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Anzeiger für das Erzgebirge /luer Tageblatt ^.'^"7 fTAT> VUV k»I»gram»i, kagedlatt n»» «»»-»St»-« Ettthalto» Aß» amtllchev Heloavtmachuagea «IS Aokis ÜTI Slobl MtA «IS ^WtSAIßschtS stm. P,flM,<r»K«oi» I ftmt Leipzig Nr. 1»»« Nr. ro Die innen» unä außenpolitische Deäeutung äer Reichstagswahlen Bon D«. Külz »M.d.R. Dost die bevorstehenden NetchStagSwahlen von außer ordentlicher Bedeutung sind, entpflndet instinktiv das ganze deutsche Volk, aber über die Gründe hierfür gibt sich der Einzelne nur verhältnismäßig wenig Gedanken hin. Nur der aber vermag, die richtige Einstellung zu der von ihm auszuübendcn höchsten staatsbürgerlichen Pflicht zu gewinnen der.rin klares Urteil darüber hat. aus Was es ankommt. Die Abgabe der Stimmzettel ist ia eben in einem demokratischen Staat etwas ganz an deres, als in dem Staate des früheren Systems. Da mals war der Stimmzettel im Wesentlichen nur das Mittel, Kritik an der Politik und den Maßnahmen der Regierung.und des letzten Reichstages zu üben. Tas ist er geute auch noch aber er ist darüberhinaus setzt doch unendlich viel mehr. Er ist aktive und unmittel bare Teilnahme an der Staatsverantwor tung. Der Reichstag, der gewühlt wird, gebiert aus seinen, Schoße heraus die künftige Neichsregierung und bestimme damit Richtung und Inhalt der .-gesamten Retchsvolitik. Tie politische Richtung, die der Einzelne bet ,einer Stimmabgabe wählt, soll nach seinem Willen al;o bestimmend für das Schicksal von Volk und Vater land sein. Eine einheitliche und geschlossene Politische Willens bildung .ist auch- jetzt im deutschen Volke noch nicht zu erkennen, und selbst dort,, wo eine gemeinsame Grund stimmung vorhanden ist, gehen ihre praktischen Auswir kungen oft diametral auseinander. Es ist nicht zu leug, neu. daß ^ine tiefe nationale Sehnsucht durch das deutsche Volk gebt, und dazu die heiße Sehnsucht, lvszukommen von den Bedrückungen und Erniedrigun gen, denen wir in den letzten 5 Jahren immer wieder von neuem au gesetzt waren. Man könnte sich hierüber aufrichtig.freuen, wenn nicht diese nationalen Kräfte so oft auch auf Irrwegen wandelten. Ein Blick aus den Htrlerprozetz in München genügt, um das zu «erkennen. Selbst die, d.ie einzelnen Personen dieses Spieles mensch liche oder politische Sympathien entgegeNbringen, wer den sich doch sagen: so, wie es hier gemacht werden sollte, ist die Befreiung Deutschlands nicht denkbar. Mit vater ländisch stark auf-getragener, aber in ihren praktischen Zielen unklarer Politischen Romantik kann man eine Zeitlang die Stimmung einzelner Volkskreise in seinen Bann schlagen, aber niemals ein ganzes Volk zum Aus stieg führen. Hierzu gehört nicht nur die richtige Stim mung. sondern die richtige Gesinnung. Wahre natio nale Gesinnung.aber arbeitet nicht nur mit stimmungs mäßigen Momenten, sondern macht zur Grundlage ihres Handelns die Notwendigkeiten und Möglichkeiten der politischen Vernunft auch Hann, wenn die daraus sich ergebenden Maßnahmen stimmungsmäßig.zunächst keine Resonnanz finden. Und so stellen die bevorstehen den Reichstagswahlen das deutsche Volk und jeden Ein. zclncn von uns zunächst vor die entscheidende Frage,, ob sie sich! von den Stimmungen oder Mißstimmungen des Tages leiten oder ob sie sich zu den Erfordernissen der vrakttschen politischen Vernunft bekennen wollen. Rein sttmmungsmäßtge Politik führt immer zum politischen Radikalismus..realpolitische Vernunft aber zu abwägen dem und besonnenem Handeln. Die letzten Wahlen innerhalb Deutschlands haben einen besorgniserregenden Z.ugzumRadtkaltSmuS rechts und .links offenbart. Radikalismus