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1ö. Jahrgang Nr. 27S Donnerstag, äen 24. November 1S2I /iuer Tageblatt »W Anzeiger für Sa» «rzg«bks° Telegramm«, Lag.dlalt ^ur.rzg.blrg,. VitstS Statt enthält -le ÜMtllchtN VekaNNtMüchUNgtN ätz, Kottz, 0tk Gtaät /^Utz. poMnk-Kont», stmt Letpzlg N». itztztz. Das Wichtigste vom Lage. Au, Anlatz der vorgekominenen Plünderungen hat der Berliner Polizeipräsident alte Der» sammlungen unter freiem Himmel, öffent liche Demonstrationen und dergleichen verboten. » Hinter dem entflohenen Oberleutnant zur See Boldt hat die Hamburger Polizeibehörde einen Steckbrief erlassen. Auf die Ergreifung des Boldt oder den Nachweis von Tatsachen, die seine Er greifung zur Folge haben, wurde eine Belohnung von 5000 Mark ausgesetzt. stt Lord Curzon empfing gestern nachmistrg den deutschen Botschafter Tr>. Sthamer im Fo- reign Osfice. * Tie Unverletzlichkeit Chinas wurde von der Abrüstungskonferenz garantiert. Rußlands neue Wirtschaftspolitik Wh. Das Bestreben der Sowjetregierung geht seil Monaden dahin, durch Wiedereinführung des Kapita lismus die ungeheuren Schäden, die die kommunisti schen Experimente der russischen Wirtschaft zugefügl ha ben. zu beheben. Zu diesem Zweck wurden drei Mittel angewandt: 1. die Heranziehung ausländischen Kapi tals durch Verpachtung von Industrien und Wirtschafts gebieten, 2. das Arrendefpyem, durch das Industrie betriebe einheimischen Unternehmern zur freien Aus nutzung und Verwaltung gegen Pachtzahlungen über geben werden sollen, 3. das Trnstshstem, das die Zu sammenfassung einzelner über, das Land verbreiteter Industrien in Spttzenunternehmungen vorsieht, die von der Negierung finanziell unterstützt werden. Tas Dekret über die Wirtschaftskonzessionen an bas Ausland ermächtigte die Regierung, ausländischen Ka pitalisten für den Zeitraum von 90 Jahren das.Besitz recht an bestimmten Industrien zu verleihen, gegen Ab gabe von 25 Prozent der Produktion, Zahlung einen Pachtsumme, Einhaltung einer von Moskau vorgeschrie benen Arbeitsordnung und entschädigungsfrsie Ueber- lassung aller Neuanlagen nach Ablauf der. Konzessions- psiicht an den russischen Staat. Ter Versuch, so das ausländische Kapital am Wiederaufbau der rus sischen Wirtschaft zu interessieren, mutz als völlig fehlgeschlagen bezeichnet werden, da die auslän dischen Unterhändler, nachdem sie Einblick in die Ver hältnisse bekommen hatten, Meist erklärten, dah ihnen Sowjetrutzland nickt die geringste Garantie für ein« dauernde und zweckmäßige Arbeit von Grotzbetrieben gäbe. So unternahm man den Versuche, ssch auf.die heimische Kapitalkrast durch Anwendung der beiden an deren Mittel zu stützen. Zu diesem Zweck wurde die neue russische Reichsbank gegründet, di«, mit einem Be triebsvermögen von 2000 Milliarden Sowjetrubeln anS- gerüstet, in erster Linie die Aufgab« haben soll, Pri vatbetriebe zu beleihen. Seitdem vor zwei bis drei «Monaten die Dekrete über daS Arrcndesystem er schienen. .stirb in Pacht gegeben rund 600 Betriebe. Davon sind Lebensmittelbetriebe ^240, und von diesen wieder 210 einfache Mühlen. Außerdem sind unter den verpachteten Betrieben Licht- und Seifensiedereien, Näh- und Strickstuben. Man er,kennt hieraus, wie groß dis Kapitalnot ist. In erster Linie sind solche Betriebe in „Pacht genommen worden, die kein oder, nur «in ge ringes Betriebsvermögen erfordern, die also dem Hand werk nahestehen. Derartige Betriebe gibt es natürlich in Rußland tausende, sodaß die wenigen verpachteten kaum eine Rolle spielen, lieber die ersten Ansätze ist auch das Trustshstem nicht htnausgekommen. Es hat zur Bildung