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Sormabenä» äen 17. Dezember 1921 Nr. 293 16. Jahrgang Mer Tageblatt WWW Anzeiger für -as Erzgebirge MM . , - - -- M>- )In,,^,na»n,hin» »I. tzrtnfpkech-Znschlu- Nr. .. .. , »>/> Uhe »okmtti«,. k.l«gramm„ Lag.blatt Zu..r-».dirae. dieses Statt enthült -ir amtlichen Sekanntmachungen öes Nates -er Stadt /lue. „ml L.ip-Io Nr. IN». Das Wichtigste vom Tage. Lar Neichatag hat gestern di« Aufh.ebunq.ver NuSnolhme'v'erordnung d»-N«tch-präsid«n- tzenten befLloffen. D« angeblich« Reparcktion»vlan Lloyd Georig«» lautet nach einer Meldung des Pariser Echo: England verzichtet auf seinen Anteil an der Schuld, Frankreich erhält von dem Rest 52 »/«. Am Zag'owpro^eß beantragte der Ob-er- reichsanwalt gegen v. Jagow sieben Zähre und gegen Frhr. v. Wangenheim und Tr. Schiele je sechs Jahr« Festungshaft. Aus der Durchreise sind 1 LLeutsche Kri gSge. fangen« aus Avignon in Gelsenkirchen eingetrosfen. Sie sagten au», daß sich noch 2b Leide nSgesähr- lentn Avignon befinden. Tas Unterhaus hat da» irisch« Abkommen mit 401 gegen 58 ratifiziert. Das Oberhaus hat das Abkommen mit 166 gegen 67 Stimmen rat-i- ftziert. Die Neuaufrollung äes Nep^ralionsproblems. lvon »nlrr.m B«Uni Mitarbritrr ) Die gestrigen Leitartikel der rechtsstehenden Berliner Presse trugen Ueberschriften wie Zusammenbruch der Erfüllung-Politik, Reparation-bankrott, und aus ihrem Inhalt ging die nur schlecht verhehlte Genugtuung dar über hervor, daß nun die längst prophezeite Katastrophe da, daß die Politik des 10. Mai. die die Unterschrift unter das Londoner Ultimatum gab, zusammengebrochen sei. Ist dem wirklich so? Hat die Politik der Erfüllung, als deren Exponent vornehmlich der Reichskanzler Tr. Wirt h anzusehen ist, wirklich Schiffbruch erlitten? Ge wiß ist e» richtig, daß da», was alle Einsichtigen seit dem Tage der Unterzeichnung des Londoner UlrimatumS vorauSgesagt haben, nämlich daß Deutschland unmöglich in der Lage sei, die ihm auserlegten Verpflichtungen zu erfüllen, jetzt ein getreten und durch die Note des Reichs kanzler» an die NeparattonSkommisston offen zugrstanden ist. Aber die Erkenntnis der Unerfüllbarkeit war ja durchaus nicht etwa ein Privilegium der rrchtSvrien- tierten Kreise; vielmehr waren sich darüber vom ersten Anfang an mit dem Reichskanzler auch diejenigen Par teien völlig im klaren, die seiner Politik zugestimmr unv sie gestützt haben. Dennoch klafft« zwischen den Auf- fassungen beider Lager «ine tiefe Kluft. Wa» diese Kreis« von jenen schied, war eine völlig andere Einstel lung: zogen j«n« au» dem unerfüllbar den Schluß r als» ersüllen wir nicht, so vertraten diese den Stand« Punkt der Erfüllung bi* an die Grenz« unserer Lei stungsfähigkeit. In der Tat war e» unerläßlich, den B«vet» unsere» guten Villen» zu erbringen; denn nur aus diesem Wege konnte vor den Augen der ganzen Welt d«r weitere Beweis der Unmöglichkeit geführt wer den. T«r Unterschied zwischen diesen beiden zegensäg- lichen Auslassungen springt heute aber in seinen LiuS» Wirkungen deutlich in» Auge: Hütten wir bi» zur Stund« den Beweis unsere« guten Willen» nicht erbracht^ hätte die Entente auch nur die geringste Möglichkeit, un» bösen Willen zu zeihen, so gäbe e» keinen Zweifel, daß die Antwort auf das deutsche TtundungSgesuch in der Androhung neuer Gewaltmatznahmen, wahrscheinlich die Besetzung de» Ruhrgebiet-, bestehen würde. Wenn wir un» heut« von dieser geheimen Sorge frei fühlen dürfen und wenn selbst die extremnattonalistische französische Press« solche Maßnahmen kaum zu fordern