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IS. Jahrgang Sonnabend, -en IS. September 1-27 Nr. 212 z 1 A H ff Das Wichtigste vom Tage. Im gestrigen bayrischen Ministerrat Hal ein Mitglied der nach Berlin entsandten Kom mission über die dortigen Verhandlungen Bericht erstattet, worauf der Ministerpräsident selbst da« Wort ergriff, um seinen Standpunkt darzulegen. GackstnOe verudigang In vveMrslrn. Unser oberschlefischer Mitarbeiter schreibt un»r Tie fer Tage hatte ich Gelegenheit, mich bei dem Führer der ober schlesischen Bevölkerung, dem Vorsitzenden de» deut schen Ausschuss«» für Oberschlesien, Landrat Tr. Lu kas chek. eingehend über die Stimmung in Lberschle- sten und über die Lage im Land«! -u erkundigen. Die Aeußerungen dies«!» oberschlesischen Führer» haben auch die eigenen Wahrnehmungen bestätigt, die dahin gehen, daß.setzt endlich nach drei Monaten der dritte polnische Ausstand in Oberschlesten der endgültigen Liquidation entgegengeht. Zwar harrt noch.«ine wichtige Aufgabe der Lösung, am der sich beide Parteien gleichmäßig be teiligen: «S handelt sich nm diel Rückführung der jenigen Personen, die infolge de» Ausstandes im Mai und Juni das Land verlassen mutzten. >30000 deut sch e und 2000 polnische Flüchtlinge werden setzt zurückgeführt. Hier'und da Hachen sich aller ding» Schwie rigkeiten ergeben,, jedoch macht da» Rückführung-Werk im allgemeinen gute Fortschritt«, so daß eine wachsende Beruhigung in Oberschlesien zu verzeichnen ist. Die deutschen Parteien sind ehrlich bemüht, strengste Selbst zucht zu üben, damit jegliche Ausschreitungen von deut scher Seite unterbleiben. Und auch die besonnenen pol nischen Führer haben eingesehen, datz die bisherige Ge waltpolitik ihnen keine Erfolge bringen kann,.sondern datz sie nur die Gesamtheit in nicht wiedergutzumachen der Weise schädigt. Me Tatsache, datz Korfanth außerhalb des Lande» weilt, trägt viel zur Beruhigung bei, denn auf da» Konto diese» Haupthetzers sind, das kann ohne Uebertreibung gesagt werden, «ine ganze Reihe von Bluttaten zu setzen. Tie polnische arbeitende Bevölkerung bat es nun endlich satt, sich von einem Auf stand in den anderen Hetzen zu lassen. Natürlich heißt es Mr die Deutschen, nach Wiel vor auf der Hut zu sein, denn unverantwortliche Dunkelmänner auf.polnt- scher Seite können nach wie vor neu« Schwierigkeiten be reiten. Dazu kommt, datz die Gefahr von außen ja auch noch nicht beseitigt ist. Noch, immer sieben die polnischen Truppen an der Vberschlvsischen Grenz«, und wenn die Gefahr einer Invasion auch im Augenblick Wohl Nicht akut ist, so Mutz doch Mit dieser Gefahr gerechnet werden. Ein weiteres Gefghremmoment liegt in den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die durch den dritten Aufstand entstanden sind und die noch immer nicht be hoben werden konnten. Die polnischen Arbeiter sind durch den Aufstand vielfach in «ine größere Notlage ge kommen und versuchen, diei/ letzt durch exorbitante Lohnforderungen auszugleichen. Die Industrie ist ihrer seits nicht in der Lage, dies« Forderungen zu bewilligen, da sie selbst mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämp fen hat. Doch ist!zu hoffen, daß Letzten Ende» ein Aus gleich .gefunden wird, ein Ausgleich, der zur Beruhi gung beiträgt, die das Land am allernötigsten brauch«. Die fruchtlose Arbeit in Genf. VK. Auch im den Kreisen der Entente verstärkt s ich der Eindruck, daß der Völkerbund in keiner Weise seist« Aufgaben erfüllt. Tas liegt natürlich in erster Linie in seiner rein willkürlichen Konstruktion und seiner ungeheuerlichen Satzung. Es ist eben ein reines Instrument der Siegerstaaten, dem sich nur unter dem übermächtigen Truck« der stärksten Weltkoall- tion die Neutralen angeschlossen haben. Solange Ame rika, Deutschland und Rußland in diesem 'Völ kerbund nicht vertreten sind und solang« er so fernab von allen wahrhaft frtedensfreundltchen