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^uer Tageblatt IS. Jahrgang Sonnabenä, äen IS. MSrz 1S24 Nr. S4 gehabt hatte. Wenn etnem Menschen «in» yebenSnot- Wendigkeit lange vorenthalten und dann plötzlich. ,ae- qeben wird .so liegt die Gefahr außerordentlich nah«, daß er sich dann in dem Genüsse de- lang« Entbehrten übernimmt. Go ging es dem deutschen volktz mit dem Parlamentarismus. ES überfüttert sich mit ihm, und das Parlament selbst überfüttert sich mit allerhand un zuträglicher «ost. Die Zahl her Wahlen feit 1V18 zu den Parlamenten des Reiche», der Länder und der Ge meinden ist abnorm: da» «edebedürfnt» km Reich««- noch mehr aber in den einzelnen LuGtagen zeig) ein Ml HRIlßGOU MUH WbA U«,»Mch »» «»— «mech« Seit»« ou»»u«i«»» ru»o»<"n«»» eao»^att n»»e«»s«u,-, Eathaitrn» bi» amtlichen Pekaantmochllvgea Hao Ratio »er Etabt Mtb bro Mmtogartchko ssa». p,flM»s»s»ar»' ftmt LUpzig u».eeee mattonen aus der KommandeurbesprechunL^on mehre ren Offizieren so ausgefatzt worden sind, wie sie von dem Oberst Etzel z. B. aufgefaßt wurden.. Oberst Mel hat Sie dahin verstanden, -atz der Marsch nach Berlin beabsichtigt sei. Lyslow: Darüber können 20 Offi ziere gehört werden und niemand von ihnen hat die sen Eindruck gehabt. Wenn Herr Oberst Etzel aus der Besprechung d^ese Auffassung, -te Herr Justizrat Kohl hier vorgetragen hat. mitnahm, so ist das eben kein« Sache. Daraufhin protestiert Zusttzrat Schramm im Na men der Verteidigung gegen da- Auftreten Lossows. daS eine Verhöhnung der Verteidigung-edeute. Diesen Vor wurf weist der Vorsitzende zurück, .ersucht aber Lossow, ruhiger zu sprechen. Eine Frage Hitlers, wer die Väter des Direktoriums seien, weist Lossow zurück; obwohl da» Gericht die Unzulässigkeit dieser Frage beschltetzt ^kommt Hitler dennoch darauf wieder zurück. Bei der weiteren Vernehmung des Generals von Lossow richtet Hitler die Frag« an den Zeugen, .ob auch er der Ansicht sei. datz Hitler seine Zusage, .er werde sich neutral Verhalten, gebrochen habe. General von Lossow erklärt,hierzu, -atz er in der Tat der Ansicht sei. Hitler hätte durch die Zusage, die er ihm. dem Ge neräl Lossow, gegeben habe, erklärt, datz -te Kriegser klärung ^an Herrn v. Seitzer zurüchgenommen und dqtz der Status quo ante etngetreten sei. Als Hitler dann weiter fragt ob Seitzer sich tM Bürgerbväu nicht zu Unrecht über den Ueberfall beschwert habe, .antwortete General v. L os.s.o w: MS Offizier stehe ich aus -em Standpunkt, datz.Herr v. Seitzer sich, über den feigen, hinterlistigen Ueberfall mit Recht beschwerte. Hitler (schreiend): Ich betone, -ah ich Legen di« drei Herren nicht feindlich Vvrgegangen bin. ES han delte sich im Bürgerbräu nur Nm die Auslösung.eine längst besprochenen Planes. .Wer bin ich denn im Bür- gerbräu gewesen, Herr General V. Lossow, der senti mentale oder der brutale Hitler? Lossow (sehr erregt): Wenn Sie mich fragen, .so antworte ich Ihnen r 'Das war der Hitler mit -em schlech ten Gewissen. Hi'tler (in höchster Erregung): Wenn Sie mir das zu sagen wagen, dann behaupte ich : Ter einzige Mensch, der sein Ehrenwort vom 1. Mat gebrochen hat, ist nicht Hitler..sondern der General v. Lossow gewesen! (Grotze Bewegung im ganzen Saal.) Lo ss.ow der sich sichtlich in höchster Erregung befindet, geherrscht sich sehr mühsam, macht dann eine kurze Verbeugung ^rnd verlätzt wortlos den GerichtSsaal. Bors, r Herr Hitler, da» ist ein geradezu unglaub liches Benehmen, .das Sie hier an den Tägigen. Ich rüge das in der