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/luer Tageblatt LMM -lnzetger für das Erzgebirge »MUchU AßtlD ß- OOchP^rMlDI, »>» a»lll«d«> v*to»»tW«cho»-«O D<» KM»O <o Stott »H-«» BmttgiDichlO M». o« «,.,«» Nr. 137 Sonnsbenä, cken 14. Juni 1S24 IS. Zrchrgrmg —— Der Umschwung in Frankreich unä wir. Nrn Dr. KÜl» M. d. R. Mn allen Ecken und Enden der Welt lagert auhen- ünd innenpolitischer Zündstoff.in reicher Menge. Offen schlauen die Flamtnen auf dem alten Brandherd, pem Balkan empor, und die revolutionären BovgAnge in Albanien sind eins von den vielen Wetterseichen auS der gewitterschwülen Atmosphäre des nahen OstenS. Bon Japan her steigt ein starker, schwelender Brandge ruch auk und verdüstert den Amerika -ugekehrten Hori zont. Ein Funke kann genügen, um eine Explosion im fernen Osten heraufzubeschwören. Mit umso größerer Genugtuung ist §» zu begrüßen, -ah in dem stärksten politischen Gefahrenzentrum Europas, an der Seine, sich ein GesundungSprbzeL.insofern vollzogen hat. als mit Mtllerand „der zäheste Vertreter des alten, .bor nierten GewaltgetsteS" vorerst auS seiner einflußreichsten Stellung verjagt worden ist. Es mag sein, .daß nach dem Buchstaben der französischen Verfassung Millerand keinen Anlaß hatte von der Bildfläche zu verschwinden, aber der Präsident der französischen Republik hatte doch in den politischen Kämpfen der letzten Zett so sehr da» Gegenteil von der staatsmännisch klugen Zu rückhaltung pes deutschen Reichspräsidenten gezeigt, daß er als stärkster Exponent des PoineartSmuS gelten mutzte. Tie französischen Wahlen bedeuteten deshalb ebenso da» politische Todesurteil für Poincare wie Mr Mtllerand. Mögen Europa und Deutschland paoor be wahrt bleiben, daß auch nur einer von ihnen je wieder zur politischen Macht aufersteht. Die Entfernung Mtllerand» von der Präsidentschaft bet französischen Republik und die Art, wie sie vom Linksblock durch geführt wurde, ist ein offenkundiger Be weis dafür, wie ernst e» der neuen französischen Kam mermehrheit um eine völlige Aenderung de» Kurses zu tun ist. Gewiß wäre e» töricht, wenn man nunmehr von heute zu morgen die ausgestreckte Bruderhand Her. riot» erwarten wollte, aber eS wäre mehr als tvlrtcht, fa e» wäre «in Verbrechen, wenn man auf unserer Seite den an der Seine langsam einsetzenden Gesun- dung»prvz«tz durch eine falsche Politik stören würde. Wilhelm II.. per fetzt Erinnerungen an bessere Zetten auffrischt und in Utrecht neue Ritterorden gründen hilft, findet bei seinen Reminiszenzen vielleicht auch ein dereinst hon ihm gesprochene» Wort: „Warum ha ben wir keinen Millerand?" Der geschichtliche Gehalt der wilhelminischen Worte hat sich sehr oft schon bei Wilhelms ^monarchischen Lebzeiten al» brüchig.erwiesen: Mr unsere Gegenwart möchte man da» angezogene Wort in da» andere umkehren r „Der Himmel behüte un» da vor. daß, nunmehr wir einen Mtllerand bekommen!" Ein deutscher Mtllerand würde uns noch schneller und sicherer in rettungslose politische und moralische Jsp- lieruna.bringen, gl» e» Millerand in Part» mit dem französischen Volke gelungen war, da» sich setzt von ihm und au» seiner Isolierung befreit hat. „Hinter Herrivt steht der Marschall Noch !" sagte Graf Meventlow im Reichstag. Rein, hinter Her- riot sicht der Wille de» französischen Volke» zu ruhigen und wirtschaftlich erträglichen Zuständen und au» seiner politischen Isolierung herauSzukommen. Wo. hin wir gekommen wären, wenn der deutsche Mtllerand ettya Lirpttz gehtetzen hätte, zeigt eine Betrachtung des führenden britischen Blatte», der Times", zu dem Vertrauensvotum Mr die Regierung Marx, die in die sem Teile zwar vom halbamtlichen WMschen Lelegra- phenbürv unterschlagen