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/luer Tageblatt ZM--- Mnzel^er für »as ErAZebirge MM r,l«oramm«, kag«»iatt n-»»r»«»u»a« Eatdaltrn» »t» amiltchi» Srtoaatmochoog»» öl» Agß»» »EI Gtübk aaD ^»» ^MtsAbttchtO ^SS- , ft», titpsig m. 1«G Nr. 142 Freitag» äeu 20. Juni 1924 19' Jahrgang Zatsche Besoläungspolitik. Von Alfred Brodaus, Nttgüed der Reichstagsfraktion der Deutschen Demokr. Partei. Durch den verlorenen) nicht rechtzeitig abgebrochenen Krieg sind wir Deutschen ein armes Volk geworden. Das haben vor allem auch die Bemnten zu spüren bekommen. Wurden ihnen schon im Krieg die notwendig gewordenen Teuerungszulagen lange Zeit borenthalten, mußten sie sich dann in der Nachkriegszeit mit Gehältern begnügen, die weit unter den Friedensbezügen lagen. (Das gilt auch für die Löhne der Arbeiter in den Staatsbetrieben.) In der Jnsln- .ionöperiode, die uns zuletzt mit astronomischen Zahlen rech nen lehrte, ist der Unterschied gegen früher nicht so augen- sülltg gewesen, weil nur wenige die Papiermarkbezüge in Gold, betrüge umrechneten. Als die Einführung der Rentenmarl eS mit sich brachte, daß die Gehälter wieder nach Goldmark berechnet wurden, lagen die großen Differenzen gegen früher vor aller Augen. Es war naturgemäß, daß sie vei den Beam, tcu der oberen Gruppen noch viel größer geworden waren als bei denen der unteren. Hatten die Letzteren schon im Frieden nur ein Existenzminimum bezogen, so war es natür lich ausgeschlossen, so Ivie bei den oberen Gruppen mir bis >6 der früheren Bezüge abzusinden. Nivellierend hatte nicht allein die Notlage des Reiches und der Staaten gewirkt, sondern es lag auch ein sozialpolitisches Prinzip darin, daß man die Spannung zwischen den Bezügen der unteren und der oberen Gruppen verringerte. Eine solche Verkleinerung war eine soziale Notwendigkeit, denn die Spannung war im alten Staat zu groß. Es war eiu Verdienst der Republik, daß sie das erkannte und daß sie unter Verringerung der Zahl der Bcsoldungöklassen auf Herabminderung der Spannung be dacht war. Doch wird auch in den Kreisen der mittleren und unteren Gruppen anerkannt, daß die Spannung, die zuletzt noch bestand, aus die Dauer zu gering war und den Staat in die Gefahr brachte, daß die fähigsten Küpse, dte er für die herausgehobenen Posten braucht, aus dem öffent liche« Dienst in den privaten abwanderten. Die Besoldungs, Politik mußte dahin gehen, die Spannung zu gegebener Zeit beginnend, allmählich zu verringern, ohne sie bis auf den früheren Stand zu bringen. Dte Zeit, damit zu be. ginnen, war jetzt noch nicht gegeben. Bei der Finanzlage des Reiches mußte der Gedanke, die Beamtenschaft nach der reinen Leistungstheorie zu besolden, noch auf Jahre zurück gestellt werden, der Gedanke der sozialen Besoldung mußte im Vordergrund bleiben. Grundsätzlich muß dte Be» soldungöpolitik von dem Gedanken geleitet sein, zunächst ein mal jedem Beamten das zu geben, was zu einem menschen würdigen Leben notwendig ist; Spannungen und Differen zierungen nach oben werden für die Gesamtheit der Beam. tenschaft erst tragbar, wenn dieser Grundsatz verwirklicht ist. Die Neuregelung der Beamtenbezüge, wie sie mit Wir kung ab 1. Juni verfügt worden ist, bedeutet eine völlige Ab kehr von diesen Grundsätzen sozialer Politik. Durften unter Würdigung dieser Grundsätze jetzt dte Mittel, die für eine Ausbesserung der Gehälter zur Verfügung waren, allenfalls zu einer prozentual gleichmäßigen Erhöhung der Bezüge in allen Gruppen verwendet werden, so hat man jetzt mit einem Schlag annähernd das alte Spannungövcrhältnts wieder hergestellt, indem man de» Beamten der Gruppen 2 und 8 17 vom Hundert, den der Gruppe 13 (Ministerialräte) aber 71 v. H. zulegte und so die Gehälter bet den oberen Gruppen auf etwa 80 vom Hundert der Frtcdenshöhe