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Montag, cken 1». Dezember 1S2S Nr. sss Pvütlfche Wochenschau, vom Oberbürgtrmrtstrr vr. «Al,, M. d. R. Die Wahrscheinlichkeit war sehr grob, daß noch vor Weihnachten dem deutschen Volke von London her ein üble» Chrtstmeß-Angebinde herübergeschickt werden wür» d«. Wenn die Zujammenkunst der Ministerpräsidenten in London.zu einer Einigung geführt hätte, so wäre diese Einigung naturgemäß auf dem Rücken Deutsch« lands zustandegekommen, und das Ministerium Cuno hätte sich dann vor die Entscheidung allein Ultimatum gestellt gesehen, das als Vorbereitung'oder Vorbedin gung der Brüsseler Konferenz mit absoluter Sicherheit gekommen wäre. Lieser Entwicklungsgang ist zunächst unterbrochen worden. In London haben die Minister präsidenten vorläufig keine Einig un gSformel ge funden. Ter politische Vernichtungswille Kran'tteich» gegenüber Deutschland findet keine Bundesgenossen mehr. GS ist gut, dies besonders festzustellen, da dieser Zu stand nur erreicht werden konnte durch die bisher von Teut,ch.and betriebene, von jedem Chauvinismus sich freihackende Politik. Es wäre aber verhängnisvoll, an nehmen zu wollen, daß der französische VernichtungS- wi.le durch das Abrücken von England und Belgien ir gendwie geschwächt worden sei. Poincare will wieder versuchen, mit seiner bisherigen Methode, d. h. auf.dem Umweg wirtschaftlich unmöglicher Forderungen, -um Ziele der politischen Zerstückelung Deutschlands zu ge langen. Für Deutschland mit seinen derzeitigen Macht verhältnissen bleibt bei dieser Sachlage keine andere Politik übrig, als Frankreich gegenüber auch den Schein eines Rechtes zu neuen Gewaltmatznahmen zu nehmen. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es auch.verständlich, daß die Reichsregierung sich .entschlossen hat, die für Ingolstadt, Passau und Stettin geforderte Sühne summe zu bezahlen. Ganz gewiß bedeutet diese Zah lung eine neue Demütigung Deutschlands, verschuldet durch ^verantwortungsloses Handeln deutscher Volksge nossen, die ohne jede Rücksicht auf die notwendigen Fol gen zu Exzessen verschreiten, mit denen sie weder einer Sach« .noch einer Person nützen können. So sehr sich das Innere jedes Deutschen gegen dies« neu« Demüti gung aufbäumt, so wenig konnte man ihr aus dem Wege gehen, wenn man nicht noch Schwereres und noch Demütigenderes heraufbeschwören wollte. Larin liegt ja eben eine der schmerzlichsten Erschei nungen unserer Zeit, daß so. viele Kreise in Deutschland die Wirkung ihrer Worte und Taten auf die Lage des eigenen Volkes nicht abwägen. Gin äußerst betrübendes, aber sehr kennzeichnendes Bild bot in dieser Beziehung eine der größten deutschen Zeitungen, sie „Deutsche Allgemeine Zeitung", nach Ablehnung der Vorschläge in London. Nach am selben Abend stand mit fetten Let tern an der Spitze des Blattes nach einer Notiz von der Ablehnung die Mitteilung zu lesen, daß die deutschen Vorschläge der Industrie nicht bekannt gewesen.seien und von ihr nicht gebilligt worden wären. Ungeschickter und verantwortungsloser, als eS hiev geschah, kann ein große» deutsches Blatt kaum handeln, und wenn die po litische Weisheit des Herrn Stinnes in dieser Notiz ih ren Niederschlag finden sollte, so wäre es besser, er über ließe die Politik anderen. Ganz abgesehen davon, daß bet aller wirtschaftlichen Bedeutung Herr Stinnes nicht gleichbedeutend ist mit der Industrie und durchaus nicht berechtigt ist, im Namen der deutschen Industrie zu spre chen, ist e» völlig sinnlos, nach Ablehnung der deutschen Vorschläge die deutsche Regierung vor dem Auslande noch