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IS. Jahrgang Nr. 249 Montag, äen 24. Oktober 1921 Auer Tageblatt NMN /lnMger für Sas Erzgebirge Zrrnsprech - ftnschlutz Nr. SS. »>/-Utz, ,»,m. leltgramm», Tageblatt Meerzgeblrge. vkefes Slatt enthält ble amtlichen Seknnntmachungen äes Rates öek Ttaät /sur. Pogschrck-Kontor ftmt Leipzig Nr. Ise«. Das Wichtigste vom Tage. Pa» Kabinett Dr. Wirth ist am Sonnabend zu- rüttge treten, es wird aber die Geschäfte vorläufig weiterfiihrev. z' * Ter Botschaft er rat hat laut einer Matinmel- dung eine neue Sitzung in der oberschtesischen Frage auf.Freitag anberaumt. !Jn dieser Sitzung soll über die Aufnahme der 'Entscheidung fn Ber lin und Warschau Bericht erstattet werden. * Die Konferenz der Crnährungsmtnister, die vom 27. bis 29. Oktober in Oldenburg statt findet, wird sich in der Hauptsache mit der Kar- tosfe-frage beschäftigen » * Um Uhr gestern nachmittag ist der deutsch-öster reichischen Regierung amtlich gemeldet worden, dntz der Reich vverwcser Hort Hy gestürzt worden ist, und das; seine Truppen sich dein k a r l i st i s schien Lager an- a > schlosse» haben, womit der Putsch Karls von Habs burg vorläufig geglückt ist. Rücktritt -er Reichsregierung. Vas Kabinett vr. Wirth ist am Sonn- abenü um d Uhr nachmittag zurückgetreten. Um 3 Uhr nachmittag war Ser interfraktionelle Ausschuß ües Reichstages zusammengetreten, Ser Sie Entscheiüung, ob Sas Kabinett zurück treten solle, Siesem selbst überließ. Um 5 Uhr trat Samr Sas Kabinett zu einer Seratung zusammen, Seren Ergebnis Ser Rückrrittsbe- schluß war. Nv. Was zu erwarten war feit dem Augenblick, in dem Llohd George seinerzeit in Paris auf die Frag? Briands: Wählen Sie zwischen dem Kabinett Briand und dein Kabinett Wirth' die Antwort erteilte: Daun stimme ich selbstverständlich' für Ihre Negierung, ist da mit eingeiretei'. Ter erschreckende Eindruck des Ju ri" der G enfec Beschlüsse, der selbst die schlimm sten Erwartungen weit überschritt, hat in Deutschland die Regierung zu Fall gebracht, die in der Welt den Ehrennamen des Kabinetts der Erfüllung trug. Diese Negierung war unter lausend Schwierigkeiten die überzeugte Trägerin einer Politik der lohalen Durch führung ungeheuerlichster Verpflichtungen gewesen. Selbst im feindlichen Ausland hat man mehr als einmal anerkannt, dass die Negierung Wirth die erste in Deutschland sei, der man Vertrauen sntgegeu- b ringe, und wiederholt hat man nicht nur in Lon don, sondern auch in Paris erklärt, das; mau auf eure möglichst lange Lebensdauer der Kanzlerschaft Dc. Wirths das grösste Gewicht lege. Diese günstige Stimmung ging sogar soweit, dass der französische Mtnisterpräsioeni ge genüber seiner nationalistischen Kammer seine PMstk ausdrücklich mit dem Hinweis begründete, datz man die gegenwärtige Regierung in Deutschland nach Vermög:n unterstützen müsse, weil sonst ein gefährliches Anwachsen der Reaktion und der Monarchisten zu befürchten sei. Entsprechend dieser Haltung der Gegner hat die Regie rung Wirth bet jeder Gelegenheit betont, dass auch sie das Ihr entgegengebrachte Vertrauen zu würdigen wi'fe und .demgemäss zu handeln suche. Sie durfte dabei er warten, datz auch unsere früheren Feinde es an sich nicht fehlen lassen würden, und-ste hat erleben müssen, -atz sie in dieser Erwartung schwer enttäuscht wurde. Wenn die Deutsche Bolkspartet am Freitag nachmittag in ihrer Neichstagsfraktton einen Beschluß fatzte, in dem sie er