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Muer Tageblatt Anzeiger für -as Erzgebirge WM »KMWMIKMI»«»»»«»»». «uhiwab tk amMchea S^OWUoiachaii^i tea ltatea beeGtM Wch teaMiitegertchtaMi«, ft» l-^1, »LI«. Ar. S00 Donnerstag, 6en SS. Dezember ISS« IS. Jahrgang lschM Grundsatz. Daß st- da- größte Werk vellende, Genüzt ata Beist für tausend Hände, ?slli>scde wrld»a<dttgtOsM». von StaatSmtntster a. D. Fischbeck, M. d. R. »Freud« an der Andern Freude", das ist der besondere seelische Gehalt der deutsche» Weihnachts feier. In dieser Freude betätigt sich die Liebe, mit der wir in diesen Tagen unsere Nächsten nach Können und Der- mögen zu umfassen bemüht find, und die Anteilnahme an den Regungen froher Menschenherzen. Dem Fest eines solchen Friedens gebührt ein eigenes Willkommen nach den Wochen harten politischen Kampfes, der unser Land durchtobt hat und in Hinsicht auf sein Ziel auch heute noch der Entscheidung harrt. Der AuStrag der verschiedenen sich gegenüberstehenden Meinungen ist das Recht und die Pflicht eines freien Volkes, das Herr seiner Geschicke geworden ist. Aber wir haben Ur sache, uns in diesen Tagen festlicher Ruhe zu fragen, ob die Art und die Methoden des Streits, wie sie in den letzten Mo naten mit besonderer Schärfe hervorgetreten sind, würdig sind eines Volkes, aus dessen Gemüt heraus die deutsche Feier der Weihnacht geboren werden konnte. In schärfstem Gegensatz zu ihrem Geiste stehen die Kampf mittel welche von rechts gerichteten Schichten mehr und mehr zur Anwendung gebracht werden. Kreise, die so gern als die Gebildeten und zur Führung Berufenen angesprochen werden möchten, mischen in den Streit um öffentliche Dinge die Gifttropfen niedriger persönlicher Verfolgung, bis in das private Leben hinein, gesellschaftlichen Abschlusses gegen Par- teimähig oder religiös anders gerichtete Mitbürger, des Boykotts selbst der Familienmitglieder, der Frauen und Kin der demokratisch gesinnter und tätiger Männer. Aufrechte Frauen und Männer nehmen solche Aechtung um ihrer Ueberzeugung willen auf sich, andere schwache Naturen beugen sich, um nur ja nicht in der „guten Gesellschaft" in den Ver- dacht mißfälliger Gesinnung zu geraten. So mancher Kauf mann, so mancher Industrielle, der täglich gewahr wird, wie unser wirtschaftliches Leben unter der demokratisch geführten Politik der Verständigung einer allmählichen Gesundung entgegengeht, der zittert vor dem Gedanken, daß durch nativ- Nalistisch-tolle Experimente Erschütterungen des Staats lebens und neue Krisen heraufbeschworen werden könnten, wagt nicht, den Mund aufzutun, wenn am Honoratorientisch der deutschnattönale Herr Gymnasialprofessor oder der völ kische Herr Oberstleutnant a. D. ihren Zorn ausgießen über die „feigen Kerle da oben in der Regierung", die ihren aus weitem Munde entflossenen Ratschlägen nicht folgen wollen. Man schweigt, man nickt Zustimmung, man will doch zur „Gesellschaft" gerechnet werden. Haben solche Leute kein Gefühl innerer Scham vor sich selbst? Merken sie nicht, wie so oft die wirklichen Motive ihres Verhaltens von den außen Stehenden durchschaut und gewürdigt werden? Und jene „gebildeten Kreise", die mit brutalem Bewußtsein ihr System der persönlichen Aechtung zur Anwendung bringen, haben sie keine Vorstellung von der Unkultur ihres Verhaltens und von der Lächerlichkeit ihre» eingebildeten Vornehmheit? Ahnen fie nicht, daß sie an dem sittlichen Grundpfeiler der öffentlichen Lebens rütteln, an feiner Ehrlichkeit? Nur der hat Anspruch auf die Achtung seiner Überzeugung, der die Ueberzeugung des Anderen ehrt. Man glaubt dort drüben auf der Rechten, zur Führung berufen zu sein kraft seiner Herkunft und seiner Erziehung. Auch die Demokratie verlangt für die Führung des Volkes im Staat, in der Wirtschaft, wie im kulturellen Leben Quält- täten, aber