nachträglich dadurch besonders zu diskreditieren, daß man ihr den Borwurf »acht, ohne Einverständnis mit der JnduGrte wirtschaftlich, bedeutsame Vorschläge ge macht zu haben. Zn England würde z. B. eine solche Diskreditierung der Regierung aus industriellen Krei sen 'heraus al- unfair einfach undenkbar sein, und die industriellen Kreise würden sich dort, wenn sie sich über gangen fühlten, mit der Regierung unter vier Augen ausetnandevsetzen. Bei uns denkt man offenbar noch anders über diese Dinge, und es mutz, aufrichtig begrüßt werden, daß der Reichsverband der Deutschen Industrie und di« Deutsche Bolkspartei von dieser Handlungsweise de« von Herrn Gtinne» unterhaltenen Blatte» abgerückt sind. Unsere gegenwärtige Lage ist zu ernst, al» daß der Regierung au» den Kreisen heraus, di« in ihr selbst vertreten sind, unnötigerweise Knüppel zwischen die Beine geworfen werden oder daß «ine von früher her vielleicht bestehende persönlich« Mißstimmung ein«».ein zelnen Industriellen gegenüber dem Reichskanzler sich zur Diskreditierung der ganzen Reichsregterung Aus wachsen dürft». Dertraueüsvotum für Polncarö. Di« große Kammerde-atte hat, wie e» zu erwarten war, mit de« Annahme der einfachen Tagesordnung ge endet. Dies« würde mit 512 gegen .76 Stimmen ange Internationale Aoufereuz in Washington. „Daily Mail" berichtet au» Reuyork: Gerüchtweise ver lautet, daß Präsident Har ding beabsichtige, nachdem er de» amerikanischen Botschafter zu Rate gezogen Habs, die Mächte zur Teilnahme au einer internationalen Konferenz nach Was hington einzuladen. Wenn alle Pläne bereit seien, so werden diese den europäischen Mächten mitgeteilt. Die Hälfte oder zwei Drittel der Anleihe von I X Milliarde sollen zur Zeichnung in Amerika aufgelegt, der übrig« Teil auf die anderen Natio nen nach einem vorherigen Plaue verteilt werde». AS Sicher heit für diesen Kredit werde die amerikanische Regierung ein» Hypothek auf alle deutschen Einnahmequellen einschließlich der Ein- und Ausfuhrabgaben, Vorschlägen. Mit anderen Wor ten, die alliierten Regierung^ sollten auf einen Teil ihrer Pfänder aus dem Friedensvertrag verzichten, um den Forde rungen der internationalen Bankiers für die Zeichnung des geplanten Kredites gereA zu werden. Die Hindernisse, die einer Vereinbarung über eine solche Hypothek im Wege stän den seien fast unüberwindlich. Andererseits sei jedoch die Lage Europas verzweifelt. „Daily Mail" zufolge ist der amerikanische Plan auf die außerordentlichen Rückwirkungen zurückzuführen, welche die europäische Lage auk die innere Politik der Bereinigten Staaten ausübe. Besonders die amerikanischen Farmer beklagen sich bitter über die Unmöglichkeit, ihren Ueberschuß in Europa zu verkaufen, weil Europa nicht bezahlen könne. Eine UulersuchuugskommWou -er Miierteu oa- Amerikaner! Wie „NewHvrk Herold" aus Washington berichtet, hat men unmöglich zu bezeichnen, auf irgenoeinen Teil der z 1. Amerika zieht unter gewissen Voraussetzungen eine Italien züstehenden Reparationen zu verzichten, außer tätige Anteilnahme an der europäischen Politik in Betracht. - - - - - ---. - ° 2. Amerika ist bereit, eine Regelung vorzuschlagen. Diese Bereitschaft hängt jedoch von der Zustimmung Frankreichs av. 3. Amerika ist der Ansicht, daß Deutschland nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit zahlen soll, verlangt aber, wenn Deutschland nicht zahlen kann, daß diese Tatsache anerkannt werde. 4. Amerika steht auf dem Standpunkt, daß eine Bedrohung Deutschlands mit Okkupation und wirtschaftlicher Erdrosselung die Welt schädigt. 