bedeutet na- turnotwendig schärfsten Kampf im Innern und nach Außen; ein niedergeworfenes und sich politisch sowie wirtschaftlich mühsam vom Boden erhebendes Volk aber braucht Ruhe und Frieden. Die Hoffnung unserer außenpolitischen Gegner verspricht sich alles von einer Stärkung her radikalen politischen Strömungen. Nichts könnte dem französischen Chauvinismus willkommener sein für die kurz nach dem 4. Mat stattfindenden fran zösischen Wahlen, als eine rechtsradikale Entwicklung in Deutschland, die den nationalistischen Imperialismus in Frankreich aufs neue beleben müßte, und nichts würde für den russischen Bolschewismus eine stärkere Hoffnung bedeuten als eine Erstarkung des deutschen Kommuni», mu». Alle diese Erwägungen sind so selbstverständlich, daß nur Kurzsichtigkeit und Verblendung an ihnen vor übergehen können. Eine Politik der vrUkttsAen Vernunft ist nicht gleichbedeutend mir Passivität, mit Fatalismus oder mit Mittelmäßigkeit. Im Gegenteil: stärkste Aktivität und stärkste Ausnutzung der vorhandenen nationalen und wirtschaftlichen Energien ist für sie zwingendes Ge bot, aber es gilt für s.te, diese Kräfte in die richtig« Zielrichtung.zu bringen. Welches ist diese allein mvg- liche Zielrichtung? Stresemann hat sie in seiner letz ten Rede mit denselben Worten gekennzeichnet, mit de nen wir die» schon zu einer Zett getan haben,, al» diese Sonnabenä» äen 22. Marz 1924 Politik noch! von politischen Richtungen bekämpft wurde die sie später an verantwortlicher- Stelle selbst treiben mußten, mit den Worten; durch Opfer und Arbeit zur Freiheit! Das ist gewiß kein gleißnerischeS Wort, .und klingt anders als nationalistische Fanfaren; aber es umschließt das nationale Gebot schlechthin und verlangt das stärkste Wollen für Volk und Vaterland. Man hat das Wort von der Erfüllung-spoltttk geprägt. An sich ein mißverständliches Wort. Niemand ist sn Deutschland so töricht zu glauben, daß das von uns er füllt werden könnte, was ein Gewaltakt von Versailles uns auferlegt hat, aber das war und bleibt für alle Zetten ein ewiges und ehernes historisches Gesetz, .daß ein Volk das durch einen verlorenen Krieg seine äußere und innere Freiheit verloren Hat,, sie niemals anders zurückgewtnnen kann, als durch Opfer, und daß diese Opfer um so schwerer find, je größer Rückschlag und Niederlage waren. Diese Erkenntnis . ist schmerzlich, aber sie bleibt Wahrheit und damit Ausgangspunkt des verantwortungsbewußten Handelns. Die Parteien, die bisher für die deutsche Politik verantwortlich waren, haben ausnahmslos nach diesem Grundsatz handeln müs sen, auch wenn sie vorher im Wahlkampf, der Stim mung ihrer Wähler oder derer, die sie als Wähler ge winnen wollten, Rechnung tragend, gegen eine solche Politik zu Felde zogen. Das Gesetz des Handelns wurde dabei vielfach diktiert durch außenpolitischen Zwang. In den letzten drei Jahren erst hat sich die volle Auswirkung unserer Niederlage gezeigt. Tas Ulti matum von London, die Entscheidung über Ober schlesien und der Einmarsch in das Ruhrgebiet sind die schwärzesten Tage in dieser Nachkriegszeit. Ter Verlauf des Ruhrfeldzuges brachte die endgültige Ver nichtung unserer Währung. Aber wie die Besetzung des Ruhrgebietes, che zu verhindern keine noch, so ge- ! artete deutsche Regierung .gegenüber dem französischen ! Vernichtungswillen die Macht gehabt hätte, .den tiefsten . Punkt in der über uns herein-gebrochenen politischen und wirtschaftlichen Katastrophe bedeutet, .so ist doch zu gleicher Zeit auch ein Wendepunkt in.der außen- und innenpolitischen Lage LU erkennen. Die französische Brutalität äußert täglich nunmehr auch gegenüber den alliierten