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Leitung für den Wahlkampf und-en Wähler. MI aaotl »upt- css» VlS, vss» «llra d«i sabrU, ret. pachteln et sind. Verantwortlich: Ludwig Kaula, Lan-tagsa-geor-neter, Zwickau. Don -er Ruhr bis zum Dawesgulachlen. Jede Konferenz mit unseren „Staatsmännern* der nach- novemberlichen Zeit, die den Franzosen lächerlich vorkamen, brachte uns Niederlagen und bestärkte die Franzosen in ihrem Glauben, daß man uns alles bieten dürfe. So holten sie denn endlich zu dem stärksten Schlage aus und rückten am 11. Ja nuar 1923 unter Bruch des Versailler Vertrages in das Ruhrgebiet ein. Die schlimmste Marterzeit hier und am Rhein begann, die Reihe der Raubtaten, der Flauenschändungen, der Morde, der Mißhandlungen. Noch vorWenigen Monaten ist der Oberförster Feldmann aus Berncastel an den Folgen der Behandlung durch die Franzosen, die ihn mit glühenden Kohlen folterten, gestorben. Das Blut Schlageters, das Blut der 13 sinnlos erschossenen Krupp-Arbeiter, das Blut der 112 anderen Deutschen, der Jammer der in Gefängnissen Gepeinigten und für Zeit ihres Lebens an der Gesundheit Geschädigten schreit zum Himmel. Unsäglich haben die Nerven der deutschen Bevölkerung auch des unbesetzten Gebietes ge- litten, da der Ruhreinbruch uns das Elend des Papiermark. Verfalls gebracht hat, dem erst Helfferichs Rentvnmark ein Ende machte; und die ehedem reiche Industrie im Westen ist heute in tausend Nöten. Stinnes war entschlossen gewesen, alles zu opfern, seine eigenen Bergwerke zu ersäufen, den Franzosen nur eine Wüste zu überlassen. So wie die Türken der Knechtschaft die Wüste vorgezogen haben und sich so schließlich gegenüber den Feinden durchsetzten. Aber jeder kühne Gedanke eines einzelnen erstickt in der Mehrheit. Die Mehrheit wählt immer das Bequemste. Und jeder Feigling versteckt sich hinter der Mehrheit. Ein König verliert nach Mißerfolgen Thron und Land. In einem Parlament und einer parlamentarischen Regierung aber ist niemand zu fassen. So wählte man auch hier das Bequemste. Man pro klamierte den passiven Widerstand. Passiver Widerstand. Mut zur Geduld. Impotenz der Mannhaftigkeit. Der ganze Widerstand, den die nationalen Verbände zu aktivieren trachteten, um aus Deutschland esn Irland zu machen, das so seine Freiheit wieder erhielte, wurde zu einem bezahlten Streik. Unsere Paeisiflen priesen das neue Kampf, mittel, den „gewaltlosen" Widerstano, der zum Siege führen müsse. Er warb uns keine Freunde; auch die Engländer sahen seither scheel darein, denn als eine Nation von Ge- schättsleuten sind sie nicht für den Sieg gewerkschaftlicher Taktik. Im vorigen Herbst sind wir dann auch an der Ruhr zu- fammengebrochen. Unsere Novemberpolitiker haben in den sechs Jahren des neuen Reiches nicht einen einzigen Erfolg zu buchen. Wir stehen erbärmlicher da als irgend ein kleiner Niggerstaat. Und dabei sollte der 8. November uns doch „die Freiheit* bringen. Auch im Innern haben wir sie nicht bekommen, sondern die Zuchtlosigkeit, kaum gemildert durch eine Flut von Ge- setzen und Verordnungen. Unsere Jugend verwildert. In Berliner Volksschulen sind von einem Lehrer Nackttänze Drei zehnjähriger beiderlei Geschlechts veranstaltet und von seinen sozialistischen Gönnern und Vorgesetzten geduldet worden. Das gehört zum Geist der Zeit. Wenn nichts anderes, so hat uns die Revolution die Emanzipation der Rotznasen gebracht. In Heft 4 der „Internationalen Iugendbibliothek" von 1921 wird unseren Unmündigen gesagt, die jugendliche Proletarierin könne ihren Leib verschenken, wem sie wolle; die Folgen ließen sich ja heute leicht beseitigen. In dem Wahlaufruf der Deutschnationalen steht unter anderem, daß wir wieder ein christlicher Staat werden müßten. Das bedeutet nicht, daß wir auf irgendein Dogma einge schworen werden, sondern daß unsere Jugend wieder eine saubere und