entschiedensten Weise. Da die Aufregung jedoch zu groß war, sah Iich der Vorsitzende gezwungen, die Sitzung, guf.zwei stunden zu unterbrechen. End« der Vernehmung am Donneret«-. Viel Aufregung rief -te Frage des Händedrucke» zwischen Kahr und Hitler hervor.» »KNHr behauptete nämlich, -atz Hitler seine zweite Hand auf die letniae gelegt habe, während Hitler gerade das Gegenteil auS- sagt. Er habe sich durch dieses Benehmen zu unbeding ter Treue gegen den Generalstaatskvmmissar verpflichtet gekühlt. Kahr aber bleibt dennoch bei seiner Behaup tung. — Auch über das Verhalten Kahr- nach der scheinbaren Einigung.kann keine Klarheit erzielt werden. Hitler gerät dabei mehrer« Male in die höchste Erregung, besonders als er betont, kein Ehrenwort abgegeben zu haben und also auch nicht gebrochen zu haben. Gerade über dieses Ehrenwort geht die Debatte lang« hin und her bis endlich Hitler schreit, patz er überhaupt auf jede Ehrenerklärung seitens v. Kahr Verzicht«. Rechts anwalt Hemeter beschwert sich dann darüber, datz sich v. Kahr immer wieder hinter sein Amtsgeheimnis ver berge; ihm sei nur ein bestimmtes Matz von Glaubwür digkeit beizumessen. der sich jetzt im Leben «Ner Völker vollzieht, .hat itn Italien die Einzelperson restlos gesiegt. Formell be- - steht da» Parlament noch, und die bevorstehenden Neu wahlen sollen die parlamentarische Sanktion des Staats streiche» Mussolini» bedeuten. Aber in Wirklichkeit be handelt der Tt'tator da» Parlament mit souveräner Nichtachtung. Ob nicht gegen dies« Entwicklung, sich noch Gegenströmungen «roeben, .wird di« Zukunft lehren. In Deutschland war da» rein parlamenta risch« System zu etnem Volke gekommen, das bi» dahin eine politische Verantwortung Lür sich selbst nicht Am Freitag wurde v. Lossow zum zweiten Mal im bisherigen Verlauf des Hitler-PrvzesseS vernom men. Er betonte zuvörderst, -atz Pom Wehrkreiskom mando niemals der Befehl eines Marsches-auf Merlin gegeben worden sei. Ties stelle er fest.im Widerspruch zu den Gerüchten, die überall umgingen und die besag ten datz die nichtöffentlichen Sitzungen etwa» derarti ges ftzstgestellt hätten. Zur Frage des Staatsstreiches Sicherte v. Lossow folgendes: Ich mache keinen Putsch mit, .wohl aber jeden Schritt, -er zum Erfolge führt, selbst wenn er nur aus -em Wege des Staatsstreiches möglich ist. TaS Wort „Staatsstreich" ist also gefallen. Tie Herbeiführung des Direktoriums konnte durch die eigene Erkenntnis der Leute im Reich ermöglicht werden. TaS war aber nicht der Pall und deshalb wurde damals davon gesprochen einen Druck auszuüben, um diese Erkenntnis zu er zwingen, die Ordnung aufrechtzuerhalten, die durch die Unfähigkeit der Regierung gefährdet war. Wenn die Befehlshaber eines Tages erklärten, Patz ihre Soldaten nicht dazu da seien, -aS Volk totzuschietzen, bloß well die Regierung Mrfähig sei, und wenn sie deshalb die wettere Verantwortung für ein solches Verlangen ab lehnten. .dann war es ein Druck, -er damit ausgeübt wurde. Diesen Druck habe ich gemeint, und so habe ich auch den „Staatsstreich" ausgefatzt. Lo und nicht ander». Ich bin schließlich kein Jurist und im übrigen können Sie mir zehn Sachverständige bringen, dann wird fe der von ihnen da» Wort „Staatsstreich" anders auS- legen. Dann komme ich noch zu den ominösen 51 ?