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Donnerstag, äen 13. Oktober 1S21 16. Jahrgang Muer Tageblatt »»7L LN 5 NÄ7.'ML.».7rM! /Anzeiger für vas <krzgevlrge M-Ws tzernsprech-stnschlust Nr. 33. „nz.><i-n°nnnhm. °L>. s»«.g.°. Telegramme» Tageblatt flueerzgeblrge. vleses Statt enthält üle amtlichen Sekanntmachungen -es Rates üer Staöt ^ue. Postscheck-Nonto» -Amt Leipzig Nr. ,00«. Nr. 240 Das Wichtigste vom Tage. Di« tnn«erpoli«ti«fche Lnge ist wegen Der dro henden ungünstigen Entscheidung über Oberschlesien nach wie vor ernst. Die Gerüchte Üb r einen etwaigen Rücktritt der Retch'sregterung.wol- len nicht vorstumwen.^ ' Die Ta«g«nn!g' de» Vö«lke"rbundsrates über die obSrschlesische Frag« ist «gestern zn Ende ge- Mngen. Ter Beschluß des obersten Mates über die Lösung der oberschlesischen Frage soll erst nach erfolgter Notifizierung an die Regierun gen in Berlin und Warschau veröffentlicht werden. » Ter Reichstag dürfte am 25. Ott ob er wie der zusainmentreten, da der Reichsrat die neuen Steuervor l.a g c n in der nächste n W vche verabsch ieden wirb. » Nach an milUärischen Stollen Wiens vorliegenden Meldungen erscheint es sicher, daß die Ungarn eine größere Unternehmung gegen Wienerneu- stadt Planen. Die japanisch« Negierung beabsichtigt, das Programm der Washingtoner Kon'erenz durch ein« Anzahl, von ihr vorgelegter Fragen zu evwot tern. Ae'me Nebereilet lvon unserem Berliner Mitarbeiter.l Niemand kennt genau die Entscheidung über Ober sch l esi e n , die in Genf getroffen worden ist. Sie. ist auch den deutschen amtlichen Stellen in ihren Einzelheiten noch unbekannt. Wahrscheinlich werden gUch noch Tage vergehen, «bis die amtliche Mitteilung über das endgültige Ergebnis nach Berlin kommt. Erst müssen ja die obersten Machthaber der Welt formell in Kenntnis gesetzt werden und ihre, Zustimmung ge geben haben, ehe der Genfer Spruch verkündet werden kann. Aber trotz aller eifrigen Wahrung des Geheim nisses ist doch so viel durchgesickert, daß leider in Deutsch land kein Zweifel mehr «möglich ist: die Entscheidung wird die derbste Enttä u'schun g bedeuten, die das so vielfach enttäuschte deutsche Volk seit seinem militä rischen. Zusammenbruch durchlebt hat. Welche von den zahlreichen, in den letzten Tagen angekündtgteu Lösun gen auch richtig fein mag: deine entspricht den billigen Erwartungen, di« man in Teuischlland auf Grund der Annahme des feindlichen Ultimatums Md der bis «zur Ermüdung wiederholten 'Versicherungen von fair Platz und. -Gerechtigkeit gehegt hüt. Damit steht das deutsche Boll! Md die deutsche Po litik vor. einer ganz neü eN Laße. .Was immer schon vorher gesagt wurde, daß Deutschland ohne Oberschle- sicn die schweren Verpflichtungen, die es nach dem Macht spruch der Entente unterzeichnen wußte, nicht werde er füllen können, das wird fetzt Wirklichkeit. Tie franzö sische Presse, möchte nicht.Daran glaubens sie deutet die Ankündigung der Unerfüllbarkeit des Ultimatums als leere Drohung und letzten Beeinflüssunpsversuch Deutsch lands aus. Aber, jeder Kenner der deutschen. Wirtschafts verhältnisse und der deutschen Finanzlage weiß, daß es bitterer Ernst Und tatsächliche Unmöglichkeit ist, die uw geheuren Lasten aufzubrkngen > wenn ein so wichtiges Wirtschaftsgebiet, wie Oberschlesien, dabet nicht voll in Ansatz gebracht werden kann. Darüber ist man sich im Reichskabinett vollkommen klar. Tie schwere Frage ist nur die. M das« Ress chskaVtUettsossort sehne Demission p e b e n oder erst.di« amtlichen Na ch« pichten abwart «en soll. Es