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Dresdner Journal : 04.01.1859
- Erscheinungsdatum
- 1859-01-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-185901048
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18590104
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18590104
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1859
-
Monat
1859-01
- Tag 1859-01-04
-
Monat
1859-01
-
Jahr
1859
- Titel
- Dresdner Journal : 04.01.1859
- Autor
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M ,v 2 '' Dienstag, den L Januar. I8S8 Admnte*r»l»prrtsr: . ^tLrlicd: b'Nllr. in z Im - 1 „ 10 l E »o,t- »m, ilvnnUicd in Vraas»»: 15 bigr. s 8t««p«tm- Liuaalu« blummeeu: 1 kige. 1 »eklag l>i»»o. r,ser-te«preife: kür äan kaum au>er »vapaltauau Leilo: 1 klIr. Unter „kingaaaullt" sie Xvile: 2 bixr «rschrke*: l'Lxlick, mit Xueneilme äer Sonn- uns keiertnx«, Xdaus, Nir seo kolxeusoo 1"»x. DrrMerIoumal. Verantwortlicher Redakteur: I. G. Hartmann. rnsrratenannahmr auswärts: 1-aipai^t: In. NnLnixtinunn, t^ommieeioniir so« I)rv»s»er snurnula; »dvosaaelkot: II. iliinnrn; «Iwna: L Vo»l.nn; LerUn: ttunrii -'-t lie linc-Itk., lün^^nrvnn'e Iiur, «t>; Lrameu: I'. 8cni.orrn: krnnkknrt ». N.: .1^»- nnn'lteüv Ituetidensl.; Lnnnovvr: !iIrni.rnrrriiL's ttu- reau; tdölu: Xvvi.r itxit<r.>! knrie: v. I.i»rv»tn»nl.s (28, rns äos dous enfanit); krn^: kn. kriniicn's öuekdaosluu^. Herausgeber: ^önigl. Lxpasitio» äs» vrosänsr äoornnl», Oreasoo, H»risn»trn»«s dir. 7. Amtlicher Theil. Dre-de«, 1. Januar. Seine Majestät der König Haden unter heutigem Tage an de« Staattminister Behr nachstehende» Handschrriden allergnädigst zu erlassen ge ruhet: Lieder Minister Behr! Mit dem heutigen Jahreswechsel verlassen Sie Ihren bisherigen Wirkungskreis, um die Leitung de« Ministe riums der Justiz zu übernehmen. Gewiß fühle ich an diesem Tage lebhafter, was ich Ihnen schuldig bin, was mein Land Ihnen verdankt. Sl, haben Ihr di-hertget Amt unter schwierigen ver- hängnißvollen Verhältnissen angetreten. Durch Muth und treues Festhalten an bewährten Grundsätzen wurden diese Schwierigkeiten allmählig befiegt und Sie überge ben jetzt die Finanzen de- Staats an Ihren Nachfolger in einem blühenden Zustande, während es gelungen ist, noch im letzten Jahre Ihrer Wirksamkeit in diesem Fache, die Lasten der Unterthanen zu erleichtern und dringenden Bedürfnisse» des Staats und seiner Diener abzuhelfen. Ohne Zweifel danke ich diesen glücklichen Erfolg nächst des Himmels Segen Ihrer umsichtigen Geschäftsleitung, sowie dem Vertrauen, da- Ihr Character allen Elasten des Volk« eingeflößt hat. Und jetzt sind Sie auch be reit, nach meinem Wunsche auf einem andern Gebiete Ihre Kräfte dem Wohle de« Lande- zu widmen Wie sehr ich dies Alles in tiefstem Herzen erkenne, ist Ihnen längst bekannt, aber mein Gefühl drängt mich, Ihnen auch ein öffentliche« Zeichen meine« Anerkennt nisse« Ihrer Verdienste zu geben. Ich habe Ihnen da her unter heutigem ck»to den erblichen Adelsstand ver liehen. Den schönsten Lohn finden Sie indeß gewiß in dem Bewußtsein treu erfüllter Pflicht. Ich verbleibe stets Dresden, Ihr wohlgeneigter am l. Januar 1859. Johann- Dresden, 3. Januar. Wegen erfolgten Ablebens Ihrer Kaiserlich Königlichen Hoheit der Frau Erzherzogin Maria Anna von Oesterreich, ist am Königlichen Hof« eine Trauer auf «ine Woche, von heule bis mit dem 9. Januar, angelegt worden. lü — MchlbMscher Thril. Usberstcht. Telegraphische Nachrichten. ZeituugSscha». Tagetgeschichte. Dresden: Vom königlichen Hofe. Standeserhihung. Vom diplomatischen EorpS. Neuer KreiSdirertor für Zwickau. — Wien: Leichenbeqänq- niß der Erzherzogin Marie Anna. Erzherzog Maxi milian erkrankt. — Berlin: Einziehung schadhafter Kassenanweisungen. Befinden des König« und der Kaiserin von Rußland. Kriegsministerieller Erlaß. Aufrechterhaltung dör Schulregulative. Die christka tholische Gemeind,. Vermischtes. — Weimar: Gra- tulationscour. Kirchlich« Verordnung. — Koburg: Staatsanleihe. — Altenburg: Gesetzblatt. — Pa ris: Zur Reorganisation Algeriens. Begnadigung. Vermischtes. — Neapel: Keine russische Kohlen station. — Madrid: AntwortSadresse genehmigt. — Bern: Eisenbahnunglück. — London-' Reform-Mee ting. sPaß-Verordnung. Barnum. Staatseinnah men. Vermischtes. — Athen: Sic Gladstone. — Konstantinopel: Ministerräthe in der serbischen Frage. Türkische Note. Letzte Post.— Belgrad: Verhandlungen der Skupschlinaren mit dem türkischen Eommissar. Fürst Alexander Milosch Obrenvwitsch. Ernouuuaev, Lersetzuugeu rc. im öffentl. Dienst. Dresdner Nachrichten Proviuzialnachrichten. (Leipzig. Leisnig. Frankenberg) Oeffeutl. Gerichtsverhandlungen. (Dresden. Meißen ) Wissenschaft, Kunst und Literatur. Stilistik und LolkSwirthschaft. Inserate. TageSkaleuder. Börsennachrichtea. Telegraphische Nachrichten. London, Sonntag, 2. Januar Hier rinße- troffene officielle Nachrichten melden auS BomdLy vom S. v. MtS., daß die Amnestie allmählich ihre Wirkung übe und daß der Friede ohne vieles fernere Blutvergießen bevorstebe. Lord Clyde schlug erneut die Rebellen, welche große Verluste erlitten. Auch durch General Grant war rin Tieg erfochten. Der Gesundheitszustand der englischen Truppen ist gut. Dresden, 3. Januar. Die Leitartikel, mit welchen das neue Jahr von den Zeitungen eingeleitet wird, geben Stoff zu interessanten Vergleichen. Sie enthalten meistens, wenn auch nickt direct ausgesprochen, zugleich das Programm der Zeitung. In letzterer Beziehung geht die „Frankfurter Postzeitung" mit der Sprache offen heraus: „Die Postzeitung war conservativ und deutsch-national gesinnt; — sie wird es bleiben." Ihre Motive hierfür sind be- achtenswerthe. „Man sollte meinen", — schreibt die selbe — „es müßte sich von /clber verstehen. Eonser- vativ ist die Achtung des Rechtes, das Verstandniß für historische Anlehnung, der Sinn für natürliche und stetige Entwicklung aus dem Gegebenen und Bestehenden, die Scheu vor unvorbereiteten Uebcrgängen und vor Ueber- stürzung. Das Prinrip ist so naheliegend, daß ein Jeder es zu würdigen weiß, sobald cs sich um ein Recht han delt, das ihn selbst betrifft; nur fehlt unglücklicher weise mitunter die Brücke zu dem weitern Verstandniß, daß, um die Achtung seines Rechtes zu finden, er sei nerseits nothwcndig auch die Rechte der Andern achten muß. Es ist dies eine natürliche Bedingung der Halt barkeit, deren man sich nicht entschlagen kann. Und auf Haltbarkeit für das Angestrebte rechnet doch Jedermann ahne Unterschied I Auch die am weitesten gehenden Au- kunftSmanner, welche einst die Theilung des EigenthumS zu ihrem Stichwort machten, setzten dabei in aller Naive tät voraus, daß unmittelbar nach vorgenommener Thei lung der neue Besitz heilig und unantastbar sein werde; sie übersahen die einfache Logik, daß aus dem gleichen