Besetzung, wenn die Bedingungen des genannten Frie densvertrages von Deutschland getreulich erfüllt wer den, nach und Nach bei Ablauf der ersten fünf, dann der ersten zehn Jahve eingeschränkt werden. Schon jetzt sind dte alliierten Regierungen in der Lage, Her deutschen Regierung, ohne den 10. Januar 1928 abzuwarten, mit zuteilen, daß sie den Beweis dafür erhalten haben, daß Deutschland die im Artikel 429 vorgesehenen Be dingungen noch nicht erfüllt hat. und bis zu diesem Datum nicht erfüllt haben Jönne, uM der Vergünstigung der Bestimmung über die vor zeitige teilweise Räumung teilhaftig werden zu können. Wenn man nur den Teil des Vertrages in Betracht ziebt, so genügen die Ausführungen der Interalliierten MilitürkontrvllkvMrnission vollkommen, die über den Stand der Ausführung der militärischen Bestimmungen gemacht wurden, um diese Entscheidungen der alliier ten Regierungen hinreichend zu begründen. E- sind z. B., um nur einige wesentliche Punkte unter Yen jetzt schon bekanntgegebene» Tatsachen hervorzutzeben, folgende Feststellungen gemacht worden: In Verletzung des Artikels 120 ist der Große Generalstab der Armee in einer anderen Form wiederhergestellt worden. In Verletzung des Artikels 174 sind Freiwillige auf kurze Zeit eingestellt und ausgebildet worden. Entgegen dem Ar- tikel 168 ist die Umstellung der Fabriken für die Herstellung von Kriegsmaterial bet weitem noch nicht durchgeführt. Ent gegen den Artikeln 164—-169 sind bet der militärischen Aus rüstung überzählige Bestände jeder Art vorhanden und es sind Vorräte an Kriegsmaterial entdeckt worden. Entgegen dem Artikel 162 hat die Umorganisation der staatlichen Poli zei noch nicht begonnen. Entgegen dem Artikel 211 hat die deutsche Regierung Sei weitem noch nicht alle von den alliier ten Regierungen in ihrer Note vom 29. September 1922 ge forderten gesetzgeberischen und Verwaltungsmaßnahmen ge troffen. Dte alliierten Regierungen rechnen übrigens mit dem baldigen Eintreffen des Berichtes der Interalliierten Militär kontrollkommission, der die Gesamtergebnisse der Generalin spektion wiedergibt. Dieser Bericht wird es ihnen ermög lichen zu bestimmen, was von Deutschland noch erwartet werden mutz, damit seine Verpflichtungen auf militärischem Gebiet gemäß den Bestimmungen des Artikels 429 als „getreulich erfüllt" betrachtet werden können. Eine weitere Mitteilung hierüber wird der deutschen Regierung zugehen. Gezeichnet E. Della Faille, P. de Margerte, Bosdari, D'Abernon, Honda. Scharf« Angriff« g«g«n Streftmann. Berkin, 8. Jan. In der Sitzung des ^Auswärtigen Ausschusses <n» Sonnabend wurden Beschlüsse nicht ge faßt. ES kam mehrfach zu scharfen Angriffen, besonder» der rechten Parteien, auf dte Außenpolitik Streseinannch dte schon in London dte NichträumUng Köln» hätte vor- auSsehen und diese Ntchträumung durch Aufnahme der- tragischer Verpflichtungen der Entente in da» Londoner Protokoll 'unmöglich hätte Mächen sojllen. Der Außenminister ergriff mehrmals Ha» Wort jzur Verteidigung seiner Politik. I Dte Redner der Sozialdemokraten, ches Zentrum» und der Demokraten traten für die Stresemannsche Po litik ein; die Redner de» Zentrum» mit Vorbehalt. ver n«a« Keickatt»-. Vor der Erstsfnnug» . . ° Berlin, 8. Jan. Zn d« ersten Mittagsshmd« füllt« sich allmählich da» Hau» de» Reichstags». An alle« Portalen herrscht« großer Andrang und SchMpviltztsten sowie Beamte de» Reichstage» führten an den Türe» und Toren die Kartenkontrolle streng durch. An de» Straßenecken der Bannmeile war verstärkte Schupo M sehen. Irgendwelche größeren Demonstrationen -ab«« sich aber nicht ereignet. Ein kommunistischer Trupp mit einer roten Fahne konnte Mühelos aufgelöst werden. Dte Einlaßkarten zu den Tribünen waren jcho» vor drei Ta gen vergriffen. Um 8 Uhr waren die Tribünen über füllt. Dte Diplomatenloge war gut besetzt. Asch uns