ist nicht zu verkennen daß ein sofortiger Rücktritt seine Vorzüge 'hatte. Tie Entente ist stets geneigt, Vet deutschen Protesten an camouflage M glauben. Ter Irrglaube wäre iHv so fort zum Bewußtsein gekommen, ivenn schon jetzt Wirth dem Reichspräsidenten sein Kabinett zur Verftt- gung gestellt hätte. Wenn, was wa'hrscheiülich. zu sein scheint, dgS Reichskabinett diese Entscheidung stoch, hin- nusgeschvben hat, so wäre es doch! ein verhäugntsvollvr Irrtum, sticht an den furchtbaren «Ernst der bevorstehen den Tag« glauben zu! wollen. Wirsch «h!at mehr al» ein mal betont, daß eine ungünstige. Entscheidung in Ober» schlesien einen Stoß in da« Her«z der friedli" chen deutschen «Demokratie bedeuten würde. Fällt di« Entscheidung so, wie es di» Meldungen au« Genf jetzt besagen, dann ist da« deutsche Volk zum -wei ten Mal betrogen worden. Ta« ist letzten Ende» sdjev tiefere Sinn der jetzigen Volksbewegung!. Auch ehrliche Engländer gestehen offen ern. daß da« deutsche Volk Lurch .den Versailler Vertrag auf« infamste betrogen wurde, Ha d«r Vorvertrag m- tvelchen sich völkerrecht lich der »Notenwechsel mit Lansing darstellt, uns die Anwendung der Wilson-PuNkte feierlich zustchrrte. Ganz ähnlich lagen die Dinge jetzt. Deutschland hat das Ul timatum angenoNimen weil Llotzd George sich mit seiner ganzen Autorität für ein fair Platz cinsetzte. Fügt man jetzt zu dem Versailler Betrug noch den von Genf, so ist es äußerst fragliche ob das die Spannkraft des «deutschen «Volkes noch, aushalten widd«. Besonders kommt die Niederschmetternde Wirkung der, Genfer Entscheidung auf die deutschen Parteien in Ob«e«rschlesien hinzu. Einmütig fordern diese Parteien den Rücktritt des Kabinetts Und die Zü«- rückziehunig ihrer Mitglieder aUs der Neichsregierung. Tabei ist 'zu beachten, daß die jetzigen Regierungspar teien in «Oberschlesien weitaus in der Mehrheit sind. Tennoch besteht «bei ihnen keinerlei! Meinungsverschie denheit über das, Was jetzt «zst tun ist. Selbst die So zialdemokratische Partei Oberschlesiens richte« an den Partoivorstand das dringende «Ersuchen, die sozialdemo kratischen Mitglieder der «Reichsregierung zu beauftra gen, bei einer für Deutschland ungünstigen Entscheidung ist der oberschlesischen Frage ihre Remter im Reichs kabinett niederzulegen und «zu erklären, daß die Sozial demokratische Partei als die Vertreterin der arbeitenden Bevölkerung die Verantwortung für die Zustimmung zu einer solchen «Entscheidung, nicht «zu« tragen vermag. «Tas Z e n t«r n m , dem ja «der Reichskanzler angehört, verlangt sogar den sofortige«n Rücktritt des Kabinetts. Tiefe StinimungSzeichen sollten der Welt klar wer den lassen, daß es diesmal furchtbarster «Ernst ist. Wenn man «jetzt auch sagen 'muß, um noch den. letz ten Hoffnungsschimmer zu« stutzen, daß die «Tinge nicht Übereilt werden sollen, so verlangt das aber im Inter esse der Klärung, die ergänzende Feststellung : keine «ver- antmortungsbewußt« Regierung Mnn eine Entscheidung hinnehmen, wie sie jetzt von Genf aus angekündigt wird. Aus äem Wege zur großen Koalition? Nv. Auch die tiefe Sorge, die das deutsche Volk in diesen Stunden «hinsichtlich des Schicksals Oberfchle- sienS bewept, darf den Blick nicht dafür trüben, daß der Tag und die nüchterne Wirklichkeit ihr Recht bean spruchen. Ehe die neue Gefahr für Oberschlesien einen so großen und erschreckenden 'Umfang annahm, war ge rade ein erfreulicher Schritt nach, vorwärts getan, um das Problem der N m bildun g derRegier u n g im Reich und in Preußen '.der Lösung «entgegenzuführen. Tie durch «die vor mehr als Wochenfrist an die u nab- hängige Sozialdemokratie gerichtete Anfrage der Mehr'heitssozialtsten, unter welchen Umständen die- U S. P. D. bereit «sein würdein die Regiernna Wirth einzutreten, hatte da,zst 'gefüb«rt, daß auf die. Gegenfrage der Unabhängigen stach «der Stell'nngna'h'ine des Zen trum» und der «Demokraten diese «beiden Parieien an!