Ansprüche, welcher die erste Besitzänderung durchsetzen sollte, mit jedem Morgen eine neue Austheilung zu rechtfertigen war." Dann wird an dem Beispiele Frankreichs, welches seil 1789 eine ganze Musterkarle von Vcrfassungsformen durchgcmacht habe, nachgewiesen, wie leicht bei dem En thusiasmus für eine Theorie, welche vom Papiere weg in das Leben übergehen soll, diese Bedingungen der Haltbar keit vergessen werden. Auch von Schöpfungen der Jüli- revolution liege kein Stein mehr auf dem andern. Die in England kurz darauf durchgeführte Parlamentsreform dagegen, bei der man langsam rücksichtsvoll mit allen be stehenden Interessen transigirend zu Werke ging, bestehe unangetastet, geachtet bis auf den heutigen Tag. Der deutsche Charakter neige sich mehr zur englischen Art hin. Es sei in neuerer Zeit eine Art Modesache geworden, über den langsamen Fortschritt der deutsch-nationalen Entwicklung einen schmollenden, trostlosen, wegwerfenden > oder wohl auch spöttischen Ton anzuschlagen. Aber nach dem Zeitmaß der Völkergcschichte sei die nationale Rich tung etwa« Neues in Deutschland. Um zu sehen, wie weit man vorwärts gekommen ist, müsse man rückwärts blicken Noch zu Anfang dieses Jahrhunders hätten deutsche Waffen. Krieg gegen deutsche Waffen geführt, ohne daß die öffentliche Meinung im Großen daran An stoß nahm. Heute seien die deutschen Regierungen na tionaler gesinnt, als vor 5t) Jahren die Nation, die öffentliche Meinung. „Setze man — schließt der Auf satz — 1806 oder 1809 neben 1858, uno man hat ei nen riesenhaften Fortschritt vor sich. Damals gab e« keine Streitfragen über deutsche Politik, weil es über haupt keine deutsch, Politik gab; jetzt hat man solche, vielleicht mehr, al« gerade wünschenswerth wäre, aber wenn man sich einerseits darüber beklagt, so sollte man andrerseits auch bedenken, daß sie jedenfalls ein geistiges Lebenszeichen sind. Denn selbst ein Streit um Fragen dieser Art ist denn doch nichts Anderes, al« ein Eifer um Vertretung deutscher Gesammtinteresscn, eine thatsächliche Anerkennung derselben, ein sprechendes Zeugniß ihrer Geltung. Möge cs niemals mehr als ein Wettstreit sein, und der deutschen Gesammtheit wird ein Segen daraus erwachsen." Die „Ost-Deutsche Post" nennt den Neujahrstag einen Tag der Phantasie, die Phantasie aber ein eral- tirtes Weib. Es sei gefährlich, sie sich selbst zu über lassen, ohne ihr den bedächtigen Verstand als Begleiter zu geben. Das wird — wohl unabsichtlich — gleich mit dem darauf folgenden Artikel vor Augen geführt. Viele blickten mit Aengstlichkeit auch auf das eintretende Jahr; es sei nothwendig, daß man einige wesentliche Punkte sich vergegenwärtige, um für die politische Lage Europas einen ruhigern Gesichtskreis zu finden. Die politische Krankheit unsrer Zeit bestehe darin daß nirgend« feste Allianzen bestehen. Der Friede von L815 bi« 1853 habe auf den Allianzen der drei nordi schen Mächte Oesterreich, Preußen und Rußland und der beiden Westmächte beruht. Mit dem Pariser Frieden (wohl richtiger, mit der Jsolirung Rußlands im orientalischen Kriege) habe das System der Allianzen sich aufgelöst; wir sähen nur noch Schein-Allianzen. Positive wirkliche Allianzen seien solche, wo zwei Mächte zu einer bestimm ten Action sich verbinden. (Das Völkerrecht hat von jeher als Allianzen vorzugsweise auch solche gekannt, welche auf Neutralität, also dem Gegensätze der Action