Grundsätzen ist, wird er zu keiner Lebenskraft gelangen. Sein« erfolg lose Arbeit wird.jetzt auch in der Sntentepress« rücki haltlos zugegeben. Auch! tn seiner jetzigen Tagung.hat er nur neue Kommissionen. Delegierte und Berichterstat ter ernannt, a'ber irgend chne positive Leistung.vermag er nicht aufzuweisen. Er könnte g«witz sein« Stellung außerordentlich .heben, wenn er in der oberschlesischen Frage ein« gerechte und schnell« Entscheidung träfe. Aber von der Schnelligkeit Hal man bisher nicht» ge merkt. und man kann nur wünschen, datz eS dafür um die Gerechtigkeit etwa» besser bestellt sein möchte. Inzwischen hat die Budgetkoinmission de» Völkerbünde» vorgeschlagen, den Sitz des Völkerbünde» aü» Genf zu verlegen, weil die Schweiz, infolge der valutarischen Verhältnisse zu teuer sei. Sie schlägt al» Sitz de» Völ kerbundes Brüssel vor. Tie Verlegung de» Völkerbun des in dck» Land eine» Entent^staate» müßkv vor aller Welt den Charakter de» Bund«» noch stärker auSprägen. Daß man hier nicht wenigsten» einen anderen neutralen Staat vorschlägt, ist schon charakteristisch. Freilich ha ben alle neutralen Staaten einen Hochstand ihrer Va luta. .und jede Stadt würde gleich Genf von der Kon junktur profitieren wollen. ES mestschelt überall. ft«,. In Pari» ist man sehr beunruhigt Aber da weiter« Fallen d-S MastkkstrseS. Sofort taucht wieder der Plast etndr Besatzung de» Ruhr- geblet«» mtf. Ter Sonderausschuß de» Völkerbundes zur Behandlung der ober schlesischen Frage ist tätlich ast der Arbeit. Ter Ausschuß wird seinen Bericht nicht einen Augenblick länger verzö gerst, al» Mr eine angemessene Erwägung per Frag« notwendig ist. * Pom 1. Jwnuar 1920 bis 1. Juni 1921 sind auS BroMberg 20 460 Deutsche abgewanderr und 24 356 Polen zugezogen, sodaß heut« 58 500 P o- len 31381 Deutsche gegenüberstehen. Der Rrieg im Burgenlanäe. tztz. Tad Treiben der recht-bolschewistischen Elemente ist Ungarn Hal nunmehr tatsächlich dahin aefübtt- daß in Westungarn der Krieg §n aller Farm entbrannt ist. Der FriedenAvertvag von Trianon hat da» soge nannte Burgenland Teutscköstervetch zugesvrochen. Di« Regierung Norchv» haL die Uebergabe de» Gebiete» bi» jetzt hinau»geschleppt, und nun. wo st«* erfolgen soll, greisen di« ungarischen Militaristen zur offenen So- walt. Die Lande-verwaltung de» Gebiete» hat sich,Le- ftuer Tageblatt LSS Wir können und wollen gegen st« Vom Norden a!u» nicht» tust. Wir Würden nur oft klüger handeln, wenn wir von dem Geschreibsel de» Miesbacher Anzeiger» weniger No tiz «nähmen. Alle» die» könnte alber nicht immer wieder zst Krisen zwischen Bayern und d«m Mich führen, wenn nicht die politische Reaktion in Bayern e» ver standen Hätte, sich in der und tim di« Regierungsiestt- zUsetzen. Sie nutzt dUbvi alle föderalistisch-partikularisti- fchen Stimmungen im bayrischen, Volk für. ihre Zwecke aus. ES ist eine der größten Ironien der Weltgeschichte, daß in dem Land«, da» dereinst sv heftig gegen den deutschen Junker gewettert hat. .und da- nicht zum Reich wollte^Weil eS ein Junkerreich .fei, heut« dec preußische Junker sein« letzte Rettung unter schlauer Benutzung.des bayrischen ParttkUlarkSmu» sucht. Ter bayrisch« Misti, sterpräsident von Kahr < gestützt von bayrischem Mo narchismus. sieht ganz Offenkundig auf deren Seite. Die Bayrische Volkspartei wagt e» nicht, sich von ihm zu trennen, .aus Furcht, der Berliner Press« oder auch der Sozialdemokratie damit eine Freud« zu bereiten. Sa wird von Kahr Wohil weiter regieren, und die kleir nen Metternichs tn leistet "Umgebung werden sich wei terhin? unbeliebt machen, ohne tzu ahnest, wie Viel ihr großer Vorgänger vor hundert Jähsten der Wiederer- stehustg deutscher Krafft geschadet "Hat. Ta» einzig .Er freuliche ist den Auseinandersetzungen dieser Tag« war die rückhaltlose Einsetzung per bayrischen Demo kraten für den Reichsgedanken. Die bayrische Demo kratie