Volltext Seite (XML)
IS. Jahrgang Dienstag, äen II. Oktober IS21 Nr. 23S /luer Tageblatt EE?? /'NZttger für oas <krAgev»rge MMZ T-teoramm«, Tageblatt /Iiieerzgeblrg«. vlefes Slatt rnthäll -le amtlichen -rkanntmnchungen -es Notes Ser Ltaül ^ue. Postscheck.«»»«», ftmt Lrlpzig Nr. 1»»». Das Wichtigste vom Tage. In der Frag« der Neubildung d e » NeichF- kabrüettS ist di« Fovtsetzung der Verhandlungen hei dem Reichskanzler', die für Mittwoch dieser Woche vorgesehen war, aus Fre'i^tag, der tagt ,worden. * Die ursprünglich für heute angesetzw Bc>. spre- chung zwischen dem Reichskanzler und den Ver tretern der Jndüstrie Wer das Kredtlang«- bot wird am Donnerslag stattfinden. M Der Berichterstatter des Evening Standard erfährt von maßgebender Sette, die Meldung, nach der di« Möglichkeit bestehe, daß die nächste Repa rationszahlung Deutschlands auf 3 '.Jahre verschoben werde, sei unbegründet. Die Internationale Hilfskonfereuz fü r Rus!'land hat sich nach Annahme von füns.Eulp schließ ungen auf unbestimmte Zeit vertagt. Nestern trat in Ne ns Im Sekretärin« de? Völker I'uudes die. i n t e rnatfo n ä l e u onfer e u z über die N e ut'r a l is ie.'ru u g der AlandStnse I u zusam- men. Zwei Mimsterrecien. (Bon unserem Berliner Mitarbeiter s Zwei leitende Minister, der deutsche Reichskanzler W ir't h und der fraitgösisch« Ministerpräsident Bria nd, zwei politisch« Aulipvten, haben wichtig« Reden gehalten, der eine im katholischen Arbeiterverein zu Offen bürg und der andere in 'St. Nazaire vor geladenen Güsten. Beiden Reden ist das Bestreben gemeinsam, Hip Zuhörer und das hinter ihnen stechende gesamte Volk vor Ent täuschungen zu bewähren durch Ungeschminkte Schil derung der Wahrheit und der Tatsache,n-, Briands Rede war in der Hauptsache eine, iunerpoiilische, an das eigene Land gerichtet. Aber als Leitmotiv für die nähe bevorstehende ParlamentÄtagu-ng mutzte sie auch die auswärtige Politik mit 'behandeln. Ja, der Teil der Rede, der sich auf die Beziehungen der französischen Regierung zu Deutschland erstreckte, war der bedeut samste und wichtigste. Hier schlug Briand, im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Clemenoeau, ganz neue, für französische Ohren noch uugewv'hüte Töne an. Ausdrück lich erkannte er.die Loyalität Reichskanz ler 'S W irt h bei der Durchführung' der ErfÄllu n g S- Politik an. Tie vorgefchrtebene.n Zahlungen seien ge leistet und die ungeordneten Entwaffnungen durchgeführt worden. In der französischen Kammer hoffe deshalb Briand demnächst für seine Politik gegenüber 'Deutsch land nicht nur Kritik, sondern auch Anerkennung zu finden. Noch überraschender waren'seinesAussagen über die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland, die der Versailler Ver trag geschaffen habe. Er stellte seinen Zuhörern nichts mehr und nichts weniger vor Augen als die glatic« Unmöglichkeit der Erfühl un g der 'Geldfor- derunsten des 'Versailler Vertrages durch Deutschland. Dessen Zahlungsverpflichtung habe zur Zett der Festsetzung 250 'Milliarden Papiermark umfaßt und betrage heute infolge des katastrophalen Sturzes der Mark 4000 Milliarden Paptermark. Tie Schwan kungen des Wechselkurses izögen alle Höller, auch die Sieger, infolge der gegenwärtigen wirtschaftlichen Ab hängigkeit voneinander, in Mitleidenschaft. Es bleibe nichts anderes übrig, als daß die Großindustriellen und die großen Ftnanzleute dex Welt i«m Interesse aller Länder sich solidarisch zusammentäten, um mit Hilfe der Weltsolidarität das wirtschaftliche Gleichgewicht wieder herzustellen. ' Tie Ausführungen Briands können, nicht