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AMU Anzeiger für das Erzgebirge -„«-»«mm,, ft,»^s»n-e. Eathaitea» amllich», Lßla,at»achoa^, t« «ate» öe» «ab« aas »— MMS-«icht« fw». »> ft«, a,. i,„ Nr. 123 IS. Jahrgang Dlönslag, äen 2r. Mal 1924 Reichstagsbeglnn. Am, mffaam verltnor Mtarvetter. Der große Lüg ty da. Wenn nicht das zur Stund«, da dies« Zeilen geschrieben werden, noch nicht ganz durch sichtig« Problem der Regierungsumbildung eine Ver zögerung verursacht, dann werden heute nachmittag um 3 Uhr di« seit dem 13. März verstummten vielstimmigen Klingeln. Hupen und Schnarren im RetchStagSgebäude, entstaubt und frisch geölt, wieder ihr unharmonisches aber durchdringendes Gelärme erheben, und die neuer wählten. zum Teil nur neu bestätigten Volksboten wer- den in dem Halbrund der Bankreihen des Sitzungssaales ihre Plätze suchen. Ter Alterspräsident, aller Voraus sicht nach her sozialdemokratische Abg, Wilhelm Bock, der im Avril 1846 geboren ist, auch schon dem letzten ReichStaa und, der Nationalversammlung angehört hat und wie der Reichstag-Präsident Löbe Redakteur ist, wird die konstituierende Sitzung.eröffnen und zunächst leiten. Diese erste Sitzung.wird, von der etwas zeitrauben den Abwicklung der Vvrgeschrie denen Formalitäten ab gesehen .ein Ereignis von besonderer Bedeutung.sein, und das Interesse der Oeffentlichkeit bekundet sich ja zur Genüge in der Tatsache, datz schon seit langen Ta gen alle Tribünenkarten für die Dienstagssttzung ver gaben sind. Diese Tatsache hat allerdings auch einen anderen, .weniger harmlosen Hintergrund. .Es ist be kannt geworden,, datz die Kommunisten gleich die erste Gelegenheit zu einer tatkräftigen Bekundung ihrer anti parlamentarischen Einstellung und zu lebhaften Lärm szenen benutzen wollen. Sie wollen sich keineswegs dar- auf beschränken, im Sitzungssaale selbst das Erscheinen ihrer besonderen Freunde von rechts, namentlich des Mbg. Ludendorff, mit demonstrativer Entrüstung zu be- qirüsten, die sie so gut zu spielen verstehen und die zu einem Teil ihrer von Moskau so gut honorierten Pflich ten gehört. Sie wollen auch die Tribüne für-ihre Radaupläne einspannen und haben unter dem Vor wand, sich sofort bei Beginn der Reichstagssession für dis politischen Gefangenen einsetzen zu wollen, alle ihnen verfügbaren Zulatzkarten an möglichst exaltierte und aufgewiegelte Parteianhänger verteilt. Tiefe sol len auf ein Stichwort aus dem Saale von der Tribüne aus „demonstrieren", um das Vorhaben der kommuni stischen Fraktion zu unterstützen. Man darf annehmen, datz die Rechte sich der Unterstützung ihrer Freunde für die Abwehr solcher Pläne versichert und die ihr zur Verfügung stehenden Tribünenkarten entsprechend ver teilt hat. GS kann sich also für den Herrn AlterSprä, sidenten eine wenig »erfreuliche Situation ergeben, hie sogleich zu straffer Handhabung her Geschäfts- und Hausordnung zwingt. Der Mbg. Bock, wenn er zu die sem Amt berufen ist — macht trotz! seiner Jahre keines wegs den Eindruck deS bewußten Greise- auf dem Dache, und er' dürfte durch den Präsidenten Löbe zweckentspre chend unterrichtet sein. Löbe selbst war ja wiederholt ge wungen, wilde Stürme zu meistern. Er hat sich, gestützt auf die ordnungSmätztgen Möglichkeiten, begabt mit einer klugen und entschiedenen persönlichen Art und unterstützt von der ordnungsliebenden Mehrheit des Hau. seS »stet» durchzusetzen vermocht. Immerhin hat der verflossene Reichstag üble Szenen erlebt, von denen er sich selbst beschämt abwend^n mutzte, und man kann dem neuen Hause nur aufrichtig wünschen, datz ihm solche Ausschreitungen Und Tumulte erspart