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uer Tageblatt »r. IS2 lS. Jahrgang Dienstag, äen s. Juli 1923 Um««,»» 1»— «»«, u»e »««, «WtUch« M, ««ck, MN««»»UU»IU»M, «ml. - «U «BI«» N»W«Ift» DMß^DGHDMADG AWAßM, r-Ks»*»M«» Eachalißkö -W amtlich« S»»amu«achrms«» D« Not« ö« «atzt uatz tze» Mmtagarlcht» /dm. «»A, m. ,m» Anzeiger für öas Erzgebirge PoincarSs Geäulä — Lnglancls Ungeckulä. «» naht nunmehr der Moment, ,wo sich auch die langmütigst« Regierung in England sagen must datz ein weitere» Hinhalten durch Poineare nur auf.Kosten de» englischen Unsehen» in der Welt geschehen kann. Seit Machen wartet man in England auf Beantwortuna jener Tragen, die da- Londoner Kabinett auf.einem Fragebogen dem Pariser Auswärtigen Amt übersandt hat. Potneare verstand e» bisher noch immer, den bri tischen Botschafter mit unverbindlichen Redensarten ab. zufpeisen. Schließlich benutzte der große Pariser Win. keladvokat auch die belgische Ministerkrise zum billigen Borwand, .seine Antwort immer wieder hinauszuzögern. Schließlich erklärte die offiziöse Pariser Presse in ge radezu höhnischer und herausfordernder Weise, daß Potneare überhaupt nicht die Absicht hab«, den Englän dern etwas „Schriftliches" in die Hand zu geben. Eine solche Sprach« kann nur als bewußte Beleidigung auf gefaßt werden. In England hat man sich viel bieten lassen, aber man sieht ein, daß man sich schließlich nicht alles bieten lassen kann. Man wird gewiß die erregte Sprache, die die eng lische Presse am Sonntag angeschlagen hat, nicht über schätzen dürfen. Bisher jedenfalls hat England noch niemals seine Drohungen verwirklicht. Tas muß.man, festhalten, wenn letzt mehrere Blätter, wie der ,Mser- ver" und der „Daily Telegraph" der englischen Regie rung die Absicht einer selbständigen Reparationsvolitik zuschreiben, fall» Frankreich Heine schriftliche Antwort auf den schriftlich formulierten englischen Fragebogen erteilen sollte. Man muß zugeben, daß. England inen kräftigen Trumpf gnkllndigt, .sofern die genannten blät ter die Absichten der englischen Regierung zutreffend widerspiegeln. Danach will die englische Regierung das Weilerverhandeln mit Paris im Falle einer Verweige rung per schriftlichen Beantwortung peS englischen Fra gebogen» einstellen, ihren Standpunkt in der Repara- tionSsrage klar bezeichnen und dann versuchen, für die. sen Standpunkt Amerika, Italien und die Neutralen zu gewinnen. Damit wäre in der Tat die Isolierung Frankreichs faktisch geworden, .und Potneare könnte einen beispiellosen Mißerfolg .verbuchen. Tür uns läge natürlich keinerlei Vorteil in einem solchen Ausgang, denn Potneare würde zunächst nur seine Wut nmfo stärker an Deutschland sich! austoben lassen. Tür die Zukunft könnte natürlich aus de; völligen Isolie rung Trankreichs für Deutschland einmal ein Vorteil herausschauen, aber wir tun gut. unsere Politik zunächst einmal für die Gegenwart einzurichten. Zunächst .ist einmal abzuwarten, wie Frankreich auf.die englischen! Drohungen reagiert. In Paris ist Man in letzter Zeit außerordentlich nervös geworden.. Vorläufig möchte man in Parts die englische Regierung Peranlassen, von der Enthüllung des „Observer" über die Unterstüt zung pes Agenten Torten durch Tirard abzurücken. Liese Enthüllungen wurden in Pari» umso peinlicher empfunden, al» sie zeitlich! mit demj Besuch« Dir. Dor^ cenS.zusammentrafen. Damit war der stärkste Wahr- ,'cheinltchkeitsbeweis für die Richtigkeit der englischen Angaben geführt.. Gleichzeitig kündigt sich auf.franzö sischer .Seite ziemlich deutlich das Bestreben an, die eng lisch-französische Aussprache nicht auf. die Repara- rionssrage zu begrenzen. Ta sind zunächst die zahlrei- s