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Anzeiger für das Erzgebirge MKZ «lr-wm—, Laa»»latt Enthalt»«- -t« amtliche« Selauatmachoogr« -TS Rai«» »er Statt uat te» Rmtsgericht» ftoe. p»flstd«r.st.»ie, ft« «Kpzig a,.iem Nr. 207 Mittwoch» äou S. September IS2S IS. Jahrgang Proäuktive PfSnäer. „ES gilt einen Weg zu finden, der uns 'n« Freie führt". Dieser Satz ist die Quintessenz oeS außenpolitischen Teils der Rede der Reichskanzlers in Stuttgart. So sehr der passive Widerstand als Abwehr des rechtswidrigen Vorgehens Frankreichs notwendig würde, so sehr er die selbstverständliche Folge der durch Poineare geschaffenen Lage war, so unvermeidlich ist doch die Erörterung der Frage, ob und wie eS möglich sein wird, das Ruhrgebiet, diese Schlagader des deutschen Wirtschaftslebens, aus seinem Starrkrampf zu befreien, es wieder für Deutschland produktiv zu gestalten. Wenn der neue Reichskanzler in pflichtgemäßer Durchdenkung dieses großen Problems zu dem Ziele kommt, daß auch hier, ebenso wie,im Innern, eine aktive Politik getrieben werden muß, so kann man ihm vom nationalen Standpunkte aus in dieser Hinsicht nur Dank wissen. Aus der Sackgasse müssen wir herauskommen. Daß eS in Ehren und unter vollster Wahrung unserer Grenz-n und unserer Souverä nität geschehen muß, ist eine Forderung aller Deutschen, und diese Selbstverständlichkeit hat Dr. Stresemann deut» uch betont. Einfach aber nichts zu tun und den lieben Gott einen frommen Mann sein zu lasten oder gar, wie eS die Deutschvölkischen und die Deutschnatioualen neuer dings wieder tun, die KriegStrommel zu rühren — das .ist keine gesunde und weitsichtige Politik. Stresemann sagt sich mit Recht: Deutschland muß produktiv werden, sonst wird eS untergehen; bei der Wahl, entweder Deutschlands Produktivität wiederherzustellen und zu diesem Zwecke dem Gegner sogenannte „produktive Pfänder" zu überweisen oder dies letztere abzulehnen und damit auch Deutschland in ein dauerndes Siechtum zu versetzen, hat sich auch der neue Kanzler für den ersten Weg entschieden. Wie er ihn ausgestalten wird, darüber enthält seine Rede naturgemäß nur Andeutungen; sie ist ja überhaupt an vielen Stellen nur aufzufassen als ein Auftakt für die diplomatischen und gesetzgeberischen Vor schläge, die nunmehr kommen sollen. ES wird avzuwarten sein, wie die in Aussicht genommenen Maßnahmen im einzelnen auSsehen werden. In dem allgemeinen Sinn aber wird man dem Kanzler zusttmmen müssen, daß von unS aus Mittel und Wege gezeigt werden sollen, um daS Chaos zu beseitigen. Ob Frankreich in seiner Halsstarrigkeit und in seinem BernichtungSwillen überhaupt zu einem Etnlenken bereit sein wird, steht noch dahin. Wir dürfen uns aber vor unserer eigenen Nation und vor dem Urteil der Weltge schichte nicht dem Vorwurf aussetzen, daß wir nicht alles getan hätten, um im Rahmen des Möglichen und unter Aufrechterhaltung der vaterländischen Ehre Deutschland über den toten Punkt hinwegzubringen. Die Garantie des deutschen Gisenbahn- besttzeS und der gesamten deutschen Wirtschaft wird dem Gegner angeboten für den Fall, daß er nun endlich die Ruyrexpedttion auigtbt. Das deutsche Angebot ist von ungeheurer Tragweite, und es gibt sicherlich manchen guten und verständigen Deutschen, der eS als zn weit gehend empfindet. Aber wollen wir nicht wieder frei werden? Uno glaubt jemand im Ernst, daß wir ohne