klärte, datz sie die Zustimmung zu der Annahme der Genfer Beschlüsse durch irgendeine deutsche Regierung ab lehne, so wird das mit geringen Unterschieden die llcberzeugung aller politischen Parteien bei uns sein. In der.Tat kann von einer bedingungslosen erneuten Unterschrift nicht vie Rede sein, vielmehr steht es heute unbedingt fest, datz die Politik des Reiches so wie bis her unter keinen Umstünden fortgeführt werden kann Die Regierung Wirth, da» Kabinett der Erfüllung, ist durch die Zustimmung Englands zu der Genfer Entscheidung gestürzt worden, und man wird in der ganzen Welt diese» Ereignis in seiner grundsätzlichen Bedeutung und in seinem ganzen Umfange zu würdigen haben. Ohne die freiwillige Mitarbeit Deutschlands am wirtschaftlichen Wiederaufbau, Europas ist an die sen nicht zu denken, da» ist allmählich geistiges Gemein gut aller Einsichtigen in allen Ländern geworden. Tie Politik verblendeter Gewalt hat in dem Sturz der bis. herigen deutschen Regierung nunmehr sich selber ad ab surdum geführt. Möge man endlich einsehen, datz. Um kehr hdchst.nattut. Vke öegrün-ung für Sen Rücktritt Ses Reichskabinetts. Schreiben Dr. Wirths an den Reichspräsidenten Ter Reichskanzler hat dem Reichspräsidenten Sonn abend abend 7 Uhr die Temissiost des Kabinetts mit folgendem Schreiben überreicht: Herr Reichspräsident! In schwerer Stunde hatte sich das gegenwärtige Kabinett entschlossen, die Ver antwortung für die Durchführung des Ultimatums zu übernehmen. Fünf Monate lang hat es eine Po litik geführt, die getragen war vost dem Gedanken, die Stellung des Deutschen Reiches tzu den Alliierten zu regeln, und durch den ernsten Willen der Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen, bis an die Grenze der Leistungsmögltchkcit, zur Wiederherstellung .Europas beantragen. Es hat die dem deutschen Volke aufer- legten, überaus schweren Leistungen erfüllt, insbe sondere den ungeheuren Bardetraq von einer Mil liarde Goldmark zum 31. August abgetragen. Die alliierten Staaten haben die Erfüllung der deutschen Verpflichtungen, vor allem die Durchführung der Entwaffnung, die unter großen Schwierigkeiten sich vollzog, anerkannt. Es durfte erwartet werden, datz im Hinblick auf dis deut schen Anstrengungen und auf das ernste Bestreben, den vertraglichen Verpflichtungen treu zu bleiben, die Besetzung der Ruhrhäfen restlos aufgehoben und hinsichtlich Oberschlesiens eine Lösung ge funden wurde, die dem Mechtsenchfinden des deutschen Volkes und der Oberschlesier, sowie den künftigen fried lichen Beziehungen zwischen den europäischen Natio nen entsprach Statt dessen ist ein Diktat erfolgt, durch das nicht nur weite Flächen des! ober sch le fischen Landes, sondern auch blühende Städte, der weitaus überwie gende Teil aller Bodenschätze, vier Fünftel der Ver- arbeitungsstatten dec deutschen Arbeit entrissen Vier den sollen. Ein großer Teil der an Polen fallenden Beoölterung ist deutschen Stammes und deutscher Sprache und soll, entgegen deut Selbstbestimmungs recht der Völker und entgegen dem klaren Ergebnis der Abstimmung, unter fremde Herrschaft fallen. Nie mals wird das deutsche Volk diesen Verlust, den es wehrlos hinnehmen mutz, verschmerzen. Obt- wohl das Kabinett nach wie vor überzeugt ist, datz nur das aufrichtige Bestreben aller Teile, Vie ver traglichen Verpflichtungen zu erfüllen, die volitische und wirtschaftliche Wiederherstellung Europas ermög licht, ist es sich doch völlig 