wird, die aber doch so kenn zeichnend ist. patz gerade auch! die deutschnattonale Wäh lerschaft in Deutschland einen Anspruch darauf hat «sie kennen zu lernen. Sie kautet r „Die Deutschnattonalen und ihr« Alliierten, die die blindesten und einfältigsten aller deutschen Parteien zu sein scheinen, sollen sich tatsächlich ziemlich fest auf die MblHnuna de» Sachverständigengutachten» ver pflichtet haben. Die Hartnäckigen Anstrengungen, .die sie «gemacht haben, um Mr den Admiral von Lirpttz zu erst die Kanzlerschaft und dann das Außenministerium zu sichern, unter der Begründung, datz der. HauptbeMr- Wörter de» unbeschränkten U-Boot-Kriege« besonder« England willkommen sein würde, «» ist «in Beweis ihre» Leichtsinn» und ihrer Unfähigkeit, .den englischen Cha rakter zu versuchen. Bi» zu den letzten Tagen scheinen sie wirklich daran gedacht zu haben, datz die Annahme oder Verwerfung -e» DaweSb«richte» ohne Bedeutung sei und datz sie der Regierung.unter ihren eigenen Be dingungen mit Tirpttz al» Führer beitreten könnten. Di« Laste ist ernst und nur ernste Mittel können st» retten., La» enttäuschende Merkmal in der Debatte und in den Verhandlungen ist gewesen die offenbare «bnetstung der gesamten Opposition und -er einzelnen Gruppe«, den Ernst der Lag« -u erkennen und die Bartet- und Personenopfer zu bringen, Pie sie gebie terisch fordert." Nun, di« MehrAet tde» Reichstages hat sich zu einer Fortsetzung der Befreiung»- und Verständigungspolitik bekannt. Jetzt dämmt e» darauf an, datz die Erkenntnis von der Notwendigkeit dieser einzig.möglichen Politik auch im deutschen Volke immer Wetter an Bo-en ge winnt denn die Entwicklung zum Besseren hängt nicht nur von Frankreich, sondern auch von Deutschland ab. Ob der gegenwärtige Reichstag Träger einer solchen Entwicklung sein kann, ist mindesten» zweifelhaft. Wir müssen ganz offen der Möglichkeit in» Auge sehen, haß sich bei der gesetzgeberischen Durchführung he» Sachver ständigengutachtens Komplikationen allerschwerster Art ergeben, die einen erneuten Appell an das deutsche Volk nötig machen. Das Vertrauensvotum für die Regie rung Marx ist.keine endgültige außenpolitische Bilanz. Es ist aber zu hoffen, datz bi» zu entgülttgen Entschei dungen im Reichstag.sich weitere Aktivposten Mr die RegierungSpolttik einstellen werden > Die Stimmen in Frankreich und England mehren sich!, die mit großer Beschleunigung eine Freilassung der Ruhrgefangenen, eine Verminderung der BesatzungStruppen und eine Rückgabe der Eisenbahnen verlangen... Ter „Oeuvre" hat Recht, wenn er sagt: „Frankreich! Hat jetzt eine Pflicht gegen die Demokratie Deutschlands zu erfüllen". Ohne sichtbare Abkehr der französischen Politik von ihren bisherigen Methoden wird die Stimmung im deutschen Volke einer Politik der Vernunft niemals günstig wer den können. Deswegen möge die Reichsregierung, die Mit der Annahme de» Sachverständigengutachtens den Beweis erbracht hat, datz sie ein« solche Politik zu treiben entschlossen ist, nunmehr auch! ungesäumt die neue -französische Regierung durch' eine entsprechende diplomatische Aktion vor die sofortige Entscheidung stel len, 0b sie diese Auswirkungen der von ihr selbst ver worfenen Politik de» VoineartSmüS»beseitigen und vor allem einmal die Gefangenen freigeben und die Der- trivbenen zurückkehren lassen will. Der am 24. Juni zusammentretende Reichstag darf nicht nur Gesetzent würfe vorftnden, die da» deutsche Volk mit schweren Opfern belasten, sondern mutz die von einer brutalen Gewalttätigkeit getroffenen deutschen Volksgenossen wieder in Freiheit wissen. oumergue Präsident von Frankreich, Paris, 13. Juni. Bei der heutigen Präsidentenwahl hat der Senntspräsident Doumergue 51b Stimmen, der Kammerpräsident Painleve 309 Stimmen erhalten. Ge. wählt haben im ganzen 860 Wähler. Auf den kommunisti schen Kandidaten sielen 21 Stimmen. 