eine ganz große, entsagungsvolle Leistung die Eindringlinge aus dem Ruhrgebiet wieder los werden oder daß in absehbarer Zeit ein politisches Wunder geschieht, das den Abzug der Fran zosen aus freien Stücken und die Befreiung unserer jetzt lahmgelegten Ruhrwirtschaft herbetführt? Rur Phantasten und Katastrophenpolstirer «innen sich solchen Wahngebtl- den hingeben. Wer da will, daß jenes teure deutsche Ge biet wieder frei wird und daß wir wieder unsere voll« Wirtschaftskraft einsetzen können, um allmählich von den Ketten des Versailler Vertrages loszukommen und darüber hinaus unseren Platz im Wirtschaftsleben der Welt wieder etnzunehmen, der muß sich den Gedankengängen der Stresemannschen Politik nähern. Der Kanzler spricht von der wirtschaftlichen Ver bundenheit der Völker, die er anstrebt und die nach seiner Ueberzeugung eine bessere Ueberbrückung politischer Gegen sätze zu bringen vermöchte, als es politische Formeln tun können; und er hat den Mut, in diesem Zusammenhang auch von einer deutsch-französischen wirtschaft lichen Zusammenarbeit zu sprechen. Gewiß, dieser Gedanke ist kühn, denn kein Deutscher kann di« Greuel- taten der Franzosen im LinbruchSgebiet vergessen r in Jahrzehnten wird der hier gesäete Haß zwischen den Ra tionen nicht völlig überwunden werden können. Aber schon Bismarck vertrat di» Auffassung, daß Politik und nament lich Wirtschaftspolitik nicht allein mit dem Gefühl ge- macht werden darf, sondern daß di« wohlverstandenen In- teressen der Länder entscheiden müssen. Kann aber jemand daran zweifeln, daß Ruh« und Wiederaufbau in Europa auf die Dauer nur möglich sind, wenn swtschen den beiden großen kontinentalen Mächten Deutschland und Frankreich eine wirtschaftliche Berständtguug stattfindet, die noch be festigt «erden kann durch die militärischen Sicherheit«- garantier», die schon Luno Herrn Poineare vorgeschlagen hatte und die jetzt Stresemann wiederholt hat? ES ist sicher heutzutage bequemer, im Stile der „Kreuzzettung" und der „Deutschen Zeitung" jede Lösung der Reparations frage abzulehnen und sich für alle ewigen Zeiten auf den Standpunkt zu stellen: keinerlei Verhandlungen, keine Leistungen, keine Reparationen! Mit dieser Politik aber kommen wir nicht weiter, sie ist sentimental und ganz unfruchtbar. Praktisch und aktiv und gleichzeitig deutsch handelt nur, wer in unserer jetzigen verzweifelten Lage den Weg der Opfer, der schweren, mit zusammengebiffenen Zähnen geleisteten Opfer beschreitet und die neue Regierung in ihrem Bemühen unterstützt, Deutschland vor dem Ver fall zu retten. Um äas Ruhrgebiet. Eewaltmaßnahmea. Am 21. Juli haben die Franzosen in Töneshetde einen beladenen Bahnpostwagen „beschlagnahmt" und nach Neviges gebracht. Etwa 200 Postbeutel wurden aufgerissen und der Inhalt durcheinander geworfen. Sechs Beutel, sämtliche Pakete und «ine größere Menge Einschreibbriefe sind weggenommen worden; ferner haben sie in Vohwinkel zwei mit Postpaketen gefüllte Eisenbahngüterwagen von Frankfurt nach Köln—Deutz beschlagnahmt und vier für Wiesbaden bestimmte Postbeutel und 84 Einschreibbriefe weggenommen. In Dui«b'»r" wurden am 20. Juli von der Zensurstelle 20 Brie"' nahmten Zeitungen von einem-Wagen d- abgeholt und bei den Geschwistern Verl Altpapier abgeladen. Am 28. Juli ho Vohwinkel 20 Pakete für das englisch gleichen Tage die Belgier in Friedliches«' - schreibsendungrn mit Warentnhalt weggeno amen. Ar.» und 18. Juli haben die Franzosen sechs Kraftwagen P paket, sowie einen Kraftwagen mit Kisten für das Telegraph zeugamt aus der Ortspackkammer und aus der Durchgang packkammer zum Güterbahnhof Düsseldorf—Derendorf abg. fahren. Am 8- August nahmen di« Franzosen in Essen auf dem Wege vom Postamt nach dem Postscheckamt 827741500M!