wagt so ist da» ein Bewet» für den außerordentlichen Fort- schrill der politischen Entwicklung, den die Erfüllung-Politik geschaffen hat, und kür ihre Not wendigkeit und Richtigkeit. Freilich wär« dieser Fortschritt trotzdem Wohl nicht so rasch gekommen ohne di« zwangsläufig« Erkennmi» von der Verflochtenheit der Weltwirtschaft. Nicht vttva di« Nichtleistung der Reparationen, sondern rhr« Lei stung hat da» Wirtschaftsleben der Welt dermaßen z«r- rüttel, daß di« Entente au» ihrem eigensten Lebonsinier- «sse Heron» gezwungen ist, für di« Lösung de» Repara tion-Problem» neu» Forme« zu suchen. Dazu kmmnt, daß wir nach einer Erklärung von maßgebender euglt« scher Stell« kredttunwürdtg sind, und '"'ar «*' rüde w«a«n der Bedingungen, dl« uns von der Entente anfvvl«gt sind. Wir können also auf der «inen Seite weder au» eigener Ueberschußwirtschaft zahlen, noch auf der anderen Seite irgendeinen Kredit btkominen. Deut licher konnte von England die ganz« Unmöglichkeit der Reparation-Verpflichtungen und bk Notwendigkeit ihrer Abänderung nicht ds- tont werden. Man möchte fast glauben, daß jene eng- lisch« Antwort au-drückltch zu dem Zweck gegeben wor- den jet, um damit den Stein in» Nollen -ui«dringen. Und man muß hoffen, daß bei der bevorstehenden Zu- I'ommenkunst Briand» mit Lloyd George diese wirtschaftlich« Erkenntnis fick auch in eine politisch« politische Erkenntnis umletzt und di« nötigen Folge rungen daraus gezogen werden. Der Reichskanzler hat gestern im HauptauS- 'chust des Reichstags betont, daß durch di« Ablenduna der StundunnSnote eine neu« politische Situa tion geschahen sei. Dieser neuen Situation gegenüber dürfen wir ksineSfaN» die Hände in den Schoß legen und das Objekt der Entente abwarben, wu» sie über Uns beschließen wird. Vielmehr müssen wir gerade seht Aktivität entfalten und zu unserem Teile alle- tun, um die"« neue Situation zu einer für un» möglichst erfolg, reichen zu oestalten. Als Mittel dazu hat der Kanzler dis möglichst rasche Verabschiedung der Etat» und die widerspruchslose Bewilligung der er höhten Post» und E is'enb ah n t a r ife genannt. Und schließlich hat er angedeulet, daß die Subidien, die wir für die Ernährung unsere- Volke» und für andere Zwecke geben, da- heißt der Re ich-zu schuß -um Brotgetreide, im nächsten Jahre Wegfällen müs sen. Man wird dem Reichskanzler zugestehen müssen, daß er — wenn auch unter dem Zwang eine» autzen- polstischen Druckes — den Mut hat, eine Politik zu machen, die in höchstem Maße unpopulär ist. Man muh ihm freilich darin Recht geben, daß di« Zuschüsse für Post, Eisenbahn und Brotgetreide in der Tat ein« Arr Dumping darstellen. Denn ohne diese Zuschüsse könnten wir nicht zu den heutigen Preisen produzieren und den Welthandel unterbieten. Leider aber hat der Kanzler mit keinem Wort angedeutet, wie er sich den inneren Ausgleich nach dem Abbau dieser Zuschüsse denkt denn es liegt auf der Hand, daß die maßlos «r^ höhten Tarife für Post und Eisenbahn auf die Ware und damit auf die Konsumenten abgewälzt werden, und daß also sieben dem erheblich teueren Brot alle anderen Lebens- und Bedarfsmtttel eine gewaltige Preissteige rung erfahren werden. Tie Folge werden neue Ge halts- und Lohnsteigerungen sein und damit eine neue Inflation durch die Notenpresse. Hier liegt der Hebelvunkt des Reparation-Problems: ohne eine Stabilisierung des Markkurses werden auch die vom Reichskanzler geforderten Opfer umsonst gebracht sein. Ob alle Parteien de- Reichstages sich den eindring lichen Mahnungen des Kanzler» nicht verschließen