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Nr. 120 Freitag, äen 2L. Mai 1924 19. Jahrgang /luer Tageblatt :LZM Anzeiger für Sas Erzgebirge Mm «MtAchl AM» I» OOitfffMalDI» rag.dia« Enthalte«» »i, omlUchru Bstzauatmachoags» Kg» Rat«« tz« «tast «I- ö,A Ruit«-«1cht» R«. ft«, LUßU- »,. ,ew Rreättnot. von unser«: Berliner Mitarbeiter. Nur langsam, .aber doch deutlich sichtbar, beginnt in Deutschland der Vrozeß einer neuen Kapttalschaffung in Gang zu kommen. Eine überaus verdienstvolle Mittler rolle erfüllen dabei die Sparkassen, hie auch Keine und kleinste Beitrüge zu diesem aufbauenden Werk heran führen. Auch die.großen Versicherungsgesellschaften, di» eine Zeit lang für die Anlage der ihnen ständig zu fliehenden sehr erheblichen Barmittel die sicherer er scheinenden Devisen bevorzugten, gehen erfreulicherweise mehr und mehr dazu über, durch Benutzung hon Gold- kon.en diese Beträge der Wirtschaft und dem Ausbau eines neuen Kapitals nutzbar zu machen. Vor allen T n,,en aber bemühen sich die Verantwortlichen Stellen )i.ei sbank und ReichSwirtschaftsministerium, darum, eu.ch Auf.lärung und d.irch praktische Förderung den Prozeß der Kapitalschas'ung anzuregen und zu fördern. Ein sehr wirksames Mittel ist in dieser Richtung die Er höhung der Haben-Zinsen. Durch sie wird der Teil der Wirtschaft, der noch immer den Sachwerten eine heute ganz übertriebene Bevorzugung gegenüber dem geld lichen Kapital einräumt, vor dje Frage gestellt, ob es nicht ratsamer ist, absolut sicher angelegtes Kapital Zinsen tragen und jederzeit greifbar zur Hand zu sehen, all große Warenvorräte im Speicher aufzustapeln. Gleichviel, die Schaf,una »von neuem Betriebskapi tal für die Wirtschaft steckt noch sehr in ihren Anfängen und die Beschaffung von Krediten ist außerordentlich schwierig. Tie mißlichen Folgen dieser Tatsache bekom men einzelne Unternehmungen immer wieder sehr schmerzhaft zu spüren, und der Lefsentlichkeit bemächtigt sich dann von Fall zu Fall eine unverkennbare Erre gung und Besorgnis und es wird einer Erleichterung der Kreditgewährung das Wort geredet. Diese Stimmen sind psychologisch verständlich, aber man sollte sich hü ten, aus Einzelfällen verallgemeinernde Schlüsse und Folgerungen abzuleiten. Die restriktive Kreditpolitik der NeichSbank hat durchaus überzeugende Gründe, und wer diesen Gründen nachgeht, wird ohne Zivetfel zu der Erkenntnis kommen, daß die Absicht, diese Methode zu nächst fortzusetzen, durchaus berechtigt ist. Bon allge meinen wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, be ginnt sie bereits ihre ersten Früchte zu Leidigen. Bor allem auf dem Devisenmarkt, wo der Anfall von De visen erheblich gestiegen, di« Anforderung dagegen we sentlich gesunken ist, so vatz von einer Börse auf die übernächste die Zuteilung z. B. in Dollar von 1 auf 0 Prozent erhöht, also verdreifacht werden konnte. Man rechnet auf Grund dieser Entwicklung damit, daß in ab sehbarer Zeit eine volle Zuteilung per angeforderten De- Visen möglich werden wird. Erfüllt sich diese'Voraussicht,.so ist damit ein Fort schritt von größter Tragweite erzielt. Alle di« mit der Devisenknappheit zusammenhängenden preiSstetgernden Erscheinungen, die TisparitätSklauseln, Risikvzuschläge und was noch sonst werden verschwinden und damit wird die Möglichkeit gegeben sein, die bisher überhohen Preise der ausländischen Konkurrenz anzupassen. Tie Rückwirkung dieser Möglichkeit wiederum auf die Ge staltung der Handelsbilanz leuchtet ohne weiteres ein. und es bedarf keines