chen OrientfI.aA.eN, ferner der alte Streit um Lan.' ger, und schließlich! besteht zwischen Frankreich und Eng land immer noch die Saar.f'rage und die Möglichkeit ihrer Aufrollung por dem Völkerbund. Getreu seiner bisherigen Haltung möchte Frankreich recht viele Eisen' ins Feuer legen, um dann auf dem bewährten Wege des, Kuhhandels England in allen den Fragen, die Deutsch land angehen, möglichst auf seine Seit« zu ziehen. Aber dev Zeitpunkt Mr diese neue Form der Verschleppung ist herzlich schlecht gewählt. In London wird man sich doch schließlich sagen müssen» daß eine allgemeine Aus sprache über all« möglichen und unmöglichen Fragen nicht von der konkreten Tatsache abzulenken vermag datz.England Anspruch auf eine klar« Beantwortung seine» .Fragebogen» Hat. Gibt hier da» Kabinett Bald win nach, .dann hat e» in Wahrheit Poineare nicht den kleinen Singer, sondern die ganze Hand gegeben. Auch VeUtfchland gegeüüber Hat England be stimmte Wünsche kundgegeben. Lite letzten englischen Pressestimmen beschäftigen sich! mit den Attentaten im neubesetzten Gebiet«. VS jmutz ausdrücklich festgestellt werden daß die bisherige» Untersuchungen keinen Be weis oder aüch nur Anhaltspunkt dafür ergeben haben daß Pa» Duisburger Brückenattentat auf den belgischen Urlauberzug von Deutschen verübt wordey ist. E» wär« LarM richtiger gewesen, wenn man auf. englischer Teste bis zur Aufhellung de» Tatbestandes mit «ten Ratschlägen gewartet hätte. Auf der anderen Zeit« aber kann grundsätzlich da» akzeptiert worden, wa» die engli- sch« Press« über die Attentate schreibt. Sie haben sich seit der Ermordung Schlagoter» vermehrt. Nach! der englischen Auffassung sollte dieser Umstand Potneare zum Nachdenken Anlaß geben. Li« englisch« Presse weist aber zugleich auch darauf Hin, datz Englands Bemühen Belgien auf . seine Seit« zu ziehen, durch Attentate erschwert wird. Li« belgische Politik gleitet dadurch wieder in die Hände der Militärs. Deutschland» Waffe ist der passive Widerstand, und alle Attentate verhelfen augenblicklich nur Potneare zu einer Bundesgenossen- schast die bereits im Zustande der Abschwächung sich be fand. Tas sollten alle verantwortungsbewußten Deut schen bedenke». Baldwin und Poineare zu einer persönlichen Aussprache zu« sammentreffen. dl« Auffassung -er englischen amtttch« Kresse. Erneut« Drohung «tt einer Sonderattiou. Zn den von Reuter bereits kürz telegraphisch gemel- deten Ausführungen de» diplomatischen Korresponden ten des „Observer" heißt es, die Auffassung in den eng lischen amtlichen Kreisen gehe dahin, daß eine mündliche Antwort auf die englisch« Fragsliste nicht angenommen sondern auf einer schriftlichen Antwort.bestanden werde. Lord Crewe habe bei seiner Zusammenkunft mit Poineare in der letzten Woche die üblich« diplomatische Höflichkeit aufgegeben und eine Antwort ohne wetteren Aufschub verlangt. Die vor 14 Tagen Frankreich vvr- PoincarLs Programm. Das Mindestprogramm PoincyreS für die bevorstehenden Auseinandersetzungen mit England in der Rrparattonsfrage soll folgende Forderungen umfassen: 1. Aufgabe des passiven Widerstandes unter Zurücknahme aller von den deutschen Behörden erlassenen Verordnungen. Einstellung der Geldunterstützungen. 2. Vollständige Aufnahme de; Arbeit auf allen Gebieten. 3. Inbetriebnahme sämtlicher Eisenbahnen unter Aner kennung der französisch-belgischen Regie. 4. Wiederaufnahme der Kohlen- und Sachlieferungen. 5. Rückkehr des Kohlensyndikates und dessen Zusammen arbeit mit den französischen und belgischen Ingenieuren. 6. Amnestie für sämtliche deutsche Staatsangehörige, die mit den Alliierten in Verbindung gestanden haben. 