der Pressetribüne herrschte großer Und««-, HMsßnw dere von Ausländern und Herren au» .d« Drovintz, Die Eröffnung. Um 3.18 Uhr, al» Saal und Tribünen übersWt sind, besteigt der Alterspräsident, der 79jährig« .Sozialdemo krat Bock, den kurulischxn Sessel und erhebt die Glocke, um die Sitzung zu eröffnen. Schon setzten die Koch- munisten mit Radau und den Rufen „Amnestie! Amnestie!" ein. Herr Bock erklärt nachdrücklich, daß diese erste Sitzung lediglich geschäftlicher Natur sei und keinerlei Worterteilung, wie sie die Linke erzwinge» will, .vorgenommen werden könne. Und merkwürdiger weise legt sich da» aufsteigende Wetter! Man beruhigt sich bei den Kommunisten. Auf jeden Fall ist die Stim mung bet den Radikalen bemerkenswert stau, und der Namensaufruf kann beginnen. Die Stimmung bleibt flau, bi» man »ach Beendi gung der Auszahlung, die dte Beschlußunfähigkett de» Hauses ergab, den Kommunisten die Gelegenheit chot, ihre Wünsche von der Amnestie kurz vorzutragen. .Gt geschah von den Herren der Linken tn der üblichen Weise. Es ist nun allerdtng» zu unterscheiden, zwischen dem all gemeinen Amnesttegedanken, Per nur erfüllt werden kann durch ein neue» Gesetz, wofür wenig Aussichten por- handen sind, und der Freilassung der zur Ket in Haft befindliche« ReichStagsabgeo rdne- ten. Allmählich kristallisiert sich die ganz« Debatte um den letztgenannten Punkt. Von dem voGsparteilichrn Wb« geordneten Dir. Scholz wurde der Antrag etngebracht, im Gegensatz zur Linken mit der Beratung über die Frei lassung zu warten, hi» ein beschlußfähiges Kabinett ge bildet sei. Schotz trat dafür eip, dem Alterspräsidenten das Recht zu geben, den Reichstag zum geeigneten Zeit punkt wieder zusammenzurufen, sich bi» dahin aber zu vertagen. Man einigte sich schließlich dahin, wie ur sprünglich vorgesehen war, für den nächsten Mittwoch dte Wahl des.Präsidenten anzusetzen, zu gleicher Zett aber auch d,en Antrag auf Amnestierung der inhaftier ten Abgeordneten. Somit ging di« erst« Sitzung, die zwar einen lebhaften Meinungsaustausch brachte, doch vorüber, ohne größere Skandalszenen zu zeitigen. Man hatte aber da» Gefühl, datz Stoff genug tn der Luft liegt, um später Konflikte verschiedenster Art heraufzu beschwören. Vke -emokratisthe Keschstag-fraktlo« trat am Montag vor der Eröffnung de» Reichstage» und dann im Anschluß an dte erste Plenarsitzung zu Bo- ratungen zusammen. Zunächst wurde al» Geschäftsfüh rer der Fraktion da» FrMtonsmttglied Staatsminrster a. D. Rönneburg einstimmig gewählt. Darauf gab der Vorsitzende Abg. Koch «inen Ueberblick über die politi sche Lage. Bezüglich der Wahl de» RetchStagSpräftden- ten herrschte tn der Fraktion volle lleberetnstiMmung darüber, daß man für die Wiederwahl von Löste ein treten werde, falls er von der soztaldemükvrttfchen Frost- tion wieder al» Kandidat präsentiert Mrd. Die Käte« Sitzung beschäftigt« sich Mit Anträgen der Fraktion, die -um größten Teil bereit» von einzelnen Mitglieder» vor bereitet waren. Die Kaauumeisteu im neue» Reichstag» Berlin, st. Jan. Die housuuutstische Frakion des neuen Reichstage» ist, tn der erste« Sitzung Verhältnis- mäßig schwach.vertreten. Mehrere ihrer Mitglieder be finden sich tu Untersuchungshaft. Der Abgeordnete Katz wird noch in Wien festgehalten und Mrd dort vorau» sichtlich eine mehrtägige Gefängnisstrafe wegen Führung «ine» falschen Passe» verbüßen Müssen. Ruth Fischer ist inzwischen sretgelassen worden, aber noch -»ich- tn Berlin eingetrosfen. Klara Zetkin befindet sich iw Mos kau. Eine ganz« Reihe anderer Abgeordneter, die stock brieflich verfolgt werden, werde« erst tn de« nächste« Tagen «tnlrefsen, wenn durch die Eröffnung de» Reichs tage« ihr« Immunität gesichert ist. Mäh Fischer «ach LmtschlMch abBschch«. Wien, S. Jan. Der .Holatarsteiasr" berichtet aus vtw r «»dsutschs kvenamnisti-h» Reichwagstab^o ebnete