5. Amerika ist bereit, einen umfangreichen Privatkre dit im Interesse Deutschlands gutzuhetßen. 6. Der Kredit ist zu garantieren mittels teilweiser Auf. Hebung der ersten Hypothek, die die Alliierten auf Grund de» Versailler Vertrages besitzen. Das Blatt fügt hinzu, die Regierung würde es als reinen Wahnsinn für die Vereinigten Staaten betrachten, wenn sie sich in die europäische Politik stürzten, ohne die Versicherung erhalten zu haben, daß die Alliierten, namentlich Frankreich, nachgeben. Inoffiziell werde in Washington die Bildung einer Kommission vorgeschlagen, bestehend beispielsweise aus alliier ten und amerikanischen Sachverständigen, die die Besteuerung in Deutschland untersuchen und die deutsche Zahlungsfähigkeit abschätzen soll. Der polnische Staatspräsident Narutorpicz erschossen. Heut« mittag wurde während der feierlichen Eröffnung der alljährlichen Kunstausstellung tm Attentak aus den Staatspräsidenten der Republik Polen, Gabriel Naru- towicz, verübt, indem drei Schüsse aus jhn abgefeuert wurden. Staatspräsident Narutowirz ist tot. Der Alten, tätet, Kunstmaler SliasrN i e «iBdrinskk, ift oerhastet. NarUtvwicß war ein Schulkamerad de» frühere« polnischen Außenminister» Sktrmunts, mit dem er da« Libauer Stadtgymnasium besuchte. Danach studierte « * Jngenteurwtssenschaften in Petersburg. Der,V8 Jahren alt geworden« Präsident hat 86 Jahre in der.Schwei» gelebt und die eidgenössische Staatsangehörigkeit erwor ben. Er wirkte al» Professor am Polytechnikum in Zü rich. G 1 Narutowiez wurde am S. Dezember al» Nachfolger Pilsudski» mit 889 Stimmen der Linken und der.Min derheiten gegen 327 Stimmen der Rechten zum Staat», Präsidenten der Republik Polen gewählt. Peine Wahl bedeutet« eine Zufallswahh und rief ip den nationalen Kreisen Polen» Helle Enwvrung herM. 'General -al ler rief die Bevölkerung Warschau« zum heftigen Kampf gegen Narutowiqz auf Und ldie» auf Pa- Recht der Ae» * WWW Mzeiger für Sas Erzgebirge ßnäfpiich-ftesihw- N». s». »tzuys»« «ukp—u«»«u. Lelegeemwe, kag»tl«tt Euthallsa- -l» amlllchau a»kaantmachuah»a -JA a-EßO -RI Sta-1 AK- -GD ^WchOgerichlH Posksiheck-Kouw» ft ml »»Ipzig u». ree» wenn England zu einer billigen Regelung Heiner den? Alliierten gewährten Kredite schreite, wodurch es den Alliierten ermöglicht würde, zugunsten Deutschlands auf einen entsprechenden Anteil an den Reparationen zu verzichten. Die italienisch« Regierung fordere in loyaler und aufrichtiger Weise die.se Regelung seitens Englands, wo bei sie sich aus die Erwägung stütze, daß hie interalli ierten Schulden nicht aus eine Stufe gestellt werden könnten, sowie daß diL britische Regierung, die hervor ragenden Finanzmänner und Vertreter des Handels sich vollkommen Rechenschaft darüber ablegten daß England die Bezahlung seiner Kredite nicht verlangen könne, ohne die Alliierten in den Abgrund einer politischen Krisis und des wirtschaftlichen Bankerotts zu stürzen^ Nachdem die italienische Regierung diese Betrachtungen allgemeiner Art vorausschickte, unterbreitete sie den Alli ierten folgende Vorschläge zur Prüfung: 1. Die alliierten Mächte kommen überein, daß hie Regelung der Bons der Serie E erfolgen solle mittels des Wertes der von Oesterreich und Ungarn abgetreten nen Staatsgüter, , 2. Die deutsche Reparation-schuld wird auf diese Weise auf die Obligationen der Serien A und B be schränkt, das heißt, auf 60 Milliarden Goldmark. 3. Lin Moratorium von zwei Jahren soft Deutsch land für die Bezahlung dieser Obligationen gewährt werden. 