- weg. Nach einer Meldung aus Aachen haben die Belgier in dem gesamten von ihnen besetzten Gebiet „Requisitionen" von Ist Sparen wieSer möglich! Arkchar Sir wertbestänSlge Mletho -es deutsche» Reiches. Zeichnungen können bet der Reichsbank und bei den im Prospekt angegebenen Stellen sowie bei diesen durch Vermittlung sämtlicher Banken, Bankiers, Spar kassen und Kreditgenossenschaften bewirkt werden. iassenboten 15 Milliarden Lünen haben die Franzosen In Weddon besetzten-die rkstätte und übertrugen die der sich mit 15 Eisenbahn französischen Vorschriften zu ! stern groß« Truppenmassen, gesetzt, nach Lütringhausen Markbeträgen vorgenommen, bet denen ihnen in den verschie denen Filialen der Retchsbank 880 Milliarden in di« Hände fielen. Sn Bochum nahmen die Fra izosen einem auf dem Wege nach dem Rathaus befindlichen weg. Auf der Station Kreisen bei eine Paßkontrolle eingerichtet. Franzosen «in« Eisenbahnhauptwe Leitung dem Obertngenteur Nies beamten bereit erklärt hatte, nach arbeiten. Von Dortmund sind g vor allem Kavallerie, in Marsch Truppen au» Herbede verlegt wordkn. Aus Düsseldorf wurden gegen End« August 81 Lisenbahnb, »tenstet« mit ihren Familien «»»gewiesen. Al» Restsumm« der au» An! »ß der Hochfelder Explosion über di« Stadt verhängten KoNributton hat die belgisch« v«satzung»d«hvrd, heute, wie di« v Hetnisch-Westsältsche Zeitung meldet, bet der R«tch»bank in Du »bürg 50 Milliarden weg genommen. El» »euer schwere» Uebe griff R fsialaa-skvaimWsa. K» b«n «isst»«, widerst nd zu breche« .. . Rach Kn« Hava»m«ldung au» . Koblenz d«schloß di« Rh«tnland»rommtsston in de» Absicht, di« Organisation de» widerstand,» durch di« deutsch« Verwaltung im besetzten Gebiet zu brechen, folgend, Ordonnanz herauozugeben: ß 1. Vst Delepierstn der ? heinlandkommiffton in den einzelnen Bezirken können von jedem Dokument Kenntni» nehmen oder nehmen lassen, da» für deutsche Verwaltungen, die innerhalb ihres Bezirks bestehen, bestimmt ist, wenn genü gend Grund zu der Vermutung vorliegt, daß diese Verwaltungen eine Tätigkeit ausüben, die sich gegen die Befehle der Rhein- landkommtssion oder gegen die Interessen der Besatzungsarme« richtet. Die Delegierten haben die Befugnis, zu diesem Zweck den deutschen Verwaltungen di« notwendigen Informationen zu erteilen. 8 2. Jeder Ober- oder Unterbeamte oder Agent, der sich weigert, den nach Art. 1 gegebenen Instruktionen zu ge horchen oder der Verzeichnisse und Dokumente, deren Mitteilung gefordert wird, verheimlicht oder zu verheimlichen versucht, setzt sich den Strafen aus, die für Vergehen gegen die Or donnanzen der Rheinlandkommission festgesetzt sind. 8 8. Wenn infolge Abberufung, Ausweisung oder adge- lehnter Genehmigung der Ernennung eines Beamten ein Posten in einer deutschen Verwaltungsstelle frei wird, kann die Rheinlandkommission auf Vorschlag ihrer Delegierten, wenn es scheint, daß das Weiterbestehen einer Vakanz den Bedürf nissen und dem Unterhalt der Armee entgegensteht, und daß die fragliche Vakanz