von Trusts auf dem Gebiet der. Textilindustrie, der Kohlen- und Stahlproduktion geführt. Tie Textil industrie wird in 7 Trusts für, Tuch, Kammgarn usw. tzusammengefatzt. Tie Kohlenindustrie hat sich , im Donezbassin zu einem Trust vereinigt. Hier ist wenig stens der Erfolg zu verzeichnen, Last in den seit Jahren ruhenden Gruben die Arbeit wieder ausgenommen ist, wenn sie auch noch geringe Erträge liefert. Nach diesen Angaben kann man sich Vörstetten, wie gering die Produktion Sowjetrutzland» ist. Tenn man ist pon dem System der Staatsbetrieb« -um System der Privatbetrieb« ja deshalb zurückgekehrt, weil die andere Betriebsform sich al» unproduktiv erwiesen har. Wenn nun aber di« Zahl der Privatbetrieb« so gering ist und die Staatsbetriebe nicht» liefern, so wird «ine wesend-i Aenderung nicht -u verzeichnen sein. Tatsächlich hab«n nuv die Betrieb« zur Bearbeitung tierischer Produkt««, don.Fellen und Häuten, Ausfuhrwaren «liefert und außerdem einzelne Hausindustrien, di« Vorräte em Stickereien und Spitzen zusammengebrgchi haben. E» zeigt stch au» solchen Ergebnissen, Witz schwierig es ist. ein zerstörte» Wirtschaftssystem wieder soweit herzustsl- len. daß es, wenn auch nur ein« klein« Rolle in der Weltwirtschaft spielen kann. Minderheitenschutz in Polen. Nv. Durch die Genfer Entscheidung erhäli Polen wiederum einen Zuwachs zu feiner, überaus groben Zahl von Deutschen in Oberschlesien. Die Genfer Entscheidung selbst sieht zur Sicherung dieser Deutschen einen Aitnderhpitenschutz vor, über d«n -wischen Deutschland und Polen verhandelt werden sott. So ist u. a. bestimmt worden, daß auch der MtnderhettSver- trag, .der am 28. Juni 1919 zwischen Polen und den alliierten Mächten abgeschlossen worden ist, für di« ober schlesischen Gebiete Gültigkeit haben solle. Dieser Per trag enthält Bestimmungen über die Option und Über die Rechtsgleichheit aller polnischen Staatsbürger. Es wird darin zum Ausdruck gebracht, daß die bürgerlichen und Politischen Rechte ohne Unterschied d«r Sprache, der Rasse und der Religion allen Bürgern gemeinsam sein sollen. Tas klingt alle- sehr gut und schön, wie liegen aber die Dtyge in Wirklichkeit! Die Deutschen in den abgetretenen Gebieten befinden sich heute in einem Zu stand völliger Rechtlosigkeit. Tie Polen be nutzen alle Schikanen, die sich überhaupt benutz«» lassen. Wird einmal bezüglich der Ungerechtigkeit und der Ge walttaten zu schlimm verfahren, so wäscht die War schauer Regierung ihre Hände in Unschuld und schobt die Verantwortung auf die untergeordneter Instanzen. Diese wiederum behaupten, Anordnungen der War schauer Zentralinstanzen erhallen zu haben. Gegenüber diesem Wechselspiel ist jedoch die deutsche Bevölkerung völlig machtlos. Ueber die Rechtsbeugung polnischer.Ge richte gegenüber Deutschen liegt umfangreiches Material vvr. Tie schönklingenden Bestimmungen des Minder» heitenvertrages stehen auf dem Papier, ohne daß sich irgendein Pole darum kümmert. Tie früher von deutscher Seite betriebene Ostmarkenpolitik ist völlig ge scheitert, jetzt aber müssen wir es «rleben, daß die Po len die Mittel dieser Politik nunmehr gegen die Deut schen anwenden. Brutalität und Schikane herrschen überall. Es braucht ja nur erinnert zu werden an die Vertreibung der dreitausend deutschen Bauernfamilten, die mitten im Winter erfolgen soll. Die unglücklichen Ansiedler sind völlig derzwetie.lt und wissen nicht mShr, was sie tun sollen. Tie deutsche Regierung hat zwar gegen die polnische Willkür beim Botschaftern»! prote stiert, pber der Optimismus ist vollkommen ungerecht fertigt. daß die Botschafterkonferenz nunmehr