anders als der Beginn einev neuen französischen Po litik der Wahrheit und 'Klarheit gegenüber dem eige nen Land« gedeutet werdest. Der Irrwahn, in dem man Jahre und Monate 'getaumelt ist, daß Deutschland alles bezahlen tverde,, iveil mast, es mit Gewalt dazu zwingen könne, beginnt sich zu verflüchtigen. An seine Stell« tritt Pie Erkenntnis, daß mit Deutschlands Ruin auch der Niedergang und Zusammenbruch Frankreichs unrettbar verbunden ist. Schon fetzt stockt Überall der Handel, .die Arbeitslosigkeit nimmt in erschreckendem Maße zu. Die daraus entspringendost Schwierigkeiten für di« Negierungen wachsen täglich'. 'Und wie in Frank«- reich geht es in England, in Italien und selbst in Ame rika, da» dor seinen hoch aufgestäpeltcn Warenvorräten tm eigenen Golde sozusagen ersticht. Ueberall wächst die Erkenntnis unter den führenden Geschäftsleuten und Vankmännevn, aber auch in den, Regierungen und ist den Völkern, daß «in» chirts.chafilich«<W«ltsoli- darität besteht, di« nicht weüitthiü ungestraft durch rohe politische und militärische Gewaltmittel mißhandelt werden darf. Daß diese Erkenntnis nnn and) In Frank reich dämmert und von dem führenden Staatsmann be reits öffentlich vertreten wird, ist ebenso erfreulich wie bedeutsam. Von der brennendsten politischen Gegenwartsfrage, von y b'er sch lesie n, hat Briand 'kein Wörtchen gesprochen. Um so mehr tat das der deutsche Kanz ler in feiner Offe nburg er 'Rede. Tie letzten auf regenden Meldungen über angebliche Entscheidungen des Völkerbundsrates in Gens stammen 'zwar sämtlich aus französischen Quellen und sind deshalb mit großem Miß trauen zu bewerten. Aber immerhin^glanbr doch offen bar auch der deutsche Reichskanzler unmittelbar vor der oberschlesischen Entscheidung besondere Ursache zu Un ruhe und Besorgnis zu haben. Deshalb spricht'er noch einmal vor feiner Rückreise stach 'Berlin zu seinen ka tholischen Hörern und zum deutschen Volk, aber auch zu den gegenwärtigen Machthabern der WeU von der Bedeutung Oberschlesiens für das deutsche Wirtschafts leben. und für den künftigen Weltfrieden. Wolle 'man' den »deutschen. Wictschaslst'örper atmen lassen, so dürfe man ihm nicht durch Drohungen mit unausführbaren Zahlungen und mit neuen Sanktionen den Atem rau ben. Wer aus -Oberschlesien 'künstlich ein nettes selb ständiges Land 'zurechtschneiden wolle, her lege zwischen Teilt sch land und Polen einen 'verpestenden Politischen Leichnam. Tas dürfe nicht 'geschehen. Deutschland wolle Ehrliche Erfüllungspolitik 'treiben; aber einen sehr wich tigen Posten bei unserer Zähluiigsboreitschaft bilde nun einmal O bersch testen,. Auch Wirth 'forderte wie Briand, daß der Kr ie g e ndlich ä ufhüre und daß alle ver ständigen Aienschen sich an 'einest Tisch.setzen, nm zu beraten, Wie der drohenden wirtschaftlichen Krise in der ganzen, Welt entgegeugewirstt werden könne. Anders wie Briand hat Wirth bei dieser Forderung seilt Volk in allen Parteien und Berufsschichteu von Ludendorsf bis Ledebour, von Industrie, Handel stno Landwirtschaft bis zu den Arbeitergewerkschafteu und Handwerkergenossen schaften gesch lossen hinter sich. Tie Verhandlun gen, die er in den nächsten Tagen, mit den großen Be-- rusSverbändeu und mit den tragenden Parteien der Mitte führen will, werden dass anis neue' bestätigen. Möge auch Briand in seiner nationalistischen Kammer und in seinem chauvinistisch irregeleiteten Volke bald, eine Ver ständigungsmehrheit finden. Die Woche äer Cntscheiäung. Nv. Tie 'Arbeit des 'Völkerbundsrats in Genf über den o ber s cht estsch e u Lösu n g s vorschlag Zt so weit zu