-« worteien, welche Garantien die. U.'- S. P. «hinsichtlich dep Achtung vor der Weimarer, Verfassung und deren Schuhes zu geben bereit wären. In einem erneuten Schreiben an die Unabhängigen lehnten die Mehrheits sozialdemokraten c«S ab, die Bruderpartet zur Linken in dem Mgeregten Sinne zu' exa.ininie.ren und beton ten nür «von neuem, daß sie nach «tote vor den dringen den Wunsch eines «Beitritts' der Unabhängigen zur Ne- gierungskoalition hätten. Tie «Erwiderung der U. «S. P. D. darauf entsprach «mehr als erwartet den gehegten Vermutungen. Tas Zentralkomitee der U. «S. «P. L» gab nämlich abschließend «zuv Antwort, daß die U. S. P. D. das Kabinett Wirth b tshler ün ter stützt habe, und daß dieses auch «weiterhin, auf eine solche Unter stützung rechnen dürfe, wenn es auf dem bisher ver folgten Wege seiner Politik fortschreite. «Von kommu nistischer Sette wurde das «dahin äusgelegt, daß die Un abhängigen ihre Partei damit zu' einer S. P. T«. am Katzentisch degradieren, und daß «Breit sche id nur kehr schwer seine Betrübnis darüber verbergen «könne, daß ,ev noch immer nicht auf den ersehnten Ministersessel käme. In Wirklichkeit haben alle Parteien die ruhige Sachlichkeit und zutreffende «Auffassung von der Gesamt lage anerkannt, die in dem «Sch'lstßwort der Unabhän gigen zum Ausdruck gelangten. Hatten die UnalMn- gi«gen schon in ihrem ersten '«Schreiben das Zugeständnis gemacht, daß Vie Anschauung« der T. P. D. über die nach Lage de« Tinge unumgängliche Notwendigkeit eine» Zu- fammengehen» mit den Bürgerlichen innerhalb der Ne gierung fhre guten Beweisgründe habe, so gingen sie in ihrem Schlußwort indirekt noch darüber, hinaus, in dem sie es, und zwar, sichtlich mit Bedacht, unterließen, die Deutsche Volkspart et von dieser Koalittonspolttik auszuschlteßen. Später, hat die Freiheit allerdings ver sucht es so Hinzustellen, ab» ob nunmehr, der Mehrheit-- sozialdemokrptte erst der Weg zü einer Erweiterung nach links geebnet «worden «sei. Ta» ändert aber nichts .an der, Tatsache, daß da» Entscheidende die Z usag- weiterer Unterstützung der gegenwärtig.en Regierung'ist und bleibt.. Auf dieser Grundlage werden denn auch die weiteren «Verhandlungen geführt werden,' wenn — Oberschlesien das «gestattet. Der Streit um Veäenburg. Tie famose Methode der «Entente, Mitteleuropa «erst zu balöanifieren und es daun seiner Pein zu überlassen, kann poch sehr leicht zu Entwicklungen führen, Von de nen sich «die Gelbstg.erechtigke.it der Weltrichter nichts träumen läßt. Man hat O e ste rreich zwar daS Bür ge n«lastd zugesprochen, aber «man denkt nicht daran- sich für die Durchführung «dieser Bertragsbestimmung einzusetzen. Die ungarische Regierung sucht immer nach neuen Vorwänden, um gegen die Banden im Oeven- bnrger Gebiet nicht 'vorzugehen 'zu brauchen. Ist Oester reich aber ist man in einer Geistesverfassung,, die schließ lich nach allen möglichen Seiten «zu einer Entladung! führen kann. Die Angst vor'einem Einbruch ungari scher Banden ist in Wien auf das Höchste gestiegene. Ans der anderen Seite verstärken sich die zentrifugalen Tendenzen. Der Ruf: Los von Wien! zündet