sie bestreitet, daß die Befähigung, auf die es -allein ankommt, ein Vorzug bestimmter Kasten und Cliquen sei. Friedrich der Große, aus fürstlichem Geblüt, war gcwi' ein genialer Staatsmann, aber George Washington lebt in den Vereinigten Staaten Amerikas in dem gleichen Ruhme eines genialen Führers seines Volkes fort, obwohl er aus dem einfachen Stande eines Feldmessers hcrvorgegangen war. Goethe entstammte einem Frankfurter Patrizierhause, der große Philosoph Spinoza erwarb sich in seinen jungen Jah ren den Lebensunterhalt und die Mittel zur Fortbildung durch das Gewerbe eines Glasschleifers. So wenig die Demokratie behauptet, daß alle Glasschleifer große Philosophen, alle Feld messer große Staatsmänner werden können, so wenig wird man fie glauben machen, daß alle Söhne der Patrizier das Rüstzeug eine» großen Dichters in sich tragen, daß qlle, deren Wiegen in den Palästen stehen, von einer gütigen Fee mit den Gaben eines großen Staatsmannes begnadet find. An den sich die weltumspannende Heilsbotschaft dieser WeihnachtStage anknüpst, er ward nach der Ueberlieferung geboren als Sohn eines Zimmermannes in der Krippe zu Bethlehem und wa» er der bedrückten Welt gebracht, war da» Evangelium der Liebe und Duldung. Möchte dieses Evangelium nicht nur Lippenbekenntnis einiger Erbauungs stunden sein, sondern in das Innere aller Schichten unsere» 'volle» dringen und auch in seinem öffentlichen Leben über- M eine Stätte finden. Wie der Anderen Freude in dieser »Micher, Zeit unsere eigene Freude ist, so sollte stet- auch unsere Achtung vor den Anderen daS Fundament unserer eigenen Achtung sein. Wahllos verteilt da» Schicksal seine Gaben. Glücklich da» BolX da» versteht, durch seine öffentlichen Einrichtungen die Schatze zu heben, die ihm in seinen Bürger» gegeben find, da» allm Talenten, von überall her, die Wege -um Emporstieg öffnet und ihre Leistungen zum Vorteil de» Ganzen zu nutzen weist. i Nicht Geburt und Herkunft, sondern der Geist al- letn M . maßgebend sein für die Auslese der Führ« »ach dvw venlkmg gegen ä« MsgaebiiM cktell. Wie wir erfahre«, ist sowohl von feite« de» General staatsanwalt» wie auch von feiten der Verteidigung de» Neben kläger», Reichspräsidenten Ebert, gegen da» Urteil de» Magde burger Schöffengericht« Berufuna eingelegt ward»«, soweit da» Urteil nicht auf Grund de» G 18S de» Strafgesetzbuche» gefällt worden ikt und somit offenkundige Nechtsirrtitmer enthält. Die Berufung richtet sich gegen die eigenartige Urteilsbegründung, die den Angeklagten nur wegen formaler Beleidigung ver urteilt. Aus der'Begründung de» Urteil» im Rothardtprozeß ist hervorzuheben, daß da» Gericht zunächst annahm, daß eine Beleidigung de» Nebenklägers im Sinne de» 8 18b vorliege. Als beleidigend wird die Anrede „Fritze", sodann die Wen dung „Eine bittere Pille für Fritze Ebert" und rote Badehose angesehen. Der Satz endlich: „Beweisen Sie doch, daß Sie kein Landesverräter find," enthält nach der Ansicht de» Ge richtes eine Meinungsäußerung, dahin, daß der Nebenkläger ein Mensch sei, dem man einen Landesverrat wohl zutrauen könne. Bei allen diesen Stellen habe der Angeklagte das Be- wußtsein gehabt, daß fie kränkend seien. Der Artikel enthält aber weiter den Tatbestand des 8 18S, indem behauptet wird, der Nebenkläger habe Landesverrat begangen. Der Wahr heitsbeweis mußte erhoben werden. Er wurde dahin ange treten, daß der Nebenkläger Landesverrat begangen habe 1. durch Beteiligung am Berliner Massenstreik, 2. durch Ueber- tragen dieses Streikes nach Kiel, 3. durch den Versuch, einen solchen Streik auch durch Noske in Chemnitz entfachen zu lassen und 4. durch planmäßiges Entgegenarbeiten gegen die oberste Heeresleitung, um die Landesverteidigung zu schwä- ck-en. Bet den drei letzten Punkten habe die Verhandlung keinen Beweis dafür erbracht, daß die