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IS. Zahrgsng Dienstag» äen 30. Dezember 1924 Nr. 302 Oer Vertragsbruch cler Entente . L,> Part», 88. Wz. Die Pariser Morgenpresse sucht eS so darzustellen, als ob die Botschasterkonferenz ge stern bereits ein sachliches Urteil über das Ergebnis her Kontrolle gestillt habe. Dieses taktische Borgehen wird einigermaßen dementiert durch eine der Agenee Hava- aus London zugegangene Schilderung der augenblickli chen Lage. In dieser 'zweifellos beeinflußten Depesche beißt eS, die Entscheidung, die die Botschafterkonferenz getroffen habe, beweise nur, patz die erste Phase be endigt sei. Ne Note, welche die Botschasterkonferenz ausarbeite, stelle die Antwort auf den Protest der deut schen Regierung.gegen die Aufrechterhaltung der Be setzung der Kölner Zone dar. Obzwar diese Note be gründet werde, sei sie doch ein provisorisches Instrument, das jn keiner Weise der Beurteilung der Frage in ihrer Gesamtheit vorgreif«. Der Note werde also eine zweite Mitteilung an die ReichSregierung folgen, über die ent schieden werde, nachdem man in den Besitz des endgül tigen Berichts der Kontrollkommission gelangt sei. Die HavaSdePesche fügt hinzu, es unterliege kxineM Zweifel, daß in London und Paris die diplomatische« und militärischen Autoritäten schon entschieden hätten und daß MaN weder die Mtlitärkontrolle noch die Be setzung der Kölner Zone aufgeben wolle, solange nicht Deutschland die .fünf Punkte erfüllt habe, die die Bott schastcrkonferenz in ihrem Brief vom September 1922 angeführt habe. . > > ver Sesctl«- Orr SoisäMttlronfmin. Einmütigkeit in der Frage der Kölner Zone. — Eine „Noti fizierung" an Deutschland vor d«« 1v. Januar. Paris, 27. Dezember. Die Konferenz der Botschafter begann heute vormittag um 11 Uhr am Quai d'Orsay unter Vorsitz von Jules Cambon. Marschall Fach und sein General- ftabsches, General Desticker, nahmen an der Beratung teil. Beide waren vorher von dem Ministerpräsidenten Herriot empfangen worden. Nach Schluß der Sitzung, um )412 Uhr, wurde ein Lommunkque ausgegeben, das folgenden Wortlaut hat: „Die Botschafterkonferenz hat die volle Uebereinstimmum der Regierungen Frankreichs, Belgiens, Großbritanniens Italiens und Japans in der Frage der Kölner Hone festge stellt. Sie hat sich über das Verfahren geeinigt, wie die Um fassung Deutschland zur Kenntnis gebracht werden soll. Du Konferenz hat mit der Ausarbeitung einer Note begonnen welche die alliierten Regierungen der Reichsregiernng voi dem 1V. Januar übersenden werden. Ter Wortlaut dieser Note soll am Mittwoch, 31. Dezember, endgültig bestimm« werden." ? Parts, 28. Dy. .Lournal" will wissen, daß der gestern abend in der Konferenz aM Quai d'Orsay aus« gearbeitete Entwurf der an Deutschland zu richtenden Note aus Artikel 429 des Versailler Vertrages bezug nimmt und erklärt, die Räumung der Kölner Zone setze voraus,"daß Deutschland alle vertraglichen Verpflich tungen erfüllt habe, daß man aber schpn jetzt feststel len könne, daß sie bis zum 10. Januar nicht erfüllt werden könnten. Tie Botschafterkonferenz habe bis jetzt noch nicht den endgültigen Bericht Der Kontrollkommis-- ffon» doch hätten die provisorischen Berichte schon die einstimmige Feststellung ergeben, daß zahlreiche und sehr ernste Verletzungen gegen die vertraglichen Vorschriften begangen worden seien und noch fortgesetzt begangen würden. (?) Tie Note werde dann den Bericht den Komitees über dLn Stand der Generalinspektion, den Marschall Foch gestern abend den