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Mer Tageblatt MW Anzeiger für das Erzgebirge WWW L«!»oramm,, ra-«dlatt ftu»,»,Enthaltend die amtlichen aekanntmochnngen deO Kate» dee Stadt und de» Kmt»gericht» Kne» p»stfch»<k-a»ni»> ftmt Leipzia Nr. 1«-» Nr. 3S Mittwoch, cken 14. Februar 1S23 IS. Jahrgang WucherbekSmpsung. Bel der Beratung de» Notgesetzes im Reichstag am vergangenen Montag hat der rheinische sozialistische Abg. SollMann erklärt, die Sozialdemokratie wolle au» diesem Notgesetz ein Kampsgesetz gegen alle diejenigen Machen« die aus gemeiner Habsucht die Widerstandskraft de» deutschen Volke» schwächen. Ter Sitzungsbericht ver zeichnet zwar zu diesen Worten nur ein „Sehr richtig links". Man darf aber ruhig qnnehmen, datz sie den Beifall des ganzen Hauses hatten und daß alle Parteien e» al» eine heilige vaterländische Aufgabe betrachten, ihre ganze Kraft gegen die Hauptschäden dieser Tage, den Wucher und die Preistreiberei, etnzusetzen Tenn alle noch so heroischen Opfer der Ruhrbevölkerung und alle Opfer, die noch von dem unbesetzten Deutschland gefordert werden, müssen vergeblich bleiben, wenn der Widerstand von Habsucht und Profitgier unterwühlt wird, wenn e» nicht gelingt, diesen Verbrechern das schmutzige Handwerk zu legen, ES muß alles versucht werden, das Volk vor diesen Schändern des deutschen NaMenS zu schützen. So schwach ist denn auch der Staat nicht, daß er tatenlos 'Zusehen müßte, wie gewissenlose Gesellen sich an der allgemeinen Not bereichern, aber freilich ist er auch nicht so allmächtig, oaß er von sich, aus allein all diese Schändlich ketten verhindern könn te. Gr kann nicht in die Kontore der Produzenten, der Großhändler, kann nicht hinter jeden Zwischenhändler und jede Bäuerin, kann nicht in den, Laden jedes Klein händlers einen Schutzmann stellen. Tos Notgesetz sieht nicht nur Freiheitsstrafen von drei Monaten und mchr und Geldstrafen von hundert tausend Mark und mehr vor. sondern ordnet daneben auch stets die öfsentl.che Bekanntmachung der Verurteilung durch eine Tageszeitung sowie den öffent lichen Anschlag auf Kosten der Verurteilten an. Und zwar erfolgt dieser öffentliche Anschlag nicht nur an den Anschlagsäulen, Gemeindetafeln usw., sondern in erster Linie an und in dem Geschäftsraum des Schuldigen selbst. Er muß also seine eigene Schande an seiner Ladcntüre, in seinem Schaufenster und in seinen eige nen Geschäftsräumen verkünden, und jeder Käufer wird auf diese Weise erfahren, mit wem er e» zu tun hat. Daß mit dieser Gesetzesbestimmung nicht gespaßt wird, dafür liegen schon Beweise vor, Zn der Reichs hauptstadt wurden am gestrigen Dienstag wegen Preis treiberei und ähnlicher Delikte die Namen von 35 Kauf leuten und Händlern und wegen Zurückhaltung von Wa ren ijm Werte von vielen Millionen, die zudem noch, ibe- schiao.nahmt worden sind, die Namen von weiteren 14 Händlern veröffentlicht. Wenn in diesem Tempo er barmungslos fortgesahren wird, dann wird man sich da von eine recht heilsame Wirkung versprechen dürfen. Eine solche rasche Wirkung ist auch umso notwendi ger, als die Regierung noch ein weiteres Mittel ergrif fen Hat. E» ist kein Zweifel, daß die Markbesferung um fast Hundert Prozent in vierzehn Tagen aus Inter ventionen der Reichsbank zurückzusühren ist, die große Tevisenbeträge auf den Markt geworfen hat. Ta die Preis« mit jedem Sprung« des Lollars in die Höhe gin gen. so ist es also höchste Zeit, daß sie jetzt ebenso rasch wieder sinken. Lazu kann und muß die Bevölkerung aber das Ihrige beitragen. Jede