Staaten ihre unheilvolle Wirkung, .Und so sehen wir weder England noch Italien noch Amerika heute noch.wie früher, willenlos im Kielwasser des fran zösischen Imperialismus segeln, und die Erkenntnis von der Noiwendigkeit Zm eigenen Interesse die Deutschland ! an-usinnenden Leistungen erträglich zu gestalten, hat er heblich an Boden gewonnen. Tiefe langsame und müh- i selig sich durchsetzende Gesundung hätte durch eine Po litik nationalistischer Heißsporne im Keime erstickt wer den müssen. Schon .jubiliert der „Temps'V daß die bevorstehenden Reichstagswahlen in Deutschland einen , Sieg der nationalistischen Rechten bringen werde vnd zieht die Schlußfolgerung, .daß „die deutschen Nevunchc- versuche vor einem Angriffskrieg ..nicht Zurückschrecken werden". Wenn das deutsche Volk will, daß es weiter politisch geknebelt und bedrückt wird, dann gibt es hier für kein geeigneteres Mittel, als bet den Reichstagswah len das vom „Temvs" prophezeite Ergebnis herbeizu führen. Ter dann mit Naturnotwendigkeit etnsetzende verstärkte außenpolitische Druck würde auf.die dürfti gen, aber doch deutlich erkennbaren Anfänge unserer Gesundung ertöten. ES ist kein Zweifel: wir befinden uns in einer Gesundungskrisis. Biel Schweres ist für den Einzelnen damit verbunden, aber es gibt ohne Opfer und Arbeit keinen Aufstieg und keine Freiheit. Wir müssen weiter unsere ganze Kraft dafür etnsetzen, Ord nung im eigenen Hause zu schaffen. Ein Reichstag und eine Neichsregierung, an deren Politik und Arbeit rechts- und ltnksradikale Strömun gen herumzcrren. können niemals Dräger, einer Gesun- dungsentwicklung ^ein. Radikalismus bringt immer neue Erschütterungen, das deutsche Volk aber braucht Konsolidierung,seiner Politik und Wirt schaft. Die Revolution bat manches aus dem Gleich gewicht geworfen; nicht in radikaler, sondern in orga nischer Entwicklung gilt es, die Grundlagen zu einem normalen Staats, und Volksleben wieder zu gewinnen. Das deutsche Volk hat es bei den Reichstagswahlen selbst in der Hand, .für welches Schicksal es sich entscheiden will »ieue Stcucrvorlagen in Sicht. Wie man erfährt, sind ziir Ausgleichung des neuen Neichöetats auf Goldmarkgrnnd. läge im Relchssinnnzminisieriniu neue Stenervorlagen in Vorbereitung. Die Ressortbesprechungen haben bereits be gonnen. Da die Steuerforderuugeu den: neuen Reichstag sofort nach Eröffnung zugehen sollen. Von Interesse ist die Feststellung, daß für das Etatssohr fast 40 Prozent der Kul. tnraufwendungen. die noch für das letzte Budgetjahr das Reich bewilligt hotte, gestrichen werden mussten, da keine Mittel hierfür mehr vorhanden sind. 19. Jahrgang Die Plaiäogers im Münchener Prozeß. Ver erste Staatsanwalt Stenglela. Nachdem der Vorsitzende.am gestrigen Freitag be kanntgegeben hatte, daß die Oeffentlichkett von den Plä? dohers nicht ausgeschlossen werden soll, begann der erste Staatsanwalt Stenglein fein Plädoyer. Er schickt« vor aus, .er enthalte sich jeder persönlichen Stellungnahme . zu politischen Parteifragen und fuhr dann fort: Für die Ereignisse des 8. und ^9. November und die zu diesen " führende Entwicklung treten uns vor allem zwei vom Standpunkt der vaterländischen Sache bedauerliche Er scheinungen entgegen, einmal die Zerrissenheit und Zer- - klüftung der vaterländisch gesinnten Kreise. Die zweite j schädliche Erscheinung liehe ich! in der heißen und bren- > nenden Ungeduld die in den nationalgesinnten Kreisen Platz gegriffen hat. Abgesehen davon, liegt die tiefe Wurzel der Geschehnisse in der Zerrüttung..der Staats autorität. Tie Weimarer Verfassung.bildet die Grund- ! Inge des Reiches. Tie Gegnerschaft gegen diese Ver