einem gewissen Abschluß, gelangt, als Die Ver nehmung der Vertreter der oberschlesischen Bevölkerung durch Pen tschechischen und schweizerischen Sachverstän digen beendet worden ist. Es steht also zu erwarwn, daß noch im Laufe dieser Woche die Entscheidung bekannt gegeben wird. Wie däS 'geschehen, soll, darüber ist noch nichts Näheres Deka nut. Rein formal wird sich die An gelegenheit wahrscheinlich 'so «bspielen, daß der Vor sitzende des Völkerbun-sräte's Baron Jshii, dem Prä sidenten deck Obersten Rats Briand den Bericht über mittelt. Ob die Veröffentlichung 'sogleich vorgenoni- men wird, lind ob 'sie von Parks oder von Genf aus, geschieht, dass alles ist 'mit Sicherheit nicht zu sagen. Ebensowenig sind wir auch fetzt in der Lage, Einzel heiten dieses Berichtes mitzuteilen. Der Viererrat hatte seinen Mitgliedern bekanntlich strengste Schweigepflicht auferlegt. Nachdem nun aber, her Viererrat dem ge samten Völkerbundsrat Mitteilung!, über den Vorschlag gemacht hat, ist manche» in die Oeffcntlichkeit gedrungen. Wir wissen nicht, was an diesen Meldungen, währ oder falsch ist; festgeftellt ist 'aber Da» ein«, daß alle Miel-, düngen ausnahmslos von einer für. Deut sch land un- günstigen Entscheidung! sprechen. »Der Ernst der da durch entstandenen Lage kann, nicht verkannt werden, und.dieser Ernst wird, noch unterstrichen durch Die' Tat sache, daß Reichskanzler Tr. W ir'th, der für eine kurze Zeit in Freiburg! von, Ken AmtSgeschäften Erholung su chen wollte, feinen Urlaub vorzeitig, abgebrochen hät und nach Berlin zu,rückgekehrt 'ist. Ein weiteres ernstes Symptom' ist auch die Tatsache, daß dev Reichs Minister des .Aeutzern den deutschen Botschafter in, Lon- don telegraphisch nach Berlin berief und hier mt» ihm längere Konferenzen gehabt HM, in denen die obers«blel fische Frag« höchstwahrscheinlich den Hauptgegenstand bildete. Ter Botschafter S'th a iner ist nach diesen Kon. ferenzen sofort wieder auf seinen Londoner Posten zu- rüctge kehrt, und es kann iketn Zweifel darüber bestehen, daß die erystc Besorgnis ä«n Reg ter u'n g skr eisen sich ge steigert hat. Diese Besorgnis ist auch zum Ausdruck ge kommen in der Offenbürger >Rede de» Reichskanzlers, in der er auf die merkwürdigen Vorschläge hrnweist, di«, seit einigen Tagen die Oeffentlkchkeft beschäftigen. Wenn, di« Warschauer Presse «angesichts der günstigen Lösungen das Steigen der polnischen Mark feststem, und wenn sie glaubt, ein« Nervosität der deutschen.Presse scststellen zu können, so wird sie sicherlich in dem letzten Punkt irren. Daß wir in Deutschland alle, ohne Unter schied der Partei, der bevorstehenden Entscheidung! mit größtem Ernst entgegensehen, fft selbstverständlich, aber wir wissen auch, daß es gilt, klären Kopf zu behält en, und däs gilt gerade in solchen Tagen, wie sie UNS jetzt be verstehen. '. Maximilian unä Maxe. In einem Sonderheft den IRäu'berhauplmann Map Hölz zu verherrlichen, war der Aktien Franz Pfem- ferts Vorbehalten. Für ihn ist der nun kaltgestellte Raub- und Mordbrenner die erste historische Er scheinung de's Proletariats als Klasse; das proletarische Fühlen, Das proletarische Tenken, -as Pro let arische Handeln, das gänzlich Neue, das auf den Trümmern der Parteien entsteht. Und da in den letzten drei Jahrzehnten kaum blue die AlltagSwelt iNr Guten.oder Schlechwn überragende «Erscheinung aufgie- treten ist, 'die Mäximllia'n .Harden nicht unter di« Lupe seiner überheblichen Kritik genommen hätte, was ist da selbstverständlicher, als Daß auch er sich bei Pfem- fert zum Wort über «seinen Vor Namensvetter meldet? Da