bleiben. Nicht nur in seiner ersten Stund«, sondern dauernd. Di« Wahl des Präsidenten wird dabei von nicht zu unter, schätzender Bedeutung fein, und man möchte hoffen, datz sie ebenso glücklich »st wie die, hie den bisherigen Ver walter dieses schwierigen AmteN berief. Die Wieder kehr LbbeS, die noch keineswegs außerhalb de- Bereiches der Möglichkeit liegt, .solange da» tatsächliche Fraktion--/ Verhältnis zwischen Deutschnationalen und Landbund nicht geklärt ist, wäre gaNz gewitz nicht die schlechteste Lösung. i ! Der Hergang der ersten Sitzung wird der sein, datz die Mitglieder einzeln in alphabetischer Reihenfolge auf berufen werden, sodatz wan die neuen Männer und Frauen de» Reichstage» kennen lernen wird. Dieser Aufruf, der zur Kontrolle unter Umständen wiederholt werden mutz, ist verhältnismäßig zeitraubend, gibt aber Gelegenheit, .nicht nur die einzelnen Persönlichkeiten, sondern auch die Gruppierung der einzelnen Fraktionen in» Auge zu fassen die bekanntlich aus.einige Schwierig- leiten gestoßen ist welche durch die beengten Raumvox, hältnisse noch vermehrt wurden. Immerhin hat feder der 47S Abgeordneten nun seinen Platz, all« Fraktionen mit Au«nahme der kleinsten Grüppchen sitzen in dem Halbrund keilförmig.eingeordnet, sodaß di« Fraktion«- Mrer in der vordersten vankreihe untergebracht sind, und nur die Zugänge sind zum Lei! «ingezogen, MM »eil verengt wovden. Da aber an normalen Sitzung«. tagen nur ein Bruchteil der Abgeordnete« im Saal anwesend ist, so wird sich die RaumknaPPHett nur an dm sogenannten großen Tagen geltend .machen, zu de nen freilich der Tag der Eröffnung In erster Linie zu rechnen ist. Hat der Namensaufruf ergeben, daß eine genügende Anzahl der neugewählten Volksvertreter zur Stelle ist. so ist die nächste und zugleich letzte Aufgabe des Alters präsidenten, die Vornahme der Präsidentenwahl. Nach einem Brauch, her sich bewährt hat, ist man aber dazu übergegangen, diesen sehr umständlichen Wahlakt, der durch die weiteren Wahlhandlungen für die Vizepräsi denten. Schriftführer usw. Überaus zeitraubend ist, und der sich nur durch vorherige Vereinbarungen zwischen den Fraktionen etwas vereinfachen läßt, erst in der. 2. Sitzung porzunehmen. da- wäre diesmal am Mittwoch. Bis dahin wird sich z.u entscheiden haben, oh tatsäch lich die Teutschnattonalen und der Landbund sich zu einer Fraktionsgemeinschaft verschmelzen in einer Weise, die den Vorschriften entspricht, und damit eine größere Fraktionsstärke erreichen, als die Sozialdemokraten. Man kann es verstehen, datz angesichts der zu befürchten den scharfen Zusammenstöße, auf die die radikalen Grup pen direkt hindrängen, den durch langjährige Erfahrung gewitzigten Sozialdemokraten das Prästdentenamt dies, mal nicht besonders erstrebenswert erscheint, sondern datz sie einem Teutschnattonalen diese aufreibende Aufgabe gönnen möchten. Von solchen Stimmung-Momenten aber kann die Entscheidung nicht abhängen. Sie liegt bei der Gesamtheit des Reichstages, .die gleich bet ihrem ersten Zusammenkünften zu zeigen haben wird, ob sie ein arbeitsbereites und arbeitsfähiges Parlament dar- stellt, wie das deutsche Volk «S dringend braucht. Der Rücktritt äes Reichskabinetts. Die Reichsregierung hatte in ihren Sitzungen vom k. und 18. Mai 1924 beschlossen, bis zum Zusammentritt des Reichstage» im Amte zu bleiben. In' Verfolg dieses Beschlusses hat die Reichsregierung gestern erneut zu vieler Frage Stellung genom» men und einmütig beschlossen, dem Reichspräsidenten ihre De mission zu überreichen. Der Reichspräsident hat die Demission angenommen und das Reichskabinett mit der