beruhen.) Es habe eine traurige Zeit gegeben, wo ein preußischer Premierminister Frankreich und Rußland die Hoffnung ließ, bei einer Verwicklung mit Oesterreich Preu ßen als Zuschauer zu haben. Vielleicht batikten sich manche Umrisse französisch-russischer Zukunftspolitik aus jener Zeit, wo Herr v. Manteuffel die Politik Preußens in Händen geführt. Diese Zeit — man könne die Vor sehung nicht genug preisen dafür — sei nun vorüber. „Deutsche Männer, Männer von hoher Ehre und deut schem Herzen leiten jetzt die Geschicke Preußens. Es existirl keine Allianz zwischen uns und unserm deutschen Nachbar. Aber die Uebcrzeugung geht durch ganz Deutsch land, daß die Aggression einer oder der andern Großmacht gegen einen der Grundpfeiler des europäischen Gleichge wichts, daß ein Angriff gegen eine der organischen Stipu lationen der Verträge von l815 Preußen und Oesterreich neben einander fände (hoffentlich mit einander und mit mehr „Action," als 1830, wo die orgaBischen Stipula tionen von 1815 trotzdem verloren gingen) und daß die sem Kernpunkte Englands Beitritt nicht lange fern bliebe." Auch in Paris wisse man diese Folge der Dinge in An schlag zu bringen und darin liege eine starke Garantie des Friedens. „Ja, das Jahr 1859 erweckt in dieser Beziehung berechtigtere Hoffnungen als das abgelaufenc Jahr, weil Preußen sich wicdergefunden hat. Nur zwei kurze Bemerkungen zu dieser Neujahrs betrachtung. Auch in der Zeit, die jetzt als vorüberqe- ganqene so geschmäht wird, war Preußen ein monarchischer Staat; auch zu jener Zeit leitete die Geschicke Preußens nicht dieser oder jener Minister, sondern ein König, den dir unparteiische Geschichte so gut wie irgend einen Für sten seines Hauses, als „Mann von hoher Ehre und deutschem Herzen" gelten lassen wird. Was aber die Aussicht auf Allianzen betrifft, so freuen wir uns dessen, wenn ein innigeres Zusammenhalten zwischen Oesterreich und Preußen angebahnt ist. Allein wir glauben nicht, daß solche Allianzen über Nacht vom Himmel fallen. Wir kennen nur zwei Grundlagen einer Allianz: das Recht und da« Interesse. Die rechtliche Grundlage des Zusammenhalten« zwischen Oesterreich und Preußen ist im Deutschen Bunde gegeben. Diese Grundlage ist nicht erst im letzten Jahre neu geschaffen worden. Und wie da« gemeinsame Interesse Deutschland zur Einheit führte, hat die vaterländische Geschichte in den zwei Jahren ge lehrt, welche der Gründung des Deutschen Bundes voran gingen. Unter gleicher Veranlassung würde die gleiche Einigung zu jeder andern Zeit wieder stattgefunden haben, und wir können diese Möglichkeit nicht als solche gelten lassen, welche erst im letzten Jahre eingetreten wäre. Was Englands Beitritt zur deutschen Allianz betrifft, so denken wir hierüber sehr nüchtern. Wenn England seinen Vor- lhcil darin findet, wird es sich mit uns alliiren, im an dern Falle nicht; so ist es von jeher gewesen und so wird es bleiben, die Regenten und Minister in Deutschland mögen wechseln, so oft sie wollen. Tagtsgeschichte. Dresden, 3. Januar. Am königlichen Hofe hat am NeujahrSlage eine Gratulationscour diesmal nicht stattgcfundcn. Se. Majestät der König haben außer dem Herrn Minister des königlichen Hauses und den Hof staaten nur die Herren Slaarsminister und die Gene ralität zu empfangen geruht. — Am 1. Januar wurde Se. Ercellcnz der Herr Slaatsminister der Justiz durch das in dem amtlichen Theile