wer. den. wird sich bald zeigen. ES wäre denkbar, daß sie die erhöhten Tarife nicht ohne weiteres akzeptieren oder wenigsten» nicht in dieser H-He, solange nicht die oft erhobene Forderung auf Reformen innerhalb der Post» und Eisenbahnverwaltung und thrrr Betriebe, ganz be, sonder» derjenigen der Post, durchgeführr sind. Tenn gerade mit der Bewilligung dieser Tarife und also der Beseitigung de» Defizit» würde der Zwang.zur Durch führung Liefer Reformen Wegfällen. Umso mehr aber sollt« erwartet werden dürsen. daß die in Betracht kom menden Parteien bereit sind zur Ausbreitung und Fe stigung der RegterungSfront. Ter Kanzler hat in sei- ner Rede gesagt, e» handle sich um Leben und Ster ben einer Nation. Wo so Hohe« auf dem Spiel sieht, muß alh>s Persönliche zurücktreten, muß die Rs- gierungspolitik von möglichst breiten Schichten des Vol kes, und nicht wie jetzt nur von zwei Parteien getragen werden. sieparallonen unS Innere gesunSung. Tg. Im HauptaUSschuß de- Reichstages sprach der Reichskanzler gestern ausführlich über die Absen dung der SlundungSnote und die dadurch geschaffene neu» Gtluatton, die das Reparation-Problem wieder auf werfe. Um dem Ausland stärker einzuhämmern daß unsere Verpflichtungen unausführbar seien, müsse auch im Innern alle- Erforderliche geschehen. Zunächst müßte der Nachtragsetat rasch verabschiedet unv die Reich-Verwaltung balanciert werden. Höchst bedauerlich sei «S, daß jetzt auf der einen Saite die Privatisierung der Eilenbahn, auf der anderen Seite di« Sozialisierung der Betriebe gefordert werde. Saniert müßt« li« un bedingt werden, Pa« Parlament müsse zeigen, daß die Reicheverwaltung auf gesund« und wirtschaftlich« Grund lagen zu stelle» sei; unser Budget würde in der Welt eiu- g«sh«nd nachgeprüft. Gegenüber außenpolitischen Not wendigkeiten Hütten die innerpolttilfchen -urück-utrrien. Nur dann "wäre eine Rettung.möglich. Deshalb müsse auch bet den Steuer» et» Kompromiß gefunden werden; gelinge da» nicht, so sei die ganze deutsche Po- ltttt gescheitert. Ueber die Rebk de» Reichskanzler» er- folgte «ine Ansprache nicht. Auf «ine Anfrage de» volk-partetler- Quaatz über die Krteg-gssell- schaften, bet der er, wie sich herau-stellt«, unberech- tigt« Vorwürfe über di« Korruption bet der Altleder steil« prhob, erklärte die Negierung, daß sie ein« er schöpfende Denkschrift über die Krieg-gesellsihafren vor- l«g»n werd«. Von 1-7, die bestanden hätten, seien 1öS aufgelöst, -7 in Liquidation. Der Demokrat Wieland führte au», daß di« Oel- und ysttstslle zu teure Oele eingekoust hab«; gegen die Verluste müßten die Ueber. schliss« aufgerechnet werden. Beim Postetat, über den der Demokrat Delius Bericht erstattet«, .forderte er, daß da- umständliche Abrechnung-verfahren zwischen Post» und Etsenbahnverwältung .endlich beseitigt werde Die Regierung will hierüber in Verhandlungen eintre« ten. Ter Demokrat Wieland beklagte die schlechten Telephon- und Tslegraphenverbtndung nach dem Jnvu» strtegebie: und nach dem Süden Deutschlands, nam.-ntlich von Berlin aus. Beim Etat des ReichZverkehcSministr- rtumS bemängelte Wieland, daß jetzt technische Beamte zu BerwaltungSbeamten umrangiert würden, obgleich feststehe, daß zu wenig Techniker in leitenden Stellen seien. Er bezeichnete die Antwort des Staatssekretär», daß dte technischen Beamten sich damit einverstanden er klärt hätten, als unzureichend. Ter Betrag für - die Sozialrentner wurde Hann um 15 Millionen Mark erhöht. , ! Segen aieiaeenloflgireil aerpoftminlsterz Ga. Unsere Retchsbetriebe müssen wirtschaftlich