anständige Erziehung haben soll. Wir müssen wieder heraus aus dem Dreck. Heraus aus der Feigheit. Heraus aus der Unfähigkeit der Nichtfachleute. Heraus aus der Verteuerung des Lebens durch die Maßnahmen einer ahnungslosen Regierung. Heraus aus der Vergeudung der Staatsmittel für die Revolutions- gewinnler. Heraus aus der Novemberei. Keine der Parteien, die in diesen Jahren an der Re gierung beteiligt war, hat den Befähigungsnachweis dafür er- bracht, daß sie unser Volk emporführen kann. Der letzt« große Irrtum war der hartnäckige Versuch Stresemanns, es trotz allem mit der Sozialdemokratie im Bunde zu schaffen. Aber kein rechter Geschäftsmann nimmt sich doch einen erwiesenen Narren zum Kompagnon. Am allerwenigsten heiratet man einen Leichnam; daß die Sozialdemorkatie am Verwesen ist, riecht man heute doch schon mit Stockschnupfen. In dem ge nannten Buche Emil Barths, des Dolksbeauftragten, steht auf Seite 25 zu lesen: „Weite Kreise des Proletariats, die Führer so ziemlich restlos, sind in den Strudel der Habsucht und der Verkommenheit hineingezogcn.* Und doch sagte Stresemann: „Ohne Sozialdemokratie läßt sich nicht regieren.* Und doch sagte er: „Ich bin der Meinung, daß der Gedanke der großen Koalition richtiger ist, al» der Gedanke Rechtsblock gegen Linksblock.* Und doch sagte er- „Die Deutsche Dolkspartei würde sich selbst aufgeben, wenn sie eine Rlickentwicklung mit machen wollte, die dahin führen müßte, wieder grundsätzlich zwischen nationalen und antinationalen Parteien zu unter scheiden.* Die Deutsche Dolkspartei wird sich nicht aufgeben. Aber sie war bereit» genötigt, Herrn Stresemann» Parteitaktik auf- zugeben. Bismarck sagt« einmal: „Wer bi« Sozialdemokraten er kannt hat, der hat keine Möglichkeit mehr, mit ihnen zu gehen* Wir haben sie erkannt. Sechs Jahre lang hatten sie Zeit, uns zu zeigen, was sie können. Sechs Jahre lang konnten sie uns begreiflich machen, für wen unser Staat umgestürzt wurde. Wir dachten: für das Volk. Aber das Volk hat heute weniger zu sagen denn je. Der Majestätsbeleidigungspara graph im Strafgesetzbuch wurde einige Jahre vor dem Kriege unter Zustimmung des Kaisers und der Bundesfürsten auf- gchoben. Aber Ebert-Deleidigung wird heute schärfer bestraft. Vielleicht ist also er einer von denen, für die das deutsche Volk den Krieg abgebrochen und die Revolution gemacht hat. Er erzählt in der Goethewoche in Frankfurt zum Gelächter des ganzen gebildeten Auslandes, bisher sei Goethe in Deutschland „nur wenigen Fachgelehrten" bekannt gewesen, — obwohl doch heute, meine ich, selbst in der Volksschule schon der Erlkönig und andere Gedichte Goethes den Kindern be kannt sind und die meisten erwachsenen Arbeiter schon irgend ein Drama von ihm gesehen oder gelesen haben. Vielleicht gehört Noske zu denen, für die dem deutschen Volke alles Leid aus Krieg und Revolution annehmbar sein müßte. Er hat im Winter in einem der feinsten Gasthöfe von Pontresina mit Frau und Kindern und Schwiegersohn und Anverwandten fast so vornehm gelebt, wie drei Jahre zuvor Erzberger in St. Moritz in dem allerfeinsten Suvretta-Hotel, wo für ihn und seine Familie eine ganze Zimmerflucht re- serviert war. Und in diesem Sommer hat Noske mit Familie, da der Winterluxus noch nicht genügte, den üblichen Mil lionärsausflug auf die Insel Madeira im Atlantischen Ozean gemacht. Vielleicht ist es unsere Bestimmung, für Herrn Loeb in Weimar zu hungern, den die sozialistische thürinaer Negierung im vorigen Jahre zum Staatsbankdirektor mit zunächst 42 000, später 63000 Goldmark jährlichen Gehalts gemacht und dein sie für den Fall seiner vorzytigen Abdankung eine Halbs Million Goldmark Abfindung zugesichert hat. Es ist das der Mann, der jetzt wegen allerlei Ämtsverfehlungen und wegen Meineids vor Gericht zitiert wird. Ueberhaupt haben ja alle Leute vom Stamme Nimm heute nirgends ein so