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*W> Mzeiger für -as Erzgebirge Nr. 201 Donnerstag, cken 28. Nugvst 1924 IS. Jahrgang Bor der Entscheidung schwersten tnnerpvltttfchen Belastungen auSgeftht sind wäre es «in Verbrechen gegen die ruhig denkende Mehr* hett des deutschen Volke-, .wenn man den Putschisten setzt einen Freibrief ausstellen wollt«. Die Vorgänge dieser Lage zeigen dem deutschen Volke mit eindrucksvoller Deutlichkeit, wie schlecht e» am 4. Mat beraten war,.al- eS die grundsätzlichen Geg ner de» Parlamentarismus, die Raufbold« und Maul helden. di« uns letzt vor aller Welt blamieren, in so arvtzer Zahl in den Reichstag. Mickte. Dieser Reichstag ist nicht arbeitsfähig aber nicht Nur, weil die Recht»-, und Link-radikalen überhaupt lede praktische Parlamen tarische Arbeit zu.sabotieren versuchen, sondern auch weil die Teutschnationalen von ihren Agitationsphrasen nicht loskommen können. Er ist Hie Karrikatur einer Volksvertretung, eine Spottgeburt von Dreck und Feuer, ZM ganzen Volke kann es jetzt nur die eine Stimm« geben: Werft das Scheusal in die Wolfsschlucht! IE' Annahme der Dawesgesetze in zweiter Lesung. — Gesamtabstimmung voraussichtlich erst am Freitag. Nun ist's genug! . Mm unsrem Berliner Mitarbeiter. Das Matz diese» Reichstage» ist Poll und die schänd- l chen empörenden Szenen^ die sich umMittwoch gb« aesviett haben, haben e» zum Ueberlaufen gebracht. Politisch ist diesem Parlament dadurch,da» . Urteil ge sprochen worden. Patz.seine stärkste Partei in einer Frage nationaler Leben-Notwendigkeiten trotz besserer Einsicht aller verantwortungsbewußten, führenden Persönlichkei ten nicht den Ausweg guS der Sackgasse einer rein de magogisch eingestellten OPPositionSpulttik zu finden wußte. Moralisch hat er sich selbst das Todesurteil ge sprochen, .indem er nicht zu verhindern vermochte, daß in entscheidungsvoller Stunde widerliche RoheitSakte verübt und Abgeordnete blutig ^geschlagen wurden, die» nur nach bestem Wissen und Gewissen ihre parlamen tarisch« Pflicht erfüllt hatten. Die stürmischen Pfui rufe. in die die gesamten Tribünen beim Anblick lener widerlichen Szene ausbrachen, gaben nur dem Empfin den Ausdruck, da» von allen anständig denkenden Ele menten des deutschen Volke» geteilt wird. Denn es Handelle sich hier nicht etwa um einen Ausbruch be rechtigter Empörung der nur in seinen Formen die Grenzen des Anstandes überschritt, tn seinen Beweg gründen aber anerkannt werden müßte, sondern um seit langem geplante Ausschreitungen zügelloser Raufbolde die bewußt darauf ausgingen, das ^Ansehen pes deut schen Reichstage» im Zn- und Auslande zu untergraben und dem parlamentarisch-demokratischen Regierungssh- stem den Todesstoß zu versetzen. > Denn was war der Anlaß Ku diesen nichtswürdigen Auftritten? Die Nationalsozialisten hatten die Be ratung über das Londoner Abkommen benutzt, um ooch einmal ihre schon so oft gestellte und von der Mehr heit des Hauses abgelehnte Forderung nach Amnestie für Hie politischen Verbrecher zu wiederholen, wobei sie natürlich die bereitwillige Unterstützung ihrer kom munistischen Kampfgenossen fanden. Ein bereits Pom Rechtsausschuß abgelehnter Antrag in dieser Richtung sollte noch einmal auf die Tagesordnung.gesetzt und dann an den Rechtsausschuß zurückberwiesen .werden, damit die Frage noch einmal dort behandelt würde. Der demokratische Abgeordnete Brodaus, der seins Frak tion im Rechtsausschutz