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- ^"" "- /luer Tageblatt Anzeiger für üas Erzgebirge »nzelger mr oas Erzgebirge WML „,nsp»««.ftus»wß a,. so. / «MtUch, s«u» « «» »gram»«, kagidialt fto»»»»g,»»»g». Enthaltest sie amtliche« H»ltmat»achasg«> öl« Kok»» «UH Staör ans -»» fimtsgericht« Ko». pegM,ftmt L»i,,ig o». 1*4» Nr. 139 Dienstag» äen 17. Juni 1924 19. Jahrgang Herriot unci Nollet. Bon ttnferm Berliner Mitarbeiter. Die Berufung deS Generals Nollet, .des Chefs der in Berlin Menden Militärkvntrollkommisswn.. auf den Bosten deS franzMschen Kriegsministers.und der Kom mentar. -en der neue französische Ministerpräsident Herriot dieser Berufung gegeben hat,.sind wohl geeignet, einiges Erstaunen hervorzurufen, besonders in gewis sen deutschen Kreisen. Die scharfe Betonung des ent schiedenen französischen Willens, in Deutschland etwaige Versuche einer Umgehung des Abrüstungsgebotes .mit aller Entschiedenheit entgegenzuwirken, die die Erklä rung HerriotS im „Matin" enthält, zeigt ebenso deut lich. .wie die Wahl der Persönlichkeit für den Posten des französischen Kriegsministers im neuen Kabinett, wie stark Herriot die Notwendigkeit empfunden hat. den nationalistischen Gesichtspunkten Rechnung .zu tragen und ihnen zu zeigen, daß auch er entschlossen ist, der französischen Forderung nach Sicherheit gegen eine deutsche Revanche nach Kräften nachzukommen. Ja, man kann vielleicht sagen, daß der neue französische Ministerpräsident hier im Interesse des inneren Aus gleiches wettergegangen ist, .als er eS nach seiner außen politischen Erkenntnis für notwendig halten mochte. Wenn man seine Erklärung.mit gerechtem Blick liest so kann man nicht umhin, ihrem zweiten Teil mindestens das gleiche wenn nicht ein größeres Gewicht betzumessen, als den ersten Sätzen, und dieser zweite Teil ist penn doch eins Kundgebung die sich von denen seines Amts- vorgängcrS Poincare sehr wesentlich unterscheidet. Die Bekundung des besten Willens, .der jungen deutschen De mokratie vorwärtszuhelfcn. klingt denn doch erheblich anders, als die allsonntäglichen Denkmals- und son stigen Hetzreden Potncares. Gleichwohl bleibt sowohl bei der Lektüre dieser Kundgebung Herriots wie bet der Kenntnisnahme von der Ernennung Nollets für den deutschen Leser ein un erfreulicher Nachgeschmack. General Nollet ist sür nns sichtbarste Exponent einer Politik, die mit unverkenn barer Absicht nicht nur aus das sachliche Ziel der völ ligen Wehrlosmachung Deutschlands, .sondern auch §uf das moralische Ziel einer ständigen Demütigung »und Aufwühluna der Leidenschaften htngearbettet hat. Die Militärkontrolle in der Art. wie sie bisher durchgeführt worden ist, .war aus der Fülle der uns auferlegten La sten fast .Pie am schwersten tragbare, .und wir stehen die. sem Druck gegenüber ja noch nicht am Ende. Bekannt lich hat die letzte Note der Botschafterkonferenz.zu die ser Frage der Reichsrepierung Line Frist chiS zum 30. Juni gestellt, bis zu der Deutschland sich mit einer nochmaligen Gcneralkontrolle einverstanden erklären soll, eine Forderung, die nach deutscher Auffassung sach lich durchaus unberechtigt erscheinen muß, und die vor allem geeignet ist und offenbar auch dazu beabsichtigt war die innerpolitische Lage Deutschlands zu verwir ren und zu erschweren. Man hat gerade von dem Kom men Herriots auch in dieser Beziehung ein größere» Verständnis für die Laae Deutschlands und den Willen zu einer Erleichterung des UebergangeS zu der Ueber- tragung der noch erforderlichen Kontrollmaßnahmen an den Völkerbund erhofft. Eben diese Aussicht war es die