1b Stimmen waren zer splittert. Gewählt ist demnach Doumergue. Di« Kabin«tt»bildnng. Unmittelbar nach Beendigung -e» Wahlakte» er suchte Präsident Doumergue den Abg. Herrtot, ihn nach der Schließung der Nationalversammlung.sobald al» möglich aufzusuchen. O Im Zusammenhang mit der umstrittenen Erklärung Herrtot». daß er den Auftrag zur Kabinettsbildung nicht au» den Händen eines Präsidenten annehmen wer de, der mit Hilfe der Rechten gewählt werd«, berichtet „Journal", in den Wandelgängen der Kammer seien in der Annahme daß Herrtot wirklich diese. Erklärung abgegeben habe, bereit» neue Mtntstsrltften kombiniert worden," bei denen Brtand am Meisten genannt worden sei. , „Reveil du Nord" glaubt zu wissen, datz im Lauft der nächsten Woche Barthou seine Demission al» fran zösischer Delegierter der 'Reparationskommission neh men wird. Barthou solle Nachfolger de» General» Ltautheh al» Generalresident in Marokko werden. Er werde in der ReparationSkommtssion ersetzt werden durch den ehemaligen Minister Loucheur. Die amerikanische Kreditgewährung. Nunmehr liegt auch die amtliche Bestätigung für die Gewährung eines amerikanischen Rediskontkredit» in Höhe von 2ü Millionen .Dollar» vor. Wie der „Deutsche HandelSdienst" zuverlässig erfährt, ist die Gewährung diese» Kredits an keine anderen Bedingungen geknüpft al» bet den bisherigen Krediten. Insbesondere sind keine Bestimmungen dahin ergangen, daß etwa der Kredit zu Ankäufen in Amerika verwendet werden muß. Wie weiter von zuständiger Sette mttgetetlt wird, macht die Inanspruchnahme der Kredite der GolddtSkontbank durch die deutsche Industrie erfreuliche Fortschritte- E» be- steht begründete Hoffnung, datz im Falle weiteren größeren Bedarf» auch entsprechende Erhöhung der AuSland-kredit«, sowohl von England wie von Amerika erwartet wmden können. Militärkonlrolle unä Sachverstanäigengutachten. Bau Karl Frohen. Wie mit Sicherheit vorauSzusehen war, ist e» gekommen. Sobald die Kriegsentschädtgungsfrage sich einer Lösung zu nähern schien, Hot Frankreich erzwungen, daß die Angelegen heit der Entwaffnungskommisstonen wieder in ein kritische» Stadium geleitet wurde. Sie soll den Vorwand abgeben, die politischen Forderungen, die Deutschland auf Grund de« Gutachtens der Sachverständigen zu stellen berechtigt ist, von voncherein abzulchnen. Daher dir ungewöhnliche Schroffheit der Forderungen, die von der Botschafterkonserenz in ihrer letzten Note über die Militärkonlrolle ausgestellt werden. Datz da» Schriftstück sich nicht de» sonst üblichen groben Tone» befleißigt, in dem die gegen Un» verbundenen Mächte an Deutschland zu schreiben sich zur Gewohnheit haben werden lassen, ändert nicht» cm dem ultimativen Charakter der Note. In Deutschland betrachtet man häufig die Fragen der Kontrollkommission^ al» eine in erster Linie militärisch» Angelegenheit, wohl weil an ihrer Spitze ein' französischer General stO «ab der Gegenstand der Verhandlungen die deutsche Wehrmacht ist. Da» wäre aber eine sehr äußerliche Einstellung. Sie würde sich nur dann der Wahrbett nähern, wenn da» deutsche Heer für Frankreich zurzeit irgend ein» Bedeutung hätte, wenn e» einen Stein auf dem Schachbrett der großen Politik darstellte. Niemand kann e» bestreiten, daß da» nicht der Fall ist. DrShalb darf die Frage nur poli. tisch angesehen werden. Die Kommission Rollet ist eine Macht stellung in der französischen Politik, die erst aufgegeben wird, wenn sie nicht Mehr zu hatten ist. Sie ist ein Trumpf, den di« englische Politik Frankrrich gegenüber au»sptelt, wenn