vertritt, widersprach und ver hinderte dadurch die sofortige Beratung dieses Antrag». Darauf stürzten sich sowohl die Nationalsozialisten wie die Kommunisten mit erhobenen Wüsten unter Aus stoßung wüster Beschimpfungen auf den Abgeordneten der ruhig guf seinem Platze saß. Verschiedene demo kratische Abgeordnete stellten sich,nun schützend vor ihren Parteifreund und e» gelang, zunächst, wieder et wa» Ruhe herzustellen. Kaum aber hatten die demo kratischen Abgeordneten den Raum vor dem.Sitze ihr«» Kollegen Brodaus wieder freigegeben, al» die Kommu nisten ganz plötzlich und unerwartet in geschlossenen Haufen über Brodauf Zerfielen und Mit.Fäusten auf ihn einschlugen. In der darauf.folgenden allgemeinen Prügelei wurde Abg. Brodauf am Auge verletzt, wäh rend einige andere Abgeordnete mit geringeren.Ver letzungen davonkamen. " Abgeordneter Brodauf hatte sich die Wut der Kom munisten seit langem dadurch zugezogen daß er im Rechtsausschuß stet» gegen dur Amnestierung politischer Verbrecher aufgetreten War. Er steht al» Richter auf dem Standpunkte. ,daß da» Recht nicht durch ständige Amnestien zur Farce gemacht werden darf, und daß der Staat seine Autorität nur zu wahren vermag, wenn diejenigen, die gegen seine Gesetz« verstoßen der verdienten Strafe nicht entgehen. Da» ist ein .Stand punkt den alle teilen müssen.di« an der Aufrechter haltung Hon Ruhe und Ordnung interessiert sind. Da deutsche Volk kann picht au» seiner elenden Lag« -er- au-kommen. wenn e» immer wieder von steuern durch Putsche und Umsturzversuch« beunruhigt wird. Unser Ansehen und unsere Kreditfähigkeit im Innern wie nach außen sind verloren, wenn nicht alle besonnenen Ele mente -usammenstehen und den Umstürzlern «tn ener gische» Hall gebieten. ES heißt geradezu ein« .Prämi« für di« link»- und rechtsradikalen Verschwörer und Meuchelmörder aussetzen, wenn man st« nach kurze« Haft wieder für straflos erklärt. Auf keinen Fall war wie der Abgeordnete Koch sehr richtig bemerkt«, di« durch die Londoner Abmachungen erzwungen« Amne stierung der rheinischen Separatisten «tn triftiger Grund. Ha» Unglück dadurch noch.grüßer zu machen, -aß man auch di« rechts- und linksradikalen Verbrecher tm unbesetzten Gebiet freiläßt. Wenn einmal der Dawes plan in Kraft getreten und Ruhe und Ordnung gesichert ist dann ist es immer stoch Lett genug. Gnade walten zu lassen. Solang« da» nicht geschehen ist, und wir im Gegenteil durch die ablehnende Haltung der Deutsch- nationakst gk-estüber den Londoner v-schlWen ' noch Suesp^iche über da« Reichedahngesetz nunmehr fortfährt. Nachdem auf Anfrage Retchsverkehrsminister Osser nachdrücklich versichert hat, daß die Rechte de» Eisen- babnpersonal» durchaus gewahrt bleiben, .daß vor al- lem die Beamten ihrer Beamteneigenschaft nicht ver lustig geben und daß sie auch bet Besoldungserhöhstn- gen die gleich« Behandlung erfahren wie die, übrigen Beamten de» Reich«», ist -1« zweite Lesung, de» Eisen- bahngesetze» erledigt. Zur zweiten Lesung de» Mantelgesetz«» zum Londoner Abkommen liegen keine Wortmeldungen vor. Infolgedessen ist auch diese» G«s«tz erledigt. Dio Mb- stimmungen werden einstweilen zurücktzestent. Statisch' dritten Lesung erfolgen'. Beim Ban kgesetz beantragen die Kommunisten namentliche Abstimmung. Als der Präsident di» Unter. stützungSfrage stellt, erheben sich mit den Kommunisten auch die Nationalsozialisten und mit ihnen Ludendorff. Diese Feststellung ruft bei