4. Tie deutsche Regierung verpflichtet sich, vor dem 15. Januar 1923 zu bewirken, daß die deutschen Ban ken und die deutsche Industrie die Unterbringung einer Anleihe von mindestens 3 Milliarden Goldmark garan tiere». wovon 500 Millionen Mark gemäß den Vor schlägen von Dr. Wirth tm. November dieses Jahres von der deutschen Regierung zur Stabilisierung der Mark usw. verwandt werden sollen. Der Rest soll Mr die Reparationen bestimmt werden. 5 Einige Einnahmen de» Deutschen Reiche», auf die heut« hre Reparationen.ein Vorrecht haben, sollen als Garantie für dies« Anleihe bestimmt werden. S Die reparation-berechtigten Mächte sollen von Deutschland verlangen können, daß es die Sachlieferun- gen fortsetz«. - - , , 7. Während der Louer de» Moratorium» werden die Reparattonskommission und erforderlichenfalls da» der- stärkt« Garantiekomtt«« darüber weichen, daß di« deutsche Regierung alle zur Stabilisierung de» Markwert«» not, wendtzen Maßnahmen ergreife. nommen. Nur Sozialisten und Kommunisten haben ge schlossen dagegen gestimmt. ES ssst klar, daß diese» Bo* tun» Win« Lösung der schleichenden Kabinettskrise be deutet. Poincare selbst hat sie al» ein Proviso«ium für kur!ze Frist bezeichnet, indem ex die Parteien vor der Abstimmung inständig bat, angesichts der inter- natihualen Lage „für eigige Tage" geschlossen den Burg frieden zu wahren. Die allgemein« Auffassung geht da hin, daß die wahr« Stimmung der Kammer zum Blut druck kam, al» sie nach den Erklärungen Poincare».mit 289 gegen 236 Stimmen den regierungsfreundlichen An trag auf Vertagung aller Interpellationen ablehnte. Nach der Rede TardieuS wurde es vielfach,für mög lich, gehalten, daß Poincare aller Voraussetzung zum Trotz in öffentlicher Kammersitzung gestürzt werde. Die aufmerksam angehörte Rede de- Abg. Forgeot, der von 10-/i bis gegen Mitternacht sprach, hat Poincare insofern genützt, als die Kammer sich yor ein neues Pro gramm gestellt sah, das die Mehrheit zunächst einmal verblüffen mußte. Forgeot ist über die Rede seines Parteifreundes Paul Renault, der gleich ihm zu den Kreisen um Millerand gehört, weit hinausgegangen, in dem er nicht nur die Festsetzung der deutschen Schuld auf einen vernünftigen Betrag und die rein wirtschaftliche Lösung der Repara tion» frage. sondern überdies offen sofort die Räu mung des besetzten Rheinlands» km Falle eines Schutzpakje» mit England und Amerika emp fahl. ES ist al» ein deutliches Symptom für den in Frankreich etugetretenen Umschwung zu betrachten, daß die Kammer diese Erklärungen ruhig angehört hat.^For- geots Rede klang aus in der Aufforderung zum frei willigen Rücktritt Poincare». n. Jahrgang t ' 8. Nach Ablauf de» Moratorium» und nach Wieder herstellung de» Kr«dit» Deutschland» soll diese» die No- paratkonszahlungen wieder aufnehmen. Endlich beschäftigt sich der Plan Mussvlink» mkt dem Problem der produktiven Pfänder, die von Deutsch land al» Ausgleich Mr di« ihm gewährte»'Erreichte- . rungen gefordert werden müßten und die al» geeipmt f zu betrachten seien, dte rechtmäßigen Ansprache den Gläubiger, besonder» Frankreichs, zu beseitig«. Tagebtatk Mussolinis Neparatwnsäenkschrist. Herabsetzung -er deutschen Schul-. / In seiner der Londoner Konferenz vorgelegten Denk schrift weist der Ministerpräsident Mussolini zunächst °uk drtm«nd° -ttt« m.d -SÄ R endgültigen Regelung der Reparationsftage hin. Die Absicht bestehe» ein« internationale Bankierkonferenz einzude- italienrsche Regierung sei gegen jede Lösung, die nur j rufen. Der amerikanische Standpunkt läßt sich nach dem Blatt teilweise und aufschiebend wäre. ES iei als vollkom-! wie folgt zusmnmenfassen: men unmöglich zu bezeichnen, auf irgenoeinen Teil der l 1. Amerika zieht ün