ge macht werden. Ta» ist nicht nur eine Forderung der Entente, sondern ein« Selbstverständlichkeit <ür i-de Un ternehmung. Gie-Lert-, der gegenwärtige Postmi nister ist ein braver Mann, in sozialer Beziehung darf man ihm auch .ein warme» Herz und große Sachver ständnis nachrühmen. Aber von den Ideen einer wirt, schaftlichen und sachgemäßen Betriebsführung besitzt er keinen Schimmer. Leider hat er e» auch versäumt, sich entsprechende Fachleute heranzuziehen. Seine sche matischen Erhöhungen bedeuten niemals eine Wirtschaft- lichmachung der Post. Tas würde sich sehr bald Her ausstellen. Es ist darum f.als ch, ihm jetzt die ver langten Erhöhungen zu bewilligen, Vie wegen der zu erwartenden Mindereingänge unter Umständen da» De fizit nicht nur nicht beseitigen, sondern sogar vergrößern. Gerade im Interesse der vom Kanzler gewünschten in neren Ordnung unserer-Wirtschaftsbetriebe ist e» des halb gelegen, wenn ''jetzt die Deutsche T«>nokratisch« Partei des Reichstages Äie-bert- erklärt, daß sie ohne grundlegende Beseitigung grober Mitzstänve und Er füllung notitzendtger Reformen "keine erhöhten Portosätze bewilligen wird. Dte Fraktion ver» kennt.nicht, baß auch dir Posttarife dem gesunkenen Geldwert angepaßt werden müssen. Aber GisSbert- geht in seinen Forderungen vielfach Über den gesunkenen Geldwert hinaus. In seinem Betriebe rmrd der Acht stundentag überaus schematisch angewenvet Anstatt aus dem Lande dir Briefträger mit' Rädern auszurüsten, gestaltet die Vostverwaltung Vie Erledigung oer Au»- trageorbeit in drei Stunden, sofern der Postbote dem Reich ein Rad stellt. Im Betrübe kann da- versonal fünf Tage sich krank melden, bevor «» eine ärztlich» Bescheinigung beibrtngen mutz, Und di« Vielheit der unbeschäftigten Leute, sowie die Telehhonmtser« schreien zum Himmel. Gtesberts will über den gelungnen Gele- wort in seinen Tarifen wett hinaus,gehen, und er denkt «gleichzeitig nicht daran, die Post auf den Stand der alten Leistungsfähigkeit zu heben. Kein neue» Tätigkeitsgebiet wird erschlossen. Mit Recht weist dte Breslauer Zeitung darauf hin, daß die Bestellung ocr Zetnmgen ein lohnender Erwerbszweig für die Post verwaltung Mr« Auch sonst gibt es noch manche- Be- täcigungsfeld. Aber GieSbertS ist ein Mann von über ragender Ideenlosigkeit, und e» ist nicht möglich, iihm schema-tsche Aufschläge blind su bewilligen. Vie Demokraten gegen -ie Erhöhung -er Postgebühren Im Postgebührenausschub des Reichstage» gab der Abg. Dietrich-Baden namens der Demokratischen Frakfton eine Erklärung ab, in der e» heißt, vaß, di» Frak.to» sich eingehend mit der Frag« der Postgebühren beschäftigt habe. Sie sei dabot zu dem Beschluß pekom- men, Pie Vorschläge de» Unterausschüsse» al» nicht zum Ziel, führend abzulehnen. Grundsätzlich stände sie auf dem Standpunkt, baß dte Tarife den» ae« sunkenen Geldwert anzupassen seien, obwohl der Mit telstand unter den Erhöhungen schwer zu leiden ho ben würde. Sie glaube aber, daß dte erforderlichen pe- walltgen Erhöhungen der Postgebühren der BeoölkerruiO nur zugemuiet werden föiuu:», wenn, die Mißstände beseitigt würden. Bi» mit den erforderlichen Re formen, dte im einzelnen dem Reichstag vor-ulegen f«l«n, begonnen worden sei, müßt« sie den Erhöhungen dte Zustimmung versagen. Nur Abstellung der Mißständei könne Verhältnisse im Postwesen schaffen, dte ein« au-tz kömmltch» Bezahlung de», in feiner überwiegenden Mehrheit willigen und tüchtigen Beamten- und Ardet- terpersonal» der Postverwaltung ermöglichen. Dte Abg. Dietrich und Del in- begründeten dann, warum die