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Ueber die bei Ausführung einer gerichtlich chemischen Untersuchung, zur Vermeidung von Irrungen, zu befolgenden Vorsichtsmaassregeln mag schliesslich noch das Folgende gesagt sein. Die Gefässe, welche die zu untersuchenden Substanzen enthalten, müs sen dem Chemiker resp. Apotheker versiegelt und gehörig bezeichnet über geben werden. Sehr wahr bemerken Wöhler und von Siebold, dass die Gegen wart von Gerichtspersonen oder des Physicus bei der Untersuchung, nicht allein überflüssig, sondern sogar störend sei. Wer kann mit der ge hörigen Ruhe arbeiten, wenn Personen zugegen sind, die nur Langeweile haben können! Die zur Untersuchung erforderlichen Utensilien müssen entweder neue oder' doch auf das Sorgfältigste gereinigte sein. Es ist offenbar zu weit gegangen, wenn man verlangt, dass sie ohne Ausnahme neue sein müssen. Warum soll man z. B. nicht einen schon gebrauchten, aber sorgfältig ge reinigten Trichter anwenden dürfen! Dass sämmtliche Reagentien vor der Benutzung auf Arsen zu prüfen sind, ist schon früher hervorgehoben worden. In dem Locale, worin die Untersuchung vorgenommen wird, darf während derselben nicht von Anderen gearbeitet werden, der Untersuchende muss die verschiedenen Gegenstände der Untersuchung nicht aus den Augeu lassen, und wenn er sich entfernen will, das Local verschliessen oder das zur Untersuchung Gehörige in ein zu verschliessendes Local bringen. Kann nachgewiesen werden, dass der Untersuchende auch nur eine der angeführten Vorsichtsmaassregeln zu befolgen unterlassen hat, so ist die Untersuchung nichts werth; die genaue Befolgung derselben ist deshalb in dem Berichte ausdrücklich zu bemerken. Wenn man bedenkt, dass es sich um die Freiheit, ja um das Leben eines Menschen handelt, wird man aus eigenem Antriebe, mit der ängstlichsten Sorgfalt, alles vermeiden, was zu Irrungen oder Täuschungen führen kann. zeigte sich auf dem untersten Kasten des eisernen Ofens ein Rostflecken, und es gelang mir sehr leicht, mittelst eines Messers etwa eine halbe Messerspitze voll Rost abzu kratzen und mittelst eines Federbartes auf ein Stück Papier zu fegen. Der eine Apo theker setzte sich sofort hin und untersuchte den Rost mittelst des Löthrohrs; es zeigte sich keine Spur von arsenikalischem Gerüche. Höhnend musste ich mir sagen lassen, dass seine Vorhersagung eingetroffen. Ich bat, den Rost nach der Apotheke zu neh men, um ihn in grösserer Ruhe und auf andere Weise zu untersuchen. Es geschah. Der Rost wurde mit Kalilauge ausgekocht, die filtrirte Flüssigkeit mit Schwefelsäure angesäuert und in einen kleinen Apparat von Marsh gebracht. Es wurden so schöne Arsenflecken erhalten, dass ich dem Gerichtshöfe und den Geschworenen sagen konnte, dass niemals Arsen mit grösserer Sicherheit nachgewiesen worden sei, und dass niemals Arsen mit grösserer Sicherheit werde nachgewiesen werden. Die Chemie hatte also in der langen Kette von Indicien das einzige noch fehlende Glied ergänzt und der ganze Verlauf der Vergiftung stand nunmehr klar vor den Augen. Dies wäre nicht der Fall gewesen, wenn ich nicht neben den Apothekern als Sachverständiger fungirt hätte. Ich habe im Winter 2y 2 Gran Fliegenstein, mit Wasser zerrieben, auf die obere Platte des unteren eisernen Kastens eines Ofens im Arbeitszimmer des Laboratoriums giessen lassen, dann nach länger als zwei Monaten, während welcher der Ofen täglich und oft äusserst stark geheizt wurde, den Rost abkratzen und untersuchen lassen, und das Arsen -wurde ebenfalls sogleich gefunden. Auch diesmal gab der Rost vor dem Löthrohre keinen Arsengeruch, ein Umstand, auf den schon H. Rose in seinem Hand buche der analytischen Chemie aufmerksam macht.