die nationalistischen Kreise in Deutschland schwer enttäuschte da sie ihnen ein gures Teil ihres Agitations materials nehmen mußte, und sie hatten daher die erste Ablehnung Herriots mit unverhohlener Schadenfreude begrüßt. Noch Heller klingt ihr Jubel heute, wo sie aus der Berufung -eS Generals Nollet ohne weiteres den Schluß ziehen, daß Herriot nichts anderes sei, als eine neue Auflage seines AmtSvorgängcrS Poincare. Diese nationalistische Logik hat bedenkliche Sprünge und zeugt von einem großen Mangel an Selbsterkenntnis. Wer davon überzeuat ist, daß es dem neuen fran zösischen Ministerpräsidenten damit ernst W, da» Steuer umzulegen und statt der Bahnen des Imperialismus und Militarismus die einer versöhnlichen und auSgletchen- den Politik zu wählen, der kann nicht an der Entschlos senheit des neuen Mannes zweifeln, alle» au» dem Weg zu räumen, HwS dieser Kursänderung,hinderlich werden könnte. Diese wegberettende Arbeit kann sich keineswegs auf die tnnerfranzüstfchen Verhältnisse beschränken! wenn er hier Erfolge haben will, muß er dafür sorgen, daß nicht die Unzufriedenen in Frankreich mit Fingern nach Deutschland weisen können, .aus die dortigen krie gerischen .Schauspiele, auch wenn e» nur Lheaterpara- den sind. Md seine Aufgabe trifft sich dabet völlig mit der ckeine» Kollegen in der Leitung der englischen Po litik. Gewiß ist niemand in Deutschland darüber tni Zweifel daß General Nollet al» Ches Per Mlihitrkon- trollkommilkton alle* getan hat, um von der „deutschen Gefahr" ein möglichst eindrucksvolle* Ml» ngch Pari» zu -eben, schon um »u -ej-en, wie wichet» Md nützlich sein« Mission ^ei. Die Gerüchte, daß M diese alar mierende Berichterstattung Nollets gerade in der letzten Zett eines besonderen« die Tatsachen höchst gewaltsam verzerrenden Eifers befleißigt hätte, sind zwar, von Pa ris au» fvrmell dementiert worden, erhalten sich aber doch, und das ist.schließlich nicht ü berraschend. Zu so bitterer Kritik diese Dinge herausfordern mögen, man muß Lch hoch davor hüten, hier einseitig zu urteilen, namentlich, wenn es um mehr geht, als nur um die Person des Generals Nollet und um die Einrichtung, der er bisher Vorstand. Jetzt geht eS um die.künftige Gestaltung der Politik zwischen Deutschland und Frankreich, und auf diese GestaltungW pon beiden Seiten aus Einfluß zu nehmen. Es genügt nicht, in die Welt hinauszuschreten. die Berufung. Nollets be deute eine Verewigung des Mißtrauens und des Druckes gegenüber Deutschland. Es ist auch nötig, von deutscher Seite aus den Dingen den Boden zu entziehen, .die zu solchem Mißtrauen und daraus erwachsendem Druck den Anlaß bieten. Und daß solche Dinge bei uns leider tag täglich geschehen, .in der Gestalt von Regimentsfeiern, Deutschen Tagen, Denkmalsenthüllungen mit Generals reden und bewaffneten Umzügen, daran ist leider uicht zu drehen und zu deuteln. Für diese Dinge aber sind einzig und allein gerade diejenigen Kreise verantwort lich denen das Kommen HerrtotS so wenig paßte und die jetzt das Auftauchen Nollets mit so gehässiger Scha denfreude begrüßen. In ihrer Hand läge heute durch aus die Möglichkeit, die Konsequenzen, die sie auS der Wahl des neuen französischen Kriegsministers herauS- lesen, zu vermeiden durch eine Beschränkung, in ihren Demonstrationen, .mit der sie wahrlich keine Schwäche, sondern nur ein gesundes Matz von vaterländischer Ver antwortlichkeit zeigen würden. Aber daran mangelt >es ihnen völlig und sie werden im Gegenteil versuchen ihr Treiben nur noch M verstärken.. Wer aber als einsichtiger Politiker erkennt, .eine wie schwere Gefähr