7. Neue Garantien. Für die Erfüllung dieser Bedingungen würde die fran zösische Regierung folgende „Zugeständnisse" machen: 1. Verringerung her Besatzung auf eine Kopfzahl von etwa 46 000 Mann. 2. Die Truppen würden außerhalb der Großstädte Quar tier beziehen. 8. Die Räumung des Ruhrgebiets würde im Verhältnis zu den erfolgten deutschen Zahlungen von statten gehen. 4. Me Höhe der deutschen Reparationsschuld würde auf 50 Milliarden Goldnark festgesetzt unter der Voraussetzung, daß eine Annullierung der alliierten Schulden erfolge. 5. Eine allgemeine französische Amnestie für die verhafte ten und bestraften deutschen Staatsangehörigen, sowie eine restlose Rückkehr der AuSgewiesenen könne nicht erfolgen, son dern es würde nur eine gewisse Anzahl der Gemaßregelten amnestiert werden und zwar nach genauer Untersuchung jedes einzelnen Falles. Hoffaungen u«S Sefikchtungeu. In der Angelegenheit des englischen Fragebogens wird der französische Botschafter in London vorsprechen. Indessen ist eZ noch nicht gewiß, ob er Gelegenheit erhalten wird, seinen Instruktionen entsprechend die französische Antwort zu über mitteln oder ob die englische Regierung aüf eine sofortige schriftliche Antwort bestehen wird. Poineare legt großen Wert auf eine mündliche Darlegung der französischen Ansicht, da e ihm daran gelegen ist, die endgültige Regelung möglichst i hinauszuschieben. Die Pariser Morgenblätter machen darauf aufmerksam, daß gleichzeitig mit den Ruhrfragen andere große Probleme zwischen Frankreich und England schweben- Sie bedauern, daß Frankreich sich darauf eingelassen habe, gerade in diesem. Augenblick die Tangerfrage zu erörtern, weil England sich dieser Frage bedienen könne, um einen Druck auf Frankreich auszuüben. Die Blätter machen ferner darauf aufmerksam, daß Frank reich ein entschiedenes Vorgehen in Lausanne angeregt habe, daß aber die englische Delegation immer noch auf entsprechende Informationen warte. Nebenbei wird auch die Aufrollung der Saarfrage im Völkerbund erwartet. Allerdings mit dem Zusatz, daß diese Angelegenheit Wohl sicher behoben werden Mrd. Die Ausführungen der französischen Presse gipfeln in der Versicherung, daß durch Drohungen noch niemals etwas von Frankreich zu erlangen! war und daß auch England fetzt damit nichts erreichen werde. Der Höhepunkt der Krise kn den französisch-arMchen Beziehungen. „Time»" schreibt: Mr haben den schwierigsten Augen blick in den französtsch-englischen Beziehungen erreicht. Da- von, was diese Woche geschieht, kann die künftige Freundschaft zwischen beiden Ländern abhängen. ES ist zwecklos und ge fährlich, sich in Prophezeiungen zu ergehen, welche Wege Frankreich oder Großbritannien in dem einen oder anderen Falle cinschlagen werden. Frankreich ist der Auffassung, daß e« sejne Haltung nicht vollständig ändern kann, ohne sich zu demütigen. Die „Daily Mail" ermahnt in einem Leitartikel Frankreich und England dringend, einen Bruch zu vermeiden. Wan stehe vielleicht an einem Wendepunkt in der Ge schichte Großbritanniens. Wenn Frankreich und England in Streit miteinander kämen, wen« sich auch nur «ine ernste Differenz zwischen ihnen ergebe, dann würde ein neuer Rüstungswettbewerb einsetzen und England und Frankreich würden, wenn sie sich veruneinigt hätten, beide «inen Angriff feiten» Deutschlands ourqeietzt sein. Dos Blatt verlangt, daß gelegten Fragen stellten ein wohlüberlegtes Schreiben der englischen Regierung, -ar. Man Habe klar und deut lich gefragt was Frankreich unter Einstellung des passt, ven "Widerstandes verstehe welche Maßnahmen Krank, reW befriedigen würden, .und in welcher Weise die trän- zösisch« Politik sich ändern würde, wenn solche Maß- nahmen ergriffen werden würden. Die