/., hinter denen man.etwas Ungeheuerliches vermutet. Ich habe nicht erklärt, ich marschiere, .wenn ich 51 «/, Chan cen habe.sondern: Man mutz im Sinne dieses Staats streiches handeln wenn man 51 °/o Chancen hat, d. U wenn man Weitz, was man will und was man macht; also wenn man das Direktorium fertig in der .Tasche, da» Programm aufgestellt und die Reichswehr geschlos sen hinter sich hat. Das nenne ich 51,<>/<>. ,Macht man es vorher bevor man die Männer, das Programm und die Reichswehr hat. dann hat man eine Eselei gemacht. Zwischen Lossow und Justizrat Schramm entspann sich daran anschließend eine heftige Zwiesprache über die Illegalität dieses Staatsstreiches. Als Schramm fragt ob nicht auch Lossow für einen Posten vorgesehen ge wesen sei, antwortet dieser in starker Erregung: Nie mals. Ter General Lossow ist ganz gegen seinen Wunsch in die Politik gekommen. Er Kat mit Sehnsucht den Tag erwartet, .an dem er verschwinden kann. Auf »eine andere Frage antwortet Lossow, datz er schon im Bürgerbräukeller Weber, Kriebel und Hitler als Gegner betrachtet habe. Die Maßnahmen des Reichs wehrmintsteriumS seien von ihm restlos durchgeführt worden. Jetzt gestaltete sich die Vernehmung de» Generals v. Lossow außerordentlich dramatisch. , ES kam zu sehr heftigen Zusammenstößen -wischen dem Zeugen, .der seine Aussage außerordentlich stark betonte. Die Diffe renzen wurden durch folgende Frage eingeleitet: Justiz rat Kohl: Ich verstehe nicht, .Exzellenz, datz Sie im Bürgerbräu sich mit Herrn v. Kahr und v. Seiher nicht darüber verständigt haben, .wo Sie sich hinterher gleich treffen wollten. L offow: TaS konnte ich nicht, denn ich mutzte zuerst in die Kaserne gehen und zusehen ob man mir nicht inzwischen meine Soldaten wegeskamo- tiert hatte. Justizrat Kphl (erregt): Wissen Sie viel- leicht, datz Herr Gehler den General Kreß nach .AugS- bürg berufen hat, um ihn dort zu Ihrem Nachfolger zu machen? Lossow (sehr erregt .auf -en Tisch schlagend) r Ich lehn« die Beantwortung dieser und ähnlicher Fra gen ab. Ich habe im übrigen gehört, .datz Kretz nach Augsburg fukr ich wußte e» von Kretz selber. Justiz- rat Kohl (ebenfalls sehr erregt): Ich mutz hoch darum bitten, datz das Gericht den Zeugen hier rügt. Ich bitte um die strikte Beantwortung der Frage, ob die Infor- Bom Münchener Prozeß. Die zweite Vernehmung Lossow», heftiger Zusammenstoß mit Hitler. — o. Lossow verläßt -en Saal. ZM-- Anzeiger für öas Erzgebirge Die Rrists äes Parlamentarismus iu Europa unä bei uns. vor» Dr. Külzd. R. Nicht nur in den unterlegenen, sondern auch in den sogenannten Siegerstaaten hat der Krteg.ganz erhebliche Umstellungen der StaatSmaschtnerie im Gefolge gehabt. Der Krieg fordert vom einzelnen ein ungeheures.Matz von Pflichten gegenüber Volk und Vaterland. Was war verständlicher, als daS Bestreben, demgegenüber auch> ein Matz -vn politischen Rechten und den Einfluß der Parlamente zu erweitern! Tort, wo diesen Bestre bungen von verblendeter Kurzsichtigkeit Widerstand ent gegengesetzt wurden, setzten sie sich schließlich! gewalt sam durch, so in Rußland und in Deutschland. Zn Deutschland, vor allem in Preußen, wird es die ge schichtliche Schuld der ehemaligen Konservativen blei ben. -atz sie auch im Kriege die doppelte Buchführung konservieren wollten: in den Pflichten vor dem Feinde alle gleich, .aber in den politischen Rechten nach wie vor ungleich. Tas strenge Festhalten am Dreiklassenwahl- Unrecht in Preußen war die hauptsächlichste Ursache der Zermürbung -er inneren Einheitsfront. Die Quit tung sür diese namenlose Kurzsichtigkeit kam in der Re volution. Es ist eine sich psychologisch ohne weiteres er gebende Erscheinung, daß überall dort, wo eine an