einstweiligen Fortsührung der Ge- schäfte beauftragt. Vie VeutsHnatipaalen beteiligen sich an - r NegierungsbilSvng. Die Fraktion der Deutschnationalen Volkspartet hat, wie in parlamentarischen Kreisen verlautet, der Deutschen Volkspartet ihren Entschluß mitgeteilt, sich an der Regierungsbildung in der ihrer Stärke entsprechenden Weise zu beteiligen. Die Antwort der deutschnattonalen Fraktion, die an die bereits erfolgte No minierung de» Großadmirals von Tirpitz als geeigneter Persönlichkeit für die Bildung einer arbeitsfähigen Regierunn erinnert, enthält Vorschläge für eine Einigung zwischen den für eine Regierungsbildung in Betracht kommenden Parteien. Eine gewisse Kontinuität (Fühlung) mit der abtretenden Regte- rung soll gewahrt werden, die deutschnationale Fraktion dürfe aber die deutschen Unterhändler nicht mit gebundenen Händen dem vusland gegenüberstellen. Wie weiter verlautet, bean. spracht die Deutschnattonale Volkspartet die Stellung de» Reichstagspräsidenten. Wie aus der Umgebung des Reichspräsidenten mitgeteilt wird, soll dieser geneigt sein, noch einmal eine Reichstagswahl stattftnden zu lassen, die dann unter dem Zeichen des Sachver- ständigenberichts stehen würde. England informiert /ich über die Stellungnahme -es Nelchstags. Deutsch-englisch« Annäherung- Rotterdam, 2«. Mai. Die „Mprning Post" meldet, der deutsche Botschafter war am Freitag früh bei Lord Haldan». Wie verlautet, war der Besuch von Macdonald gewünscht, der über die Stellungnahme de» deutschen Parlaments zu dem von der deutschen Regierung angenommenen Expertenbericht infor miert zu sein wünschte. Die „Lime," melden, in den Besprechungen zwischen Statz- mer und Haldane wurde auch di« Frage der Räumungsfrtsten der besetzten Gebiete erörtert; in dieser Frage scheint »ine An näherung -wischen dem deutschen und dem englischen Stand- punkt« sich vorzuberetten. Deutschland bezahlt v«satzung»kost«n. Der „Temps" meldet, datz am Freitag ein« wett«,« deutsch« Kontozahlung von 2r Millionen Mark für di« Besatzungskosten durch die Kriegslasten- kommtsston ÜL«rwi«srn wprden ist. Di« »Srsatz-Rot« Fahne" v«,bot«n. Der Poltzeiprästoegr von Berlin hat die an Stelle d«, „Roten Fahne" ins Berlin! zur Verbreitung kommend» kommunistische „Volk,wacht sür Pommern" au» denselben Gründen, au» denen «r zum verbot der „Roten Fahne" und der „Roten, Fahn, für di« Provinz Bran- denLurg und di« Laush" genötigt war, verboten. Da» vcrbdi dauert bi» zum 14. Juni d. I. Die Tagung äes Hansabunäes. Der Hansäöund hielt am Sonnabend und Sonntag in Hamburg eine Taguna ab. bet der zunächst der Reich», tapsabgeordnete Professor Dir. Rietze« alS Ehrenprä sident de» HansabundeS eine Rede hielt über die Ziele dieser Bereinigung, al» deren Wesentlichste» er den kate gorischen Imperativ der Pflicht gegen da» Vaterland bezeichnete. Im Mittelpunkte der Tagung stand eine Rede des Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht über die deutsche Währungspolitik. Nach einer ausführlichen Würdigung der heutigen Politik der Retchsbank erklärte der Redner zur Frage der AUSlandKkredite..es sei zur Beruhigung de» Auslands» und der ausländischen Kreditgeber, von de nen Deutschland in den letzten Zeiten sehr viel Gute» erfahren habe und denen es dafür danke, gesagt: Sv- lange sich die Kredite auf die anständigen deutschen Wirtschaftskreise erstreckten könnten sie davon Überzeugt sein, daß der deutsche Kaufmann keine Kredite in An spruch nehmen werde, die er nicht zurückzuzahlen in der Lage sei. Im übrigen seien kurzfristige Auslandskredite genügend vorhanden, langfristige Investionen werde aber Deutschland erst