den bürgerlichen Parteien große Er- regung hervor. Die Unterstützung für den kommunistischen Antrag ist damit ausreichend und e» erfolgt namentliche Ab stimmung. ' - . . Gegxn da» Gesetz stimmen Deutschnational», National sozialisten und Kommunisten. Da» vankgesetz «tr» mit stütz gegen 171 Stimmen bei st EnthAtuagm nuaenommon. Berlin, 27. August. Der Reichstag, dessen Mittwochfitzung Pom Präsi denten Wallraf um IIV4 Uhr eröffnet wird, beschäftigt sich zunächst.mit der Beratung des kommunistischen An träge». -er zu der Abstimmung am Donnerstag alle ausgeschlossenen und inhaftierten Abgeordneten zu lassen will. Der kommunistische Antrag.wird abgelehnt, ebenso der kommunistische Antrag, wenigsten» Remmele und Tr. Schwarz zuzulassen. Der Nationalsozialist Mick beantragt, den Antrag seiner Fraktion auf.Amnestierung -er sogenannten voll« tischen Verbrecher dem Rechtsausschuß.zu überweisen, da durch» das Londoner Abkommen die separatistischen Hochverräter im besetzten Gebiet ebenfalls begnadigt würden. ' ' ' > Die Ueberweisung jst .abhängig davon, daß niemand im Hause Widerspruch erhebt. In diesem Augenblick Meldet sich -er Demokrat Brodauf und erhebt Wider spruch. Kommunisten und Nationalsozialisten springen von ihren Plätzen auf und dringen unter tobendem Lärm gegen die Bänke der Demokraten vor. Eine An zahl demokratischer Abgeordneter stellt sich «schützend vor die erste Bank der Demokraten, auf. der der Abge ordnete Brodauf seinen Platz hat. Ter Lärm hält Mi nutenlang an. Mit geballten Wüsten stoßen Kommu nisten und Völkische laute Verwünschungen gegen Bro daus .aus. Nur mühsam gelingt eS dem Präsidenten sich Ruh« zu verschaffen. Schon hofft man auf Beile gung -e» Zwischenfalls, da stürzt unter Führung des Kommunisten Neddermeher eine Schar kommunistischer Abgeordneter, darunter Höllein und Koenen, noch Ein mal gegen die Demokraten Io». Brodauf wird von sei nen FraktionSgenossen Korell, Kopsch, Dietrich-Baden und anderen geschützt. Brodauf verteidigt sich mit einem zusammengeballten Bündel Zeitungen. Die Kommuni sten schlagen mit geschwungenen Wüsten auf die Demo kraten ein die nach' Möglichkeit abzuwehren, suchen. Auch! .Sozialdemokraten werden in die Prügelei ver wickelt. an der sich inzwischen -ie Meisten kommunistischen Abgeordneten beteiligen. Während im Saal der .unge heure Tumult fortdauert, erheben sich! die Tribünenbe sucher spontan von ihren Plätzen und stoßen laute Pfui rufe und Verwünschungen gegen die Streithähne aus. IM ganzen Hau» herrscht ungeheure Erregung. Ter Präsident, -er vergeblich versucht hat, sich.Ruhe zu ver-, schaffen und mit der Glocke nicht mehr durchdringen kann, .-erläßt den Sitzungssaal. Der Abg. Brodauf wird von seinen Freunden au» dem Saale geführt. Die erregten Dispute im Saale dauern an. - Der Abgeordnete Brodauf hat leichte Verletzungen an der Stirn davongetragen, .so -aß.ihm ein Verband angelegt werden mußt«. Nach, 7 Minuten eröffnet der Präsident die Sitzung von neuem. Unter lebhafter Zustimmung, der Mittel parteien. der Deutschnationalen und Sozialdemokraten erklärt der Präsident, er sei tief beschämt durch.die Bor-« gänge, -ie sich soeben abgespielt haben. Sie ftien etntzi! deutschen Parlamente» tief unwürdig gewesen. Sin An trag Külz aus vorläufig« Vertagung wird abgelehnt. E» g«lingt d«m Präsidenten durchzusetzen, daß. man in der ' ' >! 1 . j > . l sen widmet man sich kleineren Vorlagen,-!