sie Veranlassung hat, vom Quai d'Orsav auf anderem Ge. biete Entgegenkommen zu wünschen. Wer zwischen Rhein und Weichsel geboren ist, neigt dazu, die Sachen so zu sehen, wir er sie sich wünscht. Daher erblicken manche in dieser neuesten Note ein gewisses Entgegenkommen: sie können der Versuchung nicht wiederstehen, au» ihren gewundenen Dar legungen die Neigung unserer Vertragsgegner festzustellen» von dieser auch für sie unbequemen Nachkrieg-erscheinung mit Anstand loSzukommen und sich so einem Jnteressenau».. gleich zu nähern. Wir sehen in dieser Auffassung «ine ge« jährliche Selbsttäuschung. ! Zunächst wird in brr Note die sogenannte Generalin- spektton verlangt: d. h. die bisherige Tätigkeit der Kommisfi. onen, di« sie während der letzten vier Jahre au»geübt hat, wird für null und nichtig erklärt und die ganze Quälerei soll noch einmal voy vorn anfangen. AuSübrn soll diese Kon trolle der General Rollet, von dessen kleinlicher, schikaneuser BerfahrungSweise Deutschland Proben genug erlebt hat. Nur wenn er hie Ergebnisse der Generaltnspektion für zufrieden stellend erklärt, soll die Kontrolle auf die fünf Punkte be schränkt werden. General Rollet hat in der Hand, die Ergeb, ntsse nach seinem politischen und persönlichen Wollen einzu richten. Ein sachliche« unparteiische» Urteil ist von ihm nicht zu erwarten, auch garnicht zu verlangen. Wie er verfährt, wissen wir. Nehmen wir nur da» Wehrgesetz: er hat e» ge prüft und den deutschen Reichstag gezwungen, e» seinen Forderungen entsprechend zu ändern. Jetzt erklärt er die von IHM gebilligten Bestimmungen de- Gesetze» al» den mili tärischen Klauseln ve» Versailler Vertrage» widersprechend. Dasselbe gilt von der Organisation der Polizei. Die In. nenMtnisterten haben diese nach den Angaben der Organe de« General- Rollet aufgebaut. Jetzt wendet er sich gegen km eigene» Werk. Nicht mit Unrecht steht die deutsche Oeffent- ltchkeit hierin die französische Rache gegen da» einwandfreie Benehmen der preußischen Polizei im Ruhrkampfe. Und wenn wirklich einmal General Rollet zusrt-denge. stellt sein sollte, so bleiben immer noch die fünf Punkte. Dte Ue-ersetzung „Punkte" ist durchaus irreführend. Denn f.'der von ihnen enthält wieder eine Fülle von Etnzelfragen, da runter Forderungen, dte tatsächlich unausführbar sind, wie dte Angabe der Zahlen der bet Beendigung der Feindselig, tz-tten vorhanden gewesenen Waffen. Der filbenipattenden Tätigkeit der Mitglieder der französischen Kontrollkommtssto- nen hletbt «ckso ein weitere» Feld und die schönen Worte der Note de» Präsidenten der Botschasterkonferenz Potneare, daß die Alliierten nicht weniger sehnlich al» Deutschland dte Be endigung der Kontrolltätigkeit wünschen, sind Phrasen, die den Friedensfreunden in Frankreich und England den Inhalt der Note genießbar machen, dte Deutschen auf den Leim lock« sollen. wie sich die brutsche Regierung zu der Note zu verhatteu haben wird, steht hier nicht zur Erörterung; die Fragr kam» nur im Rahmen der großen Politik beantwortet werden. Nimmt Deutschland endgültig die Bedingungen an, die ihm zur Begleichung der KrtegSkosten im Sachverständigen- gutüchtm vorgelegt find, so wird e» sich der' darin liegenden möglichen Vorteile nicht begeben, indem e» die Not« di» Botschasterkonferenz für undtSkutadel erklärt. Di« Anyahmc. der Forderungen der Botschasterkonferenz würde Deutsch, land keinen Schritt weiterbringen. Dir mSortr der Note find nur Nebel: künden in keiner Weise an, da» Frankreich Deutsch land» Recht« au« dem Versailler vertrage anzurrkennen sich herbetläßt. Frankreich wird au» seinen Stellungen nicht weichen, so» lang» Deutschland in der Frage der Mtlitäraufflcht nicht einig