Preistreiberei, jeden Wucher, jede Zurückhaltung von Waren muß unnachsich tig zur Anzeige gebracht werden. Tann wird es rasch anders und besser werden. Der Staat ist stark und mäch tig, wenn seine Bürger und Bürgerinnen, es nur wollen. Die französische Gewaltherrschaft. Wefel un- Emmerich. Dw ves«t«nd von Emmerich und Wesel ist gestern früh von belgischen Lruppen durchgeführt worden. Für di« Besetzung wird al» Grund die Kontrolle der au» Holland kommenden Kähne angegeben. Di« deutschen Zollbeamten sollen zurückgezogen «erden. Die Straß« von Emmerich nach de« Rhein ist voll von belgischen Kolonnen. Lite in der Frühe de» Dien-tag» vollzogene Besetzung von Wesel und Emmerich durch belgisch« Truppen be deutet «ine Ausdehnung der Gewalt, gegen die von deut scher Sette sofort mit schärfstem Protest und mit der Ab lehnung einer offiziellen Kenntnisnahme diese» neuen Streiche» geantwortet worden ist. Dieser Widerstand än dert selbstverständlich nicht» an der Tatsache, daß durch die Ausdehnung de» neuen Besetzung »gebiete» der Druck de« franMsch-belgMen Okkupation verschärft wird Sie begnügt sich auch keineswegs mit der Ausweitung ihrer Macht, sondern sucht auch durch weitere Anspannung ihrer Verwaltungsmaßnahmen den deutschen Widerstand zu -erbrechen. Ter stanz östsch« General Wepgand Hckt die diktatorisch« Obergewalt über da» Ruhrgebiet erbat- ten, wa» darauf schließen läßt, daß di« vttupation von Wesel und Emmerich ebenfalls aus französisch« Anord nung geschehen ist, der sich die Belgier auch Hier gefü, gig gezeigt haben. Die Erkenntnis der Unfähigkeit auch mit einem auf dies« Weis« militärisch und technisch! ge steigertem Druck etwa» durchzusetzen, Hat inzwischen die französische Politik zu merkwürdigen Schritten geführt) die sehr offene Zugeständnisse ihrer Ohnmacht gegenüber dem deutschen Abwehrwillen bedeuten. Dazu gehört das Ansuchen an die englische BesatzungSbehürde, Kohlen züge durch da» ihr unterstellte Gebiet fahren zu dürfen, das nach einer Pariser Meldung von den Engländern abschlägig beschieden worden ist, und dazu gehört vor allem das ganz besonder» auffällige Ansinnen an Hol land, gegen die Lieferung von Kohlen die holländische Bahnstrecke über Mastricht und Löwen nach Brüssel für die französischen Transporte aus dem Ruhrgebiet zur Verfügung zu stellen. Auch Hier ist die Ablehnung mit Bestimmtheit vorauszusehen, nnd die Erkenntnis der Unmöglichkeit aus eigener Kraft die Ruhrkohle abzu transportieren, mutz schon sehr deprimierend auf die französischen Gewalthaber gewirkt haben, wenn sie sich trotz dieser Voraussicht, zu solchen Schritten entschließen konnten. Militärisch und wirtschaftlich bringt ihnen auch die fünfte Woche der Zwangsherrschaft über das Ruhr gebiet und des verschärften Druckes im altbesetzten Ge biet nicht bescheidensten Fortschritt, und die mora lische Wirkung, die sie durch ihre Aussperrung deutscher Minister und durch die unverblümte Drohung gegen den Reichspräsidenten zu erzielen hoffte, ist schnell in ihr Gegenteil umgeschlagen und wird auch gegenüber dem Ausland einen für Fransteich nicht gerade vorteilhaften Eindruck machen. Letzten Endes weiß man sich in Pa ris nicht anders zu Helfen, als damit, daß man immer neue Truppen gegen Rhein und Rühr in Bewegung setzt. Man steigert auf diese Weise zwar die Bedrückung der deutschen Bevölkerung, nicht minder aber dis Kosten des Unternehmens, denen jemals auch, nur der bescheidenste Ertrag gsgenüberstehen wird. Darmstadt gefährdet. Nach „Echo de Paris» ist auch die Besetzung Darm stadts möglich, um