unsers heutigen Blattes enthaltene allerhöchste Handschreiben überrascht, durch weiches Se. Majestät der König denselben in den erblichen Adelsstand zu erbeben geruht haben. Da« Wappen, welches dem Herrn Slaatsminister v. Bekr verliehen worden ist, zeigt, in Betracht des Umstandes, daß in der Familie Behr bisher schon ein Bär als Wappenbild geführt wurde (Behr ist die ältere Schreibart für Bär), einen schreitenden schwarzen Bären im goldnen Schild. Auf dem gekrönten offnen Helme erscheint als Helmzierde eine wachsende weibliche Figur, deren Gewandung von gold und schwarz getheilt, und deren Haupt mit einem goldenen Kranze geschmückt ist. Dieselbe trägt in ihrer rechten Hand eine goldene Wage, im linken Arm ein goldenes Füll horn mit Aehren. Ein blaues, zu beiden Seiten des Helmes flatterndes Band enthält mit goldenen Schrift zeichen die Worte: Recht thun — bringt Segen. — Der großhcrzoglich und herzoglich sächsische Mini sterresident am hiesigen königlichen Hofe, Herr Kammer herr v. Loewenfels, ist wieder hier eingetroffen. Auch der kurfürstlich hessische Gesandte, Herr Geh. Rath v. Wilkens-Hohenau, ist seit einiger Zeit wieder hier anwesend. — Wie wir vernehmen, haben Se. Maj der König den durch den Wiedereintritt des Herrn Ministers v. Friesen in das Ministerium erledigten Posten des Kreis- Directors im Zwickauer Regierungsbezirk dem Herrn Zoll- und Steuer-Director v. Schimpfs zu übertragen geruht. ' ' Wien, 1. Januar. (W. Bl.) Der aus Baden hier her überbrachte Sarg mit dem Leichnam der Erzher zogin Marie Anna wurde gestern Vormittag in der Hofburgpfarrkirche aufgebahrt und nach erfolgter noch maliger Einsegnung um 8 Uhr dem Publicum der Zu tritt gestattet. — Das feierliche Lcichenbcgängniß Erinnerungen. Aus Bulgarin'» Memoiren.*) (Fortsetzung au« Rr. I.) Nach zwei Tagen vergeblichen Harrens auf Nachrichten erschien zur Mittagszeit de» dritten Tage» eine Bäuerin eines fremden Gebiet», deren krankt» Kind meine Mutter geheilt hatte, in unserm Bivouak, warf sich uns zu Füßen und ver traute uns, gehört zu haben, daß benachbarte Bauern sich anschickten, uns Alle In der Boraussetzung, wir besäßen Geld und Kostbarkeiten, im Walde tod» zu schlagen. Man denke sich unsre Lage! Zwar war ich noch nicht im Stande, die un» drohende Gefahr in ihrem ganzen Umfange zu begreifen ; ater was Todtschlagen, was Sterben heißt, wußte ich wohl au« Erzählungen vorgefallener Schlachten und Todesfälle im Kreise unsrer Bekannten. Daher erfüllte die allgemeine Bestürzung auch mich mit Angst ; indeß bat ich mir eine Flinte au», um die Mutter zu beschützen. Unter Thränen läckelnd drückte sie mich an« Herz. Sofort wurde unsre gesammte männliche Dienerschaft zu einer Berathung versammelt und meine Mutter fragte, ob fie Willen« sei, ihr, Herrschaft zu vertheidigen? „Bi« zum letzten Blutstropfen!" lautete die einstimmige Antwort und Alle eilten zugleich herbei, der Muiter und den Schwestern Hände und Füße zu küssen. Mich nahm der Schütze Semen in seine Arme, ausrufknd, er würde mich nicht auslieftrn und wenn man ihn in Stücke zerrisse. Unsre Schaar, au» neun kräftigen jungen Leuten, geschickten Schützen, bestehend, würde ohne Zweifel einer doppelten Räubechahl nicht erlegen sein. Einige unsrer Leute äußerten sogar den Wunsch eine» Zusammentreffens mit den Räubern, um diesen eine gehörige Lehre zu geben. Einige Monate vorher hatte mein Batne den