Harden aber weder Der K. A. P. D. oder der V. K P. D., noch Überhaupt einer Partei angehört' und nicht Kommunist «genannt werden lwill, hät fein Erschei nen unter Den Mitarbeitern der Aktion das Erstaunen kommunistischer Kreise' erregt- In einer Antwort auf eine Bricfkasteusrage in Nr. >33—34 genannten Blatte» erklärt Pfemfert, er habe Harden nicht erst jetzt ge- r u ck t: Er war mir lein wertvoller Mitarbeiter schon während jener großen Zeit, die den Tüwell und ähn liche Zierden der 3. «Internationale im Dienste der ober sten Heeresleitung des Wilhelm H. sah. Nun ist'» heraus! Harde.u hat, ohne sich offen als Verfasser zu nennen, die Bourgeoisie bekämpft, — Wohl weislich nicht in seiner ja auch, in käpftaliftischen Krei sen gelesenen Zukunft — die di« Verbreitung.kommu nistischer Ideen bezweckten. Pfemfert «gibt zu..daß Har den zwar «ein bürgerlicher Typ sei, aber er bat in die sem Lande wenig seinesgleichen. Das heißt: «er ist ein anständiger Mensch und er ist «in Mensch' von großem Formät i . . Deshalb steht er, ein Sechzig jähriger, innerhalb der bürgerlichen Welt fast allein . Ist Dir der Name Harden jemals auf der Liste der .Füh rer begegnet? Kein Partsiblatt häbe, so meint Pfem fert, so Begeistertes und Begeisterndes über Max H-ölzi geschrieben wie Harden; keiner habe wie er, i mm « p seit November 18', so Unbarmzerztges, Brand markendes gegen die Ebsrtiner «Republik gesagt. Wi« aber denkt nun Harden über den Räuberhauvtmann aus dem Vogtland«? «Eigenartig, berührt es, daß Har den, der sonst an Tagesgrößen (I) mindestens «ine angreifbare Stelle entdeckt, völlig in Bewunderung für Hölz: ansgeht. Es stehl fast wie geschäftliche Berechnung aus. Stur einmal gibt ler zu, daß Hölz arges Tun aus seinen: Kerbholz hat, aber nichts — wird mildernd sofort hinzugefügt —, was äu'ch nur an eine Schandtat Wilhelms, eine einzige, heranreicht: don Befehl vom 12. Januar 17, Lazarettschiffe, schwimmende Siechen- Heime, bedenkenlos zu versenken. Abgesehen von der Entstellung eines durch den Mißbrauch von feindlichen Lazarettschiffen notwendig gewordenen Befehls ist di« Gegenüberstellung des einstigen deutschen Kaisers und des Räubers von Falkenstetn ein« ausgesprochen« Ge meinheit. Was Hölz Schlimmes allenfalls getan hat, das hat er — nach Harden — natürlich al» Soldat in: Kriege gelernt. Man hab« gelehrt, grausam gegen den Feind zu setu. Diese Lehre hat er sich eben zunutze gemacht, nun aber des Zwanges ledig, selbst bestimmt, wen.er als Feind bekriegen will. Und Feind ist Ojm der in breiteres Besihrecht Geboren«, Geklettert« .Ge krochen«. Also Kamps wider jeden, der mehr Geld hat. Kann Harden sich deutlicher szum Kommunismus beken nen? Ob der große «Maximilian, dessen Eindruck« im Ausland« gewaltig überschätzt wird, auf seiner Amerika reise den Maz; Hölz', auch so verherrlichen wird? Eiv will dort ja über Kernfragen europäischer Politik spre chen. Da kann er am Kommunismus nicht schweigend vorübergehen und müßte auch dessen gedenken, der sich so tatkräftig für eine Idee et'nsetzte, au» deren kähllen. voruspltzigcn Stecken eine neue Menschheit, Mteu'schltchkett erb'lühenwtrd. E»istallerbincrS stark zu bezweifeln, daß er mit seinen kommunistischen Faseleien drüben über dem großen Teich, Glück Haden wird. Man geht in Amerika mit Kommunisten, Bol schewisten und ähnlichem Gelichter nicht gerade sanft um. Was Harden unter Bolschewismus» versteht, sei V«r -.um Schluß mtt seinen eigenen Worten wiederholt r Der Bolschewismus ist nicht Räuberei, nicht Menschhälten-er ist ein« Anschauung, ein Gedankenbau au» uraltem, au»