fassung .darf.niemals dazu führen, daß.versucht wird, > sie mit Gewalt zu ändern. Das, .was im November 1918 geschah, war auch ein Verbrechen des Hochverrates, aber damals ist die neue Regierung in kurzer Zeit im ganzen Reiche vollständig durchgedrungen, und damit ist der tatsächliche Zustand in einen rechtlichen umgewan delt worden. Tie gleiche Strafbestimmung, die bisher ! im monarchischen System angewandt wurde, ist nunmehr in unverminderter Geltung auf -ie republikanische- Stnatsform übergegangen. Hitler hat recht,. wenn er sagt daß der Hochverrat das einzige Delikt ist, daS nur ! Hann bestraft wird, wenn es mißlingt. Dieser Grundsatz l muß auf die Angeklagten angewendet werden. Ihr« Tat ist nicht gelungen und unterliegt daher.der Straf- ff fälligkeit. Der Staatsanwalt erörtert dann das Problem Kahr— Lossow—Seißer. Die Frage, ob die drei Männer in strafbarer Weise .sich an der Tat der Angeklagten be teiligt hätten, sei für die.Schuldfrage belanglos. Im Ermittlungsverfahren fei selbstverständlich! die Frage einer strafbaren Beteiligung Her drei Männer gewissen haft geprüft worden. Ein Anlaß zur Erhebung der ös- fentlichcn Anklage habe nicht bestanden. Hm übrigen ! werde die neuerliche Prüfung der Strafbarkeit der drei Männer mit aller Gewissenschaftigkett verfolgt. , Der Kampf.bund habe sich unter Führung Hit lers von Anfang an eine unabhängige Machtstellung zu verschaffen gesucht. Dem sei nicht mit der .nötigen Entschiedenheit entgegengetreten worden. Der Kampf- , bund fei.infolge der Aktionslust seiner Mitglieder den Führern entglitten. .Bei dem Verhalten von Kahr— Lossow—Seitzer dürfe nicht vergessen werden, daß sie sich in einer furchtbaren Zwangslage befanden und daß sie rücksichtslos in den Gewaltstreich htneingezogen wurden. Tie drei Herren betrieben nach ihrer Darstellung auf Anregung norddeutscher Politiker die Absicht der Er richtung esneS nationalen RetchSdtrektoriuM» auf dem Wege der Reichsverfassung. Es stehe aber schon jetzt fest, daß seit Dezember 1928 der laut gewordene Ruf „Auf, nach Berlin!" ohne Zutun der drei zu einem Kampfrus.geworden war. Aus dieser Einstellung heraus seien alle Maßnahmen der drei, insofern sie nur einiger- - maßen den äußeren Anschein hatten, zweifellos als Bor- bcreitung,dcs Marsches nach Berlin gedeutet worden. Sicher aber sei. daß oie Führer des Kampfbundes späte stens am 2. Oktober erkannten,, daß die drei ein andere» Ziel verfolgten und für den Marsch nach Berlin nicht SU haben waren. Ein Direktorium Hitler-Ludendorff.war nie zwischen den Angeklagten und den drei vereinbart worden. Man brauchte aber KahrS Namen wegen seine» Ansebens in der vaterländischen Presse und insbesondere in Norddeutschland. Deshalb wurde ihm auch Pöhner als Ministerpräsident mit Tiktatvrvollmacht betgegeben.' Damit sollte Kahr ka»gestellt werden. In der Bespre chung am 6. November hätten die drei unzweideutig an gedeutet, Paß,si« fest entschlossen seien, jeder gewalb- ! samen Umwälzung mit Waffengewalt zu begegnen. Hit ler habe am 8 November schon vor erlangter Zustim mung der drei die nationale Revolution im Saale be kannt gemacht. Die freie Wille der drei spielte eine rocht untergeordnete Rolle. ' Für die Schuld frage sei die Annahme der Mit- bctetliguna der drei bedeutungslos, für die Strafbemes sung jverde sie eine Rolle zu spielen haben. < Ter Staatsanwalt ging dann zu den einzelnen An geklagten über, zunächst zu dessen Ehrlichkeit er rühmte. Zn seiner Hemmungslosig keit liege die tragische Schuld. Er trage di« Hauptver antwortung für die Geschehnisse. Hitler habe sich durch seine Tätigkeit de» verbrechen» de« Hochverrate» —— —