aufgestellte Behauptung wahr ist. Soweit NoSke in Frage kommt, sei die Behauptung direkt widerlegt. Am Schluß der etwa etnstündigen Begründung des Ur teils teilte der Vorsitzende mit, daß das Gericht bei Prüfung der Frage nach Aussetzung der Strafe dahin erkannt habe, daß nicht für die ganze Strafdauer Bewährungsfrist bewilligt wer den kann. Nach Verbüßung von zwei Monaten der Gefäng nisstrafe soll der dritte Monat igit dreijähriger Bewährungs frist erlassen werden. Das Gericht kommt zu der Ueberzeugung, daß die Beweggründe des Angeklagten nicht allein auf ver brecherischer Neigung und Verderbtheit beruhen, sondern auch auf Leichtsinn und Unerfahrenheit zurückzuführen sind. Der Angeklagte hat überaus Milde Richter gefunden. S.186 vt.G.B. setzt die Höchststrafe auf S Jahre fest. Getroffen war durch die üble Nachrede da» Staatsober haupt der deutschen Republik. Der Vorwurf.war so schwer, wie er nur irgend sein konnte. .Ein Grund, unter da» Höchstmaß «in wenig herunteHugehen, konn te nur darin liegen, daß man in dem Angeklagten nur eine Marionette in den Händen gewissenloser Hinter- Würmer sah. Ta» Gericht ist aber zu der milden Strafe gekommen, weil e» den vielfach vorbestraften Zeugen mehr glaubte, al« dem Reichspräsidenten und dabet offenbar vergaß, daß e» ohne dessen aufopfernde Tätig keit in und nach dem Kriege nicht auf seinen kurulischen Sesseln sitzen würde. GS hat nur wegen fornmler Be leidigung verurteilt und einen Landesverrat EbertS ab erwiesen angenommen. Es hieße Ebert von neuem be leidigen, wenn man mehr täte, M gegen diese durch die Beweisaufnahme in keiner Weise berechtigte Feststel lung energischen Protest zu erheben. Ebert steht zu hoch, als daß er des Schutze» gegen diesen Richterspruch be dürfte. Ter Richterspruch ist nicht nur »in schwerer Schlag für da» Ansehen de» deutschen Reiche» im AuÄ« lande, er mutz da» Vertrauen de» Volke» in den Rechts schutz, in den Schutz der Ehre de» Einzelnen untergra ben, mutz die Klag« und die Anklage bestätigen, die Binde der TheMis sei über dem rechten Auge in hie Höhe gerutscht. Unerhört ist eD, daß deM Angeklagten nach zwei Monate« die Rechtswohltat der Bewährung zugute kvmmen soll. Diese.segensreiche Bestimmung wur de eingeführt zugunsten der Schwache«, die einmal strauchelte«, nicht aber MM Schutze politischer Ehrab schneider. Sie «ine« Man«« wt» Röthardt z« gaväh- r«r, heißt unverantwortliche« Mißbrauch mit iHv Weibe«. Wa« braucht sich nicht in die kaiserliche Lest zu- rü<kzuversetzen und sich Vvrzustellen, wie v damals mit einem solchen Angeklagten umgesprungen worden wäre, um überrascht zu sein, daß daß Gericht in diesem Falle den Wahrheitsbeweis -«gelassen und damit den Rechts parteien die lang gesuchte Gelegenheit gegeben hat, um alle» auf-ubieten, um die Stellung de» Reichspräsiden ten noch vor Ablaus feiner AmtSPeriode unmöglich zu machen, eine Gelegenheit, Pie die Rechtspresse schamlos und gewissenlos unter Entstellung der Vorgänge au»- genutzt hat. Der WahrheiMbewei» war rechtlich unzu- lässig. ES lag «M» Beleidigung au» - äS5 B-G.B. der. Der ««geklagt» wollte den Neichspwistdenten ta seine» E-m krünRn. Gegenüber diesem vergehen ist ein Wahrheitsbeweis nach der Natur der Sache ausgeschlos sen. Tiefer wäre nur zulässig gewesen, wenn 8 186 oder ä 187 Gt,G,B. (üble Nachrede oder Verleumdung) Vorgelegen hätten. Etz waren aber kein« Tatsachen be hauptet worden, dw den Reichspräsidenten hätten ver ächtlich Machen oder .in der Öffentlichen Meinung Hätten herabwürdtgen können. ES fehlten konkrete Vorgänge, die ihm vprgeworftn wurden. Sn p«n Artikel lind Seine enthalten. Der Angeklagte hat auch in der Hauptver handlung erklärt, er -ab» kein« .Unterlagen für einen Landesverrat de» Reichspräsidenten. » Der Prozeß Muß al» einer der unwürdigsten poli tischen Prozess« bezeichnet werden, die