brächte, während sic sich bisher nur auf etwa 50—40 v. H. stellten. Wie diese Ausbesserung wirkt, zeigen folgende Zah. len: Dte monatliche Aufbesserung beträgt bet den Endgehäl tern in Gruppe 2 14,50 ML, in, 3 16 ML, in 4 18 ML, in ü 21,50 ML, in 7 70,50 ML, in 10 135 ML, in 12 173 ML, tn 13 832 MLI Also erhält ein Bcqmter in Gruppe 13 au monatlicher Zulage etwa soviel, als ein Beamter tn Gruppe 6 tn 3 Mvnaten insgesamt verdientl Man kann hier nur von einem Besoldungs s k a n d a l reden. Wer ist verantwortlich für dte Ungeheuerlichkeit- Der Reichstag ist tn den letzten Jahren tn den BesoldungSfragcn so ziemlich nuögcschaltet gewesen; er ist, wenn ihm Vorlage» zugingcn, immer vor vollendete Tatsachen gestellt worden,, d. h. die Regierung berief sich immer auf Verhandlungen mit! den Spitzenorganisationen der Bemnten, die regelmäßig mit einem Vergleich geendet hatten, oft freilich zum Nachteil der Bramten tn der Provinz, indem inan dte Spannungen tn dem! unglücklichen Orküklstssenshstem zugunsten der Orte der obersten Klasse, also zumeist der Großstädte verschärfte und manchen Großstädten obendrein noch Sonderzulagcn „wegen besonders schwieriger Verhältnisse" gewährte. Mit der letz-! ten „Reform" aber, dte die ganze bisherige BesolbungSpoli-, tik über dell Hausen wirst, haben dte Spitzenorganisationen > — nur der Reichsöund der höheren Beamten hat sic ge billigt — nicht« zu tun, die Neuregelung ist von der Regte, s rung verfügt worden auf Grund einer Verordnung aus der. Zett der Geltung deS Ermächtigungsgesetze«, einer Verordn nung, durch dte sich dte Regierung selbst ermächtigt hat, bit^ zum 1. November d, I. dte Regelung der BeaMengehältrr" von sich an« vo'-unehmen. Man kann jetzt nur feststellen, daß. nt' diese? „Ermächtigung" Mißbrauch getrieben morden ist.' Bleiben wir bet der Frage: Wer sind die Verantwortlichen? Formell ist es die Regierung, denn es liegt ein Kabinettsbe- schluß vor. Wan weiß aber, wie es tn unserer Zeit der Ueberlastung aller Ressorts und der Inanspruchnahme der Regierung durch die außenpolitischen Probleme hergeht: für di- Kabinettsbeschlüsse sind die Vorschläge des zuständigen Ressorts entscheidend, in unserem Fall also die des Reichs, finanzministers- Dieser wieder, durch finanzgesetzgeberische Probleme stark in Anspruch genommen, läßt sich in den Be soldungsfragen von den sie bearbeitenden Geheimräten lei ten. Die Geheimratsbürokratie hat ihm und dem Reich in diesem Fall einen schlimmen Streich gespielt. Eine unge heure Erbitterung, die in zahllosen Protestschreiben an di- Reichstagsabgeordneten zum Ausdruck kommt, geht durch die Reihen der mittleren und unteren Beamtenschaft. Findet sich die mittlere an und für sich mit dem ab, was ihr an Aus besserung zugeollligt worden ist, so fühlt sie sich doch solit- darisch mit den Beamten der unteren Gruppen, di- durch die letzte Erhöhung trotz aller gegenteiligen Berechnungen der amt lichen Stellen eben nicht das Existenzminimum erhalt-n haben, angesichts der Tatsache, daß die Kaufkraft der Gold mark geringer ist als im Frieden. Man geht nicht fehl, wenn man eine Ursache dafür, daß die bisherigen Grundsätze verlassen worden sind, im Wahl- crgebnis sucht. Die Geheimratsbürokratie tn den Mini sterien, deren Macht leider die Republik nicht zu brechen verstanden hat, ist durchweg politisch stark rechts orien tiert. Nach den Wahlen mit ihrem Zug nach rechts wittert diese Bürokratie Morgenluft. Die Parteien, die in den letzten Jahren aus sozialen Gründen auf dte Verminderung der Spannungen hingewtrkt hatten, hatten verloren, und so glaubte man die Zeit gekommen, mit einem Schlag die alten SpnnnungSverhältnisse wenigstens annähernd wiederherzu stellen. Leider hat ein erheblicher Teil der Beamtenschaft der mittleren und der unteren