dung jeder Verständigung in diesem kindischen Waffen gerassel liegt, der wird entschlossen sein, ihm heute mehr! als je entgegenzuwirken. und eine solche Wirksamkeit der deutschen Regierung wird der beste Beweis für ihre ehr liche Verständigungsbereitschaft sein. Nicht wegen Nollet, .sondern trotz Nollet. die Mchtlinien Ser neuen französischen Negierung. Die Regierungserklärung, die Herriot heute vor der Kammer und dem Senat zur Kenntnis bringen wird, geht im innen- und außenpolitischen Programm natür lich vom Standpunkt der Linksparteien aus. In erster Linie spricht sich Herriot gegen die Durchführung der Dekrete, die Poincare von der Kammer verlangt hatte, aus. Ferner wird er für die Durchführung-der allge meinen Amnestie im weitgehendsten Maße eintreten und den Bruch mit dem Vatikan erklären. Was die Innen politik betrifft, so wird Herriot eine Herabsetzung Her Mllitärdienstzett verlangen und sür die Organisation einer nationalen Armee eintreten. Den Staatsbeamten wird er das Recht der gewerkschaftlichen Vereinigung zugeftehcn. Auf dem Gebiete der Steuerpolitik wird der neue Premierminister sich im allgemeinen .gegen neue Steuern erklären und eine Kapitalsbesteuerung Vorschlägen. Auf dem Gebiete der Außenpolitik wird sich die Erklärung Herriots in der Hauptsache auf.fol gende Punkto erstrecken: Eintritt aller Nationen in den Völkerbund, die bereit sind, die Satzung des Völker bundes zu befolgen. Ferner Aufrechterhaltung Her Ruhrbesetzung, bis Deutschland mit der praktischen Durch führung Her Sachverständigengutachten begonnen hat. Die Durchführung Her Abrüstungskontrolle unter wet ten Möglichkeiten, Uebertragung -er Abrüstungskontrolle und die Frage der Sicherungen auf -en .Völkerbund. Herriot für Veutfchlan-s Aufnahme in -en völkerbun-. Herriot erklärte dem Pariser Vertreter des „New- hork World": „Die internationale Politik, .deren Mit telpunkt der Völkerbund ist. .muß -er Passivität und Resignation entkleidet und aktiv gestaltet werden. Der Völkerbund muß die Offensive ergreifen. Der Friede kann aber nicht gegen oder ohne die Völker ge macht werden, darum muß Deutschland an der Endlüsung der NcparatipnSsrage interessiert und beteiligt werden. Darum tvete ich für di- Aufnahme Deutsch land* iit den Völkerbund und den Völker- bundräi ein. ES ist erstaunlich, -atz nicht früher er kannt ist welch großer moralischer Erfolg Deutschland- Ausnahme wäre. Die künftige Politik Deutschland» hängt viel mehr, al» man glaubt, von der Politik der Alliierten, befvnder« Frankreich», England» ab- Gin modu» vivendi -wischen Frankreich und Deutschland ist daher erwünscht. Erneute Verhandlungen über -le Zrellassimg -er Nheln- uuö Nuhrgefangene«. Wie die „Telegjraphenuniou" zuverlässig erMrt begibt sich der bekannte Verteidiger auS den französi schen Kriegsgerichtsprozessen, Rechtsanwalt Dr. GrirmN aus Essen, Mitte dieser Woche nach Pari», um Mit de» maßgebenden Pariser Stellen wegen einer Begnadigung der gefangenen Deutschen erneut zu verhandeln. Die anläßlich des französischen Nationalfeiertag» erwartete Begnadigung der gefangenen Rhein» und Ruhrdeutsch«« ist ausgeblichen. Ein Mitglied de» .Jungdeutsche« Ordens, welches zu einem Jahre Gefängnis verurteilt wurde, .wurde wegen der in der Haft erlittenen Miß handlungen schon nach kurzer Leit wieder entlassen. * Wie wenig eS der französischen Regierung bisher Ernst damit war, das durch die KriogSgerichtsurteile an den Deutschen verübte Unrecht wieder gut zu machen beweisen deutlich die neuen Verurteilungen, von denen in den letzten Wochen wieder berichtet w«xh«n mußte und von deren Härte die folgende Me: ng erneut spricht» > »!.!!'