hat das Kreuz auf.sich genommen in der jetzigen bayrischen Regierungskoalition durch ihre Mitarbeit die allerschwersten Fehler zst verhindern. Eins undankbare Aufgabe! Reichsregtestunjg und Regierungsparteien hal fen ihr. indem sie kein« Demütigung oder Rechtsmin- berung, sondern ehrliche Verständigung mit Dnestr freien Bayern suchen. Deutschlands Außenhanäel. W. W. Unsere amtlich« Statistik arbeitet noch.im mer mit einer unbegreiflichen Schwerfälligkeit. So werden jetzt erst di« Zählen füst den Außenhandel im Monat Mai 1921 bekannt. Für die Monate Januar bis April liegen überhaupt noch kein« fertigen Ergeb nisse vor. Tie Ausweiss Mr den Monat Mai zeigen eiste stark rückläufige Bewegung der Einfuhr und AstsMhst. Titele Bewegung hüt offenbar schon im Januar eingesetzt. Die Ergebnisse dos Monat» Dezember, die zum Vergleich mit angeführt werden, halten sich auf.der Durchschnitts- höh« des Jahres 1920. Insgesamt betrug die Einfuhr 1920 rund 188 Millionen, die Ausfuhr 198 Mlli'onen Doppelzentner. Im Dezember 1920 erreichte die Ein fuhr 20 Millionen und die Ausfuhr 17,5 Millionen Doppelzentner, sodaß der Durchschnitt überholt war. Dagegen zeigt die Einfuhst im Monat Mal nur 15.3 und die Ausfuhr sogar nur 11,3 Millionen Doppelzentner. Dementsprechend sind auch Hw Ausfuhrwerte gesunken. Während im Dezember 1920 der Wert der Ausfuhr fast 8 Milliarden Papiermark betrug, sank er im Mar auf 4,5 Milliarden Papiermark. Für die Einfuhr werden noch 'immer keine Werde angegeben. Es ist aber nicht etnzusehen, warum die Schwierigkeiten hierbei so groß sein sollen. Eine Umrechnung üb«r den Dollar in Pa piermark läßt sich wohl durchführen. Wir müssen doch einmal die Tatsachen und Ziffern unseres Aussuhrhan- dels vollständig kennen lernen. Angenommen, daß.die Ziffern für den Monat Mat «inen Durch schneit be deuten, io würde die Gesamtausfuhr für 1921 den Wert von 55 Papiermark nicht übersteigen. Wahrscheinlich wird sie geringer sein, da die Unruhen in Oberschle sien und die Gewaltmaßnahmen den Außenhandel stark beeinträchtigt haben. T«r Verband hat zwar Deutsch land die Verpflichtung auferlegt^ 26 vom Hundert de» Ausfuhrwertes Mr die Wiederherstellung abzuführen. Allein der Verband hat durch die Gewaltmatznahmen, zunächst grur di« Senkung der deutschen Ausfuhr er reicht. Tas geht deutlich aus den Ergebnissen detz Spezialhandels hervor. Farben und Farbwaren, die hauptsächlich im besetzten Gebiet hexgestrllt werden, gingen tn der AuSfführm«nge von 50 000 Doppelzentnern im Dezember auf 36 000 Toptzelzentner im Mai zurück. Wenn nun die GesamtauSfuhx Deutschlands 1921 nicht viel mehr als den Wert von etwa 5>0 Milliarden Pa- Viermark erreicht, so wird der Ant«il des Verbandes nur 13 Milliarden Papiermark auSmache», was stnt«r Zugrundelegung des Tollarkurse» äb«r nicht, viel mehst als achthundert Millionen Goldmark ausmacht: .wachst« scheinlich noch weniger, denn der Rückgang der deutschen Wechselkurse wird unter dem Zwang der Wtederhersteb lungsmaßnachmen andauern. Die Tatsachen und Ziffern des deutschen Außenhandels solltest den Franzosen und Engländern zu denken geben. Schon dtv AuSfubrabgabs und die Gewaltmatznahmen haben an sich zu der rück läufigen Bewegung geführt. In England ist bereit» eist« gewisse Ernüchterung über di« Zweckmäßigkeit d«» Londoner Abkommen» «ingetreten. Hier überwiegt die Furcht, .daß Deutschland mörderisch« Energien entwickeln und Englands Wirtschaft an die Wand drücken werde. Aber auch in Frankreich, beginnt die Erkenntnis zu däm mern, daß die Lasten de» Londoner Ultimatums die Leistungsfähigkeit Deutschland» überstei gen. Ta» ist auch der Fall, und keine noch sso groß-, zügige Steuergesetzgebung unter Einschluß der Erfassung i der Goldwert« kann hieran etwa» ändern. Das Reich unä Bayern. Von A. Erkelenz» M. L. R, i Der immer wieder aufflackernde Streit zwischen dem Reich und Bayern hat zwei