tue Rechts widrigkeit der Polen auch als solche verurteilt. Di« ganze Geschichte des Deutschtums in den abgetretenen Gebieten in den letzten drei Jahren ist ein ungeheures Leidenskapitel. Tie deutsch-polnischen Beziehungen kön nen nur dann auf einer gesunden Grundlage geregelt werden^wenn Polen sich endlich dazu herbeilätzi, Bürg schaften für einen Schutz der deutschen Minderheiten zu. geben. Polen muß bet den bevorstehenden Ver handlungen zu erkennen geben, ob «S bereit ist. aus Pie bisher betriebene Vernichtungspolitik gegenüber dem Deutschtum zu yerztchten. Nur wenn eine solch« Er klärung erfolgt, ergibt sich die Möglichkeit zu weite ren Verhandlungen, die für beide Teile Vorteil haben können. Um äie Erfassung äer Sachwerte. St. Im SteuerauSschutz des Reichstags hat am Mittwoch der mehrheitSsoztaltstische Abgeordnete Tr, Bernstein den offiziellen Antrag seiner Partei aus Vorlegung eine» Entwurf» über die Erfassung der so genannten Sachwerte begründet und «ingebrach». Damit wird eine vielerörterte Frag« endgültig zur Diskussion gestellt, und man darf annehmen, daß der Ka»nvf nicht leicht sein dürfte. Ter Widerstand gegen ein Vor gehen im Sinne einer stärkeren Nutzbarmachung der zu nächst als Goldwerte und dann als Sachwerte bezeichn neten Besitzgüter hat sich innerhalb der bürgerlichen Parteien um so mehr versteift, j« länger und je dringlicher von links her auf dis Regierung gedrückt wurde, damit sie ihre bisherig« Zurückhaltung uuffgebe und.zu positiven Vorschlägen im Reichstag schreite. Man erklärt im bürgerlichen Lager, datz e» sich nur uin ein leere» Schlag wort handel«, hinter dem nicht» andere» al» die Gefahr der endgültigen Ruin i e- rung der deutschen Wirtschaft lauer«. Man rechnet ast», datz man bestenfalls bet Durchführung de» Planes, die man im übrigen materiell und tdeel für unmöglich hält, eine kurz« Atempause erreichen könne, nach deren Ablauf der Zusammenbruch der deutsch«', Ftnan-in umso schneller eintrsten müss». Ta» wird im rtn-rlmn mit Zahl«» au» der l«tzt«n vom Minister Hr. Herme» g«a«b»n«n Gtat»üb»rficht belegt, .die zur -la« rersn Verdeutltckuno auf den heutigen Dollarkur» Lock gerechnet werden. Nun ist dazu zu sag«n, datz da» Problem der Erfassung der Sachwert« ebensosehr ein wirtschaftliche» al» ein rein politische» ist. und datz man da» ein« nicht um de» andern willen ge ring etnschätzen dar>f. Breite Massen de» deutschen Bol- ke». im besonder» der Arbeiterschaft, leben der lieber* zeugung, datz «» Pflicht der Regierung ist, nickt nur ft« durch den zehnprozentigen Lohnabzug, sondern auch den Besitz zur Deckung der ungeheuren Staatslasten bi» zum äußersten heranzuztehen. und datz der nächstliegende Weg dazu eben diese Erfassung der Sachwert« sei. Tie Ent wicklung hat dazu geführt, daß diese Frage gleichzeitig mit der fogenannten Kredit Hilfe der deutschen Grotz- industrte akut wurde Und zwar in dem Sinne, datz, wenn das ein« nicht zu erreichen sek, da» andere unbe dingt erlangt werden Müsse. Der sozialdemokratische Antrag Ist deshalb auch etngebracht worden, al» die Kredithilfe der Industrie in Konsequenz von deren Bedingungen vollständig fragwürdig geworden war. Schon die Verhandlungen im SteuerauSschutz werden zeigen wie die einander widerstreitenden Kräfte mit sich fertig werden. Nach wie vor ist da» eigentliche Problem da», dem Staate Geld zu schassen und zwar durch eine Krastleistung de» eigentlichen Besitze». Wenn man von bürgerlicher Sette in diesem Sinne Bessere» und Ergiebigere» zu bt«ten hat, al» Erfassung der Sachwert«, so ist e» für Vorschläge dieser Art noch immer nicht zu spät. Tr, Wirth