nicht dadurch ausgefüllt werden kann, daß sie einen in der fraglichen Verwaltung bereits beschäftigten Beamten dazu beruft, selbst die Ernennung für «inen steten Posten Vorschlägen. Zu einem solchen Vorg-Hen fehlt der Kommission jede *«>, Sie hat nach dem Rheinlandabkommen nte der deutschen Zivilverwaltung abzu- -'der nicht das Recht, Beamt« vielmehr der deutschen Regie- andkommtssion sich jetzt eifrig erwaltungsstellen mit ihren den ganzen Verwaltung»- ,'Ische Leitung zu bringen. -iß noch nicht, ob es unter folgt ist — ist der schärfst« fronten Rechtsbrüche ein« M zwischen Deutschland und der Entente sind, braucht garnicht erst gesagt zu werden. poincares Erwiderung auf Strefemanns Rede. Der „Matin' erklärt, daß Poineare demnächst auf die letzte Rede des Reichskanzlers antworten und insbesondere die Bedingungen erörtern werd«, unter denen ein« wirtschaftliche Vereinbarung zwischen Frankreich und Deutsch land möglich wäre. Es ist nicht notwendig, di« Erklärungen de» französischen Ministerpräsidenten abzuwarten, weil er in Mitteilungen, die er bereits den Vertretern der in englischer Sprache in Part» erscheinenden Zeitungen abgab, seine Absichten in der ein wandfreiesten Weise klarlegte. Der „New Bork Herald", die „Daily Mail" und die „Chicago Tribuns" sind in der Lage, Aeußerungen des bevollmächtigten Sprechers der französische» Negierung, also Poincares, zu veröffentlichen, in denen es heißt, daß Polnrar« Kn wirtschaftlich«, vündnk, mit Deutschland »l» unvermeidlich und unumgänglich notwendig betrachtet, da di« Industrien de» beiden Lände» sich ergänzen. Daß eine wirtschaftliche Allianz allmählich zu einem politischen Einvernehmen führen könnte, wird als möglich erachtet, fall» Deutschland den französischen Standpunkt anerkenne, daß der passive Widerstand im Ruhrgebiet aufzuhören habe, damit die Reparationszahlungen erfüllt werden könnten. Von einer Räumung de» Ruhrgebietes vor der vollständigen Bezahlung der Reparationen will Poineare nicht« wissen. Er erklärt aber feierlich, daß er nicht beabsichtige, deutsche» Gebiet zu annektieren. Di« R«ich»kanzlerred« wird in Paris als erster Schritt einer Annäherung betrachtet, und man hofft, daß der Reichs kanzler nunmehr nicht zögem werde, den passiven Widerstand einstellen zu lassen. Poineare ist nicht bereit, irgendwelche Be sprechungen mit deutschen Industriellen wegen der Reparationszahlungen zu führen. Er erinnert« in seine» Ausführungen vor den englisch-amerikantschen Pressevertretern daran, daß bereits de, verstorbene Botschafter Dr. Mayer vor de» Ruhrbesetzung ihn gebeten hab«, deutsch« Industriell«, unter anderen Stinne», zu empfangen, damit über ein Eisen* und Kohlenabkommen verhandelt werde. Ein solche» Ab* kommen hält Poincar« durchaus für möglich. Aber zunächst einmal müsse da» Reparation-Problem in seiner Gesamtheit gelöst werden und dann könnten privat« Besprechungen «egen einer industriellen Zusammenarbeit stattfinden. Xriegsvorbereltungeu. Zleberhaste Tütlgkelt la Rom. Der „Lorriere della Sera" meldet au» Rom: Da» Kabinett hat di« an Griechenland mttgeteilten Forderungen al» Mindestbedingungrn Italien» für die Verhandlungen i« Völkerbund« angenommen. Di« Kabtv«tt»sitzung«n dauerten den ganzen Lag über ununterbrochen fort. Da» Kabinett beschloß fern«, infolge d« Unruhen auf Korfu die verhängung de» Belagerungszustand«» über Korf».