Botschaftern vorgelegt habe, resümieren und schließlich zu der kurzen Schlußfolgerung kommen, daß die Frage der Räumung der Kölner Zone nicht erledigt werden könne, solange sich Deutschland mit dem Ver sailler Vertrag in Widerspruch setze. Diese Feststellung- so schlußfolgert das Blatt,, bestätigt, daß Pie wesentlich« Frage der Verlängerung der Besetzung .noch^-nicht ge regelt, sondern vertagt wurde. Auch das „Journal Pes Tebats" bestätigt heute abend, daß hierüber Einheit zwischen London und Paris noch nicht bestehe, und erklärt, Paß mau sich über die Begründung und die Folgen, die die nicht getreue Erfüllung der in Artikel 429 erwähnten Bedingungen nach sich ziehen würden, noch nicht verständigt habe. London würde eS dorziehen, daß Man die flagrante Verfehlung Deutschlands nicht betone, sondern vor al lem die Behinderungen in den Vordergrund stelle, die die interalliierte Kontrollkommission bei ihrer. Aufgabe gefunden habe. Tas Blatt Hofft, daß bis Mittwoch die britische Negierung über die ernsten Ungelegenheiten einer derartigen Begründung nachdenke. . . „Temps" dagegen will wissen, daß keine Meinungs verschiedenheiten mehr zwischen London und Paris be stehen. Er schreibt: Wir glauben uns nicht zu täu schen, wenn wir erklären, daß sie nicht bestehen oder nicht mehr bestehen, lieber die Räumung der Kölner Zone kann es nur eine einzige Auffassung geben, weil es sich um nichts anderes handelt als darum, ob Deutsch land seine Verpflichtungen erfüllt hat oder ob cS in Verzug ist. Man begreift sehr wohl, daß Man die Schlußfolgerungen des Generalberichts abwarten MN, um endgültig die Verantwortung festzustellen,. die das Deutsche Reich (!) trifft, aber schon jetzt sei man über die Tatsache unterrichtet, daß Deutschland die festge legten Bedingungen noch nicht erfüllt hat und daß in folgedessen die Kölner Zone nicht zum vorgeschriebenen Datum geräumt werden kann. Nach dem gleichen Blatte scheint hinsichtlich des Verfahrens, über da- Man sich verständigt habe, nichts zu befürchten zu sein. Wenn der Hintergedanke, eventuell i mit der deutschen Regierung über ein Kompromiß ß zu verhandeln, I r einigen Kreisen bestanden habe, so scheine jetzt alleS I ( bestätigen, daß er keine Aussicht mehr Hat, durch- I ' ringen. Auf alle Fälle sei nicht Mehr di« Rede da» das Kompromiß abzuschließen, durch das da- Pro» , der verzögerten Räumung der Köln« Zone.Mit Nigen der beschleunigten Räumung des Ruhrge- verbunden werd«. SS handel« jich also um -wet ««schieden» Lsinqe, di* Maa nicht miteinander der- Mm. - t ! i - ' i' l'i' Marseille, 28. Dez. Auf deM gestern begonnenen Kongreß der französischen Liga für Menschenrechte er klärte daS Vorstandsmitglied Pwf. Victor Basch hin sichtlich der Räumung der Kölner Zone, daß man nach seiner Ansicht hierüber mit dxr deutschen Regierung in Verhandlungen Hätte eintreten Müssen. Pwf. Basch her langte dringend die Fortsetzung einer Annäherungspoll- tik zwischen Frankreich und Deutschland, Hamit -die mo ralische Entwaffnung in den beiden Ländern erfolgen könne. Nach Pasch forderten Mehrere Delogierte die Oeffnung der Archive zwecks Feststellung per Kriegs- Verantwortlichkeit. Serlkner pressestkmmen. Berlin, 28. Dez. Der Beschluß der Botschaftevkon- fevenz, daß die Kölner Zone aM vertragsmäßigen Ter mine des 10. Januar nicht geräumt werden soll, wird heute von der gesamten Presse aufs schärfste verurteilt. Selbst per „Vorwärts"^ der annehmen will, daß der Wunsch nach« einem friedlichen Zusammenarbeiten der Völker mehr