'klar darüber, datz die Gren zen der de titschen Leistungsfähigkeit und Erfülluugsmöglichkett durch das 0berschle>ische Diktat sich erheblich verringert haben und datz so mit für die Politik des Reiches eine neue Lage ge schaffen ist. In Würdigung dieser Tat suchet: bat das Kabinett beschlossen, den Auftrag -zur Durchführung der Negiernngsgeschüfte in Ihre Hand, Herr Präsi dent, zurückzugeben. In Ausführung dieses Beschlus ses habe ich die Ehre, Herr Reichspräsident, Ihnen die Demission des Kabinetts Witz Meilen. ! gez. Reichskanzler Dr. Wirth. An Vie Uebcrreichung der-Demission schloss sich ritze lange Aussprache über die Politische Lage an. in deren Verlauf per Reichspräsident den, Reichskanzler ersuchte mit den übrigen. Reichsmintstern die Geschäfte zu nächst wetterzuführen. Damit erklärte sich der Reichskanzler etnverstande n. Annehmen oäer ablehnen? lVon unserem Berliner Mitarbeiter.) Die Entscheidung des Obersten Males über Ober schlesien ist von sämtlichen Reichstagsfraktionen ein gehend nach.allen Setten hin geprüft worden,. Man darf feststellen, datz diese Prüfung überall das gleiche Ergebnis gehabt hat, bet den Teutschnationalen ebenso tote bpt den Mittelparteien und bet den Sozialisten. Dieses/krgebntS lautet, datz rechtlich die neuen Zumu tungen der Entente einen Bruch des Versailler Fried en Sver träges bedeuten, der zwar das Recht der politischen Grenzziehung, also gegebenenfalls auch der.Teilung pes Industriegebietes tu Oberschichten vor steht, gbcr von einem WtrtkchaftSdtktat nichts Weitz. Tie Grenze sollte gezogen werden auf Grund der Volksabstimmung unter Berücksichtigung der wirt schaftlichen, geographischen und kulturellen Verhältnisse. Sie ist.in Wirklichkeit gezogen worden ohne Rücksicht auf.die wirtschaftlichen Verhältnisse, und dieses Manko soll dadurch verdeckt werden, datz man Deutschland und Polen zu wirtschaftlichen Vereinbarungen zusammen zwingen will, die dann die Rechtfertigung de» Unrecht» der neuen Grenze bedeuten würden. Also vom rechtli chen Standpunkt aus hätte Deutschland alle Ursche, die Entscheidung der Cntentegewalthaber Über Ober sch be ¬ sten abzulehnen. Und wenn es! eitzen unabhängigen gerechten Weltgerichishof -gäbe., bei dem Deutschland kla gen könnte, so würde zweifellos da» ihm aufs neue zu gefügte schmähliche Unrecht als solche» anerkannt wer den. Aber ^n solches Weltgericht gibt e» nicht, und die Mächtigen der Erde ^haben sich gegen Deutschland vereinigt in der Vergewaltigung de» entwaffneten Vol kes. Ta autzerdem im Begleitbrief BriandS nicht miß- zuverstehende Drohungen für den Fall der Ableh nung enthalten sind, kann Deutschland in seiner gegen- wärtiaen Machtlosigkeit an kein hornige» Nein denken', wie es den ersten Gefühlsaufwallungen jedes Deutschen entsprechen würde. Ebensowenig wie Deutschland ein glattes rundes Nein antworten, kann, ebensowenig kann es aber ein volles Ja sagen. Es Wetze Ue vermenschliche» verlangen, sollte man vom deutschen, Volke bejahende Zustimmung dazu fordern, datz Mühende deutsche Städte und Dörfer unter polnische Fremdherrschaft konrmen und ausgedehnte Naturschätze, auf denen Deutschlands Wie- deraufbau beruht, an ein Volk ausgeliefert werden sol len, -em alle Eigenschaften einer nützlichen Ausbeu tung derselben fehlt. Aber allem Anschein nach wird von uns mach gar kein Ja oder Nein verlangt. Wir sollen uns leoigltch bereit erklären, deutsche Be auftragte zu wirtschaftlichen Verhandlun