hat deshalb hi» Großindustrie noch einmal zu «tner ausreichende» frei willigen Leistung aufgefordert. Uleiire pstttifetze M«lH«H»segr, Sin Ergänzung^,sch ,» den veamtendestldunaeaes»»«« s»I den Parlamenten bereits im Januar -ugehen, nachdem di, Ver handlungen mit den Spitzmorganifationen abg,schlaffen find. Di« Ergänzung wird hauptsächlich den »nt«,«n B«am1«n» grupp«» Erleichterung«» schaffen, tnch »«treff» der Kinderzulagen werden Neuerungen t» Erwägung ge-ogm: e» ist voxgeschlagen worden, für Kinder, die außerhalb de» Wohnorte« die Schule besuchen, außerordentlich« Beihilfen »U gewähren. Da durch würde für di« Beamten in niedrigen Ortsklassen «in ge wisser Ausgleich geschaffen werden. Konflikt mit Bayern. Di« bayerifche Negierung will den Untersuchungsausschuß de, Reichstage» über die Verhältnisse in dm Gefängnissen -um Besuch des Festungsgefängniff«, Niederschönenfeld nicht zulassen und gegebenenfalls den Staatsgerichtshof anrufen. Da es sich um »ine» Konflikt Put- schon dem Parlament als dem Träger der Souveränität in der deutschen Republik und einem Bundesstaat handelt, ist dieser Weg verfassungsmäßig gegeben. Zweifelhaft« Sachierständh,«. Der Leiter der deutsch-polni schen Wirtschafsverhandlungen tn Eens, der ehemalige Schweizer Bundespräsident Talon der, hat Hodaiz und Dr. Herold als Sachverständige berufen. Diese Berufung mutet eigentümlich an, da diesen Leiden Herren ein großer Anteil an der Berge- walttgung Deutschland, durch Teilung des Industrie- gebiete» zn-umessen ist und beide Herren al» überaus franzosen freundlich bekannt sink. Wunsch nach Abberufung der Saar»«gt«rung. Der Kreistag von Saarbrücken hat beim Nölkerbundsrat den Antrag gestellt, die jetzigen Mitglieder der Saarregierung nach Ablauf ihrer Amtsperwde abzuL«ruf«n. Da diese Regierung bisher nur die Grubemwirtschaft ruiniert, durch Einführung der Franken währung den Handel geschädigt, und den Ausverkauf d«. Erbie te» an die Franzosen gefördert hat, werde« sich di« übrige» Kret»- tage dem Beschlüsse anschließen, «ine Einmütigkeit, di« ihren Eindruck auf Iden Völkerbund nicht verfehlen kann. Repiarationsleistungrn an Jugoslawien. Au, Belgrad wird berichtet: Der Staatsausschuß hat das Angebot der deutschen Regierung, auf Rechnung der Kriegsentschä- dtgMg an Serbien, Eisenbahnmatertal zu liefern, zur Kenntnis genommen Deutschland verpflichtet sich, auf da, Reparations konto 100 Schnellzugs-, 200 Personmzugs-, 100 Düterzugs», V0 schmalspurige Lokomotiven sowie 4000 Güterwagen und 2000 Personenwagen zu liefern, und zwar «in Drittel Li, März 1922 und das übrig« im Mai und Juni. Auch Italien will »ine groß« Flott»! Nachdem Frantz- re ick in Washington Anspruch auf Kriegsschiffe und U-Boote in derselben Höhe utih Größe wie Am«r»ka und Japan erhö hen hat, verlangt auch Italien al, Mittekmeermacht «in« Flotte, di« der stärksten tn diesem Meere mit Ausnahm« der englischen gleich sein müsse. Und all«, da« nennt sich Abril- stungskonserenz! Wichtige Gemeinäefragen. Au, der v«sta«d,fitz»ng d— Sächsisch«» HimmindrtwWO. Der Vorstand de» Sächsischen Gemetndelage» Pelt tn Tresven «tn« Sitzung ab. Au« den Verhandlung»-- gegenständen sei folgende» hervorgehoben Man hat beim Sächsischen Gemetndetag angeregt, die Uebernavm« der Nahrung-mittelüverwachung auf da» Reich und gleichzeitig eine grundsätzlich« Aenderung de» Gesamt versa-ren» d«r Nahrung»nittt«lüb«rwachun» -u veaütrapen. Nun find in der letzten Zett zwar wenig NahrungSmttielverfLIschunpen stzstgrfteM worden, depW noch Lletdt aber eine scharfe Nahrungsmiitelkontroll« als vorLeugungßmttwl unerläßlich. Eß fett »tn NAB'