Wortes, daß es ein Ziel von le benswichtiger Bedeutung ist, .sobald als möglich aus der auf die Dauer untragbaren Passivität der Handelsbilanz herauSzukvmmen. Die Hemmung.für die Ausfuhr deut scher Erzeugnisse die beute in den übermäßig hohen Preisen liegt und den Aufschwung verhindert, wird Weg fällen und ebenso auf der anderen Seite der Anreiz zum Import ausländischer Erzeugnisse, durch den die Passiv, seit« vergrößert wird. So kann die letzte Auswirkung der gegenwärtigen und noch für absehbare Zeit beab sichtigten Kreditpolitik eine für die Wirtschaftslage Deutschlands, .für die Stärkung.feiner Leistungsfähigkeit und damit für die Förderung seines Wiederaufbau» und Wiederaufstiegs tm höchsten Grade segensreich« sein. SS gehört allerdings dazu, patz sich die Einsicht in die Notwendigkeiten, die hier angedeutet wurden, der ge samten Schicht de» Handel» und der Wirtschaft in Deutschland bemächtigt. Noch immer begegnet man, wie schon angedeutet wurde, in recht beträchtlichen Kreisen einer Ueberschätzung der Sachwerte, die von einem er- fahrenen Beurteiler der Verhältnisse mit dem treffen den Schlagwort „Sachwertpshchose" gekennzeichnet wor den ist Diese in den hinter un« liegenden Zeiten des Währungsverfalles gewiß gerechtfertigte Bevorzugung sachlicher Werte hat heute keine innere Berechtigung mehr, .im Gegenteil, wer sich heut« noch immer an die Aufspeicherung großer Warenlager klammert, statt mit seinen Waren auf Pen Markt zu gehen und sich dessen Verhältnissen anzupassen, der wird wohl oder übel die Erfahrung machen müssen, daß er damit ebenso gegen di« Interesse« der Allgemeinheit -handelt, wie «gm sein« eigenen. Da» Letzter« gilt namentlich auch lür die fast durchweg ganz unberechtigte Unterschätzung von Lffek. ten gegenüber Waren. Die Entwirkluna der letzten Wochen zeigt immer hin eine gewisse Erleichterung auf.dem Kredit, markt, und wenn sich die Tinge so gestalten, wie «S die Hoffnung ter Verantwortlichen Stellen ist. und wie es im Vorstehenden als durchaus möglich pargelegt wur de. .so ist für die Zeit einer gesicherten Stabilität der Devisenkurse auch durchaus mit einer Erleichterung der Kreditbedingungen zu rechnen. Ueber den Betrag von zwei Milliarden Goldmark hinaus, .für den die Reich», bank heute Wechsel diskontiert hat, und der daS Friedens- Verhältnis um etwa LO Prozent überschreitet, wird man nicht gehen können, wenn man die Währung nicht ge fährden will. Andererseits hat die Goldkredttbank be reits drei Millionen Pfund auSgegeben und wettere fehr umfangreiche Kredite bewilligt, und auch bei den bisher getätigten privaten Auslandskredtten scheint man um die dabei stets bedenklichen Punkte, überhohe Zinssätze usw. herumgekommen zu sein. Man hat, trotz einzelner Fälle von harten Schwierigkeiten, den Eindruck, daß der jetzt gegangene Weg der richtige ist und Wetter verfolgt werden soll. L nltiäung der Mitie a.» clie Deutschnett onalen. Berlin, 22. 5. Tie Führer der parlamentarischen Mtttelpartcten haben, einer Anregung der Deutschen Volkspartei folgend, aus der neuen Lage, die sichau» dem Scheitern der gestrigen Verhandlungen ergeben hat, die Folgerung gezogen, daß die Anregung zu neuen Ver handlungen nunmehr von der Mitte auszugehen habe. Daher traten heut« vormittag die Fraktion-Vorstände de» Zentrums und der Deutschen BolkSpartei zu gesonder ten Besprechungen zusammen. Der Fraktion-Vorstand der Volk-Partei beschloß, die Vertreter der Mittelparteisn heute nachmtttaa zu Besprechungen einzuladen. in de nen darüber beraten