im Tiroler Lande, nnv die «K. K. Reaktion steht unter der Führung von Abenteurern, denen so ziemlich alle- zu- zutrauen ist. I t a"l ien «hat Oesterreich nahegrlegt, aus der Konferenz von 'Venedig auf die. Stadt Oldenburg zu! verzichten. Wenn auch England jedem Truck auf Oesterreich widerrät, so beweist doch das oberschlesische Beispiel, daß englische Versprechungen im «Wertkurse ganz empfindlich gesunken «sind. Trotzdem will Oester reich in eine Volksabstimmung über Oedenburg einwilligen, aber es «ist klär, daß, wenn bestimmte Ar tikel des Friedensvertrages als Luft behandelt werden, man auch in anderen territorialen Fragen ome neue Ent scheidung fordern muß. Italien hat, wenn auch in wohl meinender Absicht einen ähnlichen Fehler gemacht wi der tschechische Außenminister «Dr. Bene sch. Indem dieser, dem Vökkerbnudsrgt' Vorschlag, von Oberfchiesten prozentual soviel Land und Volk Polen zuzuteilen, als sein Stimmanieil bei der Volksabstimmung beträgt, hat er das Natlonalitüienproblem in seinem Lande von Grnnd aus ausgerollt. Die d«r«e i Millionen Deut« sche in der Tschechoslowakei können mit Recht dasselbe verlangen, was Benesch freigiebig den 40 Prozent pol nisch Stimmenden zngesprvchen «hat. Ebenso wird in Südtirol die 'Prozentthese jetzt sehr lebhaft verfochten werden. Rian sieht, die Entente, ist bei ihrer Brutali tät und Willkür nicht einmal besonders klug. Der Nönig von Italien in Süätirol. Ter König von Italien Hai es für angemessen und taktvoll gehalten, in diesen Tagen den sogenannten be freiten Gebieten Südtirols und dem Trentino einen Be such abzustätten. Wie solche «königlichen Besuche sich abspielen, weiß «man ja Uns eigener Erfahrung. Allein, der König wird Wohl «etwas enttäuscht gewesen sein, denn ein Trinmphzug ist dieser Besuch für ihn nicht- Tie Südtiroler Abgeordneten haben eine Erklärung ver öffentlicht, daß «sie dem Empfang' des Königs fern blei ben würden, und «haben dies bei dem Besuch de» Königs in Trient auch «getan. Wenn «sie ihre Stellungnahme mit der Haltung« der Regierung begründen, welche auf die Stimme der füdtirolischen Volksvertreter nicht mehr hört, so wird man «dies «bei uns im Reiche sehr w«oik!l verstehen «können. In der Tat läßt der Schutz der Deuts chen in Südtirol noch außerordentlich .viel zu wünschen übrig. Man braucht dabet nicht einmal zu erst an die fasklst i sch ew A m t««r i e b«e M denken., für die bisher weder «Sühne« noch Wiedergutmachung gelei stet ist. Aber da» «deutsche Schulwesen in Tirol hat durch «die Negierung! «bisher iwch gar keinen Schutz gefunden, im Gegenteil ist ein «königliches Dekret er gangen, da» einer Ausnahmebestimmung zum Zwecke der Ztalienisierung' sehr gleich «kommt. Wie di« Regie rung bisher überhaupt noch nichts «getan «bat, um« da» Deutschtum und die alten deutschen Rechte, Gitten und Gebräuche gegen alle Anfeindungen unbedingt sicher- zustellen. Dafür ist die W ehrpflicht, auch auf Süd tirol ausgedehnt worden, was «die deutschen Südtiroler natürlich in ihrem Gefühl auf» tiefste verletzt hat. Ebenso sind die alten Ortsnamen verdrängt worden. Unter diesen Umständen wird wohl auch der König verstehen können, daß lh«n die Südtiroler Ab- geordneten nicht mit Begeisterung empfangen «können und.daß es ebenso, klug wie taktvoll ist, daß sie sich bet seinem Besuche fernhalten. Merne.pslrtrfche Meld^it-eir. Ott» »on »tekte f. Der berühmte Lehrer de» deutsch«! Privat- und Staat,recht» an der Berliner Universität Ottv von Sterke ist gestorben. Sterke hat «in» politische Rolle nicht