als eine bloße Redensart der Regierungen in London und in Paris ist, spricht von schweren Feh lern, die in der psychologischen Behandlung des deut schen Volles begangen wurden, und wirft die Frage auf: „Seit wann ist es üblich daß man einem Verur teilten erst die Strafe Mitteilt, die über ihn verhängt worden ist, und ihm dann erst nach gemessener Pause mitteilt, wofür er bestraft wird?" Tas. „Tageblatt* richtet seinen Hauptangriff gegen Herriot. ES wirke nicht imponierend, den Völlerversöhner Herriot zu sehen, der als Krücke einen Säbel des Generals Foch benutzt. Tas.Blatt gibt dje Hoffnung noch nicht völlig auf, daß die Motivierung des Botfchafterbeschlusses so sei« werde, daß noch mit Deutschland verhandelt .werden wird. Aus jeden Fall hätten die deutschen Nationa listen den Profit von der Politik HerriotS. Wes be weist bereits das deutfchnationale Agrarierblatt, .dis „Deutsche Tageszeitung", die erklärt: Wir bleiben das Objekt eines gemeinsamen Schacher-, solange wir un» nicht durch eigene Kraft aus dieser entwürdigenden Lage befreien. Die „Kreuzzeitung" verlangt als erste und vorläufige Antwort aussen neuen RschtSbruch Pen so fortigen Abbruch per Wirtschaft-Verhandlungen mit Frankreich. Bemerkenswert ist, daß auf der anderen Seite auch die „Bossische Zeitung" die Frage aufwirst, ob Deutschland azif die Gefahr hin, um die rechtzeitige Räumung am Rhein wie an der Ruhr geprellt zu wer den, di« Handelsvertrag-Verhandlungen Mit Frankreich fvrtsetzen darf. Um -le Zlnanzministerkonftrenz. Paris, 28. Dezember. Nach einer Meldung Agence HavaS aus Bukarest berichtet die offiziöse Zeitung „Bittorul", daß die rumänische Regierung Einwendungen er hoben habe hinsichtlich des einschränkenden Charakters der an Rumänien gerichteten Einladung zur Teilnahme an der interalliierten Ftnanzministexkonferenz. Die Regierungen der anderen kleinen alliierten Mächte,' die gleichfalls unter Lhn' lichem Vorbehalt zu dieser Konferenz eingeladen worden seien, hätten miteinander Fühlung genommen, um eine ge- i 9» '-»a-.st Puris zu fachen. Mzeiger für öas Erzgebirge «>»»»»,< »««Mw». <nIhoU-v- -Ir oxüllchto Lekoantmachuog-v Nal-- t« Etatt imt .»» ftx ----- wsr Ich« «in NkgOebmgr Po« Alfred Prodauf, Landgertchtsdjvektor und Mitglied de» Reich-tag«-. Die Reaktion, di« sich bet den Wahlen nicht durch- zusetzen vermag, hat Wied« einmal mit Hilfe d«r Ju- sttz einen Steg errungen, mag er auch «in Pyrrhussieg fein. Sie hat durch da- Magdeburger Urteil, einen Freibrief «Halten, zweiter von «inem „Landesverrat" de- Reich-Präsidenten zu sprechen, und sie nutzt diesen Freibrief weidlich aus. Die Reaktionäre .drücken sich via Hände. Wesen „Steg" hatten sie selbst nicht eHofst, nachdem von ihren Kronzeugen der eine alS Lügner, der andere alS vielfach bestrafter Betrüg« entlarvt wor den war. Me „Bossische Zeitung" stellte in der Abend nummer vom 22. Dezember dje berechtigt« Frage, war um sich da- Magdeburger Gericht auf di« .umständlich« Beweisaufnahme eingelassen Hat, wenn es „strafrechtlich" den Landesverrat schon iM Beitritt zur Streikleitung findet, selbst wenn «r au» einem vaterländischen Mo tiv erfolgt wär«. Eine Erklärung liegt naher An dies« raffinierte „juristische" Konstruktion hat da- Gericht zu nächst selbst nicht gedacht, «S ist darauf , erst verfallen nachdem sich die Unmöglichkeit ergeben hatte, den re publikanischen Reichspräsidenten auf Grund dxS von.der Verteidigung angetretenen ZeugenbewetseS zu diskredi tieren. We Presse beurteilt den Magdeburger