>! . I i i >l 1 Tin neue, französische« Krieg,gerichwucheil. Das französische Kriegsgericht in Essen verurteilte das Vorstandsmitglied de» Jungheutschen Orden», Herrn Heinrich Riemke, Wege« angeblicher Zugehörigkeit zu einer Geheimorganisation zu lOJahrenGefängnt» und 10 000 Mark Geldstrafe. Riemke wurde seinerzeit gegen Stellung einer Kaution von 2000 Mark in Frei heit gesetzt und es gelang ihm, .rechtzeitig Ha» beseEw Gebiet zu verlassen. Vie Vorgeschichte zur Verlängerung -er Mirumverträge. Ueber die Vorgeschichte der provisorischen Verlän gerung der Mtcumverträge erfahren wir, daß die Reich»- rogierung am 9. Juni durch die deutschen Missionen Parts und London Noten überreichen ließ, .in denen er klärt wird, -aß -ie Rubrkohlen-Jndustrie nicht in d« Lage ist. .über den 15. Juni hinaus die Lasten au» den Verträgen auf sich selbst zu nehmen. ^ .Anderseits wird in den Noten anerkannt, daß Frankreich sowohl wie Bel gien die Kohlenlieferungen nicht entbehren können. G» wird deshalb vorgeschlagen. .nach, einem Ausweg suchen. . < " . ! ! Die sich daran anknüvfenden diplomatischen Vs- stzrechungen ergaben ein Verständnis Frankreich» und Belgiens für den deutschen Vorschlag. Ln Berhand- langen konnte aber, wie französischerseits erMrt «mo de, vor dem 15. Juni nicht einaetreten werden. Deutsch land schlug deshalb eine kurzfristige Verlängerung Hvr, um Zett für die Verhandlungen zu gewinnen, Vari» und Brüssel stimmten dem zu, ebenso die Mteum, die ursprünglich eine unveränderte Verlängerung.der Dev- träge bis zur Gesamtregelung -er ReparattonSfrag« ver langt hatte. Die Mteum hat ferner anerkannt, -aß ein» wirtschaftliche Verschlechterung.tu der Lage der Ruhv- tndustrte eingetreten ist, und zugestinnnt, daß Etwaige nach dem 30. Juni eintretende Erleichterungen bezüg lich der Kohlensteuer. .Zölle u. a. rückwirkende Kraft ab 10. Juni haben sollen. Nachdem inzwischen eine fran zösische Regierung gebildet worden ist, wird e» ihr« Aufgabe sein, die Verhandlungen mit der Regierung in Brüssel alsbald aufzunehmen und die Grundlage für eine Neuregelung zu suchen, -ie für beide Teil« erträg lich M . li Minister v. Meine! sür Annahme de» DaweSberichte» Auf der Hauptversammlung der bayrischen LanbeS-Gewerbe- anstalt in Nürnberg schilderte der bayrische Handel-Minister v. Meine! die ernste Lage der deutschen Wirt, schäft, die außerordentlich gesunkene Kaufkraft de» Volke» und den erschreckenden Rückgang der deutschen Ausfuhr. Bei solcher Sachlage bleibe nichts anderes übrig, al- da» Gut» achten der Sachverständigen anzunehmen, obwohl e» die deut sche Leistungsfähigkeit ganz bedeutend überschätze. Die hochverräterische „Handelsvertretung." In Berlin wurden gestern vier Sendungen an die in Untersuchungshaft befindlichen Mitglieder der russischen Handelsvertretung polizeilich beschlagnahmt. Die Untersuchung ergab, daß e, sich nm land-sverräterische- Material und um gedruckt« Auf rufe zu revolutionären Putschen handelte, dir über Rtßa von der dritten Internationale in Moskau abgesandt waren. Unablzängtgkit von England. Der „Herold" meldet au» ! Melbourne: Nach drm Vorgehen Kanada» habe auch der australische Senat am 12. Juni einen Antrag angenommen, der verlange, daß Australien innerhalb Jahresfrist hinsicht lich seiner Außenpolitik eine unbedingt« Unabhängigkeit vom britischen Imperium erhalte, vrranlassrma zu dem Antrag ist der englische Verzicht auf einen Flottenstützpunkt in Singapor«, der in Australien Erregung und Opposition her- svorgerusen hado. >