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Nr. 1-r. Mittwoch, -en 11. Mai 1-21. 1-. Jahrgang. Das Wichtigste vom Tage. Da» neu» Metchlkabinett ist mit Dr. Wirth äl» R«1ch»kan!zl«r aü» Zentrum, Demokra ten und Poziatdemok^aten gebildet worden. Der Reichspräsident hat an den scheidenden Reichskanzler Mehrend ach ein Schreiben gerichtet, in dem er ihm für seine dem Vaterland in schwerer Zett geleisteten Dienst« seinen Dank aus spricht. Die neue deutsche Regierung übersandte ver gangene Nacht L^ohd Georg« eine Note, in der die Annahme des RevarationS,Ultimatums erklärt wird. » Der Reichstag nahm gestern abend die Erklä rung des neuen Kabinetts entgegen, worauf da- ENtente-UltimatUm mit 221 gegen 175 Stimmen angenommen wurde. * Gestern vormittag 10 Uhr trat die Zollerhe bung.an den Rheinübergängen in Kraft. * Ti« Chicago Tribüne berichtet aus London: Die Lösung der oberschlesischen Frage ist bis zur nächsten Sitzung des Obersten Rates aufge schoben worden, deren Zett und Ort noch unbestimmt ist. Die nächsten Aufgaben äer Oppelner Cntentekornnnssion. Rn. Ter Botschafterrat in Paris hat sich in diesem Augenblick mit der 'Verantwortung der Entscheidung über das Schicksal Oberschlesiens nicht befassen wol len. Er hat den Bericht der Interalliierten Kommission in Oppeln an diese zurückverwiesen, damit di« Kom mission zu der Einigung kommt, zu der der Botschafter rat nicht kommen konnte. Tie Verantwortung der In teralliierten Kommission ist dadurch erneut gewachsen, und es fragt sich nun, wieweit sich die Vertreter En g lands und Italiens, der Oberst Percival und der General de Marin iS gegenüber dem Präsiden ten Lerond durchzusetzen vermögen, der, wie ja zur Genüge bekannt ist, die Korfanthschen Forderungen un terstützt und den Polen die Linie zuerkennen will, die die Aufständischen jetzt besetzt halten. ES wäre ja für die Interalliierte Kommission zweifellos das be- guemste, wenn den polnischen Aufständischen das von ihnen jetzt besetzte Land einfach überwiesen würde. Sie hat aber ihr feierliches Wort gegeben, datz keine Ent scheidung auf Grund des jetzigen Zustandes gefällt wer den sollte, sondern datz das Abstimmungsergebnis und die Bestimmungen des Friedensoertrages für die Ent scheidung allein matzgebend sein solle. In diesem Sta dium müssen wir erneut die Forderung nach einem un geteilten Oberschlesien erheben, denn die Mehr heit der Bevölkerung hat sich für Deutschland entschieden und eine Abtrennung von Pletz und Rhbnik,. die anscheinend in den englischen und italienischen Berich ten vorgeschlagen wird, iväre das größte Unglück für« ganz Oberschlesien und in erster Linie für Pletz und Rhbnik selbst. Bevor die Entscheidung aber gefällt wird, hat die Interalliierte Kommission in Oppeln noch Auf gaben zu erfüllen, Vie jetzt dringender sind als diese Entscheidung und die nächste Aufgabe liegt darin, in ganz Oberschlesien den gesetzmäßigen Zustand, Pen Zu stand völliger Rühe und Ordnung wiederherzustellen. Tie Ententekommission hat den Vertretern der deutschen Parteien in Oppeln mipgetetlt > daß sie Truppenverstär- kungen beim Botschasterrat beantragt habe. Tie Inter alliierte Kommission kennt die Notwendigkeiten der Lage, und wir werden nun abwarten, ob der Oberste Rat sich diesen Notwendigkeiten verschließt, oder ob er der For derung seiner Vertreter in Oppeln Rechnung trägt. Kor- fanth hat selbst erklärt, daß er Truppenverstärkungen zu fürchten habe, und besonders unangenehm wären ihm natürlich englische Truppen, da er