« in rasch«r Folge erledigt werden. >' > i Tie Kommunistin Frau Gohlke verlangt in aufge regtem Ton erneut die Ausdehnung der Amnestie aus! die politischen Gefangenen. Ter Sozialdemokrat Woll- Mann unterstützt dieses Verlangen. Der Demokrat Koch-Weser erklärt,, daß sein« Partei grundsätzlich gegen die Amnestierung politischer Ver brecher sei, da sie da» größte Gewicht darauf lege all« diejenigen mit aller Schärfe zu bekämpfen, die mit Ge walt gegen die Verfassung -ergehen. (Großer Lärm bet Kommunisten und Nationalsozialisten.) Der Deutschnationale Quaatz erklärt, die Deutsch nationalen würden bet der dritten Lesung, tn aller Of fenheit ihre Stellungnahme darlegen. Dann wird die Verhandlung unterbrochen, da -er Mellestenrat zusammengetreten ist. Der Reichstag-er- tagt sich um s/t3 auf.5 Uhr, wo man die Abstimmun gen zur zweiten Lesung -ornehmen will. Die S. Sitzung wirb um 6 Uhr eröffnet; das Haus ist stark besetzt. Der Prä- sident nimmt dann sofort Stellung zu dm Tumultszenen in der Vormittagssitzung des heutigen Tages. TS steht fest, daß als Angreifer sich be teiligt haben: die Abg. Grube, Neddermeier und Epstein. Wegen gröblicher Verletzung der Ordnung des Hause» schließe ich die drei genannten Abgeordneten von der heutigen Sitzung aus und ich! fordere Sie auf, den Saal zu verlassen. Präsident Wallraf stellt.fest, daß die drei genannten Abge ordneten seiner Aufforderung zum Verlassen des Saales nicht gefolgt sind, und unterbricht die Sitzung auf b Minuten. Die Abgeordneten Grube, Neddermeier und Epstein bleu ben trotzdem auf ihren Plätzen. 4. Sitzung. Um 6,10 Min. eröffnet Präsident Wallraf wiederum die Sitzung und stellt fest, daß die Abgeordneten Grube, Nedder. weter und Epstein den Saal nicht verlassen haben. Damit ist ihr Ausschluß für 8 Sitzungstage von selbst ein getreten. Der Präsident stellt weiter fest, daß die betreffen den Abgeordneten auch jetzt nicht den Saal verlassen haben und sich weigern, dm Anordnungen des Präsidenten zu folgen. Damit ist ihr Ausschluß für 20 Sitzungstage von selb st ein getreten. Der Präsident ordnet nunmehr die Räumung der Tribü nen an. Er empfiehlt den Abgeordneten, dm RcgterungSver. tretern und den Journalisten, ebenfalls ihre Plätze zu ver lassen und den Saal zu räumen. Der Präsident verläßt darauf den Saal, sodaß die Sitzung aufgehoben ist. Die ausge schlossenen Abgeordneten werden darauf von. den Exekutiv- beamten aufgefordert, den Saal zu verlassm, und folgen Lie ser Aufforderung. Die im Saal verbleibenden kommunisti schen Abgeordneten stimmen dann die Internationale an. k. Sitzung. Um 68 Uhr eröffnet Präsident Wallraf wiederum die Sitzung. Sofort beginnen die Kommunisten unter Anführung des Abg. Katz mit den Rufen: Nieder mit diesem Polizeiparla- Präsident Wallraf gibt der Erwartung Ausdruck, daß dl« notwendig gewordene polizeiliche Entfernung von Abgeord neten aus diesem Saale die letzt« sein möge. Trist durch jein« Pflicht gezwungen worden, diesen Weg zu gehen. (Lebhafter Beifall bei der Mehrheit.) Darauf wird tn di« Tagesordnung Ansetreten, und zwar tn die Abstimmung zur zweiten Lesung der Gutachtengefrtz«. Die Abstimmungen über die Entschließungen soll erst Set der dritten Lesung erfolgen. /luer Tageblatt MZW /lnzeiger für das Erzgebirge amtlich« S«Ua«»„»pfiaal,«. -gram««, Lagrdla« stu,«rzs«bi»g.. Enthalte«- Sie amtliche« Sekanntmachunge« -es Nates Ser GtaSt v«s -es Amtsgerichts fiue. p»stsch««.gonto, Amt Leipzig «,. 1««».