Gruppen zur Schwächung der Mitte und zu dem Erfolg der Rechten beigetragen. WaS kann und soll geschehen? Was de» Beamten der Gruppen von 12 an über daS augenblicklich unbedingt Nötige hinaus zugewendet worden ist, kann nicht rückgängig gemacht werden. Um so nachdrücklicher muß gefordert werden, daß die Aufbesserung bet den unteren Gruppen nachträglich wesentlich erhöht wird. Kann man sich im Hinblick auf die Absicht, das Preisniveau zu senken, nicht zu einer Erhöhung der Grundgehälter entschließen, so muß durch angemessene Teuerungszuschläge für die unteren Gruppen ein sozialer Ausgleich geschaffen werd-n. Erforderlich ist auch, daß die Ermächtigung der Regie rung zur selbständigen Regelung der Gehälter alsbald aufge. bob.-n wird, wie dies die Deutsche Demokratische Partei im Reichstag durch einen Antrag Brodaus, Külz und Genossen verlangt hat. .Heute findet im ReichSkabinett eine Beratung wegen der Besolduugsfragen statt. Ihr geht eine Besprechung des NeichSfinanzministers init Parlamentariern voraus, zu der auch Abg. Brodaus geladen ist. Zuhrcrbesprechumien. Gorgen Sonnabend führt der neue französische Mi nisterpräsident Herriot nach ChequerS zur An- trtttsvtstte bei seinem englischen Kollegen Macdonald. Vor wenigen Wochen noch hatte Poincare seinen Be such beint englischen Ministerpräsidenten fest.zugesagt. Ter Ausfall der Wahlen in Frankreich hat dte Aende- rung der Besuch-Vereinbarung herbeigcführt. Wäre Poincare nach London Mahren, so Hütte die europäische und dte Wcltpolttik dadurch kaum irgendeine Aenderung erfahren. Diesmal steht man tn dem Zusammentreffen der leitenden Minister der beiden großen Ententestaaten nicht nur in England und Frankreich, sondern in der ganzen Welt ein bedeutsame« Ereignis.. Man erwartet von diesem Zusammentreffen einen Wendepunkt in der europäischen Gesamtpolittk. Da vorher der belgische Außenminister Herrtot in Part« ausgesucht und über seine früheren Aussprachen mit Macdonald und Musso lini unterrichtet hat, so darf man annehmen, daß die Besprechung in Thecquer« eine allgemeine Berstündi- gung der vier ententtstischen Hauptmächte Europas über die künftige Politik zur Befriedung der Welt als Ergebnis zeitigen werde. Deutschland ist an diesen Beratungen natürlich ganz besonders interessiert. Trotzdem ist es zur Teilnahme an ihnen nicht aufgeforde.rt. Es hat sich in den ver- fwssenen NachkrtegSjahren dank der französischen Ge- wcltpolttik so sehr an dte Roll« de» Objekt» aller En- tentcberatungen und Ententebeschlüsse gewöhnen müssen, daß heute dte Tatsache seiner Fern-altung von den Vor besprechungen einer neuen europäischen Politik wette ren Kreisen de« deutschen Volke» kaum noch ausfüllt. Und doch erscheint e« zeitgemäß und notwendig, die all gemeine Aufmerksamkeit darauf.-« lenken, daß di, deut sche Ausschließung nicht länger fortdauern darf. Sie steht in schroffem widersprich zu dem Geist Her Ge. rochtigkeit und der Versöhnung. Herr dte Hauptführer der Entente, .Maedonald und Herrtot, in so begeistern den Worten wiederholt verkündet haben. . Und sie steht auch im Widerspruch mit ihren Versicherungen, daß die Zett der Diktate und Vergewaltigungen endgültig vor über sein soll. Vielleicht mag Mm diese erste Zu sammenkunft der neuen Ententeführer ohne Deutschland noch als eine Notwendigkeit von ihrem Standpunkt au» bewerten .aber weiterhin wäre der Ausschluß Deutsch lands aus grundlegenden Konferenzen der Entente Über die einzuschlagende europäische Politik kaum erträglich. Da« Programm für Eherquer». Ta» „Echo de Parts" berichtet. .Herrtot habe Mae donald über das Programm der bevorstehenden Bera tungen befragen lassen. Gestern vormittag.hab« di« Towningstreet erwidert, .die Verhandlungen würden nur allgemeinen Charakter tragen, und e» wäre nicht