ihr« Unparteilich keit fürchten mutz? Tie Gefahr der Unparteilichkeit be steht für ihn den französischen Truppen gegenüber nicht, wie das Verhalten der französischen Truppen bis her ja bewiesen hat.' Wir wissen, datz die Entscheidung über Oberschlesien bald gefällt werden mutz, damit das unglückliche Land nun endlich die Ruhe bekommt, di« es dringend braucht. Dieser Entscheidung mutz aber die andere Aufgabe der Interalliierten Kommission voran gehen, nämlich di«, mit allen Machtmitteln die Auf rührer niederzuschlagen, denn sonst hat die Entschei dung, wie sie auch auSfallen mag, nicht den allerge ringsten Wert. St« offener Sruch k« -er InterallilertenkommWon. In der interalliierten Kommission in Oppeln ist - p» einem effenenVruch gekommen, di« italienischen «nd englischen Mitglieder stehen den französischen in schroffster Ablehnung ge genüber, «eil st« diesen! vorwerfen, datz st« angesichts der Sach lage in Oberschtepen oer,uch«n. die »»sang htnanszu^ehen. Li« Disfexe«»»« haben sich sogar ,u solche« rein persön liche» Rat», erweitert, »ndeo hat hesttg» St«»«la»s- trttte «bische« dsrn Mitglied.^ >- «vmmiflton gegeben, »er «veit« italienisch» «evollmitch^-e, der bekannt, Universttitt*- prosesss« Passaglt, hat sei» AM niedergelegt »nd ist ab,,- rchft, desgleichen haben pvei englisch, »nd ,i» italienisch« Kreis- kant,ollen» nm Enthebung von ihre» Popen gebet»«. Vie Lage in Gberschleflen. Der wichtig« Eisenbahnknotenpunkt Kandrzin ist in di« Hand der Polen gefallen, wodurch der Verkehr zwischen Oppeln und dem Industriegebiete unmöglich geworden ist. Ter Stratzenbahnverkehr zwischen Beuchen und Kattowitz ist wieder ausgenommen worden, doch wird er von den Aufständischen erschwert, die von den Reisenden Pässe verlangen. Es bestätigt sich, datz in einer Anzähl von Betrieben di« Arbeit wieder auf- genommen worden ist/ Ta sich aber die Bergwerkslet- tungen in der Hand der Aufständischen befinden, die Direktoren und Beamten geflüchtet oder von den In surgenten von den Posten entfernt worden sind, ist an ein« geregelt« Arbeit nicht zu denke«. An der Strecke Rosenberg—Landsberg haben die Polen bei Jam eine Gleisspvengung porgenommen Auch Beu- then ist Montag abend von den Polen besetzt worden. Tie Franzosen haben sich in di« Kasernen zurückgezogen. Artillerie gegen Oppeln, Seit Montag ist französische Artillerie an der De markationslinie in der Nähe von Oppeln »utz» fahren. Ties« Artillerie ist eingestellt für eine Be- schiehung der nach Oppeln aus Deutschland kommenden Zufahrtsstraßen. M NM Welling: Zentllilil, Dmklllten, WOmkruten. ver -neue Reichskanzler Vr. Wirth begrün-et Vas neue Rekchsmlnisterium. DerReichspräsident hat den bisherigen Reichssi- nan,Minister Dr. Wir th unter Ernennung zum Reichskanz- ler mit der Bildung des Kabinetts beauftragt und ntzch besten Vorschlägen folgende Reichsminister ernannt: Reichsschatzminister und Vizekanzler Bauer, Inneres Dr. Gradnauer, Wirtschaft Robert Schmidt, Justiz Dr. Schiffer, Heer Dr. Getzler, Post Eievbert», Verkehr ErSner, Arbeit Dr. Braun», Ernährung Dr. Herme», Aeutzeres mit einstweiliger Wahrnehmung der Geschäfte be auftragt Dr. Wirth, Finanzen und Wiederaufbau noch unbesetzt. Ter neue Reichskanzler Dir. Wirth ist 1879 in Freiburg i. Ar. geboren und hat in seiner Vaterstadt Mathematik, Naturwissenschaften und Nationalökonomie studiert. Er wurde 1908 Professor am Realgymna sium in Freiburg, 1914 tpurde er als Reichstagsabge ordneter gewählt, 1918 wurde er badischer und kurz darauf als