erhalten, wenn es auf Grund de» Da- wesgutachtens eine Stabilität in seiner Wirtschaft er zielt haben werde. Auch der Landwirtschaft müs sen langfristige Anleihen zugeführt Werden. Voraus sichtlich! wird Deutschland im Falle einer Lösung der internationalen Schwierigkeiten in der Lage sein, deub- sche Agrarbriefe in der Welt in ähnlicher Weise Wie seinerzeit Argentinien und Mexiko zu plazieren. Wir werden schloß Dr. Schacht, zu einem neuen Gedeihen unserer Wirtschaft nicht kommen, wenn wir nicht einen friedlichen Ausgleich mit den Wirtschaften anderer Völl- ker finden. Ich hoffe »daß die Einsicht in diesem inter- nationalen Zusammenhang guf der anderen Seite stark genug ist, um uns einen Schritt in unseren Schwierig- ketten entgegenzukommen. Ich sehe einen solchen Schritt! auch auf dem Gebiete der Kolvnialpolitik. Deutsch land darf nicht auf ewig von der Kolonialwirtschast au»- gesperrt werden. ES würde eine Entlastung der inter nationalen Lage sein, wenn man Deutschland einen Aus laß in die Welt hinaus gibt. Ich' glaube, Hatz der Kampf, den wir geführt haben, auch dem AuSlanjde die Äugen geöffnet hat. Wir sehen eine Stimmung in der Welt, beherrscht von dem Gedanken, los von dem internatio nalen Hatz, zurück zur friedlichen internationalen Ar beit, zum Warenaustausch zwischen den Böllern, der nicht nur einem Lande, sondern allen Ländern und Böt- kern dient. Nach dieser Rede und einer folgenden sprach der Präsident des HansabundeS Reichstagsabgeordnete« Fi sch er über da» Themar Wirtschaft und Sachverständigengutachten. und betonte, daß die ReichSregierung den Sachverstän- digenbertcht angenommen habe, daß aber mit dieser An nahme der Protest gegen den Versailler Vertrag durch aus nicht aufgehoben sei. Da» Gutachten selbst stelle keine endgültige Lösung des Reparation-Problem» dar. Voraussetzung.für Reparationsleistungen ist die Auf- aabe der von Frankreich und Belgien bisher durchge- sührtcn Rhein- und Ruhrpoltttk. Lis Herstellung in- ternationalen wirtschaftlichen Vertrauen» ist unmöglich, wenn die absolute Belastung der deutschen Wirtschaft durch die Reparationen in einer Höhe fixiert bleibt, die jeglichen Eigennützen de» in der deutschen Wirtschaft arbeitenden Kapitals von vornherein auf Jahrzehnte unmöglich macht. Die konkreten Vorschläge de» Gut achten» gehen von sehr erheblichen volkswirtschaftlichen Fehlschlüssen au». Der Redner ging dann näher auf die großen Mü den ein die Deutschland durch den Versailler Vertrag erlitten hat: Gebietsverluste. Kolonien verloren, .Han delsflotte geraubt, Oberschlesien zerrissen, Ruhr besetzt und legte klar, datz Deutschland nur unendlich schwer die Ueberschüsse herausarbeiten könne, mit denen da» Sachverständigengutachten rechn«. Bor allem aber sei die schwerste Bestimmung die Verkauf-Vollmacht, die hem von der Reparation-kommtsston eingesetzten Eiseichahn kommissar übertragen werden soll. Hier mutz «S Auf gabe der deutschen Außenpolitik sein, mit allem Nach druck auf eine AuSführunaSgesetzgebung,zu drücken, die jede nur irgendwie denkbare Sicherheit für die Obliga tionäre vorsieht, hie Pression de» Verkaufs aber von dem deutschen Reichsbahnunternehmen nimmü Welche» Interesse politischer Art kann bei den privadrechtlichen Gläubigern, den Inhabern der Eisenbahnobligationen, bestehen, die doch nur ihr« Zinsen und ihre Amorttsa- ttonsguote au» dem Geschäft ziehen wollen? Hier liegt eine Undurchsichtigkeit der Motiv« dieser Vorschläge vor. die un» berechtigt, durch! .Verhandlungen die völlige Tendenz diese» Bericht,teil» klar-ulegen und seine Ad« ändern« zu erstreben. Es müßt» doch klarzumachen