werden soll, ob man nunmehr die Teutschnationalen zu neuen Verhandlungen einladen solle. Ta sowohl der Vorstand deSLentrumS der Ein- leitung neuer Verhandlungen mit den Deutschnationalen sympathisch gegenübersteht, und auch von den Demokra- ten keine Schwierigkeiten erwartet werden, kann man damit rechnen, daß die Besprechungen zwischen den Mit- telparteien und den Teutschnationalen morgen wieder ausgenommen werden. Wenn davon gesprochen wird, daß Pas Kabinett Marx vielleicht doch im Amte bleiben und die Entscheidung Über sein Schicksal dem Reichstags!. Plenum überlassen wolle, so kann ein derartiger Plan nur als letzte Möglichkeit gewertet werden, fall» die Verhandlungen zwischen den Fraktionsführern ergebni«. los verlaufen sollten. Die deutfchnationale RetchStag-fraktion hat die Einladung zu einer Besprechung auf Freitag vormit tag 10 Uhr angenommen. DaS Thema ist! „Be sprechung .Über die Fragen der Regierung-Neubildung" Mit dieser allgemeinen Fassung ist nach der Meinung Per T eutschnationalen ausgesprochen, daß alle darauf ^bezüg lichen Fragen zur Besprechung kommen sollen und nicht etwa die Personenfrage ausgeschlossen ist. der neu» Reichsetat. Dec Reichsftnanzmtntsllr hat einen neuen RetchSetat ausgestellt, der nach dem Plan vom 1. April aufgestellt ist und die durch den Personal und Verwaltungsabbau erzielten Ergebnisse sowie die am l. April eingetretene allgemeine Er höhung der Gelder und Löhne berücksichtigt. Nach dem neuen Entwurf erfordert der Etat des Reich-Präsidenten einen Zuschuß von rund LKOOOO Mark. Der Etat des NetchSwirtschaftSministeriumL, de» Reichskanzler» und der Reichskanzlei einen solchen von rund 070 000 Mark. Di: Ausgaben für Heer und Marine sind aus 4b0 Millionen ver. nnschlagt, davon entfallen auf die Marine rund 100 Mtllto. nen Mark. Das Ministerium für die besetzten Gebiete, für das zum rrsten Male ein eigener Etat ausgestellt ist, das aber al- künftig wcgfallend bezeichnet wird, erfordert einen Zuschuß von rund 6 Millionen Goldmark. DaS ReichSsustizministe. rium hat sogar Ueberschüsse zu verzeichnen. Hier stehen den Ausgaben pon rund 7 Millionen Mark Einnahmen von rund 0 Millionen Mark gegenüber. Bon den Einnahmen sind be merkenswert, G.'richtSkosten in Höhe von 400 000 Mark und die Einnahmen an Patentamtsgebühren in Höhe non rund Ob Millionen Goldmark. Der Reichstag erfordert ein?n Zu schuß von rund 4 Goldmillionen. Die Aufwandsentschädigung für ReichStagsabaeordneti, die für daS einzelne Mitglied 018 Mark pro Monat beträgt, erfordert rund 1 800 000 Gold- mark. Für die Gewährung von Freifahrscheinen an die Reich-tag-mitglieder verlangt die Reichsbahn rund 1 Million Goldmark. Drr allgemeine Pension-fond- schließt mit einem Zuschuß von 894 Goldmillionen. Da die Etat» de» Reich« v«rk«-r»mintstertmn» und de» Reich»postmtnisterium» der Be gutachtung des RetchSrat» und de» Reichstag» nicht mekr unterliegen, ist dem RetchSrat nur ein Nachweis über das er. forderliche Mtntstergehalt vorgelegt worden. Enthüllungen Noskes über Sie Welfen. Die Eröffnungssitzung des Hannoverschen Provinzial. Landtages am 20. Mat stand im Zeichen der Vorabstimmung in Hannover: ES kam zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den deutsch-hannovrrschen Abgeordneten und dem Oberpräfidenten Noske. Als von jener Seite erklärt wurde, daß die deutsch-hannoversche Partei die Vorabsttmmung - nicht als ordnungsgemäß anerkenne, machte NoSke folgende auf« sehmerregende Mitteilungen: Die deutsch-hannoversche Partei hat Akten stehlen lasten