Nachfolger Erzbergers Reichsfinanzminister. Segrüo-ung -er Unterschrift -urch -en neue« Reichskanzler. Reich»tag»fitzu«g. Um 9 Uhr gestern abend trat der Reich Stag.zu sammen. TaS HauS war dicht besaht, di« Tribünen bis auf den letzten Platz gefüllt, und in der Tiploma- tenloge sahen zahlreiche Vertreter der Entente und neutralen Staaten. Ter neue Reichskanzler Dr. Wirth nahm mit den Mitgliedern seines Kabinetts am Regierungstisch Platz. Um 9 Uhr eröffnete Präsi dent Löb« di« Sitzung mit folgender Ansprache: Der Reichstag hat sich! versammelt, nm eine Ent scheidung von unabsehbarer Tragweite zu fällen. Indem ich« die Sitzung.eröffne, gebe ich, dem Wunsche Ausdruck, daß unsere Verhandlungen von dem Ernste getragen sein mögen, den die jetzige Stunde uns allen gebietet. Unter den Eingängen be findet sich! die Erklärung der Alliierten vom 5. Mai mit den Reparationsverpflichtungen, ferner das Ab kommen zwischen der deutschen Regierung.und der russischen sozialistischen Sowjetrepublik Wer die Er weiterung des Tätigkeitsgebietes der beiderseitigen Delegationen. Zur Entgegennahme einer Erklärung der neuen ReichSregierung hat das Wort hier zu der Reichskanzler Dr. Wirch. R«fch»kankz»r Dr. Wirth: Ter Reichspräsident hat mich ersucht, di« Kabinetts bildung zu übernehmen, und ich! habe geglaubt, in einer so entscheidungsschweren Stunde mich .diesem Ruf« nicht versagen zu dürfen. Zu Reich-Ministern sind durch den Reichspräsidenten ernannt: Reichskanzler Dr. Wirth, der bis auf weiteres auch das Portefeuille des Aeutzeven Übernimmt, ReichSschatzminister und Stell vertreter des Reichskanzlers Bauer, Reichsminister des Innern Tr. Gradnauer, RetchSminister der Justiz Schiffer, Reichsarbeitsniinister Tr. Braun, ReichS- wirtschaftsminister Robert Schmidt, ReichSmintstsr für Ernährung'und Landwirtschaft Hermes, Reichswehr. Minister Tr. Getzler, Reichsverkehrsminister Grü ner,-Reichspostminister GiesbertS. TaS Reichs finanzministerium ist vorläufig unbesetzt. Tie Eroän- zung des Kabinetts soll in Erwägung aller für seine Zusammensetzung wesentlichen Gesichtspunkte unver züglich! in Angriff.genommen werden. Tie Aufgabe in dieser schweren Stunde, die Ent scheidung des Reichstages Über das Ultimatum der alliierten Regierungen herbeizuführen, bitte ich Sie, Ihrer Meinung über Inhalt und Bedeutung des Ultimatums im Hinblick auf den Ablauf.der Frist durch unverzügliche Entschließung zum Ausdruck zu bringen. ES bleibt un» kein« andere Möglichkeit al» Annahme oder Ablehnung. Tas Ja bedeutet, daß wir un- bereit erklären, die schweren finanziellen Lasten^ di« man Jahr für Jahr von un» fordert, in schwerer Arbeit zu tragens die Ablehnung aber wür de bedeuten die Zwangsvollstreckung jn unserer ganzen Volkswirtschaft. Auch würde sie bedeuten Sklaven arbeit unter Aufsicht feindlicher Bajonette, würde be deuten die Auslieferung der Grundlagen unserer ganzen im Reichstage -ke Unterschrift -es Ultimatums. industriellen Tätigkeit, Zerreißung unseres so stark ge schwächten Wirtschaftskörpers und Knebelung unseres ganzen Erwerbslebens wären die Folgen. Aber noch ungeheurer könnten sich! die Wirkungen auswachsen für unsere politische Existenz, für unser Reich!. ES steht mehr als Geld und Gut auf dem Spiele. (Gehr richtig!) ES handelt sich um die ganze Zukunft unseres hartgevrüf- ten geliebten Vaterlandes. TaS deutsche Volk ist zu den höchsten materiellen Opfern bereit. Tie deutsche Regierung nimmt aus diesem Grunde das Ultimatum an. Tie Verantwortung^ für die Weltwirtschaft