nötig, Sachverständige zu bemühen. Da» Blatt hebt hervor, daß Herr lot gezwungen sein werde zu erklären, tn west chem Maße er dem Inhalt des Poincarebrtefe» vom 14. Mat zusttmme. In diesem Briefe sei die Annahme des SachverständtgenProgrammiS von 5 Bedingungen ab hängig gemacht worden. Herrtot müßte also erklären, ob der Ministerwechsel auch dte allgemeinen politischen Linien verschoben habe. Tumult.Mlche Sitzung äer französischen Ramrner. vertrauenskunögebung für Herrtot. Pari»..19. Juni. Dte Kammer setzte heut« nach mittag dte nach der Verlesung der Regierungserklärung etngeleitete Debatte st>rt. MS erster Interpellant be tonte Abg. KokanowSkt. daß die neue Regierung «tn« Finanzlage übernehme, die al» di« günstigste seit der Beendigung de» Kriege» bezeichnet werden müsse. La» Budget dieses Jahre» werde sicher ausgeglichen werd«« obwohl Deutschland augenblicklich nicht bezahl,- Li» Ausführungen de- Redner» rufen Widerspruch bet den Sozialisten hervor, die von den Mittelhartsten unter stützt werden, .sodaß Patnleve wiederholt etngretfen und um Ruhe ersuchen mußte. Bokanbwski bleibt dabet. daß das alte Parlament dem neuen eine der günstigsten finanziellen Situationen hinterlassen hab«. Im übri gen erklärt er, er habe zu dem neuen Finanzmtnister Clemente! Vertrauen. Gr beendete seine Red«, indem er Ministerpräsident Herriot ausforderte, eine Erklärung abzugeben, daß die Regierung keine AuSgabchr machen werde, ohne sie durch Einnahmen gedeckt zu habein. In der Frage der Vermögenssteuer fordert er den Minister präsidenten auf. nicht den Sozialisten zu folgen. Sein Prestige sei bet den Sozialisten so groß, daß sie sogar auf dem Altar des Blocks der Linken dte sofortig, Räumung des Ruhrgebietes geopfert hätten. Rach Bch kanowski verliest der sozialistische Abg, Paul gaur« > namens seiner Partei eine Erklärung, in der e» u. a. heißt: Da» französische Volk habe am 11. Mat einer Politik des nationalistischen Egoismus, die Mißtrau,« und Haß geschaffen habe, Ftn End« gemacht, um an ihre Stelle eine Politik zu setzen, die aufgebaut fei auf den Gedanken internationaler Solidarität.. Die sozia listische Partei glaube al» Beauftragt« der Arbeiter» massen Zu handeln, wenn sie der gegenwärtigen Re gierung, die entschlossen sei, .da» Werk der Reparationen durchzuführen. Vertrauen schenke. Die sozialistische Partei habe volle Freiheit gegenüber der Regierung, wie die Regierung selbst.gegenüber der Partei frei sei. Nach dieser von den Parteien de» Linksblock» mit Bei fall aufgenommenen Erklärung wurde die Sitzung un terbrochen. Nach Wiederaufnahme der Sitzung erklärt« der ehemalig« Minister für öffentliche Arbeiten L« Trvo- auer, .er müsse den Ministerpräsidenten um einige Aust Mrungen ersuchen. Der Redner zählt« sodann die bist hcrigen angeblichen Verfehlungen Deutschland» auf und stimmte, wiederholt von den Linkspartei«» unterbra chen. ein Loblied auf ya» im Ruhrgebiet Durchgeführt« an. Zum Schluß fordert« pr. .daß da» Ergebnis der Politik Poincare» nicht tn Frag» gestellt werd«. RMh Le Tweguer erariff Ministerpräsident Herriot da» «ort. Er stellte zunächst da« Verlangen, da» Hau» möge di, Jnterpellativnsdebatte beut, zu End« führen, damit ihm Gelegenheit gegeben werd«, ,ip Ruh« sein« Reise nach London vorzubereiten. Herrtot erklärt«, er woll« heut, nur di« Frage der Abschaffung der Botschaft b«tm Va- tikan. die gtnanzfraye und die Fragen der Außenpolitik behandeln. Er sei kein Antiklerikaler, aber er hab, Aon 1919 während der Errichtung der Botschaft beim Vatikan sich dagegen ausgesprochen und müsse d«n frst- her vertretenen Grundsätzen treu bleiben, Di« «»chttz unterbricht Herriot häufig, was Gegenstmdgebung,« d«r ! ? ^«.^rvorruft. Als der Abg. General d« Saint» . ' Just, Mitglied der demokrattsch-r^ublikantschen Mir«,