Prozeß, so weit sie ihn nicht aus ihrer parteipolitischen Einstellung Mit Freuden begrüßt, im allgemeinen dahin, daß sich hier „formaljurtstischeS" Denken in Widerspruch mit dem gesunden Menschenverstand setze. Wb« auch fvrMaljuri- stisch ist eS (wie inzwischen in der „Bosstschen Zeitung" Geheimrat Prof. W Dr. Käst nachgewiesen hat) ganz unhaltbar, -wischen einem Landesverrat iM strafrecht lichen Sinn und einem solchen iM politischen oder mo ralischen Sinn zu unterscheiden. DaS Magdeburger Uv- teil ist einfach ein juristischer und logischer Widersinn, ja ein Unsinn. Wie hat ein solcher Spruch.gefällt wer« - den können? Es sei hier ganz offen gesprochen; .Das > Urteil ist, eine andere Erklärung gibt eS nichtt di/< Folge politischer Voreingenommenheit gegen den Vtt leidigten. We Folge einer Voreingenommenheit die die Richter-außer Stand gesetzt hat, den Fall in yareM Denken objektiv -u würdigen. v> Die Voreingenommenheit liegt auf dem politischen Gebiet. Jn erschreckender Wesse zeigt sich wieder ein mal daS Grundübel, an dem die deutsche Republik leidet r sie hat, vom Staatstzerichtstzvf zum Schutz der .Repu blik abgesehen, keine Justiz, die auf deM Bode« her republikanischen Staatsordnung steht. Die Richter sind in ihrer erdrückenden Mehrzahl Gegner her bestehende« Staatsordnung. Sie stehen und leben noch , im alten monarchistischen Klassenstaat, fühlen sich innerlich als di« berufenen Verteidiger des allen Staate». W« nicht ge rade zahlreichen ÄÄrtsgenossen, die sich durch ihre Zu- gehörjgkeit zum Republikanischen Richterbund als An hänger des neuen Staates bekennen, sind ihnen verhaßt, was sich vielfach sogar in gesellschaftlicher Aechtung zeigt. Wenn die alten Richtervereine dem Republikanischen Richterbund gegenüber erklären, auch! ihre Mitglieder ständen alle auf dem Boden der Verfassung, so Helfen sie sich mit einem sophistischen Trugschluß. ,Gie Kam mern sich paran, daß das Grundgesetz der Republik auch Verfassungsänderungen vorsteht. Da» ist aber nicht das wesentliche der Verfassung. Ahr Kernstück ist der Artikel 1 Mit der Festlegung: „Das Deutsche Reich ist eine Republik. Die Staatsgewalt geht vom Bolle aus." La- ist nicht etwa eine UebergangSbesttMmung, sondern eine Bestimmung, die für alle Zett gedacht ist. (Es wäre gut gewesen, wenn dieser selbstverständliche Gedanke auch noch ausdrücklich unterstrichen worden wäre durch eine Bestimmung, daß der Artikel 1 nicht Gegenstand von Anträgen auf Abänderung der Ver fassung sein kann.) Nach der sophistischen Auslegung < die sich die Ntchterveretne iM Ginklang mit den monar chistischen Parteien einschließlich, der Deutschen voll-, ptzrtei zurecht gelegt haben, soll, wer die Grundform de» Staates durch „legale" Mittel g«änd«ch wist« iM, auch „auf dem Boden der Verfassung' stehen. Aber ' verfassungstreu ist nur, w«r den Artikel 1 al» da» Kernstück der Verfassung echawm Wiste« wU. <,8U Richter halten — wenigsten« soweit sie nicht als Katho liken zum.Zentrum gch-ören — tn.ihrer erdrückenden Mehrzahl zu den monarchistischen Parteien, also zu den Feinden der Verfassung, für die Meisten ist di« deutsch nationale, für viele selbst die völkische Presse da» .po litische Evangelium. G» Hum gar nicht auSbleiben,^e» ist.nur allzu Menschlich, daß sich dies« politische Ein stellung auswtrkt, wenn e- politische Prozesse zu «nt- schetden gilt. > < Die Auswirkung der Polltischen Erstellung der Rich ter pach recht- haben wir nur zu ost gesehen, sei daß ttebeltät-r von recht» Mit tzkimpWchm «Muf« da-