Witz in der Nach kriegszeit erlebt haben. Da» Urteil.interessiert wenig gegenüber des Tatsache, daß e» überhaupt M einem so häßlichen Angriff auf den Reichspräsidenten und seine Verbreitung in der reaktionären Presse kdMmen konnte. Da« ist da» wesentliche an dem Prozeß, daß er wieder gezeigt hat, mit wie unanständigen Mitteln von recht« her gegen die Republik und ihre Vertreter gearbeitet wird. s I' sj Der Makel bleibt an den döNsch-deutschnationale« Dreisen hasten, daß sie die zweifelhaftesten Individuen ausgespürt haben, um den Reichspräsidenten mit Schmutz zu bewersen. SW wurde der ein« Zeuge alS Dieb und Lügner entlarvt, während der andere nicht weniger gl« elfmal vorbestraft war, darunter wegen Hehlerei und Betrug». Dennoch, hatte die Rechtspresse diese Leut« al» vlaubwürdige Kronzeugen hingestettt und schwelgte über haupt in LobeSauSdrücken Mr Vvbert, Mr „diesen ge raden, einfache« Mann, an dessen Glaubwürdigkeit über haupt kein Zweifel möglich ist." Auch wird sicherlich noch „untersucht werden müssen, wieso verschiedene Eide in diesem Prozeß gegeneinanderstehen bannten und wie sich tbre Voraeikbicktte erklärt. . Da« klein« ^Schöffengericht, da, sich heruftn ftchlte, über di« große Geschichte Werturteile zu fällen, di« mehr alS zweifelhafte Qualität der Zeugen und im Hin- tergrunde di« lauernde Reaktion, begierig, die gemeinste Verleumdung des Gegner» politisch auHuiWtzen — e» war ein unerquickliche« Schauspiel, über da» sich, in Moisburg üun der Vorhang senkt. i preMkmmen zum Urteil. Berlin, SS. Dez. DaS Mqgdeburger Urteil iM Be- leidigungsprozeß de» Reichspräsidenten, dessen eigen tümliche Begründung trotz aller „formalen" und „straf rechtlichen" Feststellungen politisch da» einwandfreie Ver halten Ebert« nachweist, wird prompt von der Rech t«- d ressp in dem Sinn austzenützt, der dem ganzen Pro zeß von den Deutschnationalen gegeben worden ist. Evert hat sich also PaS gcht au» her Begründung hervor, da durch strafrechtlich schuldig gemacht, daß er bemüht war. sein Vaterland vor den Folgen eines Radikalen über lassenen Muuitionsarbeitexstkelk» zu schützen. / / Dee „Berliner Lokalanzeiger" weiß natürlich nicht« von dieser absolut klaren Sachlage, sondern faselt in ge wohnter Wahrheitsliebe von der „furchtbaren Feststel lung", daß der gegenwärtige deutsche Reichspräsident «in Landesverräter sei. Wa, hinter dieser furchtbaren Feststellung steckt, zeigt sich, .wenn ha», deutschnattönale Blatt auffordert, „bestimmte politische Folgerungen" au« dem strteU zu ziehen, d. h. also, Ebert seiner Stellung als Reichspräsident zu entheben. Genau die gleichen Forderungen werden mehr oder weniger versteckt — dxnrr offen wagen sie sich zunächst noch nicht hervor — von den anderen Deutschnattönale« Blättern e»Koben. In« dessen verhält sich selbst «in Blatt wie.die „Deutsche Allgemeine Zeitung", die sonst willig jede deutfchna- ttonale Hetze mttmacht, wesentlich reservierter und stellt f<A, daß da» Gericht, wie au» dem Urteil M schließe« sei, ans da» Zeugnis der beide« vorbestrafte» Zeuge« Syreg und Gobert Wert gelegt Haden Müsse. Tatsache ist.aber, daß die Begründung de« Urteil« ausdrücklich da« Zeugnis dieser beiden al» unerheblich, bezeichnet. OS ergibt sich also, daß auch dieser letzte Rechtttzrund für die Urteilsfindung ftlr da» Gericht nicht vorhanden war» In der demokratischen Press« und Hn „vorwärts" wird e« begrüßt, daß voM Generalstaatsanwalt und vom Reichspräsidenten Berufung eingelegt worden ist, damit auch rein juristisch — denn Moralisch ist da» nicht nötig — da« Urteil revidiert wird. BerNn, L4. Vk». Zu dem Urte» im Magdeburg» Prozeß nimmt die ,Germania" heut» tu Ausführun gen Stellung, dw insofern besondere PeqchttuP detzdtw nen, M ste Antwort auf dw in der Rechtspeess« ge stellte Frag» getze», ob m»S d-m Urteil »ich» bestimmt»