die vollkommene Zollüberwachung an den Grenzen des besetzten Gebietes durchführen zu können. Morütaten -er Franzosen. Der in Ausübung seines Dienstes am Montag von französischen Soldaten schwer verletzte Oberwachtmeister der Schupo Hutmacher ist seinen Verletzungen erlegen. In Recklinghausen wurde einem Gemüsehändler durch einen Kolbenschlag der Schädel ausgeschlagen, so datz der Tod sofort «intrat. Die Leiche wurde in die Engelburg geschafft und ist bisher noch nicht fretgegeben worden. In Buer wurde der Polizeibetriebsasststent Schneider durch einen Gewehrschutz in den rechten Oberschenkel schwer verwundet. Von den Franzosen sind die Bahnhöfe Wanne, Herne und Recklinghausen-Süd geräumt worden. Der Betrieb ist vom deutschen Personal wieder ausgenommen worden. Dle Franzosen liehen sich hierbei wieder zu Gewalttaten hin reihen. Ein Zugführer aus Witten wurde durch einen Kol benhieb so schwer verletzt, datz er bald danach verstarb. Ein Postaushelfer, der nach Ansicht der Franzosen den Postwagen nicht rasch genug verlieh, erhielt einen Lungenstich. In Bischofsheim schlossen die Franzosen den Oberbahn meister Bückert, einen der tüchtigsten Beamten, drei Tage lang in seiner Wohnung ein und hielten ihn hier unter strenger militärischer Bewachung fest- Am Sonntag früh ist der wackere Mann infolge der seelischen Aufregung an einem Herzschlag gestorben. Wie mttgetetlt wird, werden in Essen Zivilisten auf der Strotze von französischen Offizieren blindlings mit der Reit peitsche bearbeitet. So sind bet einer Polizeiwache an einem Tage allein 22 Anzeigen über Mihhandlungen deutscher Zivilisten etngegangen. Bajonettangriff auf Schüler. Am 9. Februar, nachmittags gegen 3 Uhr, nach Schie bung der Oberrealschule waren etwa 20 Schüler mit bunten Mühen auf dem Helmwege lm Gespräch über die bevorstehende Prüfung, al» ein Offizier in Begleitung einer Kolonne sich den Schülern nähert«. Auf ein Zeichen de» Offiziers fiel dle Kolonne über die wehrlosen Schüler her, trieben sie mit Kol- benftöhen, Bajonetten und Reitpeitschen auseinander und ver- folgten st«. Nach kurzer Zett wälzten sich auch mehrer, in ihrem Blut« am Boden, di« übrigen retteten sich mit blut überströmtem Gesicht in die Häuser. Bisher wurden drei Schwerverletzte festgestellt, darunter einer mit einer leben,ge- fährlichen Stichwunde. Di« genau« Unzahl d«r Leichtverletzten ließ sich nicht feststellen, da di« Schüler noch nicht wieder zu- sammengekommen sind. Unerhörtes Verhalten -er Zranzofea ln Eelfenkirchen. Arn Dienstag vormittag S.SÜ Uhr -»fett« «irr gjro- ße» französisch«» Truppenausgebot mtt Kavallerie and Infanterie di« Stadt Gelsenkirchen. Vttin den ein, zelnen Stadtteilen liegenden Schupo-Abteilungen Mun den au» ihren Unterkünften hervorgeholt und uncher starker Bewachung geschlossen abgeführt. Dabei kam e» SU entsetzlichen Mißhandlungen der Schupobeamten durch da» französische Militär, das mit Kolben und Bajonet ten aus di« entwaffneten und wehrlosen Beamten los schlug. Mit teilweise blutüberströmten Gesichtern und unter fortwährenden neuen Kolbenstützen wurden di« Beamten über die Straße geführt. Ter Bevölkerung be mächtigte sich eine ungeheure Erregung. Um 11 UHr besetzten die Franzosen da» Polizeiprä sidium und verhafteten den Polizeipräsidenten. Auch das Rathaus und das Hauptpostamt wurden besetzt. Der Post« und Telegraphendirektor. den die Franzosen ver haftet hatten, wurde später wieder sreigelassen. Augen blicklich sind die Franzosen dabei, an allen Straßenecken Posten und Panzerautos aufzustellen. Alle