gen mit Polen über das Industriegebiet zu entsenden. Ob wir dieses tun oder verweigern wollen, das ist die erste Entscheidung, vor die wir gestellt werden. . I Nun könnte man auch Wer wieder erwägen, ob e» wirklich Zweck habe, sich mit einem Vertragsgegner an einen Tisch zu setzen, voll dem man im vorhinein Weitz-, datz er tatsächlich getroffenen Vereinbarungen dauernd die aller größten Schwierigkeiten in den Weg legen wird, Man könnte auch der Befürchtung, Ausdruck geben, daß der Beginn der Verhandlungen schon der Anfang.von Unterwerfung unter das Wirtfchaftsdtktat bedeute Allein bei nüchterner Betrachtung müssen diese Bedenken zu rück rrei en. Würden wir die Verhandlungen grundsätz lich .ab loh neu, so träten jene Drohungen automatisch in Kraft, die der Briandsche Begleitbrief andeutet. Würde Deutschland sich zu verhandeln weigern, .so wär« den Franzosen der Vorwand gegeben, zu erklären, datz die wirtschaftlichen Verhältnisse Oberschlesiens bei der Grenzziehung .unbedingt berücksichtigt werden müssen, und datz deshalb nunmehr das ganze Industriege biet ungeteilt an Polen tzu fallen haben. Diese Gefühl ist jedenfalls größer als der Eintritt in Ber- handlungen. Das wird in sämtlichen Parteien eingesehen und deshalb denken selbst die Teutschnaiio« nalen nicht an eine Ablehnung von Verhandlungen. Aber gleichzeitig mit der Erklärung der VerhandlungS- bcreitschast mutz von der Regierung feierlicher und nach drücklicher Protest gegen di« Grenzziehung als ge gen einen Rechtsbruch und eine Vergewaltigung eWg» legt werden. Tas ist Deutschland sich selbst, seiner Zu kunft und dem Rechtsbegriff in der Welt schuldig. ES darf.nicht der Eindruck entstehen, als ob mit der An-' nähme des Verhandlungsangebotes auch gleichzeitig die schändliche neue Grenze angenommen würde. Die rich tige Formest 'hierfür zu finden.wird di« Aufgabe b«r neuen Regierung fein, die die Verantwortmrg für die weitere Politik des Reiches! übernimmt. Und VW Parteien., die hinter dieser neuen Regierung stehen, und die Mitverantwortung tragen werden, haben in erste« Linie dafür zu sorgen, -atz die entscheidende Antwort auf die Entente-Entscheidung Über Oberschlesien vor der Ge schichte und vor unseren Kindern und Enkeln bestechen kann. Exkaiser Rarls zweiter Putsch. ZV. Karl vo'n Habsburghat einen neuen Hand streich gewagt, der deutlich beweist, wie falsch <» gewe sen ist, datz man seinem ersten Abenteuer lediglich ein« vperetteuhafte Bedeutung zumatz. Diesmal ist der Habs burger im Flugzeug nach dem Burgenland gekom men 'und hat hier die dort eingedrungenen Banden auf seinen Namen vereidigt, um eventuell mit ihnen dm Vormarsch anzutreten. Man weist freilich noch nicht wohin. In Wien fürchtet man eine Ueberrumpelung, und lin Budapest wird man sie in gewissen mächtigen Kreisen erhoffen. Es kann la kaum einem Zweifel Uw terliegen, datz der Exkaiser lediglich da», Werkzeug! tnl der Hand abenteuernder Politiker ist. Ta» ungarische Kabinett ist tnfvlgedessen auch Mrückgetreten und es soll eine Regierung mit Rakoe-zky, und Andrassh ge bildet worden fein. Trifft dies« Nachricht zu, dann steht leider zu befürchten, datz der, Putsch Viermal etwa» sorgsamer vorbereitet worden ist ab» da» erste Mal. Es fehlen zwar noch alle Nachrichten darüber, tobe sich der Meichsverweser Horthh zu dem neuen Putfch stellt. Bekanntlich war e» dieser Monarch-Stellvertreter, der beim OsterauSflug Karl» sehr untröstlich, über den G»