gutes Leben wie in Deutschland; für alle Ostjuden ist es heute das gelobte Land. Hier finden sie auch, was früher undenkbar gewesen wäre, überall leicht angefleckte, angestoßene Behörden, mit denen sich unter der Hand allerlei machen läßt, wie die Fälle Zeigner und Hermann beweisen, des sächsischen und des thüringischen Ministerpräsidenten, die wegen Bestechlichkeit und Urkundenfälschung vor den Strafrichter kamen. Alle diese Neureichen und Neuregierer haben großes Interesse für Pelze und Brillanten und gutes Leben. Merkwürdig, wie schnell sie umlernen. Sie haben ihr Lebtag gegen schlemmende Bourgeois agitiert. Aber wie ein armer Proletarier lebt heute keiner von ihnen. Diese Nutz- nießer der Revolution zählen nach Tausenden. Derweil werden Zehntausende fachmännisch voraebildeter Beamten bei uns abgebaut . Derweil kriegt der Arbeiter einen Ruck in die Kandare, daß er wieder niederbricht: denn aus dem Unter- nehiner muß die Reaierung alles Hernusbläuen, was die Entente will. Einer steht mit der Peitsche immer hinter dem anderen, wie wir es im alten Staate nie erlebten. Aber es gibt noch Gesättigte bei uns. Deutschland ist fünf Jahre lang das Paradies aller Schieber gewesen. Für sie haben wir. im Kriege und in der Revolution geblutet. Dagegen bäumten die Deutschnationalen sich auf. Und deshalb schrieen alle diejenigen, die ein Interesse an den nach- novemberlichen Zuständen haben, dem deutschen Volke dauernd zu: Der Feind steht rechtsl Es hat nichts genützt. Das deutsche Volk läßt sich nicht mehr dumm machen. Bei den Wahlen vom 4. Mai 1924 wurden dis Deutschnationalen mit 106 Sitzen die stärkste Fraktion im Reichstage. Die Novemberkoalition von 1918 — Demokratie, Zentrum, Sozialismus — wurde zur hoff- nungslosen Minderheit. Zum vollständigen Umschwung genügte die Wahl noch nicht. Wären di« Deutschnationalen statt mit 106 Mandaten mit vielleicht 146 in den Reichstag eingezogen, so hätte wohl selbst Ebert nicht mehr gewagt, sie von dem Bilden einer neuen Regierung fcrnzuhalten. Dann wäre der klare Wunsch des Volkes erfüllt worden, auch einmal „die Anderen* an das Staatssteuer zu lassen, damit man sieht, was sie können, nach dem wir sechs Jahre lang durch die Schwarz-rot-goldenen so fürchterlich enttäuscht worden sind. So aber wurde uns eine Minderbcitsreglerung Marr mit Zentrum, Demokratie und Deutscher Dolkspartei — die Sozialdemokratie als Nothelfer im Hintergründe — beschert. Im August 1924 holten diese Leute dann zu dem Schlage aus, die „Große Koalition* aller Novemberdeutschen wiedcrherzustellen und die 106 Deutsch nationalen nach einer Ncichstagsauslösung zu „zerschmettern*. Es war eine feine Idee. Um den Dawes-Plan ging der Streit. Er ist Abschluß und Krönung der Aera von Versailles, ist nach dem Gutachten de» Engländers Keynes und anderer Nationalökonomen da» raffinierteste Mittel, „um ein Kulturvolk völlig auszusaugen*. Aber er ist Verständigung. Er bedeutet die erste freiwillig» Unterschrift Deutschlands unter die Regeln, nach denen man uns ausbeuten will. Der Dawes-Plan beendet das Regime der Sanktionen und der Plötzlichkeiten. Die deutsche Regierung ließ keinen Zweifel darüber auf- kommen, daß der Dawes-Plan auf jeden Fall Gesetz würde. Man werde ihn auch dann durchführen, wenn zur Zweidrittel mehrheit die deutschnationalen Stimmen fehlten. Und — man hoffte auf die Weigerung der Deutschnatio nalen. Dann hätte man den Reichstag unter der Parole aufge- löst, die Rechte sei daran schuld, daß wir keine Ruhe und kein« Anleihe bekämen, daß die Vertriebenen nicht zurllckkehren dürften, daß das Ruhrgebiet nicht geräumt werde. Man rech nete auf einen zornigen Aufschrei der gesamten noch einmal dummgemachten Nation und auf eine schwere Wahlniederlage der Rechten. Man spielte bereits mit dem Gedanken, dann den General Deimling, der im Kriege wegen Unfähigkeit kalt gestellt