lichen Folgen des Ultimatums liegt bet der Gegen seite. Nur durch Leistungen können wir unsere Geg ner von der Aufrichtigkeit unseres Willens überzeugen und dadurch! die Atmosphäre schaffen, in der eine er trägliche Handhabung der Londoner Beschlüsse im Rah men unserer Leistungsfähigkeit gesichert wird. Durch die Annahme des Ultimatums beseitigen wir die nahe dr» hende Besetzung des Ruhra.ebte.tS. Ti« vielfach geäußerte Besorgnis, daß eS auf.jeden Fall, mögen wir unter» zeichnen oder nicht, zum Einmarsch kommen werde, fin det in dem Ultimatum keine Stütze. Nach seinem Sinn und Wortlaut bildet die Abstandnahme von Sanktionen, insbesondere die Nichtbesetzung des Ruhrgebiets, die Grundlage der Annahme des Ultimatums. Taß wir bei dieser schicksalsschweren Entschließung unsere Blicke auch auf Oberschlesien richten, .bedarf .keiner Begrün dung. In dieser Hinsicht vertrauen wir fest auf das Ergebnis der Volksabstimmung. Worauf.«S tztzt an kommt, ist, .daß die alliierten Regierungen den von polnischer Seite gemachten Versuch, «ine allem Recht hohnsprechende vollendete Tatsache zu schaffen, nicht dul den werden, daß auf keinen Fall ein polnischer Diktator die wenigen Rechte, die uns der JriedenSvertrag ^ibt. mit Füßen tritt. Tiefer Friedensvertrag, aus dem uns gigantische Lasten auferlegt werden, begründet für die alliierten Regierungen heilige Pflichten. Meine Damen und Herren! Tie neugebildete Regierung empfiehlt Ihnen nach! gewissenhafter Prüfung die Annahme des Ultimatums. (Beifall.) Vke Haltung -er Parteien. Nach dieser Red« des Reichskanzlers wurde sofort in die Aussprache Wer die Regierungsbildung und das Ultimatum eingetreten. Da» Ja der Sozialdemokraten. Für die Sozialdemokratie gibt Abg. Wels eine Er klärung ab, die besagt: Die politische Verantwortung für Annahme und Ausführung des Ultimatums fällt nach! Auffassung der sozialdemokratischen ReichstagSfrak- tion fenen Parteien zu, di« am meisten zur Verlänge rung .des Kriege» und zur Vermehrung seiner Lasten beigetragen hatten. Tie sozialdemokratisch« Reichstags fraktion hat daher ihre Teilnahme an einer Re gierung beschlossen, die durch Annahme des Ulti matums Deutschland vor den unmittelbaren katastropha len Folgen einer Ablehnung retten und den ehrlichen Versuch machen will, das uns Auferlegte nach bestem Können zu erfüllen. Aus diesem Grunde sind wir zur Unterstützung d«r neuen Regierung bereit. (Lebhafter Beifall bet den Sozialdemokraten.) Der Zentrumsredner. Abg. Lvimborn (Ztr.) gibt namens seiner Partei eine Erklärung .ab, in der es heißt r Bei der Abwägung der Gründe für und gegen die Ablehnung haben wir «S für wahrscheinlich erachtet, daß das deutsche Reich und das deutsche Volk bei der Amrahme der Forderungen der Alliierten in seinem Fortbestände weniger gefährdet seien, wie bei den mit ihrer Ablehnung eintretenden Wirkungen. In der Ueberzeugung, daß «S für di« Er haltung und für die Wtederaufrichtung Deutschland» kei nen anderen Weg gibt, al» di« Unterschrift der Reichsregierung, haben wir un» entschlossen, unsere Zu stimmung hierzu durch unser Ja zum Ausdruck zu drin- gen. Tem Kabinett, .da» auf der Grundlage der Bereit schaft zur Unterschrift gebildet ist, sprechen wir unser Vertrauen au». (Beifall im Zentrum.) Da»' Nein der Deutschen volkipartei und der Dentfchnationalen. Abg. Tr. Sire se mann (D- vp.)r Di« Fraktion ist einmütig der Auffassung, datz -le un» in dem Ulti matum zugemuteten Leistungen nicht getragen wer den kürmen, ovn«-um Z us-Mmenbruch-n sAH,