sich sittlich berechtigte politische Strömung.oder Idee nie dergehalten wird, diese Strömung schließlich umschlägt in -en revolutionären Drang, sich mit elementarer Ge walt durchzusetzen. Je brutaler die Niederhaltung..desto stärker der revolutionäre Tharakter der Gegenströmung. Die zaristische Despotie in Rußland erntete den Bolsche. wismu», -te Kurzsichtigkeit -e» früheren deutschen Sy stem» löste den Drang der Masse zur alleinigen Aus- Übung -er politischen Macht aus, wie er in Arbeiter und Loldatenräten seinen Ausdruck fand. Menn in Deutschland diese Epoche relativ schnell vorüberging -und die revolutionäre Räteperiode alsbald durch eine demokratisch« Staatsform abgelöst wurde, so ist die» daS Verdienst der drei demokratischen Parteien der .Re volutionszeit. Wären die beiden nichtsozialistischen de mokratischen Parteien, das Zentrum und die deutsche Demokratie» damals nicht an die Sette der Sozialdemo kratie getreten, so wäre die Entwicklung.in Deutschland den gleichen Weg wie in Rußland gegangen; so aber gelang es, .aus den GährungjSerscheinungen der Revo lution verhältnismäßig schnell in den Bereich der par lamentarischen Staatsform und der demokratischen Re publik zu gelangen. Der Drang der breiten Masse zur Poli tisch en Macht zeigt sich in und nach dem Kriege auch in anderen Staaten, aber in jedem einzelnen Lande vollzieht sich die Entwicklung perschiedenarttg, je nach Temperament und politischer Erziehung -es betreffen den Volke». Die beiden Extreme sind England und Ruß land. Zn Ruß land mündete die Gegenwirkung.gegen die zaristische Despotie geradlinig in den bolschewistischen Zarismus: .in England führte der in der Masse vor handene politisch« Auf- und Antrieb ohne organische Störung -er staatlichen Entwicklung zur legitimen Re gierung -er Labour pa,rth. Gleichwohl ist dieses end- gültige Zerbrechen des Zweiparteiensystem», da» der In begriff des englischen Parlamentarismus geworden war eine krisenhafte Erscheinung, die für daS politische Le ben Englands künftig noch manche Erschwernisse mit sich bringen wird. Frankreich nimmt eine besonder« Stellung ein. Tie kleinen und kleinsten Parteien, in die die französische Teputiertenkammer gespalten ist, .würden den primitiv sten Erfordernissen der praktischen politischen Notwen digkeiten widersprechen, wenn nicht gewisse Zusammen fassungen möglich geworden wären. Bekanntlich ist jetzt noch bis zu einem gewissen Grade der -bloe na tional die Zusammenfassung der politischen Strömun gen, auf die sich! die gegenwärtig« Regierung stützt. Aber der Block ist brüchig Leworden, und die Schwierigkeiten haben sich gerade in der letzten Zeit so gehäuft datz selbst Pvineare in seiner letzten Kammerrede betont hat > datz „die kommende Legislaturperiode «in« Reform der parlamentarischen Arbeitsmethode mit sich bringen müsse" und „es sich darum bandle, eine kompakte und arbeitsame Mehrheit zu schaffen". Di« bevorstehenden Wahlen lassen also auch in Frankreich die krisenhaften Erscheinungen de» Parlament» stark in die Erscheinung treten. Bisher ist es dem festen Willen Pvineare» ge lungen. dem Parlament gegenüber die Führerstellung der Regierung §u behaupten. In Italien ist die Krise de» Parlamentarismus etgentlich beendet Hier ist die Gegenwtrkung,gegen da» Streben der Masse nach politischem Stnflutz am stärk sten ausgetreten, begünstigt durch! da» Vorhandensein einer starken yührernatur, .wie sie Mussolini zweifellos ist. In dem Kampf -er Mass« gegen die Persönlichkeit,