Automobil«, Laststastwagen und Personenwagen werde,: beschlag nahmt. Die Bevölkerung, die in dichten Scharen die Stadt durchzieht, sieht dem militärischen Schauspiel mit verbissener Empörung zu. Inzwischen wurden auch d?r Oberbürgermeister v. Wendelstädt und dec Bürgermeister Antoni verhaftet. Das Personal der Oberbürgermeisters ist in einen Abwehrsrretk eingetreten. Di« Franzosen rauben Geschäfte an». Nach einer Meldung -es B. T. au» Gelsenkirchen nehmen dort die Franzosen nach dem Inkrafttreten drr VerkaufSfperre aus den Läden was ihnen beliebt. Gestern erschien ein französischer Zivilist in einer Buchhandlung und hotte, als er von dem Verkäufer abgewiesen wurde, sofort einige Soldaten zur Unterstützung herbei. Lar» auk nahm der Franzose eine Reihe von Bücher,: aus den Beständen heraus, warf 2000 Mark auf den Tisch und verschwand. Der Mert der entwendeten Bücher beläuft sich auf 30 000 Mark. In einem Delikatessengeschäft nah men französische Soldaten die verschiedensten Waren fort, ohne auch nur einen Pfennig zu bezahlen. Erlaubnis zum plün-errr. Tie Bot-kottbewegung gegen di« Franzosen Um Essen führte zu gefährlichen Zwischenfällen. In Liner Ansatz! von Straßen, wo die Geschäftsinhaber den Verkauf an Franzosen verweigert Hatten, kehrten diese nrit stärkens Patrouillen zurück, drangen in die Geschäft« «in, rtch, teten ein Durcheinander an- eigneten sich Gegenständ« an und ließen einen wett geringeren Betrag zurück, al» dem Wert der mitgenommenen Waren entsprach, Zn ver schiedenen Restaurants, di« gleichfalls die Bedienung! der Franzosen ablehnten, wurden Personal und Publi kum unter Drohungen und Mißhandlungen von den Mi litär» auf die Straße getrieben, wobei die Betroffenen oft nicht einmal ihre Garderobe mitnehmen konnten. Auf den Straßen machte sich infolge der Gewaltakte der Fran zosen eine starke Erregung bemerkbar. > Tas Vorgehen der Franzosen in den Geschäften, da» von der Bevölkerung al» gemeiner Raub empfunden wird»ist größtenteils auf die Verordnung de» französi schen TivtstonSgeneralS zurückzusühren. der in einem Schreiben an die Stadtverwaltung angekündtgt hatte, daß er den ihm unterstellten Truppen mit Rücksicht auf di» zögernde Ausführung der NcquisittoruSbesehle, Befehl gegeben habe, sich selbst zu bedienen. (!) Der Oberbürgermeister, dessen Stellvertreter, fer ner der Polizeipräsident, der Post- und der Telegraphen, direktor wurden verhaftet. Tas Post- und Telegraphen, amt ist von französischen Soldaten besetzt. Die Franzosen setzen die Beschlagnahme von Kohle fort, ohne Rücksicht daraus, für welch« Zweck« sie berück sichtigt ist. Gestern wurde in Wann« sogar in einer Brotfabrik der gesamte Kohlenvorrat von 40 Zentnern beschlagnahmt. Li, Güterblockade. Di« Düterblockad« Ist seit Montag nachmittag wirksam geworden- Auf dem Bahnhof Apperbeck find 14 Eisenbahn wagen mtt Kruppschen Halbzmgfabrtkaten, auf dem Bahnhof Brak« ist ein Stückgut festgrhaiten worden, vor Hengstei ist ,M Perfonenzug auf freier Strecke zum Halten gezwunM worden Gin fahrender Kohlenzug wurde von den FranzoM beschossen. V»r Erlss nach -«n NuhrtlfeabahNßH. Der Direktor de» französischen EisenbahstdwattMW tm Verkehrsminifterium und der stellv,rmiend, DittWW Staatseisenbahnen, Breand, haben sich nach DÜsseldorW den, wo sie zusammen mit dem General Papst mW belgischen Lhefingenieur di, UebernaHm, der MW Ruhretsenbahnen durch di« Franzosen SW .wollen. Die Beschlüsse der franzbstschm und tzW rung in dieser Frag, «erden buch MaueninschlaßM schm Eisenbahnern dekanmg,geben werden. .M