worden ist und sich seitdem plötzlich politisch auf die Seite der Linken geworfen hat, als Führer des sozialistischen „Reichsbanners Schwarz-rot-gold" auch zum Ehef der Reichs wehr zu machen, diese zu „reinigen* und schließlich das Regime der Novemberlinge zu verewigen. In der Nacht zum 29. August erfuhren die Deutschnatio nalen die Einzelheiten. Am 29. August selbst warfen sie den Plan der Gegner tak- tisch über den Haufen, indem 47 ihrer Abgeordneten durch Zu stimmung zum Dawes-Plan die Zweidrittelmehrheit ermög lichten. Eigentlich hätten die Dawes-Parteken frohlocken müssen. Aber statt dessen erscholl ein Wutschrei der Enttäuschung. Das Parlament ist nicht regierungsfähig, wenn man dis 106 auf der Rechten in die Ecke stellt. Die wochenlangen, lächerlichen, verlegenen Versuche des Reichskanzlers Marx, eine sogenannte „Volksgemeinschaft* herzustellen, mußten sclni- tern. Der weitere Versuch, einige Deutschnationale in das Kabinett hereinzuneymen, scheiterte dann an der Weigerung der November-Demokratie, von den Sozialdemokraten zu lassen. Und nun mußte doch eine Neuwahl die Klärung bringen. Aber die Novemberlinge sind um ihre vorbereitete Wahlparole gekommen. Was soll man dem Volke sagen? Daß auf der Reckten die „Brotvertenrer* sitzen? Du lie ber Himmel, sechs Jahre lang hat kein Deutsch nationaler regiert, sechs Jahre lang konnte die No vember-Koalition ihre Talente spielen lassen. Warum ist in dieser Zeit noch keine Verbilligung ausgebrochen? Warum ziehen seit Monaten die Preise wieder an? Oder soll man dem Volke sagen, daß die Dawes-Anleihe nur der Mitte und der Linken zu verdanken sei Erstens ist der Dawes-Plan dock mit deutschnationaler Hilfe Gesetz gewor den. Und zweitens ist die Anleihe des Aufhebens, das von ihr gemacht wird, nicht wert. Sie ist ein gutes Geschäft für das Ausland. Für Deutschland bringt sie zur Stabilisierung unse rer Wirtschaft, wozu die Hälfte ihres Betrages dient, nur — 6N Mark auf den Kopf der Bevölkerung. Oder ist die „Ruhr-Räumung* ein Verdienst der bisher regierenden Parteien? Es wird ein ungeheurer Schwindel damit getrieben. Die Räumung des Ruhrgebiets hat in Wahrheit — noch nicht ein mal begonnen! Geräumt sind lediglich die von den Franzosen nachträglich ft' Sommer 1923 meist zur Zollsicherung und Ab rundung besetzten sogenannten Flaschenhälse und Grenz streifen. Zum ursprünglichen Plan Poincares gehörten weder Karlsruhe noch Limburg, weder Dortmund nock Wesel. Das eigentliche Ruhrgebiet ist nach wie vor besetzt. Wir haben den Dawes-Plan lediglich gegen das Versprechen der Franzosen unterschrieben, daß sie irgendwann einmal in Jahresfrist räu men würden. Noch sind die Franzosen Nutznießer aller ihrer Gewalt taten. Für sie und für unsere Revolutionsgewinnler muß das deutsche Volk sich ausbeuten lassen. Es ist Zeit, daß die Er- kenntnis dieser Lage Wandel schafft. Ls ist Zeit, daß mit einem Schlage das deutsche Volk seinem Reichstage eine gan- neue Zusammensetzung gibt. So wie es die Engländer eben erst getan haben, die ihre Demokratie völlig zertrümmerten und den Sozialismus zu einer unbedeutenden Partei dezi- mi»rten. Es ist eine Lüge, daß „die Weltdemokratie marschiert*. Diese verlogene Weltdemokratie ist im Zerfallen, überall, im Zerfallen. Es fehlt nur noch das letzte Aufraffen der National gesinnten. Niemals war es so notwendig, wie heute, daß ?,wablmüde* Drückeberger bis zum letzten Mann wieder in die Front springen und die vaterländische Welle zur reißenden Woge mack-n. Die soll dann endlich den Unrat des Novembers hinw-asckwemmen. Der Hammerschlag zur Entscheidung pocht an die Ge wissen. Wer will für den November sich einsetzen? Der für ein wieder sauberes Deutschland kämpfen? Don der Antwort am Wahltag« hängt unser und unserer Kinder Schicksal ab. -er am 7. Dezember 1924 nicht wählt, versündigt sich an seinem Saterland. V