oder gestohlen« Akte» zur Veröffentlichung gebracht. Di« „Hannoversche Laudeszeitung" hat «i» ganze« Bündel geftv lener Akten veröffentlicht. Beamte der Reichspost wurden ver- anlaßt, das Postgeheimnis zu brechen. Eine Depesche von ihm sei unterschlagen und der Landeszeitung zugetragen worden. Diese übelsten Treibereien hat die deutsch-hannoversche Partei, deren Führer eiuen ehrlichen Kampf proklamiert haben, gr. deckt. Eln Sachverstänöigengutachten über öle Rechtslage lm Ruhrstrrlk. Auf die vom RetchSarbeit-ministerium vorgelegte Frag«: Welche Arbeitszeit galt am 1. Mat 1924 tm rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau 4ür di« Ar beiter unter Lag«?, haben di« im ReichSvrbett-ministe- rium einberufenen Sachverständigen das folgende Gut achten beschlossen: Mm 1. Mat 1924 war die «pbett-zeit in folgender Weise geregelt; 1. die NormalarbeitSzett betrug.7 Stunden nach Maßgabe des ß 2 de- Manteltarif»; 2. zugleich bestand die Verpflichtung zur Leistung einer Ueberstunde nach Maßgabe de» TartfabkpmmenS vom 29. November 1SL8; 8. bei der Schwieriakeit der rechtlichen Beurteilung ist nicht anzunehmen, daß die Weigerung der Arbeitneh mer zur Leistung der Ueberstunde auf «in schuldhafte-, vertragswidrige» Verhalten zurückzuführen ist. Da» vorliegende Gutachten von fünf hervorragen den und anerkannten Juristen schafft endlich Klarheit über dis Frage, welche Arbeitszeit nach Ablehnung Pe» Schiedssprüche» vom 16. Mai im Ruhrbergbau besteht. ES beweist die UnLaltbarkett de» MrbeiterstandpunkteS. daß gb 1. Mal die Unternehmer lediglich die sieben stündige Arbeitszeit de» Manteltarif» vom Dezember 1922 fordern durften Ver letzt« Absatz des Gutachten» erleichtert den Gewerkschaften sehr den notwendigen Ent schluß, und bedeutet zugleich eine Aufforderung an die Unternehmerschaft, von Maßregelungen lediglich au» An laß de» «rdeit-kampfe» Abstand zu rühmen. Bahnhof und Rsihau« in «Itenessen besetzt. Essen. 22. ü. In der siebenten Abendstunde haben starke kommunistische Trupp» in Altenejsen Bahnhof Md Rathaus besetzt. Sn Witten fanden Zusammenstöße der Kommunisten mit der Polizei statt. Die Demonstranten konnten au- der inneren Stadt verdrängt werden, wo bei e» acht verletzt« gab. Die Lag« ist sehr ernst. Pa die Kommunisten ihre Anhänger seit gestern abend in geschlossenen Hundertschaften am Homberger vahnhos sammeln. der verbanS -er deutsch»« B»»»rko»r»ia» (Hirsch-Vunckee) nahm dieser Tag« tu einer vertreterkvnftrenz. seiner Houptvorstände Stellung zu den schwebenden Fragen der Arbeiterbewegung. Der Vorsitzende de» Zentralrats Lzieslik referierte über die allMnein« wirtschaftlich« Lag«. Er führte den gegenwärtigen schweren Arbeits konflikt tm Bergbau zum Teil auf di« Lückenhaftigkeit unserer sozialpolitischen Gesetzgebung zurück, «u» den Ausführungen de- verband-vorsitzenben Franz Neu stedt ging hervor, daß die Gewerkveretne über die schwo ren organisatorischen und sozialen Erschütterungen der letzten gahr« ohne Schädigung per Stärk« der Organi sation hinweggekommen sind, und daß die setzt wieder eingetreten« Stetigkeit zu der Hoffnunggus baldige Wie derherstellung der alten Stotzkaft berechtigt. demokratisch» Tagungen. Der zweite deutsch« Kulturtag der Deutschen Demo- kra tisch en Partei findet vom 18—16. Juni tu Breslau statt. ES sollen dort Fragen der Erziehung und Bil dung, .sowie der Erhaltung der Kultur der breiten Volk», schichten behandelt werden. Auskunft erteilt der Kuk turaulschuß -er TDP.. Berlin SW. 11, «»rnbuvgsr- straße IS. ! >