englisch« Regie!' rungj.sei entschlossen, .keines Zusammenkunft Baldwins mit Poineare z u z u st i !m W e n,. bevor nicht eine schriftlich e Antwort erfolgt sei. Wenn die fran zösische Regierung eine .schriftliche Antwort endgültig ablehne, so sei zuLrwarten, daß die englische Regie, rung in den nächsten Tagen wichtige Schritt« unter nehmen werde. Wahrscheinlich, werde eine öffentlich« Erklärung der Regierung erfolgen, wahrscheinlich auch eine Veröffentlichung der Frageliste. Dann werde Höchst wahrscheinlich erklärt werden, .daß.nach Ansicht der eng lischen Regierung-ie gegenwärtige Politik Frankreich» direkt zum Rui» Europas führen müsse. Do» letzte deutsche Reparationsangebot vom 7. Juni 1923 sei noch nicht beantwortet worden. Die englische Regierung sei entschlossen zu antworten und Verhandlungen mit Deutschland zu beginnen. Wenn Frankreich «S ablehne an den Verhandlungen tellzunehmen, so werde der «nv- lischen Regierung nichts anderes Übrig, bleiben, al» «in« ««abhängige Aktion zu unternehmen, lieber die Folgen eine» solch«« Schrit tes sei man sich Vollkommen klar. Aber Pie fetzige Lage habe gezeigt daH eine unbegrenzte FortsOung deS jet zigen Zustandes mehr Schaden als Nutzen stift«. Die englische Regierung.sei entschlossen, binnen einer Wv^ che eine Entscheidung mit Frankreich herbeizuführen. Wenn infolge von Frankreichs Weigerung, schriftlich zu antworten, die englisch« Regierung genötigt sein würde vor der Welt eine Erklärung über ihre Politik abzugeben und eine unabhängige Aktion zu unternehmen, dann würden wahrscheinlich neue Methoden bei der. Regelung der Reparationen zur Anwendung gebracht werden. Man habe bisher übersehen, daß die neutralen Länder mit ihren vitalen Interessen von einem durch die gegen wärtige Politik Frankreichs hervorgerufenen wirtschaft lichen Chaos ebenso berührt würden, wie Großbritan nien, Italien und Belgien. Daraus ergebe sich, die Mög lichkeit daß «ine Konferenz neutraler Staaten einbe rufen werden könne, entweder gesondert oder mit Teil nahme Englands, Italiens und solcher Alliierter, .die sich daran betelligen wollten, um eine Regelung mit Deutschland, abgesondert von Frankreich!, zu erzielen. Selbstverständlich werde dieser Schritt nur unternom men werden, wenn die französische Regierung jhn int Lause dieser Woche unbedingt nötig mrach«. Skeptizismus des „Obseroer". Zur politischen Lage schreibt „Observer": Höflichkeit und Vernunft erfordern jetzt, wo die belgische Krisis, betgelegt ist, eine schriftliche Antwort auf die britische Frage. Wenn die französische oder die belgische Antwort irgend eine Aussicht auf nützliche Fortsetzung der Verhandlungen bietet, wird sie selbstverständlich benutzt werden. Nach der letzten Rede PoincareS kann man allerdings nicht besonders hoffnungsvoll sein. Wir können nicht zugcben, daß Frankreich oder irgend eine andere Macht das Recht hat, bet der Ausführung eine» BertrageS, den Frankreich weder allein ermöglicht noch allein unterzeichnet hat, seine eigenen Bedingungen aufzuerlegen. Ebensowenig wollen wir unsere Zustimmung Eilen zu aben teuerlichen Unternehmungen Frankreichs in Deutschland, die über die in dem erwähnten Vertrag gezogenen Grenzen hinausgehen. der Vatikan bleibt fest. Au» Kreisen de» Vatikan» wird erklärt, Haß der Pariser Presselärm über den Brief de» Papste» nicht dM gerinasten Eindruck auf hi« Eurt« mache. Heilige Stuhl werde keinerlei französisch- belgijchenHruck dulden. La» Gerücht« datz Jonnart im Namen Frankreich» formell Protest erhoben had«j Hei . unrichtig, klebrigen» sei man auf Jonnart wegen do» Plötzlichen Magen» seine» Empfanges wozu datz 1 stinke Kardinalkollegium geladen war, sehr ungehävi