Gehilfen unser« Gut»verwalter», wie ich glaube, schlechter Führung und Diebstahl» wegen au» dem Dienste gejagt. Ohne Ver zug sattelte der Junker sein Rößlrin und ließ sich für die so genannte Ruhawka (berittene Schlacht«-Miliz) anwerben, *) Verlag von Fr.Mauke In Jena. die sich eben in Nowogrudok forinirie. Ob er an Schlachten Theil genommen oder nicht, weiß ich nicht; aber nach KoS- riuSzko'S Gefangennehmung kehrte er, mit Geld versehen, in die Heimath zurück, praßte hier mit Taugenichtsen seines Gelichters in Schenken umher und hatte in Beziehung aus meinen Vater Rachedrohungen ausgesprochen, die nnS zu Ohren kamen. Dieser Mensch hatte unfern Versteck im Walde auSgekundschaftet und den Entschluß gefaßt, uns zu berauben und wahrscheinlich unS Alle zu lökten, um die Spuren seiner Missethat zu vertilgen. Auf seinen Wände- rungen von einer Schenkt zur andern wußte er einige trunkene Schlachtitzen und etwa zwanzig der verworfensten Bauern zur Theilnahme an dieser Biuithat zu überreden, indem er sie versicherte, die Russen, welche das Land besetzten, würden keine Untersuchungen über Morde und Beraubungen von Panen anstelle», da sie gegen diese Krieg führten. An dem selben Tage, al« fick der Bösewicht mit seiner Bande in den Wald begab, um unS aufzusuchen, doch nicht von unserm Gute au«, dem er sich nicht zu nähern wagte, sondern aus der Ferne, über einen Morast hin, hatte jene, meiner Mutier zu Dank verpflichtete Bäuerin den Mordplan von einer Rach, darin, deren Ehemann zur Räuberrotte gehörte, erfahren und sich sogleich nach Makowischischi begeben. Ohne hier dem Verwalter, welchem sie mißtraute, Etwas darüber mitzu- theilen, hatte fie von einer Viehmagd erfahren, welchen Weg wir eingeschlaqen, und, unsrer Spur folgend, un« erreicht. Damit diese Frau schleunig nach dem Hofe zurückkehren und unser» Leuten den Befehl überbringen könne, sich zu unsrer Vertheidigung gegen die Räuber anzuschicken, haue meine Mutter ihr rin Pferd geben lassen. Semen, der den Schenkwirth Jossel nicht leiden mochte, «heil« weil dieser ihm auf meines Vaters Befehl keinen Branntwein auf Eredit verabfolgte, »heil« weil rr, im Be wußtsein herrschaftlicher Gunst, das übrige Hofgesinde bis weilen grob behaudelt ha»», behauptete, Jossel sei de» Ver- rath» verdächtig, und bald «heilte unsre gesammte Diener schaft, auch schon au« angrbornem Judenhaß, dieselbe Anficht. Ermen schwur, Ihn wie einen Hasen todt zu schieße», sobald er ihn erblicken würde. Verwünschungen und Drohungen über ihn wurden in unserm Lager lallt; meine Mutter allein vertheidigte ibn. Bald werden wir erfahren, welche Rolle er in der fraglichen Angelegenheit spielte. Kondrati, der mit meinem Vater einen Feldzug mitge macht hatte, nahm in dem oben erwähnten Vertheidigungs- rache die vornehmste Stelle ein. Er schlug vor, aus Erde und Zweigen eine Art von Schanze aufzuwerfen und sich hinter ihr festzusetzen, wobei außerdem meine Mutter, die Schwestern und ich durch Pfühle gegen Kugeln geschützt werden sollten. Andere riechen, ii» Einklänge mit meiner Mutter, ichleunig nach Hause zurückzukehren; aber die Furcht, den Russen zu begegnen, lähmte die Ausführung. Mag Gott wissen, wo all' dir Erzählungen über die Russen entsprangen ; indeß läßt sich nicht läuguen, daß der Krieg damals in anderer Weise geführt wurde, als er jetzt geführt wird. Der Sieger hielt jeden Einwohner des feindlichen