Ursachen. Tie erst« ist partikiilaristischer, wenn man will, föderativer Natur. Wir leben tn einem Zeitalter, das mit eherner Gewalt Volk und Volksstämme tzusammenzwincsi, auch ^egen ihren Willen. Und 'zwar drängt die Gewalt der Tatsachen die Stämme tn den größtmöglichen Staaten verband Tas ist die Entwicklung vom Bundesstaat mm Reich, von der Stammesgewalt zur Reichsgewalt. Untere dem Drucke dilesest geschichtlichen Strömung sind die deutschen Staaten zum Reich zusammengewachsen. Durch diesen Truck ist es gekommen, daß das Reich nach dem Fortfall der. einselstaatlichen Monarchien noch fe ster steht als vorher, und daß es nicht zerfallen kann, wenn wist es nicht etwa in blinder Wut selbst z er sch la-, gen. Das Reich wächst auch immer fester zusammen. Es hat in Oesterreich, tn Oberschlesten, in Ostpreußen moralische Eroberungen gemacht trotz oder wogen des ungeheuren Kampfes um» Dasein, den es zu führen hat. Redet nicht vom Zerfall des Reiche»! In einer. Zeit, wo in ganz Oesterreich Unter dem, schwarz-rot-goldenen Banner die gewaltige Volksbewegung zum Reich strebt, kann eine schwarz-weiß-rote Republik oder Monarchie München sich nicht vorn Reiche trennen. Redet aber auch nicht von der Trennung Franken» von Bayern! Wist bleiben alle zusammen. Ter bayrische Bolksstamm neigt stärker al» andere zu einer konservativen Beharrlichkeit. Tas bringt di« Landwirtschaft mit sich und die Berge, die in ihrer ewigen Uuveränderltchkeit auf das bayrische Volk herab sehen. Die geschichtliche Entwicklung schreitet aber un aufhaltsam vorwärts und kann > wie Naumann einmal gesagt hat, nicht warten, bis dest letzt« Bauer' im Bay rischen Wald sich mit ihr ausgesühnt hat. Er folgt dem flüchtigen Rade der Zeit etwas widerwillig Dar aus sollte man ihm deinen Vorwurf .machen. Divse Eigenart mag uns gelegentlich unbequem seist, wird aber dem gefunden Reichsgedanken nicht schaden. Sie kann ihm nicht schaden,, wenn der Reichsgedanko nicht künstlich und fälschlich tn einen schematisierenden Ber liner Zentralismus umgebogen wird. Der bayrisch« Konservatismus macht aber auch nicht selten den Ein druck . als wolle er etwa» Neue» bloß darum nicht, weil es neu ist. Mir war, et» immer! «tn eigenartige» Gep fühl, wenn ich in München sah, daß di« Schutzleute mit der, preußischen Pickelhaube dasiandon. Di« preußische Pickelhaube galt in Bayern nach .1870 al» La» Symbol Preußischer Herrschsucht. Heut«, nach? Müssig. Jplhren ist Hie Pickelhaube in Preußen verschwunden Und feiert ihre Wiederauferstehung tn Bayern! Solcher Beispiel« gibt es mehr in 'der bayrischen Geschichte. Nirgendwo wast ursprünglich die Gegnerschaft gegen die deutsche Flotte so groß als iw Bayern? aber zwanzig Jahr« später saßen nirgendwo so Viele Jlottenjchwärmer als um den Starnberger See herum. Und al» die' U-Bvot- phckntasten 1916 im Norden wenig Anklang fanden, gin gen sie nach Süden und rebellierten München-, Wenn Bayern sich mal «ine Reih« von Jähsten an Republik und Demokratie gewöhnt hat< werden sie dort ihre wärmsten Verfechter finden. Man sollte tn diesen Tagen lauf aussprechen, .daß oad bayrische Volk ganz Lblest,wtegend reich»« creu ist. Ti« Droschke voll Worthelden^ die mit dem Abfall Bayern» vom Reiche spielen, soll man nicht ernst nehmen. Etwa» ander«» ist allerdtng» ernster. Es Har tn Bayern seit jeher eine Reihe von Meinung-- u.achern gegeben, die die im Volke leis« zitternden Stim mungen und Verstimmungen zu astger Glut gegen da- Reich entfacht haben. Früher Wurdest der preußische Junker,, der preußische Militarismus u. a. al» Schreck gespenst M die Wand gemalt,, heute de« Bolschewismus, die KrtegSgesellschaften, Berlin! Aber die politische Verantwortungslosigkeit dieser Leute war früher und Heute die gleiche. Wenn frMch.tedeh Volk di« Presse hat, Pie «» verdient, dann sind auch di« ehrlich reichs treuen Bayern wicht ganz schuldlos an dieser Mache I