Gebiet-, ohne Unter schied des Alters und Geschlecht-, für seinen Feind. Dre- wilsch'S und Anderer Thaten waren noch im frischen An denken; noch rauchten Praga'S Trümmer, und Suworosf'S Name reichte hin, um kaltes Fieber zu erzeugen ! Ich schlief ruhig, aber sonst schloß Niemand im Lager sein Auge während der Nacht , Feuer war nicht angemacht; zwei Schützen mit geladenen Gewehren versahen die Streiswache auf der Wiese. Bei Tagesanbruch befahl die Muller, die Pferde zu beladen und den Rückzug anzutreten. Sie konnte sich noch nicht ent- schließen, den nächsten Weg nach Hause einzuschlagen, son dern wollte längs dem Waldrand» näher ziehen. Wir moch ten etwa zwei Stunden in aller Stille gewandert sein, als sich plötzlich zweihundert Schritte vor un«, bei unsrer au» Semen und Kondrati bestehenden Vorhut, ein Lärmen und Durcheinander««»»» vernehmen ließ. Meine Mutter erzählte mir später, im ersten Augenblicke hätten ihr die Knie ge- schwant«, es wäre ihr dunkel vor den Augen geworden und, nachdem fie sich zuerst auf einen abgebrochenen Ast nieder gelassen, wäre fie alSbald in Ohnmacht versunken. Am meisten habe fie d«S Schicksal ihrer Kinder geängstigt! Rich schaffte man sogleich aus di« Seit«; die Schwestern aber «Uten halbtodt mit den Mägden der Mutter zu Hilfe Panna Clara schien vor Schreck den Verstaub verloren zu haben und schrie aus Leibeskräften. Da erschallten plötzlich laut und hell Semen'S Worte: „Fürchtet Nichts! Es sind gute Leute!" Doch konnten wir durch des Waldes Dickicht noch Nichts sehen. Zwar kam die Mutter wieder zu sich, aber noch war sie so angegriffen, daß sie sich nicht von der Stelle erheben konnte. Semcn's Worte hatten A"e wohl neu belebt, indeß nicht dauernd.... Durch Gebüsch und Bäume wurden nämlich plötzlich russische Grenadiermützen und hellfarbige Uniformen sichtbar. Da liefen alle Frauenzimmer, wie die Hühner beim Anblick des Habichts, flugs in einen Knäuel zusammen und warfen sich um meine Mutter herum auf die Knie. Sie selbst saß auf einem umgestürzten Baume unv wäre von meiner Wärterin gehalten. Ich saß zu ihren Füßen. Die Frauenzimmer, fast leblos, wagten nicht aufzu blicken, unv nur Panna Clara fuhr fort, in lauten Jammer tönen GoiteS Erbarmen und alle Heiligen anzurufen, auf deren Namen sie sich besinnen konnte .... Ein entscheiden der, fürchterlicher Augenblick! Und gerade jetzt ritt unser Schenkwirth Jossel auf einen, kleinen Pferde vor, von Semen und Kondrati begleitet. „Fürchtet Nichts, fürchtet Nichts, Pannas!" rief Jossel, mit beiden Händen winkend. „Es wird Euch nichts Böses widerfahren; daS sind, gute Rinder (MoSkalS), — ich selbst führte fie her, Euch zu reiten! Gebt Angst und Sorge» auf — auch der Pan wird heute in GluSk erwartet; er wird gewiß gegen Abend zu Hause sein!" — Meine Mutter lebte wieder auf und mit ihr alle Ucbrigen. Meine Schwestern umarmten und küßten Jossel vor Freuden; der Mutter stürzten Thränen in großen Tropfen auS den Augen, Panna Clara aber verfiel in ent- setzliche Krämpfe: fie weinte und lachte zugleich und wälzt« sich auf der Erde. Jossel küßte zuerst der Mutter, dann mir die Hand, nahm au» der Tasche einen Pfefferkuchen und reichte mir ihn hin, ganz wie vormal». „Jossel," rief meine Mutter schluchzend au«, „diese Pfefferkuchen werde ich Zeit meines Leben» nicht vergessen!" (Fortsetzung folgt.)
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